JudikaturVwGH

Ra 2020/06/0174 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Mag. a Merl und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Schreiber, BA, in der Revisionssache des H B in V, vertreten durch Dr. Lucas Lorenz und Mag. Sebastian Strobl, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Adamgasse 11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 9. Juli 2020, LVwG 2020/43/0822 1, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Marktgemeinde V; mitbeteiligte Partei: M GmbH in V; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde V (belangte Behörde) vom 19. März 2020 wurde der mitbeteiligten Partei die Baubewilligung für die Errichtung einer Wasserstofferzeugungsanlage auf den Grundstücken Nr. A, EZ B, und Nr. C, EZ D, beide KG V., unter Einhaltung näher genannter Auflagen und Bedingungen erteilt.

2 Die Bauplätze Nr. A und Nr. C sind im Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde V als „Sonderfläche standortgebunden § 43 (1) a, Wasserstofferzeugungs- und Wasserstoffaufbereitungsanlage“ ausgewiesen. Für die Bauplätze besteht der Bebauungsplan und Ergänzende Bebauungsplan „B 16 V Wasserstofferzeugungs- und Wasserstoffaufbereitungsanlage“.

3 Der Revisionswerber ist Eigentümer der nördlich der Bauplätze situierten Grundstücke Nr. E und Nr. F. Die Grenzen dieser beiden Grundstücke liegen innerhalb eines Abstands von 5 m zu den Bauplätzen, von diesen jedoch durch den Weg, Grundstück Nr. G, (öffentliches Gut) getrennt.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol (LVwG) wurde die vom Revisionswerber gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde V (belangte Behörde) vom 19. März 2020 erhobene Beschwerde abgewiesen.

5 Das LVwG hielt im angefochtenen Erkenntnis unter anderem fest, das verfahrensgegenständliche Projekt umfasse ausschließlich Baumaßnahmen auf den Grundstücken Nr. A und Nr. C. Nach dem Spruch des Bescheides der belangten Behörde sei die Errichtung einer Wasserstofferzeugungsanlage genehmigt worden. Eine Brücke über den V Giessen, die ursprünglich Projektbestandteil gewesen sei, hätte einen Abstand von fast 3 m zu den verfahrensgegenständlichen Anlagen aufgewiesen. Die Brücke sei jedoch vor Abschluss des behördlichen Verfahrens aus dem Projekt gestrichen worden, was einerseits dem Behördenakt zu entnehmen sei und andererseits in sämtlichen Planunterlagen durch eine deutliche Streichung, versehen mit Stempel und Unterschrift der Bauwerberin, ersichtlich gemacht worden sei.

6 Zum Beschwerdevorbringen, wonach das gegenständliche Verfahren ein Projektgenehmigungsverfahren sei und auch die erwähnte Brücke, der im Rahmen des Projekts erhebliche Bedeutung zukomme (nach den Beschwerdeausführungen sollte der erzeugte Wasserstoff in über die Brücke verlegten Leitungen transportiert werden und Versorgungsleitungen könnten ohne die Brücke nicht verlegt werden), in diesem Verfahren bewilligt werden müsse, führte das LVwG im Wesentlichen aus, „Projekt“ sei in diesem Zusammenhang keineswegs mit dem Begriff der „einheitlichen Betriebsanlage“ im Gewerberecht gleichzusetzen, welche die Gesamtheit jener Einrichtungen umfasse, die dem Zweck des Betriebes eines Unternehmens gewidmet sei. Wenn ein Bauvorhaben in baurechtlicher Sicht teilbar sei, könne und dürfe jeder Teil dieses Vorhabens in einem eigenen Bauverfahren behandelt werden. Dem Bauwerber stehe es frei, bis zum Abschluss des Bauverfahrens seinen Antrag um einen solchen Teil zu verkürzen, ohne dass dies eine Verletzung von Nachbarrechten darstelle. Schon aufgrund der Situierung könne ein baulicher Zusammenhang zwischen den geplanten und den vom Revisionswerber ausdrücklich erwähnten Anlagenteilen auf anderen Grundstücken ausgeschlossen werden. Bloß durch die Herstellung von Rohrverbindungen entstehe kein derart untrennbarer baulicher Zusammenhang zwischen baulichen Anlagen, dass sie fortan als eine einzige bauliche Anlage anzusehen wären (beispielhafter Verweis auf die Errichtung von Wasser- oder Fernwärmeleitungen).

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Zu ihrer Zulässigkeit wird in der Revision ausgeführt, ein einheitliches Bauvorhaben dürfe nicht willkürlich in mehrere Bauvorhaben zerlegt werden. Der Revisionswerber als Nachbar besitze einen Rechtsanspruch auf Einhaltung des Grundsatzes der Unteilbarkeit des Bauvorhabens (Verweis auf VwGH 25.3.2010, 2009/05/0043).

12 In rechtlicher Hinsicht sei „ein Bauverfahren“ (gemeint wohl: ein Bauvorhaben) grundsätzlich ein unteilbares Ganzes, das nur als solches von der Baubehörde bewilligt oder abgelehnt werden könne. Eine Trennbarkeit in mehrere Teile sei jedenfalls dann nicht gegeben, wenn eine Teilbewilligung nur durch eine der Baubehörde verwehrte Einflussnahme auf die Gestaltung des Bauwillens möglich sei; letztlich maßgeblich sei daher der Wille des Bauwerbers (Verweis auf VwGH 9.9.2008, 2008/06/0087).

13 Die Wasserstofferzeugungsanlage bestehe gemäß den eingereichten Planunterlagen aus sechs Baulichkeiten. Die Brücke (Bauwerk 4) diene unter anderem als Leitungsbrücke, sodass ihr erhebliche Bedeutung zukomme, weil der erzeugte Wasserstoff in Leitungen, die über die Brücke verlegt würden, transportiert und gespeichert werden solle. Die Errichtung ohne Bauwerk 4 ergäbe keine fertige betriebsbereite Wasserstofferzeugungsanlage. Das Bauvorhaben bilde eine Einheit und sei unteilbar. Durch die Entfernung des Bauwerks 4 aus den Planunterlagen durch die Projektwerberin so der Revisionswerber weiter komme ihm keine Parteistellung im Sinn des § 33 Tiroler Bauordnung 2018 zu, sodass seinen Einwendungen hinsichtlich der Verletzung bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften die Rechtsgrundlage entzogen werde.

14 Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

15 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei einem Baubewilligungsverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren, in dem das in den Einreichplänen und sonstigen Unterlagen dargestellte Projekt zu beurteilen ist, wobei der in den Einreichplänen und den Baubeschreibungen zum Ausdruck gebrachte Bauwille des Bauwerbers entscheidend ist. Eine Beeinträchtigung der Nachbarrechte ist daher nur anhand des in den Einreichplänen dargestellten Projektes zu beurteilen (VwGH 11.12.2020, Ra 2018/06/0247, mwN).

16 Wie bereits das LVwG im angefochtenen Erkenntnis zutreffend ausführte, besagt der Begriff „Einheit der Betriebsanlage“ im Gewerberecht nicht, ob einzelne Teile einer Betriebsanlage in baurechtlicher Hinsicht selbständig beurteilt werden können (bzw. trennbar im baurechtlichen Sinn sind).

17 Ein verfahrenseinleitender Antrag kann gemäß § 13 Abs. 8 AVG vom Bauwerber in jeder Lage des Verfahrens geändert werden (vgl. etwa VwGH 27.9.2018, Ra 2018/06/0170).

18 Eine solche Änderung des Antrags wurde hier von der Mitbeteiligten vorgenommen. Unstrittig stellt die in Rede stehende Brücke keinen Bestandteil des hier baubewilligten Vorhabens mehr dar. Wenn aber ein Teil des Bauvorhabens nicht Gegenstand der (hier angefochtenen) Bewilligung war, können die von diesem Teil Betroffenen in diesem Zusammenhang auch keine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte geltend machen.

19 Der Verweis des Revisionswerbers auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein Bauvorhaben grundsätzlich ein unteilbares Ganzes ist und der Nachbar auf die Einhaltung des Grundsatzes der Unteilbarkeit des Bauvorhabens insoweit einen Rechtsanspruch hat, als damit eine Beeinträchtigung seiner subjektiv-öffentlichen Rechte in Betracht kommt (vgl. etwa VwGH 22.1.2015, Ra 2014/06/0055, mwN), geht im gegenständlichen Fall ins Leere.

20 Wenn sich der Revisionswerber im Ergebnis gegen einen nicht bewilligten Teil des Bauvorhabens wendet, argumentiert er an der „Sache“ des Verfahrens vorbei (vgl. dazu erneut VwGH Ra 2014/06/0055).

21 Im Übrigen geht aus dem vom Revisionswerber zitierten hg. Erkenntnis vom 25. März 2010, 2009/05/0043, gerade nicht hervor, dass ein Bauvorhaben im Laufe des Verfahrens nicht eingeschränkt werden dürfe, wurde dort doch das Vorhaben „Errichtung eines landwirtschaftlichen Gebäudes mit Buschenschank“ von der Beschwerdeführerin um einige Projektbestandteile (Stellplätze, Spielplatz, Gastgarten) reduziert.

22 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs.1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 29. Juni 2021

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