Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der mj. A K, vertreten durch Dr. Karl Heinz Plankel, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Am Rathauspark, Viehmarktstraße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. August 2022, L515 22568101/4E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 und Feststellung der Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Die Revisionswerberin, eine georgische Staatsangehörige, wurde am 5. September 2021 im Bundesgebiet geboren und beantragte am 23. November 2021, vertreten durch ihre Mutter, ebenso eine georgische Staatsangehörige, die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 AsylG 2005.
2 Mit Bescheid vom 16. Mai 2022 wies Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab und sprach gemäß § 9 Abs. 3 BFA Verfahrensgesetz (BFA VG) aus, dass eine Rückkehrentscheidung gegen die Revisionswerberin vorübergehend unzulässig sei.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen gerichtete Beschwerde der Revisionswerberin ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
4Begründend ging das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen davon aus, dass sich die Mutter der Revisionswerberin, welche deren Obsorge allein wahrnehme, auf Grund einer bis 12. September 2022 gültigen (zuletzt um drei Jahre verlängerten) Aufenthaltsbewilligung „Schüler“ rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Der Vater der Revisionswerberin halte sich in Griechenland auf. Bei seiner Interessenabwägung kam das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass auf Grund des Familienlebens der Revisionswerberin mit ihrer Mutter eine Trennung von dieser mit Art. 8 EMRK nicht in Einklang stünde. Jedoch sei der weitere Aufenthalt der Mutter in Österreich nach Ablauf von deren befristeter Aufenthaltsbewilligung ungewiss, sodass der Revisionswerberin zwar der begehrte Aufenthaltstitel nicht zu erteilen, jedoch auszusprechen sei, dass eine Rückkehrentscheidung gegen sie vorübergehend unzulässig sei. Im Fall des Verlusts der Aufenthaltsberechtigung der Mutter wäre die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung neu zu prüfen.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 20. September 2022, E 2347/2022 7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
6 In der Folge wurde die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10In den Ausführungen zu ihrer Zulässigkeit behauptet die Revision zunächst, dass das Bundesverwaltungsgericht die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK fehlerhaft angestellt habe, und verweist dazu auf den Umstand, dass sich die Revisionswerberin seit ihrer Geburt im Bundesgebiet aufhalte und sie ihr gesamtes Familienleben mit ihrer gut integrierten Mutter pflege, sodass das Bundesverwaltungsgericht die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung auf Dauer hätte annehmen müssen.
11 Nach § 9 Abs. 1 BFAVG ist die Erlassung (unter anderem) einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Ergibt die Interessenabwägung nach § 9 BFA VG, dass die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht dringend geboten ist, sondern unverhältnismäßig wäre, dann ist sie unzulässig. In einem solchen Fall ist gleichzeitig mit dem Ausspruch der Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BFAVG darüber abzusprechen, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer oder nur vorübergehend unzulässig ist (vgl. VwGH 30.11.2023, Ro 2022/21/0012, mwN).
12 Gemäß § 9 Abs. 3 zweiter Satz BFAVG ist die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung schon allein auf Grund des Privatund Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht verfügen, unzulässig wäre. Wurde die dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung festgestellt, ist ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG zu erteilen (vgl. erneut VwGH 30.11.2023, Ro 2022/21/0012, mwN).
13 Wurde hingegen nur die vorübergehende Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung festgestellt, weil zu erwarten ist, dass jene Gründe, auf denen die ansonsten drohende Verletzung des Privatund Familienlebens beruht, in absehbarer Zeit wegfallen werden, ist der Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet für den entsprechenden Zeitraum gemäß § 46a Abs. 1 Z 4 FPG geduldet (vgl. erneut VwGH 30.11.2023, Ro 2022/21/0012, mwN).
14 Fallbezogen gelingt es der Revisionswerberin mit dem bloßen Verweis auf ihr bisheriges Leben im Bundesgebiet und die fortgeschrittene Integration ihrer Mutter in schulischer und sprachlicher Hinsicht nicht, die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dass deren künftiger Aufenthalt im Bundesgebiet angesichts der Befristung der gegenwärtigen Aufenthaltsbewilligung „Schüler“ nicht dauerhaft gesichert ist, unvertretbar erscheinen zu lassen. Soweit die Revision auch auf die berufliche Integration der Mutter und deren Selbsterhaltungsfähigkeit verweist, entfernt sie sich zudem von den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses, wonach sie den Lebensunterhalt aus Sozialleistungen bestreitet.
15In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist im Übrigen konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 31.3.2025, Ra 2022/17/0016, mwN). Soweit die Revision in den Ausführungen zu ihrer Zulässigkeit bloß pauschal auf Art. 24 Abs. 2 GRC über die Wahrung der Rechte des Kindes verweist, ohne einen näheren Fallbezug herzustellen, wird daher keine zur Zulässigkeit der Revision führende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dargelegt.
16Entgegen den Ausführungen in der Revision, die allein auf § 24 VwGVG verweisen, richtet sich die Frage des Bestehens einer Verhandlungspflicht hier nach § 21 Abs. 7 BFAVG (vgl. VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0098, mwN, wonach die Verhandlungspflicht nur im Fall der Zurückweisung nach § 24 VwGVG zu beurteilen wäre). Aus § 21 Abs. 7 BFAVG ergibt sich, dass die Unterlassung einer Verhandlung nur dann einen relevanten, zur Aufhebung führenden Verfahrensmangel begründet, wenn ein entscheidungswesentlicher Sachverhalt klärungsbedürftig ist; dies ist in der Revision dazutun (vgl. VwGH 9.3.2023, Ra 2023/17/0035, mwN). Vorliegend wird daher mit der nicht näher ausgeführten Behauptung der Revision, der Sachverhalt wäre erörterungsbedürftig gewesen, keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.
17 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 15. Mai 2025