JudikaturVwGH

Ra 2022/16/0001 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
07. August 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Ing. T W in G, vertreten durch MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 18. November 2021, LVwG S 720/005 2019, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Baden), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Zur Vorgeschichte des Revisionsfalls wird zunächst in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 VwGG auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Februar 2020, Ra 2019/17/0104 (in der Folge: erstes Vorerkenntnis), sowie vom 29. September 2020, Ra 2020/17/0074 (in der Folge: zweites Vorerkenntnis), verwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hob mit dem zweiten Vorerkenntnis das im zweiten Rechtsgang ergangene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 19. Mai 2020, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Das Landesverwaltungsgericht habe im zweiten Rechtsgang ohne nähere Begründung keine mündliche Verhandlung durchgeführt.

2 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht nach Durchführung einer sich über mehrere Termine erstreckenden mündlichen Verhandlung, in deren Rahmen der Revisionswerber und weitere Zeugen befragt wurden der Beschwerde des Revisionswerbers gegen das Straferkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde mit dem der Revisionswerber der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz GSpG schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe (für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde insoweit statt, als es die verhängten Geld und Ersatzfreiheitsstrafen herabsetzte. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte es für nicht zulässig.

3 Das Landesverwaltungsgericht führte nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und auf das Wesentliche zusammengefasst aus, der Revisionswerber habe in einem näher bezeichneten Lokal unter Verwendung eines Glücksspielgerätes (virtuelles Walzenspiel) auf eigene Rechnung verbotene Ausspielungen veranstaltet. Der Revisionswerber habe das bei einer von Organen der Finanzpolizei im Dezember 2018 durchgeführten glücksspielrechtlichen Kontrolle sichergestellte Glücksspielgerät im betreffenden Lokal aufgestellt und der Lokalbetreiberin dafür ein monatliches Entgelt zugesagt. Der im Zuge der Kontrolle einvernommene Ehegatte der Lokalbetreiberin habe den Vornamen des Revisionswerbers sowie seine Telefonnummer angegeben und bestätigt, dass dieser das Glücksspielgerät aufgestellt habe. Der Revisionswerber habe auch regelmäßig die „Geldlade“ geleert. Diese Aussagen seien glaubwürdig und würden der Wahrheit am nächsten kommen, auch wenn der betreffende Zeuge zu einem späteren Zeitpunkt seine ursprünglichen Aussagen offenbar um den Revisionswerber zu entlasten relativiert habe. Es gebe zudem keine Hinweise auf einen anderen Eigentümer des Gerätes, zumal der Revisionswerber wie aus anderen gegen ihn geführten Verfahren hervorgekommen sei mindestens seit dem Jahr 2014 im „Glücksspielgeschäft“ tätig gewesen sei und alleine gearbeitet habe.

4 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 In den Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst die mangelnde Vereinbarkeit des im GSpG vorgesehenen Monopols des Bundes mit dem Unionsrecht vorgebracht.

9 Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH den Mitgliedstaaten in Ermangelung einer Harmonisierung auf Unionsebene grundsätzlich frei steht, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und das angestrebte Schutzniveau zu bestimmen. Die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die mit Glücksspielen (und Wetten) einhergehenden sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft rechtfertigen es, den staatlichen Stellen ein ausreichendes Ermessen zuzuerkennen, um im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben (vgl. VwGH 23.2.2024, Ro 2021/17/0010; 1.6.2023, Ra 2020/17/0009).

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters in ständiger Rechtsprechung unter Durchführung der vom EuGH geforderten Gesamtwürdigung erkannt, dass die im GSpG vorgesehenen Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit, etwa durch Statuierung eines Monopols zugunsten des Bundes in Verbindung mit der Vergabe von Konzessionen, aufgrund der Verfolgung legitimer Ziele in kohärenter und systematischer Weise gerechtfertigt sind (vgl. ausführlich VwGH 16.3.2016, Ro 2015/17/0022). Dieser Rechtsansicht hat sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Oktober 2016, E 945/2016 24, E 947/2016 23, E 1054/2016 19, angeschlossen (vgl. zuletzt auch VfGH 10.6.2024, A 24/2023 15). Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Rechtsprechung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten (vgl. VwGH 18.3.2024, Ro 2021/17/0011; 15.11.2023, Ra 2022/12/0043; 1.6.2023, Ra 2020/17/0009; 21.1.2019, Ra 2018/17/0150, jeweils mwN; vgl. auch VfGH 14.12.2022, G 259/2022, und OGH 18.11.2022, 6 Ob 200/22p, jeweils mwN).

11 Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang weiters pauschal Ermittlungs , Feststellungs und Begründungsmängel und damit Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts geltend macht, fehlt es bereits an der nötigen Relevanzdarstellung (vgl. etwa VwGH 19.4.2023, Ra 2021/17/0082, mwN).

12 Daher wird insoweit die Zulässigkeit der Revision nicht dargelegt.

13 Wenn der Revisionswerber mit Verweis auf Rechtsprechung des EuGH in der Höhe der verhängten Geld und Ersatzfreiheitsstrafe eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung erblickt, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtsgrundlagen für die Verhängung von Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 GSpG sowie von diesbezüglichen Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 16 VStG und für die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 Abs. 2 VStG grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar sind (vgl. VwGH 27.5.2024, Ra 2021/17/0137, mwN).

14 Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang vorbringt, die verhängte Geldstrafe stehe außer Verhältnis zu dem durch die geahndete Tat erzielbaren wirtschaftlichen Vorteil, sowie, dass die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe im Hinblick auf die Schwere der Tat überhöht sei, verabsäumt er darzulegen, aufgrund welcher allenfalls außerordentlichen konkreten Umstände des vorliegenden Falles sich die Strafbemessung durch das Landesverwaltungsgericht als rechtswidrig erweisen würde.

15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafbemessung um eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher (bloß) zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint (vgl. etwa VwGH 22.4.2024, Ra 2024/02/0074, mwN). Da es sich dabei um eine einzelfallbezogene Abwägung handelt, stellt diese im Allgemeinen keine grundsätzliche Rechtsfrage dar (vgl. VwGH 21.10.2021, Ra 2020/17/0090, mwN).

16 Eine Ermessensüberschreitung wird im vorliegenden Fall angesichts der vom Landesverwaltungsgericht begründeten Strafbemessung mit dem bloß abstrakten, nicht näher begründeten Vorbringen des Revisionswerbers nicht aufgezeigt.

17 Der Revisionswerber macht weiters Begründungsmängel geltend. Ein Begründungsmangel führt nur dann zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, wenn durch diesen Mangel die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird (vgl. etwa VwGH 24.8.2023, Ra 2023/13/0052, mwN). Dass dies hier der Fall wäre, ist nicht erkennbar. Aus dem angefochtenen Erkenntnis geht in einer die Rechtsverfolgung und die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Weise ausreichend klar hervor, von welchem Sachverhalt das Landesverwaltungsgericht ausgeht, aufgrund welcher Erwägungen das Landesverwaltungsgericht zur Ansicht gelangte, dass dieser Sachverhalt vorliege, und wie dieser Sachverhalt nach Meinung des Landesverwaltungsgerichts rechtlich zu beurteilen ist.

18 Soweit in der Revision die Beweiswürdigung des Landesverwaltungsgerichts beanstandet wird, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes nur insoweit unterliegt, als das Ausreichen der Sachverhaltsermittlungen und die Übereinstimmung der Überlegungen zur Beweiswürdigung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut zu prüfen ist (vgl. etwa VwGH 16.4.2024¸ Ro 2022/13/0017, mwN). Der an sich nur zur Rechtskontrolle berufene Verwaltungsgerichtshof ist im Übrigen auch nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt, sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 19.1.2024, Ra 2022/15/0091, mwN).

19 Das Landesverwaltungsgericht hat im angefochtenen Erkenntnis mit einer schlüssigen und nachvollziehbaren Begründung dargelegt, aufgrund welcher konkreten Umstände es im Rahmen der freien Beweiswürdigung zum Ergebnis gelangt ist, dass der Revisionswerber das verfahrensgegenständliche Glücksspielgerät aufgestellt und damit auf eigene Rechnung und Gefahr verbotene Ausspielungen veranstaltet habe. Der Revisionswerber kann nicht aufzeigen, dass die beweiswürdigenden Überlegungen des Landesverwaltungsgerichts eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen würden.

20 Abschließend macht der Revisionsweber im Rahmen des § 28 Abs. 3 VwGG einen Verstoß gegen den in § 48 VwGVG normierten Unmittelbarkeitsgrundsatz geltend. Das Landesverwaltungsgericht habe den Schuldspruch auf die im Zuge der im Dezember 2018 durchgeführten glücksspielrechtlichen Kontrolle angefertigte Niederschrift über die Einvernahme eines Zeugen des Ehegatten der Betreiberin des Lokals, in dem das Glücksspielgerät aufgestellt war gestützt, wobei eine Verlesung dieser Niederschrift in der (fortgesetzten) Verhandlung nicht erfolgt sei.

21 Gemäß § 48 Abs. 1 VwGVG ist dann, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet, oder als es sich um Beweiserhebungen handelt, deren Erörterung infolge des Verzichts auf eine fortgesetzte Verhandlung gemäß § 44 Abs. 5 leg. cit. entfallen ist. Abs. 2 leg. cit. besagt, dass eine Verlesung von Aktenstücken unterbleiben kann, wenn diese Aktenstücke von der Partei, die die Verlesung verlangt, selbst stammen oder wenn es sich um Aktenstücke handelt, die der die Verlesung begehrenden Partei nachweislich zugestellt wurden.

22 Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass die betreffende Niederschrift dem (damaligen) Vertreter des Revisionswerbers aufgrund der von ihm begehrten Akteneinsicht am 11. Jänner 2019 elektronisch übermittelt wurde. In seiner Rechtfertigung vom 25. Jänner 2019 hat der Revisionswerber zudem ausdrücklich auf die Aussagen des einvernommenen Zeugen Bezug genommen, wodurch ausgeschlossen werden kann, dass die Niederschrift dem Revisionswerber doch nicht zugekommen sei. Inwieweit das Landesverwaltungsgericht vor diesem Hintergrund gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen hätte (vgl. § 48 Abs. 2 letzter Halbsatz VwGVG), ist daher schon deshalb nicht ersichtlich. Auch inwieweit es im gegenständlichen Fall auf § 46 Abs. 3 VwGVG ankäme, auf den die Revision im Zulässigkeitsvorbringen Bezug nimmt, ist nicht nachvollziehbar (vgl. VwGH 12.3.2024, Ra 2022/12/0017), bringt der Revisionswerber doch einerseits vor, dass eine Verlesung nicht stattgefunden habe, andererseits sofern von einer „wirksamen“ Verlesung ausgegangen werde , dass die Verlesung nicht hätte erfolgen dürfen.

23 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 7. August 2024

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