Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofrätin Dr. Wiesinger und die Hofrätin Dr. in Oswald als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des M D, vertreten durch Dr. Silvia Vinkovits, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Friedrich Schmidt Platz 4/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23. Februar 2022, W184 2251840 1/11E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein algerischer Staatsangehöriger, stellte nachdem er bereits in Ungarn einen solchen Antrag gestellt hatte nach seiner Einreise in Österreich am 17. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Ab 18. Juni 2015 war er aus der Grundversorgung abgemeldet und für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) nicht greifbar. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des BFA vom 23. September 2015 als unzulässig zurückgewiesen. Unter einem wurde ausgesprochen, dass nach den Bestimmungen der Dublin III VO Ungarn für die Prüfung dieses Antrages zuständig sei. Weiters wurde gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung des Revisionswerbers (nach Ungarn) angeordnet und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Ungarn gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei. In der Folge stellte der Revisionswerber im September 2015 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz in Deutschland. Nach dessen Erledigung wurde er von Deutschland nach Ungarn abgeschoben, wo er erneut einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
2 Der Revisionswerber reiste seinen Angaben zufolge im Jahr 2017 erneut nach Österreich ein und stellte hier am 9. Dezember 2020 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 27. Oktober 2021 nachdem der Beschwerde zuvor die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war im Beschwerdeweg zur Gänze abgewiesen wurde. Unter einem wurde ausgesprochen, dass dem Revisionswerber (von Amts wegen) kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 erteilt werde, es wurde gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Algerien zulässig sei. Überdies wurde gegen den Revisionswerber (auch) wegen dessen Straffälligkeit gemäß § 53 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. April 2021 war der Revisionswerber nämlich wegen Diebstahls durch Einbruch zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Monaten (davon sieben Monate bedingt nachgesehen) verurteilt worden.
3 Das BFA teilte dem Revisionswerber mit Schreiben vom 8. November 2021 mit, dass in Aussicht genommen werde, über ihn nach seiner Entlassung aus der Strafhaft die Schubhaft zu verhängen, und räumte ihm dazu Parteiengehör ein. In seiner Stellungnahme vom 18. November 2021 gab der Revisionswerber an, dass seine Lebensgefährtin ein Kind erwarte und er beabsichtige, die Vaterschaft anzuerkennen.
4 Mit Bescheid des BFA vom 23. Dezember 2021 wurde gegen den Revisionswerber gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet und es wurde ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach der Entlassung des Revisionswerbers aus der Strafhaft eintreten. Die Schubhaft wurde sodann im Anschluss an die Entlassung des Revisionswerbers aus der Strafhaft ab 29. Dezember 2021 vollzogen.
5 Die gegen den Bescheid vom 23. Dezember 2021 und die darauf gegründete Anhaltung in Schubhaft am 18. Februar 2022 erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 23. Februar 2022 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA VG als unbegründet ab (Spruchpunkt A.I.), es stellte gemäß § 22a Abs. 3 BFA VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlägen (Spruchpunkt A.II.), verpflichtete den Revisionswerber gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG iVm § 1 VwG AufwErsV zum Aufwandersatz an den Bund in der Höhe von € 426,20 (Spruchpunkt A.III.) und wies seinen Antrag auf Kostenersatz ab (Spruchpunkt A.IV.). Schließlich sprach das BVwG noch gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B.).
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.
7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 In der Revision wird zu deren Zulässigkeit zunächst geltend gemacht, das BVwG hätte insbesondere, um korrekte Feststellungen zur familiären Verankerung des Revisionswerbers treffen zu können eine mündliche Verhandlung durchführen müssen.
10 Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass nicht in allen Fällen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Verschaffung eines persönlichen Eindrucks erforderlich ist, um die konkrete Fluchtgefahr insbesondere im Hinblick auf eine mangelnde Vertrauenswürdigkeit des betreffenden Fremden beurteilen zu können. Sie lässt sich vielmehr auch aus einem einschlägigen Vorverhalten ableiten (vgl. etwa VwGH 11.4.2024, Ra 2021/21/0336, Rn. 9, mit Hinweis auf VwGH 5.11.2020, Ra 2020/21/0287, Rn. 19, mwN).
11 Vor diesem Hintergrund stützte sich das BVwG erkennbar den entsprechenden Erwägungen des BFA im Schubhaftbescheid vom 23. Dezember 2021 und in der Stellungnahme vom 18. Februar 2022 folgend im Ergebnis zutreffend darauf, der Revisionswerber habe sich bereits dem Verfahren über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz durch Untertauchen entzogen, er habe in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union (erfolglos) Anträge auf internationalen Schutz gestellt und dadurch seine „hohe Reisebereitschaft“ bewiesen, sich vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz vom 9. Dezember 2020 über einen längeren Zeitraum hinweg (seit 2017) unrechtmäßig und ohne Wohnsitzmeldung in Österreich aufgehalten, überdies während der Strafhaft die Mitwirkung am Ausfüllen des Formblattes zur Erlangung eines Heimreisezertifikates verweigert und er habe trotz des Bestehens von rechtskräftigen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen am 17. November 2021 in einem Rückkehrberatungsgespräch angegeben, „keinesfalls“ bereit zu sein, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren. Angesichts dieses in der Revision gar nicht und in der Schubhaftbeschwerde lediglich teilweise und gänzlich unsubstantiiert bestrittenen Vorverhaltens durfte das BVwG selbst bei Zugrundelegung der vorgebrachten familiären Bindungen in Österreich in vertretbarer Weise (weiterhin) vom Vorliegen von Fluchtgefahr ausgehen und insoweit auch einen geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA VG annehmen.
12 Auch soweit der Revisionswerber nur im Zusammenhang mit der Haftfähigkeit auf seinen psychisch „schwer angeschlagenen“ Zustand verweist, vermag er damit keine Verletzung der Verhandlungspflicht aufzuzeigen. Denn er hatte gesundheitliche Probleme im Vorfeld der Schubhaftverhängung gar nicht ins Treffen geführt und angesichts des im Beschwerdeverfahren erstatteten, lediglich oberflächlich bleibenden Vorbringens ist die Annahme des BVwG, der Revisionswerber habe gesundheitliche Probleme nur unsubstantiiert behauptet, nicht unvertretbar (siehe dazu, dass [nur] dann nicht im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA VG von einem geklärten Sachverhalt ausgegangen werden darf, wenn der Fremde die Unverhältnismäßigkeit der [Aufrechterhaltung der] Schubhaft wegen gesundheitlicher Probleme ausreichend substantiiert darlegt, etwa VwGH 11.4.2024, Ra 2022/21/0108, Rn. 7, unter Hinweis auf VwGH 15.11.2022, Ra 2020/21/0442, Rn. 15, mwN).
13 Der Revisionswerber wendet sich in der Zulässigkeitsbegründung der Revision dann auch noch gegen die Kostenentscheidung und macht geltend, das BVwG habe dem BFA zu Unrecht „2 Honorare“ für einen einzigen Schriftsatz zuerkannt. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass die vom BVwG dem Revisionswerber auferlegten, vom BFA im Beschwerdeverfahren beantragten Verfahrenskosten in der Höhe von insgesamt € 426,20 den Vorgaben des § 35 Abs. 4 Z 3 VwGVG iVm § 1 Z 3 und 4 VwG Aufwandersatzverordnung entsprechen und entgegen dem Vorbringen in der Revision nicht nur den Ersatz des Aufwands für die Erstattung eines (im gegenständlichen Beschwerdeverfahren tatsächlich verfassten) Schriftsatzes (€ 368,80), sondern darüber hinaus den Ersatz des Aufwands für die (im gegenständlichen Beschwerdeverfahren tatsächlich erfolgte) Aktenvorlage an das BVwG (€ 57,40) in pauschalierter Form umfassen.
14 Lediglich der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass eine in der Revision schließlich der Sache nach auch noch geltend gemachte Verletzung der Entscheidungspflicht abgesehen davon, dass eine solche Säumnis im Wege eines Fristsetzungsantrages geltend zu machen wäre (vgl. VwGH 16.7.2020, Ra 2020/21/0163, Rn. 14, mwN) im Hinblick auf die Bekämpfung des ab 29. Dezember 2021 vollstreckten Schubhaftbescheides in Anbetracht der ohnehin vorgenommenen Abweisung der Beschwerde mit Spruchpunkt A.I. des angefochtenen Erkenntnisses nicht ersichtlich ist.
15 Die Revision war daher nach Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 23. Mai 2024