JudikaturBVwG

W104 2304493-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2025

Spruch

W104 2304493-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian BAUMGARTNER als Einzelrichter über die Beschwerde des minderjährigen XXXX , geb. am XXXX , StA. Arabische Republik Syrien, XXXX , geb. am 16.01.1996, StA. Arabische Republik Syrien, diese vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom 08.11.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.04.2025 zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Der minderjährige Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 08.07.2024 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer an, Syrien wegen dem Krieg verlassen zu haben und eine Zwangsrekrutierung durch die freie syrische Armee zu fürchten.

3. Am 07.11.2024 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch zu seinem Antrag auf internationalen Schutz niederschriftlich einvernommen. Er gab an, aus dem Ort XXXX zu stammen und dass in Syrien Krieg herrsche, er im Schulunterricht lernen müsse mit Waffen umzugehen und Angst habe, mit Extremisten in Kontakt zu kommen. Nach Österreich sei der Beschwerdeführer gekommen, weil hier bereits ein Onkel (Anm. sein gesetzlicher Vertreter) von ihm lebe.

4. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 08.07.2024 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihm jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Heimatort des Beschwerdeführers stehe unter der Kontrolle der kurdischen Autonomiebehörden. Deshalb drohe ihm dort keine Zwangsrekrutierung durch das syrische Regime und für die „Selbstverteidigungspflicht“ in der kurdischen Autonomieregion sei der Beschwerdeführer noch zu jung. Für den Beschwerdeführer liege deshalb keine individuelle Verfolgungssituation vor.

5. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides richtet sich die Beschwerde vom 06.12.2024 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten erteilt werden müssen. Nach einer Darlegung der Vertretungsverhältnisse, des Verfahrensganges und des Sachverhaltes führt die Beschwerde im Wesentlichen aus, dem Beschwerdeführer drohe bei seiner Rückkehr nach Syrien asylrelevante Verfolgung aufgrund der bevorstehenden Zwangsrekrutierung der syrischen Armee oder durch kurdische Milizen. Zudem sei dem Beschwerdeführer angesichts der gegenwärtigen Lage in Syrien ein Besuch der Schule nicht möglich und würde der fehlende Bildungszugang eine Asylrelevanz begründen.

6. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Entscheidung vorgelegt.

7. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte mit Schreiben vom 18.03.2025 eine mündliche Beschwerdeverhandlung für den 30.04.2025 an und brachte mit diesem Schreiben und auch noch anschließend Länderberichte in das Verfahren ein.

8. Die belangte Behörde teilte mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der mündlichen Beschwerdeverhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei. Es werde die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde und die Übersendung des aufgenommenen Verhandlungsprotokolls beantragt.

9. In der Mitteilung vom 22.04.2025 gab das Bundesverwaltungsgericht weitere verfahrensrelevante aktuelle Länderberichte zur Situation in Syrien bekannt.

10. Mit Schreiben vom 23.04.2025 erstattete die Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zur aktuellen Länderberichtslage.

11. In der mündlichen Verhandlung am 30.04.2025 wurde der Beschwerdeführer zu seinen möglichen Verfolgungsgründen befragt.

12. Mit Parteiengehör vom 12.05.2025 wurde den Verfahrensparteien mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidungsgrundlage - neben den bisherigen eingeführten Berichten - die Länderinformationen zu Syrien (Version 12) vom 08.05.2025 heranzuziehen gedenkt und innerhalb von 10 Tagen ab Zustellung dazu Stellung genommen werden kann.

13. Mit Schreiben vom 21.05.2025 übermittelte die Rechtsberatung des Beschwerdeführers eine Stellungnahme zu den neu ins Verfahren eingeführten Dokumenten und führte darin zusammengefasst aus, dass dem Beschwerdeführer auch unter Berücksichtigung der nunmehr aktualisierten Länderberichtslage asylrelevante Verfolgung bei der Rückkehr in seine Heimatregion drohe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsichtnahme in:

den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend den Beschwerdeführer;

die Länderinformationen der Staatendokumentation aus dem COI-CMS zu Syrien, Version 12 vom 08.05.2025 (im Folgenden: Länderinformationsblatt);

EUAA Syria: Country Focus, March 2025

2. Feststellungen:

2.1. Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am XXXX in XXXX in der Nähe von XXXX geboren. Er ist Staatsbürger der Arabischen Republik Syrien, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache der Beschwerdeführerin ist Arabisch.

Der Beschwerdeführer ist XXXX Jahre alt und somit minderjährig. Sein gesetzlicher Vertreter ist sein Onkel XXXX der mit ihm gemeinsam in Österreich lebt.

Vor seiner Ausreise aus Syrien lebte der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinen Eltern und mehreren Geschwistern in der Stadt XXXX in der Provinz Aleppo. Nach dem Sturz des Assad Regimes zog die Familie des Beschwerdeführers in ihr eigenes Haus in XXXX zurück. Dies ist seine Heimatregion.

Der Beschwerdeführer hat in Syrien die Schule besucht.

Die Ausreise des Beschwerdeführers erfolgte im Sommer 2024 in die Türkei, wo er ungefähr zwei Monate lang aufhältig war. Anschließend reiste er über Griechenland und Kroatien nach Österreich ein und stellte am 08.07.2024 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Heimatregion des Beschwerdeführers, der Ort XXXX , befindet sich unter Kontrolle der kurdischen Autonomiebehörden.

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

2.2.1. Zur behaupteten Verfolgung durch die syrische Regierung

Bis zum Jahr 2024 bestand in Syrien die gesetzliche Verpflichtung zur Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Syrische männliche Staatsangehörige konnten bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Militärdienst einberufen werden.

Nach dem Sturz der Regierung von Bashar Al-Assad am 8. Dezember 2024 durch die von Ahmed al-Scharaa geführte HTS-Miliz wurde eine Übergangsverwaltung geschaffen. Der ehemalige Premierminister Mohammed Al-Jalali übertrug die Macht formell an Mohammed al-Bashir, den neu ernannten Übergangspremierminister, um die Fortführung der staatlichen Aufgaben einschließlich der Zahlung der Gehälter im öffentlichen Dienst zu gewährleisten, wie Al-Jalali erklärte. Ende Januar erklärte die Übergangsregierung die Verfassung Syriens aus dem Jahr 2012 für ungültig und löste das Parlament, das Militär und die Sicherheitsorgane der früheren Regierung auf. Übergangspräsident Al-Sharaa erklärte, er werde einen legislativen Interimsrat einrichten, der die Regierung bis zur Verabschiedung einer neuen Verfassung unterstützen soll.

Die Übergangsregierung schaffte außerdem die Wehrpflicht ab, außer in Ausnahmesituationen wie einem nationalen Notstand. Übergangspräsident Al-Sharaa hat wiederholt angegeben, dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und sich von der Wehrpflichtpolitik entfernen möchte, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte. Viele junge Männer ließen sich Berichten des syrischen Fernsehens zufolge für die neue Armee rekrutieren. Insbesondere seien junge Männer in Idlib in dieser Hinsicht engagiert. Die Umstrukturierung des syrischen Militärs hat aber gerade erst begonnen. Neue Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere werden Berichten zufolge durch intensive Programme rekrutiert, die von den traditionellen akademischen und Ausbildungsstandards abweichen. Der Prozess der Vorbereitung von Militär- und Sicherheitskadern wird beschleunigt, um den Bedürfnissen des neuen Staates gerecht zu werden.

Aufgrund der sich aus den Länderberichten ergebenden aktuellen Lage kann nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seiner Heimatregion asylrelevanter Verfolgung durch die (neue) syrische Regierung ausgesetzt wäre.

Dem Beschwerdeführer droht auch wegen einer behaupteten oppositionellen Gesinnung von Familienmitgliedern auch keine Reflexverfolgung durch das nicht mehr existierende Assad-Regime.

2.2.2. Zur behaupteten Verfolgung durch die kurdischen Autonomiebehörden

In Syrien besteht in der kurdischen Autonomieregion unter der Kontrolle der „Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ (= „Autonomous Administration of North and East Syria, AANES“) ein verpflichtender Militärdienst. Männer im Alter zwischen 18 und 31 Jahren sind zur „Selbstverteidigungspflicht“ in der kurdischen Autonomieregion verpflichtet. Die Selbstverteidigungspflicht ist auf Männer beschränkt, die 1998 oder später geboren sind und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben.

Im Gesellschaftsvertrag von 2023 der kurdischen Selbstverwaltung ist im Artikel 55 festgeschrieben, dass die Rechte von Kindern geschützt und die Anwendung von Gewalt gegen sie, ihre Beschäftigung, Ausbeutung und Rekrutierung verboten sind. Des Weiteren legt Artikel 52 fest, dass die Jugendlichen das Recht haben, sich selbstständig zu organisieren und sich organisiert und freiwillig an allen Lebensbereichen zu beteiligen.

Der Beschwerdeführer unterliegt aufgrund seines Alters nicht der kurdischen Selbstverteidigungspflicht und droht ihm bei einer Rückkehr in seine Heimatregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die reale Gefahr asylrelevanter Verfolgung durch die kurdischen Autonomiebehörden.

2.2.3. Zum behaupteten fehlenden Bildungszugang

Den Länderinformationen ist zu entnehmen, dass ungefähr 35% der Kinder im schulpflichtigen Alter in Syrien keine Schule besuchen, weil viele Schulen zerstört oder beschädigt wurden und viele Eltern aufgrund wirtschaftlichen Drucks es vorziehen, ihre Kinder arbeiten zu lassen anstatt sie in die Schule zu schicken. Insbesondere die Situation von Flüchtlingskindern ist prekär, da viele Lage überfüllt sind und nur unzureichende Ressourcen und begrenzten Zugang zu schulischer Bildung bieten.

In den Gebieten unter Kontrolle der kurdischen Autonomiebehörden haben über 50.000 Kinder keinen Zugang zu Bildung, da viele Schulen als Notunterkünfte genutzt werden.

Das Bildungsministerium unter der Leitung des neuen Ministers kündigte umfassende Reformen des nationalen Lehrplans an, die eine breite Debatte ausgelöst haben. Die vorgeschlagenen Reformen beinhalten erhebliche Überarbeitungen, wie die Streichung von Inhalten, die mit dem gestürzten Assad-Regime in Verbindung stehen, die Umformulierung von Passagen über Götter in Geschichte- und Philosophiebüchern, die Umschreibung oder Streichung des Fachs Englisch, das Ersetzen des Fachs „Nationale Bildung“ durch das Fach „Islamische oder Christliche Religionslehre“.

Anhand der vorliegenden Länderinformationen kann nicht festgestellt werden, dass allen syrischen Kindern im schulpflichtigen Alter der Zugang zur schulischen Bildung pauschal verwehrt werden würde. Auch wenn aufgrund der allgemeinen (politischen) Gegebenheiten bzw. den Unbilligkeiten des jahrelangen Bürgerkrieges der Schulbesuch temporär erschwert sein sollte, legen die Länderberichte nahe, dass der jeweilige Einzelfall eine individuelle Beurteilung abhängig von der familiären bzw. wirtschaftlichen Situation und den regionalen Gegebenheiten erfordert.

Im Fall des Beschwerdeführers ist nicht anzunehmen, dass diesem bei einer Rückkehr in seine Heimatregion mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ein Schulbesuch verunmöglicht werden würde.

3. Beweiswürdigung:

3.1. Zur Person des Beschwerdeführers (Pkt. 2.1):

Die Feststellungen zur Herkunft, Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und den Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen glaubhaften und stringenten Angaben im Verwaltungsverfahren und in der mündlichen Verhandlung. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen – im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen – Aussagen zu zweifeln.

Die Feststellungen zum Lebenslauf des Beschwerdeführers, insbesondere zu seiner bisherigen schulischen Ausbildung, ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde sowie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, welche in den zentralen Punkten mit seinen Angaben im Rahmen der Erstbefragung übereinstimmen.

Die Feststellungen zum Heimatort des Beschwerdeführers und seiner Familie ergeben sich aus seinen eigenen Aussagen und sind glaubhaft. Dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus Syrien in XXXX in der Provinz Aleppo gelebt hat ändert nichts daran, dass die sozialen Kontakte des Beschwerdeführers nunmehr eine stärkere Bindung nach XXXX aufweisen. Dies ist darin begründet, da die Eltern des Beschwerdeführers nach dem Sturz des Assad Regimes in ihr Haus in XXXX – dem Geburtsort des Beschwerdeführers – zurückgezogen sind. Minderjährige Kinder sind in besonderer Weise auf die Einbettung und den Rückhalt in familiäre Strukturen angewiesen und hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auch selbst angegeben, bei einer hypothetischen Rückkehr nach Syrien nach XXXX zurückzukehren. Folglich ist dies auch als seine Heimatregion anzusehen. Die Feststellung zur Kontrolle über den Heimatort ergibt sich aus einer Einsicht in die „Live Universal Awareness Map, Map of Syrian Civil War“ (abrufbar unter https://syria.liveuamap.com/de, letzter Zugriff am Tag der Beschwerdeverhandlung).

3.2. Die Feststellungen zu Pkt. 2.2.1 ergeben sich aus ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt, Seite 10ff und 140ff sowie dem EUAA Syria: Country Focus, Kap. 1.2.2 und 4.5.5 (dt. Übersetzung durch das Gericht).

In den Länderinformationen wird dargelegt, dass der Präsident der syrischen Übergangsregierung, Ahmed Al-Scharaa, erklärt habe, dass er die Wehrdienstpflicht abgeschafft habe und stattdessen auf freiwillige Rekrutierung setze. Anfang Februar 2025 sei berichtet, worden, dass sich Scharaa zufolge tausende Freiwillige der neuen Armee anschließen würden.

Auch der EUAA Contry Focus legt dar, dass die Übergangsregierung die Wehrpflicht abgeschafft hat, außer in Situationen wie dem nationalen Notstand, und dass laut Samir Saleh, Mitglied des Militärkommandos im Umland von Damaskus, die syrische Armee eine Freiwilligenarmee sein wird, an der sich die Bevölkerung beteiligen soll, um die Grenzen des Landes zu sichern.

Andererseits hat auch der Beschwerdeführer selbst in der Beschwerdeverhandlung nichts dargelegt, was auf die Gefahr einer Zwangsrekrutierung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit hinweist.

Dass dem Beschwerdeführer nicht die Gefahr einer Reflexverfolgung durch das (nicht mehr existierende) Assad-Regime droht, ergibt sich aus den in den Länderberichten dargelegten Regimewechsel.

3.3. Die Feststellungen zu Pkt. 2.2.2. ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt, Seite 144 ff und 218 ff.

Da der 2011 geborene Beschwerdeführer nunmehr 14 Jahre alt ist, unterliegt er nicht der Selbstverteidigungspflicht in der kurdischen Autonomieregion.

Den Länderberichten ist zu entnehmen, dass die Autonomiebehörden das Gesetz über die Selbstverteidigungspflicht in Bezug auf das Einberufungsalter einhalten und konsequent durchsetzen. Nur vereinzelt gibt es Berichte, dass auch Minderjährige zur Selbstverteidigungspflicht herangezogen werden, insbesondere im Zusammenhang mit einer „revolutionären“ Jugendbewegung („Tevgera Ciwanên Şoreşger“). Eine systematische und flächendeckende Zwangsrekrutierung von Minderjährigen in der kurdischen Autonomieregion ist aus den vorhanden Länderberichten jedoch nicht abzuleiten, weshalb eine Zwangsrekrutierung des Beschwerdeführers bei einer hypothetischen Rückkehr in seine Heimatregion nicht sehr wahrscheinlich erscheint.

Zudem hat der Beschwerdeführer auch in diesem Zusammenhang in der Beschwerdeverhandlung nichts dargelegt, was auf die Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch kurdischen Einheiten mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit hinweist.

3.4. Die Feststellungen zu Pkt. 2.2.3. ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt, Seite 216 ff sowie dem EUAA Syria: Country Focus, Kap. 1.3.6 (dt. Übersetzung durch das Gericht).

Auch eine systematische Verwehrung des Schulbesuchs ergibt sich aus den Länderberichten und dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht. Die Beschwerde führt (allgemein) aus, dass dem Beschwerdeführer ein Besuch der Schule in Syrien unmöglich wäre. Eine absolute Unmöglichkeit des Schulbesuchs in Syrien von allgemeiner Gültigkeit kann aber aus den Länderberichten nicht abgeleitet werden. Es ist zweifelsohne festzuhalten, dass aufgrund der Auswirkungen des Bürgerkrieges viele Schulen zerstört oder beschädigt wurden und das Kinder in besonderer Weise Gefahren durch Kampfmittelrückstände ausgesetzt sind und unter der wirtschaftlich sehr schlechten Situation leiden.

Dennoch besuchen den Länderinformationen zufolge 65% der Kinder im schulpflichtigen Alter eine Schule und ist den Berichten zu entnehmen, dass gerade die individuelle familiäre bzw. wirtschaftliche Situation und die regionalen Gegebenheiten am Heimatort in die Beurteilung einzufließen haben, ob ein Schulbesuch im konkreten Fall verunmöglicht wird.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Einvernahme durch das BFA selbst angegeben, in Syrien zur Schule gegangen zu sein (Bescheid S. 9). Dass ihm ein Schulbesuch nicht möglich ist oder von seiner eigenen Familie aufgrund einer wirtschaftlichen Notlage verwehrt werden würde, ist vom Beschwerdeführer selbst nicht behauptet worden. Auch auf die Frage in der mündlichen Verhandlung, ob er bei einer Rückkehr in seine Heimatregion in die Schule gehen könnte, antwortete er „eigentlich schon, aber in letzter Zeit nicht“ (VHS, S. 5). Er begründete die (zuletzt) fehlende Möglichkeit des Schulbesuchs vor allem mit der Angst vor Minen, die in der Region um XXXX seien.

Dass gerade im Heimatgebiet des Beschwerdeführers die Bewegungsfreiheit aufgrund von Kampfmittelrückständen derart stark eingeschränkt wäre und dass die Unmöglichkeit des Schulbesuchs darauf beruhen würde, ergibt sich aus den Länderfeststellungen aber nicht; auch der Beschwerdeführer legte keine Berichte vor, welche nahelegen würden, dass ein Schulbesuch nicht nur aufgrund der allgemeinen Gegebenheiten bzw. Unbilligkeiten des jahrelang andauernden Bürgerkrieges (teilweise) erschwert sein sollte.

Der Beschwerdeführer hat daher nicht glaubhaft machen können, dass ihm bei einer hypothetischen Rückkehr der Schulbesuch mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit systematisch verunmöglicht werden würde.

3.5. Die Feststellungen stützen sich auf die zitierten Quellen. Angesichts der Aktualität, Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf verschiedenen voneinander unabhängigen Quellen beruhen und ein übereinstimmendes, in sich schlüssiges und nachvollziehbares Gesamtbild liefern, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Die Quellen konnten daher allesamt dem Verfahren zugrunde gelegt werden.

4. Rechtliche Beurteilung:

4.1. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)

4.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl.Nr. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist), dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG 2005 offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 gesetzt hat. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw der Rückkehr in das Land des vorherigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 14.7.2021, Ra 2021/14/0066, mwN). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); diese muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet.

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr iSd GFK. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, ist auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen. Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung setzt positiv getroffene Feststellungen der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.6.1997, 95/01/0627).

„Glaubhaftmachung“ im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK ist die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht. Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden. Zudem ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 9.5.1996, 95/20/0380). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.9.2004, 2001/20/0006, betreffend Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. die Erkenntnisse des VwGH 23.1.1997, 95/20/0303, sowie 28.05.2009, 2007/19/1248) reichen für sich alleine nicht aus, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. VwGH 26.11.2003, 2001/20/0457).

Für eine „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr – Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung – bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 27.6.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 12.9.2002, 99/20/0505; 17.9.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN). Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann allerdings nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht – unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) –, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er aufgrund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.2.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.3.2000, Zl. 99/01/0256; VwGH 13.11.2008, Zl. 2006/01/0191).

Die Schutzfähigkeit und -willigkeit der staatlichen Behörden ist grundsätzlich daran zu messen, ob im Heimatland wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, vorhanden sind und ob die schutzsuchende Person Zugang zu diesem Schutz hat. Dabei muss auch bei Vorhandensein von Strafnormen und Strafverfolgungsbehörden im Einzelfall geprüft werden, ob die revisionswerbenden Parteien unter Berücksichtigung ihrer besonderen Umstände in der Lage sind, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (vgl. VwGH 14.4.2021, Ra 2020/18/0126, mwN).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 8.10.1980, VwSlg 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 8.9.1999, 98/01/0503 und 98/01/0648).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 9.3.1999, 98/01/0370; 22.10.2002, 2000/01/0322).

4.1.2. Zur Bestimmung des Heimatortes:

Die Bestimmung der Heimatregion des Asylwerbers ist Grundlage für die Prüfung, ob ihm dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung droht und ob ihm - sollte dies der Fall sein - im Herkunftsstaat außerhalb der Heimatregion eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht (VwGH 25.8.2022, Ra 2021/19/0442 m.w.N.). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits dargelegt, dass zur Bestimmung der Heimatregion der Frage maßgebliche Bedeutung zukommt, wie stark die Bindungen des Asylwerbers an ein bestimmtes Gebiet sind (VwGH 9.3.2023, Ra 2022/19/0317). Zur Beantwortung der Frage, wo sich die Heimatregion des Asylwerbers befindet, bedarf es somit einer Auseinandersetzung damit, welche Bindungen der Asylwerber zu den in Betracht kommenden Städten - etwa in Hinblick auf familiäre und sonstige soziale Kontakte und örtliche Kenntnisse - aufweist (VwGH 25.5.2020, Ra 2019/19/0192).

Im Fall des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass dieser ursprünglich aus XXXX stammt, allerdings die letzten Jahre vor seiner Ausreise in XXXX gemeinsam mit seiner Familie lebte. Der Beschwerdeführer gab dazu in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, in XXXX geboren zu sein und dass seine Familie nach dem Sturz des Assad-Regimes in ihr eigenes Haus in XXXX zurückgekehrt ist und auch er bei einer hypothetischen Rückkehr dorthin zurückkehren würde. Wie beweiswürdigend näher ausgeführt, ist insbesondere aufgrund der familiären Kontakte des Beschwerdeführers von einer stärkeren Bindung nach XXXX auszugehen.

Im Sinne der eingangs dargelegten Rechtsprechung ist deshalb XXXX als Heimatregion des Beschwerdeführers anzusehen.

4.1.3. Zum Fluchtvorbringen einer drohenden Zwangsrekrutierung durch die syrische Regierung oder andere bewaffnete Gruppen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. VwGH 21.5.2021, Ro 2020/19/0001, mwN, VwGH 4.7.2023, Ra 2023/18/0108)).

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, wurde das Regime von Präsident Assad gestürzt. Es besteht kein verpflichtender Militärdienst mehr, es besteht für den Beschwerdeführer daher nicht mehr die Gefahr, zwangsweise zum Militär eingezogen zu werden. Es ist auch keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit ersichtlich, von anderen, nicht unter Kontrolle der Regierung stehenden bewaffneten Gruppierungen zwangsrekrutiert zu werden.

4.1.4. Zum Fluchtvorbringen des fehlenden Bildungszugangs von Kindern:

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes können massive Benachteiligungen beim Zugang zu Bildung für Kinder unter Umständen einen Asylgrund darstellen (vgl. VfSlg 19.646/2012; VfGH 5.6.2014, U2029/2013 ua; 23.2.2015, U218/2014 ua; 11.6.2015, E602/2015 ua; VfSlg 20.215/2017; VfGH 19.9.2022, E4335/2921 ua; 29.11.2022, E3674/2021 ua; 9.3.2023, E1301/2022 ua).

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass im konkreten Fall - wie in der Beweiswürdigung bereits näher ausgeführt - nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass derart massive Benachteiligungen beim Zugang zu Bildung im Fall des Beschwerdeführers vorliegen.

Aber selbst für den Fall von massiven Einschränkungen beim Zugang zu Bildung ist eine Asylrelevanz – wie eingangs bereits dargelegt – nur dann gegeben, wenn diese Einschränkungen mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt, nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung zusammenhängt, was fallgegenständlich ebenfalls nicht gegeben ist.

Es ist für das Bundesverwaltungsgericht unstrittig, dass die Kinder in Syrien in einer besonders vulnerablen Situation sind und ihre Gefährdung besonders hoch ist. Allerdings handelt es sich bei Kindern in Syrien nicht um eine bestimmte soziale Gruppe im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur (vgl. VwGH 11.12.2019, Ra 2019/20/0295, Rn. 23, mwN) und es fehlt daher (im Gegensatz zur eingangs zitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofs zu afghanischen Mädchen) am erforderlichen Zusammenhang zwischen der Bedrohung und einem Konventionsgrund. Zum einen nehmen Kinder in Syrien sich selbst nicht als Gruppe mit einer deutlich abgegrenzten Identität wahr, zum anderen werden sie von der sie umgebenden Gesellschaft auch nicht als solche betrachtet. Kinder werden in Syrien nicht aufgrund ihrer Eigenschaft als „Kinder“ verfolgt, sondern sind in besonderer Art und Weise von der desolaten wirtschaftlichen und sozialen Situation betroffen. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof eine Revision in einem ähnlich gelagerten Fall bereits zurückgewiesen (VwGH 08.07.2021, Ra 2021/20/0202).

4.1.5. Sonstige Asylgründe:

Sonstige Asylgründe sind nicht hervorgekommen. Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, wurde das Regime von Präsident Assad gestürzt. Es besteht daher für den Beschwerdeführer auch nicht die Gefahr einer Reflexverfolgung durch das syrische Regime aufgrund einer behaupteten regimekritischen Haltung von Familienangehörigen.

Auch aus der aktuellen allgemeinen Lage in Syrien lässt sich für den Beschwerdeführer eine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht herleiten. Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellen nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH 17.06.1993, 92/01/1081; VwGH 14.03.1995, 94/20/0798). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; VwGH 30.04.1997, 95/01/0529; VwGH 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt – nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung – zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist.

4.1.6. Ergebnis:

Eine individuelle Betroffenheit des Beschwerdeführers von Verfolgungshandlungen aus einem der GFK-Fluchtgründe hat dieser nicht glaubhaft machen können. Einer – nicht asylrelevanten – Gefährdung des Beschwerdeführers durch die derzeitige Sicherheits- und Versorgungslage in Syrien wurde fallgegenständlich bereits mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Rechnung getragen.

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, liegt in diesem Umstand - der gleichermaßen alle Staatsbürger des Heimatstaates trifft - für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr iSd GFK (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Der Beschwerdeführer hat eine über die nicht asylrelevanten Unbilligkeiten nach dem jahrelangen Bürgerkrieg hinaus drohende Verfolgung weder glaubhaft gemacht, noch ist eine solche von Amts wegen hervorgekommen. Es ist dem Beschwerdeführer folglich insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

Im Ergebnis war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides daher als unbegründet abzuweisen.

4.2. Zu Spruchpunkt B) – Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die Judikatur unter Punkt II.4.1.); weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im Übrigen ist der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist – sowie diese nicht unvertretbar ist – nicht revisibel (vgl. z.B. VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0149, mwN).

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