JudikaturVfGH

G3502/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
05. März 2024

Spruch

I. Der dritte Eventualantrag auf Aufhebung des §16 VwGVG wird als unbegründet abgewiesen.

II. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B VG gestützten Antrag begehrt das Bundesverwaltungsgericht,

"den §16 Abs1 VwGVG, BGBl I Nr 33/2013, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 109/2021, als verfassungswidrig aufzuheben.

Eventualiter möge der erste Satz des §16 Abs1 VwGVG, BGBl I Nr 33/2013, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 109/2021, der lautet: 'Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art130 Abs1 Z3 B VG kann die Behörde innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid erlassen.' als verfassungswidrig aufgehoben werden.

Subsidiär eventualiter möge der erste Satz des §16 Abs2 VwGVG, BGBl I Nr 33/2013, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 109/2021, der lautet: 'Holt die Behörde den Bescheid nicht nach, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.' als verfassungswidrig aufzuheben.

Nochmals subsidiär eventualiter möge der gesamte §16 VwGVG als verfassungswidrig aufgehoben werden."

II. Rechtslage

Die relevanten Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl I 33/2013, idF BGBl I 88/2023 lauten (die mit dem dritten Eventualantrag angefochtene Gesetzesbestimmung gilt in der Fassung BGBl I 109/2021 und ist hervorgehoben):

"Frist zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde

§8. (1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art130 Abs1 Z3 B VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(2) In die Frist werden nicht eingerechnet:

1. die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;

2. die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.

[…]

Nachholung des Bescheides

§16. (1) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art130 Abs1 Z3 B VG kann die Behörde innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid erlassen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, ist das Verfahren einzustellen.

(2) Holt die Behörde den Bescheid nicht nach, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Gleichzeitig hat die Behörde den Parteien eine Mitteilung über die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht zuzustellen; diese Mitteilung hat den Hinweis zu enthalten, dass Schriftsätze ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht unmittelbar bei diesem einzubringen sind.

[…]

Erkenntnisse

§28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art130 Abs1 Z1 B VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art130 Abs1 Z1 B VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

(6) Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art130 Abs1 Z2 B VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.

(7) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art130 Abs1 Z3 B VG kann das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.

[…]

Entscheidungspflicht

§34. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, über verfahrenseinleitende Anträge von Parteien und Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden. Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art130 Abs1 B VG beginnt die Entscheidungsfrist mit dem Einlangen der vorgelegten Beschwerde und in den Fällen des §28 Abs7 mit Ablauf der vom Verwaltungsgericht gesetzten Frist. Soweit sich in verbundenen Verfahren (§39 Abs2b AVG) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.

(2) In die Frist werden nicht eingerechnet:

1. die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;

2. die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.

(3) Das Verwaltungsgericht kann ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art130 Abs1 Z1 B VG mit Beschluss aussetzen, wenn

1. vom Verwaltungsgericht in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist und gleichzeitig beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichtes anhängig ist, in welchem dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist, und

2. eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof das Aussetzen des Verfahrens unter Bezeichnung des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens mitzuteilen. Eine solche Mitteilung hat zu entfallen, wenn das Verwaltungsgericht in der Mitteilung ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu bezeichnen hätte, das es in einer früheren Mitteilung schon einmal bezeichnet hat. Mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes an das Verwaltungsgericht gemäß §44 Abs2 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG, BGBl Nr 10/1985, ist das Verfahren fortzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat den Parteien die Fortsetzung des Verfahrens mitzuteilen."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag des Bundesverwaltungsgerichtes liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Der Beschwerdeführer im Anlassbeschwerdeverfahren (im Folgenden: der Beschwerdeführer) stellte am 13. Dezember 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich; er wurde an diesem Tag von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstmals befragt.

1.2. Am 23. August 2022 erhob der Beschwerdeführer eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte am 13. September 2022 eine Einvernahme des Antragstellers durch und wies schließlich mit Bescheid vom 17. Jänner 2023 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß §8 Abs1 leg cit den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß §8 Abs4 leg cit eine auf die Dauer eines Jahres befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).

1.4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

1.5. Mit Erkenntnis vom 29. September 2023 behob das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid der belangten Behörde im angefochtenen Umfang ersatzlos wegen Rechtswidrigkeit infolge der Unzuständigkeit der Behörde gemäß §28 Abs1 iVm §16 Abs1 VwGVG.

1.6. Mit Erledigung vom 16. Oktober 2023 legte die Behörde die am 23. August 2022 erhobene Säumnisbeschwerde samt den dazugehörigen Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Die Behörde wies in ihrer Erledigung unter anderem darauf hin, dass die dreimonatige Frist zur Nachholung des Bescheides mit Ablauf des 23. November 2022 geendet habe.

2. Aus Anlass dieser Säumnisbeschwerde stellt das Bundesverwaltungsgericht den vorliegenden Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 lita B VG. Die Bedenken, die das Bundesverwaltungsgericht zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, legt es wie folgt dar:

"2. Präjudizialität und Auswirkungen auf die beim Bundesverwaltungsgericht anhängige Rechtssache:

2.1. Gemäß §62 Abs2 VfGG ist im Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines Gesetzes darzulegen, inwiefern das Gericht das Gesetz anzuwenden und welche Auswirkungen die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes auf die beim Gericht anhängige Rechtssache hätte.

2.2. Grundsätzlich verbleibt im Fall der Einbringung einer Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art130 Abs1 Z3 B VG die Zuständigkeit der säumigen Behörde zur Entscheidung in der Verwaltungsangelegenheit bis zum Ablauf der dreimonatigen Nachholfrist gemäß §16 Abs1 VwGVG bestehen. Ausgenommen davon ist lediglich der Fall des §16 Abs2 VwGVG, dass die Behörde bereits vor Ablauf dieser Frist die Säumnisbeschwerde samt Verwaltungsakten dem Verwaltungsgericht vorlegt.

Im vorliegenden Fall hat die Behörde nach Ablauf der dreimonatigen Nachfrist einen Bescheid erlassen, welcher wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.09.2023, XXXXX ersatzlos behoben wurde. Die Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr die Akten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens neuerlich vor.

Die Behörde vertritt sohin die Ansicht, dass das Bundesverwaltungsgericht auch nach Beendigung des Verfahrens wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art130 Abs1 Z3 B VG zur Entscheidung in der Sache über den Antrag auf internationalen Schutz des Antragstellers zuständig ist.

§16 Abs1 VwGVG ordnet zwar an, dass das Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art130 Abs1 Z3 B VG einzustellen ist, wenn der Bescheid erlassen wird. Eine Regelung über die Zuständigkeit für die Entscheidung in der Verwaltungssache selbst für den Fall der verspäteten Bescheiderlassung durch die säumige Verwaltungsbehörde nach einer Unzuständigkeitskassation durch das BVwG enthält §16 Abs1 VwGVG bzw enthalten die (sonstigen) Regelungen des §16 VwGVG jedoch nicht.

Die nunmehr weiter unten unter IV. dargestellten Entscheidungslinien des VwGH verdeutlichen, dass bei der Anwendung des §16 und insb §16 Abs1 VwGVG betreffend die Zuständigkeit zur Entscheidung in der Verwaltungssache nach Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens (bzw nach Vorliegen eines Einstellungssachverhalts gemäß §16 Abs1 Satz 2 VwGVG) jedenfalls zwei Entscheidungslinien bestehen.

Je nachdem, welcher dieser Linien man sich anschließt, würde das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung in der Sache entweder mit einer Rechtswidrigkeit infolge seiner Unzuständigkeit belasten; oder aber anders seine Zuständigkeit zur meritorischen Entscheidung rechtswidrig verweigern, sofern das BVwG keine Sachentscheidung trifft.

Insoweit ist Präjudizialität der (primär bzw eventualiter) angefochtenen Gesetzesbestimmungen vor.

Festgehalten wird dabei an dieser Stelle, dass zur Vermeidung eines zu engen bzw zu weiten Anfechtungsumfangs Eventualbegehren gestellt wurden, zumal mit diesem Normprüfungsantrag eine künftige Eindeutigkeit der im Zuständigkeitsbereich – wie unten dargestellt – derzeit ergebnisbezogen unterschiedlich ausgelegten Rechtslage angestrebt wird.

Der §16 Abs1 bzw der §16 VwGVG im Rahmen der Teil- bzw Gesamtanfechtung gemäß den (Eventual-) Begehren erscheinen jedenfalls derzeit als Sitz der mit diesem Normprüfungsantrag gerügten (zu) unbestimmten Zuständigkeitsregelung zur Sachentscheidung insb nach einem eingestellten/einzustellenden Säumnisbeschwerdeverfahren nach verspäteter Bescheidnachholung.

IV. Darlegung der Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit:

1. Gemäß §62 Abs1 VfGG hat der Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines Gesetzes im Einzelnen darzulegen, welche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetz[t]es sprechen.

Im gegenständlichen Verfahren sind beim Bundesverwaltungsgericht Bedenken zur Verfassungsmäßigkeit des §16 Abs1 VwGVG bzw eventualiter zu weiteren Regelungen des §16 VwGVG entstanden, nachdem der §16 VwGVG wohl die Zuständigkeitsgrundlage dafür ist, ob derzeit das BFA oder aber das BVwG im Anlassfall über das offene Begehren gemäß §3 AsylG inhaltlich abzusprechen hat.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu §16 VwGVG geht infolge einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde nach Vorlage derselben oder ungenütztem Ablauf der Nachfrist des §16 Abs1 VwGVG die Zuständigkeit, über die betriebene Verwaltungsangelegenheit zu entscheiden, auf das Verwaltungsgericht über. Gleichzeitig erlischt die Zuständigkeit der Behörde spätestens mit Ablauf der dreimonatigen Nachfrist, die mit dem Einbringungszeitpunkt der zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde zu laufen begonnen hat (VwGH 03.02.2022, Fr 2021/08/0005 mwN; 19.09.2017, Ro 2017/20/0001; insoweit auch VwGH 20.12.2017, Ro 2017/03/0019, Rz 13).

3. Fallgegenständlich ist nach dem Antrag auf internationalen Schutz nach Säumnisbeschwerde die dreimonatige Nachfrist zur Bescheiderlassung durch die säumige Behörde verstrichen, ohne dass die Behörde über den Antrag auf internationalen Schutz des Antragstellers entschieden hatte. Die Behörde erließ den diesbezüglichen – zwischenzeitig vom BVwG mit Vorerkenntnis zu XXXXX ersatzlos aufgehobenen – Bescheid zu §3 AsylG erst nach Ablauf der Nachfrist.

Damit ist jedoch in Entsprechung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (siehe VwGH 19.09.2017, Ro 2017/20/0001 und insoweit auch VwGH 20.12.2017, Ro 2017/03/0019) das Säumnisbeschwerdeverfahren, welches als Rechtsschutzziel nur die Herbeiführung einer Entscheidung in der betreffenden Verwaltungsangelegenheit vor Augen hat, von der Behörde einzustellen.

Tatbestand für die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens ist dabei allein die Bescheiderlassung.

4. Fraglich und hier antragskausal ist allerdings, ob nach der gegenständlich erfolgten ersatzlosen Kassation des verspäteten Bescheids das Verwaltungsgericht oder die Behörde zuständig sind, über den Antrag auf internationalen Schutz des Antragstellers in der Sache zu entscheiden.

4.1. In seiner Entscheidung vom 19.9.2017, Ro 2017/20/0001, führte der Verwaltungsgerichtshof zu einem vergleichbaren Fall nunmehr aus:

'15 2.2. Zuständigkeit nach Erhebung der Säumnisbeschwerde §16 Abs1 VwGVG räumt der Verwaltungsbehörde die Möglichkeit ein, innerhalb einer Frist von drei Monaten den Bescheid zu erlassen, ohne dass es erforderlich wäre, dass ihr dafür vom Verwaltungsgericht ausdrücklich eine Frist eingeräumt werden müsste (vgl wiederum das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2015, Ra 2015/19/0075).

Diese Möglichkeit der Nachholung des Bescheides baut darauf auf, dass die Säumnisbeschwerde gemäß §12 VwGVG bei der säumigen Verwaltungsbehörde einzubringen ist und setzt auch voraus, dass die Zuständigkeit für die Entscheidung in der zu erledigenden Verwaltungsangelegenheit nicht schon alleine aufgrund der Einbringung einer – zulässigen und berechtigten – Säumnisbeschwerde auf das angerufene Verwaltungsgericht übergeht. Demnach bleibt im Fall der Einbringung einer Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art130 Abs1 Z3 B VG die Zuständigkeit der säumigen Behörde zur Entscheidung in der Verwaltungsangelegenheit bis zum Ablauf der dreimonatigen Nachholfrist gemäß §16 Abs1 VwGVG bestehen. Dies gilt mit Ausnahme des Falles, dass die Behörde bereits vor Ablauf dieser Frist die Säumnisbeschwerde samt Verwaltungsakten dem Verwaltungsgericht vorlegt (§16 Abs2 VwGVG). Diese Sichtweise entspricht dem aus den Erläuterungen ersichtlichen Willen des Gesetzgebers, der Behörde im Verfahren über Säumnisbeschwerden die Möglichkeit zu eröffnen, die versäumte Erlassung des Bescheides nachzuholen.

16 2.3. Zuständigkeit nach Verstreichen der Nachholfrist

Nach dem oben Gesagten geht infolge einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde nach Vorlage derselben oder ungenütztem Ablauf der Nachfrist des §16 Abs1 VwGVG die Zuständigkeit, über die betriebene Verwaltungsangelegenheit zu entscheiden, auf das Verwaltungsgericht über (vgl dazu auch das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2017, Ra 2017/01/0052). Gleichzeitig erlischt die Zuständigkeit der Behörde spätestens mit Ablauf der dreimonatigen Nachfrist, die mit dem Einbringungszeitpunkt der – zulässigen und berechtigten – Säumnisbeschwerde zu laufen begonnen hat.

Tatbestandsvoraussetzung für den Zuständigkeitsübergang ist - ausgenommen im Falle einer Vorlage nach §16 Abs2 VwGVG - nur das ungenützte Verstreichen der Nachholfrist. Der Zuständigkeitsübergang tritt infolge der Einbringung einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde, die die dreimonatige Frist in Gang setzt, unabhängig davon ein, ob die säumige Behörde den Bescheid nach Ablauf der Frist nachholt oder nicht. Da die nachträgliche Erlassung des die Verwaltungssache erledigenden Bescheides keinen Einfluss auf den bereits erfolgten Zuständigkeitsübergang hat, ändert die allfällige Aufhebung eines nach Zuständigkeitsübergang von der Behörde erlassenen Bescheides in einem nachfolgenden Beschwerdeverfahren ebenso nichts an der einmal eingetretenen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts für die Entscheidung in der Verwaltungsangelegenheit.

Das Verwaltungsgericht ist nach Verstreichen der dreimonatigen Nachfrist zuständig, in der Verwaltungssache (meritorisch) zu entscheiden, ohne dass ein ausdrücklicher Abspruch über die Stattgebung der Säumnisbeschwerde vorzunehmen ist (vgl wiederum das bereits zitierte Erkenntnis vom 27. Mai 2015).

Wird der verwaltungsbehördliche Bescheid nach Ablauf der der Behörde gesetzlich eingeräumten Nachfrist erlassen, so ist dieser mit Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde belastet. Diese Rechtswidrigkeit ist im Falle der Erhebung einer Bescheidbeschwerde im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vom Verwaltungsgericht gemäß §27 VwGVG nicht nur über Einwand des Beschwerdeführers, sondern auch amtswegig wahrzunehmen. Weil nur eine im Sinne des §8 VwGVG zulässige und berechtigte Säumnisbeschwerde die Rechtsfolgen des Zuständigkeitsübergangs nach sich ziehen kann (vgl dazu auch den hg. Beschluss vom 27. April 2017, XXXXX), umfasst die Prüfung der Zuständigkeit im Fall eines Beschwerdeverfahrens in einer Verwaltungsangelegenheit, in deren Zusammenhang eine Säumnisbeschwerde erhoben wurde, die Beurteilung der Zulässigkeit und Berechtigung der erhobenen Säumnisbeschwerde.'

In Entsprechung dieser Entscheidung wäre sohin davon auszugehen, dass im Fall der Erhebung einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde für die meritorische Entscheidung nach Ablauf der dreimonatigen Frist zur Erlassung des Bescheids iSd §16 Abs1 VwGVG jedenfalls das Verwaltungsgericht – im gegenständlichen Fall das Bundesverwaltungsgericht – für die Sachentscheidung in der Verwaltungssache zuständig ist. Dies iZm damit, dass die belangte Behörde gegenständlich nach Verstreichen der Nachholfrist einen mit Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde belasteten Bescheid in der Rechtssache erlassen hatte.

4.2. In seiner Entscheidung vom 20.12.2017 Ro 2017/03/0019 führte der Verwaltungsgerichtshof jedoch iZm mit der Zuständigkeit für die Entscheidung in der Sache nach der Erhebung einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde und einem erst nach Ablauf der Nachfrist von der Behörde erlassenen Bescheid – anders – wie folgt aus:

'13 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner – nach Einlangen der hier vorliegenden Revision ergangenen – Rechtsprechung bereits festgehalten, dass auch mit einem nach Ablauf der Nachfrist gemäß §16 Abs1 VwGVG erlassenen Bescheid die Partei zunächst den von ihr mit ihrer Säumnisbeschwerde verfolgten Anspruch auf Entscheidung durchgesetzt hat, auch wenn dabei eine gesetzliche Bestimmung – nämlich, die zwischenzeitig eingetretene Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zur Entscheidung in der Sache – verletzt wurde. Diese Gesetzesverletzung geltend zu machen, ist in erster Linie der Disposition der Partei überlassen, als ihr die Entscheidung darüber offensteht, ob sie den Bescheid in Rechtskraft erwachsen lässt oder Beschwerde gegen den nachgeholten Bescheid erhebt. Die Gesetzesverletzung ist in dem allfälligen Beschwerdeverfahren vom Verwaltungsgericht zu klären, während das Säumnisbeschwerdeverfahren als Rechtsschutzziel (nur) die Herbeiführung einer Entscheidung in der betreffenden Verwaltungsangelegenheit vor Augen hat und nicht die Richtigkeit der Entscheidung (VwGH 19.10.2017, Ro 2017/20/0001).

14 Im Revisionsfall langte das verfahrenseinleitende Anbringen des Revisionswerbers am 18. September 2015, die verfahrensgegenständliche Säumnisbeschwerde am 23. März 2016 bei der belangten Behörde ein. Mit Bescheid vom 29. Juni 2016 (dem Vertreter des Revisionswerbers unstrittiger Weise zugestellt am 2. August 2016), also nach Verstreichen der dreimonatigen Frist nach §16 Abs1 erster Satz VwGVG, stellte die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde die flugmedizinische Untauglichkeit des Revisionswerbers fest. Das Verwaltungsgericht stellte daraufhin mit Spruchpunkt A) III. des angefochtenen Erkenntnisses das Säumnisbeschwerdeverfahren ein.

15 Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers führte die - nach Ablauf der Nachfrist nach §16 Abs1 VwGVG erfolgte - Erlassung des Bescheides vom 29. Juni 2016 nicht dazu, dass das Verwaltungsgericht (nach Aufhebung dieses Bescheides wegen Unzuständigkeit der außerhalb der Nachfrist entscheidenden Behörde) wieder zuständig geworden wäre, aufgrund der Säumnisbeschwerde in der Sache selbst anstelle der Verwaltungsbehörde zu entscheiden. Indem das Verwaltungsgericht daher im Säumnisbeschwerdeverfahren im vorliegenden Fall eine derartige Sachentscheidungspflicht (nach Nachholung des Bescheides durch die Verwaltungsbehörde, wenn auch außerhalb der Nachfrist) nicht angenommen hat, ist es nicht von der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.'

Aus dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs geht sohin, und dies anders als aus der Entscheidung vom 19.9.2017, Ro 2017/20/0001, hervor,

dass nach Einstellung des Verfahrens wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art130 Abs1 Z3 B VG, weil dessen Rechtsschutzziel durch die – wenn auch wegen einer verspäteten und damit wegen Unzuständigkeit rechtswidrig erfolgten – Bescheiderlassung erreicht wurde, nunmehr die Zuständigkeit für die Entscheidung in der Verwaltungssache erneut bei der Behörde und nicht beim Verwaltungsgericht liegt.

4.3. Daraus folgt nun:

Verstoß gegen Art18 Abs1 B VG

Aus der in Art18 Abs1 und 2 B VG angeordneten Bindung der Vollziehung an das Gesetz folgt jedoch auch das an den Gesetzgeber gerichtete Gebot, inhaltlich ausreichend bestimmte Regelungen zu schaffen; dieses Gebot folgt insbesondere aus der Wendung 'auf Grund der Gesetze'. Das Determinierungsgebot verlangt somit im Interesse der demokratischen Legitimation des Vollzugshandelns, seiner Vorhersehbarkeit für die Rechtsunterworfenen und seiner effektiven (verwaltungs ) gerichtlichen Kontrolle, dass alle wesentlichen Momente der beabsichtigten Regelung (VfSlg 176/1923) schon im Gesetz selbst festgelegt sind. Es ist jedoch nicht präzise erkennbar, wie genau gesetzliche Regelungen sein müssen, um dem Bestimmtheitsgebot des Art18 Abs1 und 2 B VG zu entsprechen, wo also die Grenze zwischen ausreichender Bestimmtheit und zu weitgehender Ermächtigung ('formalgesetzliche Delegation') verläuft. Der Verfassungsgerichtshof vertritt die Auffassung, dass der durch Art18 B VG gebotene Determinierungsgrad dem 'jeweiligen Regelungsgegenstand' iSd differenzierten Legalitätsprinzips adäquat sein müsse, also angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzlicher Regelungen sein können, ein dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquater Determinierungsgrad vorliegt (vgl VfSlg 17.348, 19.700, 20.250, 20.252). Art18 B VG verlange, dass jeglicher Vollzugsakt am Gesetz auf seine Rechtmäßigkeit hin gemessen werden kann (VfSlg 11.937, 12.133). Verschiedentlich wird auch gefordert, dass der Inhalt einer Regelung 'soweit bestimmbar ist, dass der Rechtsunterworfene sein Verhalten danach einrichten kann' (vgl VfSlg 13.460). Ob eine Vorschrift ausreichend bestimmt ist, hängt auch von ihren Folgen ab (vgl VfSlg 13.816; Muzak , B VG 6 Art18, Rz 8; Ranacher/Sonntag in Kahl/Khakzadeh/Schmid , Kommentar zum Bundesverfassungsrecht B VG und Grundrechte Art18 B VG, Rz 10; Grabenwarter/Frank , B VG Art18, Rz  4 und 6).

Die Judikatur vertritt in einzelnen Bereichen eine strenge Linie. So geht diese davon aus, dass eine Abstufung nach dem Rechtschutzbedürfnis bestehe und Art18 Abs1 B VG einen, dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad verlange (vgl VfSlg 13.785, 17.349; Muzak , B VG 6 Art18, Rz 11). Ob eine gesetzliche Vorschrift dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot gemäß Art18 B VG entspricht, richtet sich nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach der Entstehungsgeschichte, dem Inhalt und dem Zweck der Regelung. Bei der Ermittlung des Inhalts einer gesetzlichen Regelung sind daher alle der Auslegung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Eine Regelung verletzt die in Art18 B VG enthaltenen rechtsstaatlichen Erfordernisse dann, wenn nach Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden nicht beurteilt werden kann, wozu das Gesetz ermächtigt (VfSlg 16.137/2001, 20.130/2016; Ranacher/Sonntag in Kahl/Khakzadeh/Schmid , Kommentar zum Bundesverfassungsrecht B VG und Grundrechte Art18 B VG, Rz 11f).

§16 VwGVG bzw insb §16 Abs1 VwGVG regelt seinem Wortlaut nach betreffend Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art130 Abs1 Z3 B VG zunächst die Nachholung des Bescheids durch die säumige Behörde innerhalb einer dreimonatigen Frist, sowie für den Fall der Bescheiderlassung, die zu verfügende Einstellung des Verfahrens wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art130 Abs1 Z3 B VG. Die Zuständigkeit der säumigen Behörde zur Entscheidung in der Verwaltungsangelegenheit bis zum Ablauf der dreimonatigen Nachfrist entspricht auch dem aus den Erläuterungen ersichtlichen Willen des Gesetzgebers (vgl RV 2009 BlgNR 24. GP).

Weder §16 VwGVG insgesamt noch §16 Abs1 VwGVG noch die Gesetzesmaterialien enthalten aber Bestimmungen/Ausführungen dahingehend,

ob nach Einstellung des Verfahrens wegen Verletzung der Entscheidungspflicht bzw nach einem diesbezüglichen Einstellungssachverhalt, weil die Behörde den Bescheid nach der Säumnisbeschwerde verspätet nachgeholt hat, entweder die Behörde oder das Verwaltungsgericht zur meritorischen Entscheidung der Verwaltungssache zuständig ist.

§16 Abs1 VwGVG bzw die eventualiter angefochtenen Regelungen erscheinen daher bereits unter diesem Gesichtspunkt als im Lichte des Art18 Abs1 B VG verfassungswidrig.

Verstoß gegen Art83 Abs2 B VG

Art83 Abs2 B VG normiert das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Der Verfassungsgerichtshof nimmt in ständiger Judikatur an, dass Art83 Abs2 B VG auch den Gesetzgeber bindet (VfSlg 6675; anders noch VfSlg 2470; vgl Muzak , B VG 6 Art83, Rz 3). Der Gesetzgeber muss die Behördenzuständigkeit nach objektiven Kriterien (VfSlg 3156, 8349), exakt (VfSlg 9937, 10.311; VwGH 05.09.2008, 2007/12/0078), klar und eindeutig (VfSlg 11.288) festlegen. Die Klarheit bzw Präzision gesetzlicher Zuständigkeitsregeln für Verwaltungsbehörden bzw Gerichte muss strengen Prüfungsmaßstäben standhalten können (vgl Muzak , B VG 6 Art83, Rz 3; Zußner in Kahl/Khakzadeh/Schmid , Kommentar zum Bundesverfassungsrecht B VG und Grundrechte Art83 B VG, Rz 14). Die Zuständigkeit darf nicht von Umständen abhängen, die vom Rechtsunterworfenen nicht vorhersehbar sind und eine willkürliche Änderung der Zuständigkeit ermöglichen (VfSlg 14.192; VwGH 04.10.2018, Ro 2018/22/0001). Die Abgrenzung muss für diese klar und eindeutig erkennbar sein, und somit nach objektiven Kriterien festgelegt sein (vgl Muzak , B VG 6 Art83, Rz 3; Zußner in Kahl/Khakzadeh/Schmid , Kommentar zum Bundesverfassungsrecht B VG und Grundrechte Art83 B VG, Rz 12). Das Recht auf den gesetzlichen Richter kann von einem Vollziehungsorgan sowohl durch die rechtswidrige Inanspruchnahme als auch durch die rechtswidrige Verweigerung einer Zuständigkeit verletzt werden (- zusammenfassend und mwN zB VfGH 11.6.2018, E1660/2018; 10.10.2019, E1025/2018; s aber auch bereits VfSlg 3212/1957, 3544/1959, 3684/1960, 3779/1960; Zußner in Kahl/Khakzadeh/Schmid , Kommentar zum Bundesverfassungsrecht B VG und Grundrechte Art83 B VG, Rz 17).

Zuletzt in seiner Entscheidung vom 21.09.2023, E1920/2022-13 führte der Verfassungsgerichtshof mit Verweis auf weitere Entscheidungen erneut aus, dass das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach Art83 Abs2 B VG durch eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichts verletzt wird, wenn das Verwaltungsgericht eine ihm gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt.

Aus den oben wiedergegebenen divergierenden Entscheidungen des VwGH zu §16 (Abs1) VwGVG ergibt sich, dass die Zuständigkeit zur Entscheidung in der Verwaltungssache nach einem verspätet nachgeholten Bescheid weder hinreichend klar noch entsprechend präzise geregelt ist.

Somit erscheinen §16 Abs1 VwGVG bzw die eventualiter angefochtenen Gesetzesbestimmungen

- mangels verfassungskonform hinreichend genauer Zuständigkeitsregelung für die Sachentscheidungszuständigkeit

bei einer nach Ablauf der Nachfrist von drei Monaten von der Behörde unzuständig in Bescheidform erlassenen Sachentscheidung samt anschließender Unzuständigkeitskassation durch das Verwaltungsgericht -

unter den Gesichtspunkten des Art83 Abs2 B VG als verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber

- im hier vorliegenden Anlassfall gemäß §3 AsylG zusätzlich im Anwendungsbereich der Rechtsschutzgarantien des Art47 GRC -

mit §16 VwGVG bzw seinen einzelnen hier auch partiell angefochtenen Regelungen insoweit mangels hinreichend bestimmter Zuständigkeitsregelung dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B VG nicht Genüge getan hat, wozu nochmals wiederholt wird:

Der Verfassungsgerichtshof nimmt in ständiger Judikatur an, dass Art83 Abs2 B VG auch den Gesetzgeber bindet (VfSlg 6675; anders noch VfSlg 2470; vgl Muzak , B VG 6 Art83, Rz 3). Der Gesetzgeber muss die Behördenzuständigkeit nach objektiven Kriterien (VfSlg 3156, 8349), exakt (VfSlg 9937, 10.311; VwGH 05.09.2008, 2007/12/0078), klar und eindeutig (VfSlg 11.288) festlegen. Die Klarheit bzw Präzision gesetzlicher Zuständigkeitsregeln für Verwaltungsbehörden bzw Gerichte muss strengen Prüfungsmaßstäben standhalten können (vgl Muzak , B VG 6 Art83, Rz 3; Zußner in Kahl/Khakzadeh/Schmid , Kommentar zum Bundesverfassungsrecht B VG und Grundrechte Art83 B VG, Rz 14). Die Zuständigkeit darf nicht von Umständen abhängen, die vom Rechtsunterworfenen nicht vorhersehbar sind und eine willkürliche Änderung der Zuständigkeit ermöglichen (VfSlg 14.192; VwGH 04.10.2018, Ro 2018/22/0001). Die Abgrenzung muss für diese klar und eindeutig erkennbar sein, und somit nach objektiven Kriterien festgelegt sein (vgl Muzak, B VG 6 Art83, Rz 3; Zußner in Kahl/Khakzadeh/Schmid , Kommentar zum Bundesverfassungsrecht B VG und Grundrechte Art83 B VG, Rz 12)."

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie zunächst die Zulässigkeit des Antrages bestreitet und (hilfsweise) den im Antrag dargelegten Bedenken wie folgt entgegentritt:

"II. Zum Anlassverfahren und zur Zulässigkeit:

1. Dem Anlassverfahren liegt ein Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz zugrunde, in dem vom Antragsteller eine – soweit ersichtlich, zulässige und berechtigte – Säumnisbeschwerde erhoben wurde. Die Behörde erließ mehr als drei Monate nach Einlangen der Säumnisbeschwerde einen Bescheid, gegen dessen Spruchpunkt I. (mit dem der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status als Asylberechtigter abgewiesen wurde) vom Antragsteller Beschwerde erhoben wurde. Dieser Spruchpunkt wurde vom Bundesverwaltungsgericht 'wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde gemäß §28 Abs1 iVm §16 Abs1 VwGVG ersatzlos behoben'. In der Folge legte die Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Säumnisbeschwerde samt den Verwaltungsakten vor.

2. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist ein Antrag ua dann zu eng gefasst, wenn nach der angestrebten Aufhebung Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Bestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden kann, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (siehe zB VfSlg 15.935/2000, 16.869/2003, 19.624/2012). Ein zu enger Aufhebungsumfang macht einen Gesetzesprüfungsantrag auch dann unzulässig, wenn der (nach der angestrebten Aufhebung) verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre, er also mit den aufzuhebenden Normenteilen untrennbar verbunden ist (vgl zB VfGH 7.10.2015, G444/2015 mwN sowie VfGH 22.9.2016, G224/2016; VfGH 1.12.2016, G11/2016 und G43/2016).

3. Nach Ansicht der Bundesregierung würde eine Aufhebung im Umfang des Hauptantrages (§16 Abs1 VwGVG) und des ersten Eventualantrages (§16 Abs1 erster Satz VwGVG) zu Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften führen, weil sich erst aus §16 Abs1 erster Satz VwGVG ergibt, dass §16 auf das Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art130 Abs1 Z3 B VG anzuwenden ist. Bei Aufhebung von Abs1 leg. cit. oder auch nur von dessen ersten Satz wäre somit unklar, in welchen Fällen die übrigen Teile der Bestimmung angewendet werden sollen. Die mit dem zweiten Eventualantrag beantragte Aufhebung des §16 Abs2 erster Satz VwGVG würde dazu führen, dass §16 Abs2 zweiter Satz VwGVG unverständlich würde, bezieht sich dieser doch unmittelbar auf die im ersten Satz der Bestimmung angeordnete Vorlageverpflichtung (arg. 'Gleichzeitig') und ordnet eine Mitteilung über die bei Aufhebung des ersten Satzes nicht mehr vorgesehene Vorlage der Beschwerde an, weshalb die beiden Sätze in einem untrennbaren Zusammenhang stehen.

4. Hinsichtlich des dritten Eventualantrages (§16 VwGVG) bliebe zwar durch die beantragte Aufhebung kein unanwendbarer bzw unverständlicher Rest der Bestimmung bestehen, jedoch erscheint insgesamt fraglich, ob der Antrag den Vorgaben des §62 Abs1 und 2 VfGG entspricht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist es nicht dessen Aufgabe, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und – gleichsam stellvertretend – das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (so auch VfSlg 16.923/2003, 17.099/2003, 17.102/2004; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua). Werden mehrere Bedenken vorgetragen und mehrere Gesetzesstellen – wenn auch nur eventualiter – bekämpft, so ist es Sache des Antragstellers, die jeweiligen Bedenken den verschiedenen Aufhebungsbegehren zuzuordnen (VfSlg 19.317/2011; VfGH 10.12.2015, G639/2015). Im Antrag wird (unter Bezugnahme auf Art18 Abs1 und Art83 Abs2 B VG) vorgebracht, dass 'Bedenken zur Verfassungsmäßigkeit des §16 Abs1 VwGVG bzw eventualiter zu weiteren Regelungen des §16 VwGVG entstanden [seien], nachdem der §16 VwGVG wohl die Zuständigkeitsgrundlage dafür ist, ob derzeit das BFA oder aber das BVwG im Anlassfall über das offene Begehren gemäß §3 AsylG inhaltlich abzusprechen hat' (Antrag S. 7 f), '[w]eder §16 VwGVG insgesamt noch §16 Abs1 VwGVG noch die Gesetzesmaterialien […] Bestimmungen/Ausführungen' (Antrag S. 12) zur Frage der Zuständigkeit im konkreten Fall enthielten und sich '[a]us den oben wiedergegebenen divergierenden Entscheidungen des VwGH zu §16 (Abs1) VwGVG ergibt […], dass die Zuständigkeit zur Entscheidung in der Verwaltungssache nach einem verspätet nachgeholten Bescheid weder hinreichend klar noch entsprechend präzise geregelt ist' (Antrag S. 13). Inwieweit sich die Bedenken auf die mit den jeweiligen (Eventual )Anträgen angefochtenen Bestimmungen beziehen, lässt sich dem Antrag nicht entnehmen; die mit dem dritten Eventualantrag angefochtene Bestimmung (§16 Abs2 erster Satz VwGVG) wird nicht einmal erwähnt. Der Antrag enthält zwar einen Punkt 'Präjudizialität und Auswirkungen auf die beim Bundesverwaltungsgericht anhängige Rechtssache', diesem lässt sich jedoch nicht entnehmen, welche Auswirkungen die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes auf die anhängige Rechtssache hätte. Im Antrag wird dazu nur allgemein ausgeführt, dass 'mit diesem Normprüfungsantrag eine künftige Eindeutigkeit der im Zuständigkeitsbereich – wie unten dargestellt – derzeit ergebnisbezogen unterschiedlich ausgelegten Rechtslage angestrebt wird' (Antrag S. 7). Welche Rechtswirkungen eine Aufhebung der angefochtenen Bestimmung(en) durch den Verfassungsgerichtshof hätte – insbesondere, wer nach einer solchen Aufhebung für die Entscheidung in der Verwaltungssache zuständig wäre – geht aus dem Antrag jedoch nicht hervor.

5. Schließlich erscheint fraglich, ob es sich bei den im Antrag vorgebrachten Bedenken überhaupt um solche hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung handelt. Im Antrag werden zwar ausdrücklich Verstöße gegen Art18 Abs1 und Art83 Abs2 B VG behauptet, der Sache nach werden jedoch lediglich Vollzugsmängel – nämlich eine behauptetermaßen uneinheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – geltend gemacht. Solche Bedenken sind indes unzulässig, weil der Verfassungsgerichtshof nach Art140 Abs1 Z1 B VG allein über 'Verfassungswidrigkeit […] von Gesetzen', nicht aber über allfällige Vollzugsfehler befindet. Die Entscheidung eines Gerichtes ist nicht Prüfungsgegenstand in Verfahren nach Art140 B VG (vgl zu Art140 Abs1 Z1 lita B VG VfSlg 20.409/2020 und zu Art140 Abs1 Z1 litd B VG VfGH 23.2.2017, G274/2016, mwH; VfGH 1.7.2022, G118/2022; VfGH 1.7.2022, G143/2022). Dass eine bestimmte Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, bedeutet nicht, dass die gesetzlichen Bestimmungen, zu denen diese Rechtsprechung ergangen ist, in verfassungswidriger Weise unbestimmt wären. Ausführungen darüber, warum dies bei der angefochtenen Bestimmung der Fall sein sollte, enthält der Antrag jedoch nicht, beschränkt er sich doch darauf, nach einer auszugsweisen Wiedergabe der Begründungen der Erkenntnisse VwGH 19.9.2017, Ro 2017/20/0001, und VwGH 20.12.2017, Ro 2017/03/0019, auf einen – nach Ansicht der Bundesregierung allerdings bloß vermeintlichen – Widerspruch zwischen diesen Erkenntnissen hinzuweisen, ohne sich auch nur andeutungsweise zu Inhalt und Auslegung der angefochtenen Bestimmung zu äußern.

6. Aus allen diesen Gründen ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Antrag zur Gänze unzulässig ist.

Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof den Antrag dennoch als (teilweise) zulässig erachten sollte, nimmt die Bundesregierung im Folgenden in der Sache Stellung.

III. In der Sache:

1. Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (vgl zB VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.

2. Die im Antrag dargelegten Bedenken behaupten eine unzureichende Determinierung der Zuständigkeit in den angefochtenen Bestimmungen. Wenngleich im Bereich der Zuständigkeitsfestlegung ein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen ist (vgl zB VfSlg 16.794/2003 mwN), richtet sich die Beurteilung, ob eine Norm dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot entspricht, nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach ihrer Entstehungsgeschichte, dem Gegenstand und dem Zweck der Regelung (vgl VfSlg 8209/1977, 9883/1983, 12.947/1991). Nur wenn sich nach Heranziehung aller Interpretationsmethoden immer noch nicht beurteilen lässt, was im konkreten Fall rechtens ist, verletzt die Norm die in Art18 B VG statuierten rechtsstaatlichen Erfordernisse (VfSlg 11.859/1988, 18.738/2009, VfGH 20.9.2012, B783/12).

3. Die unter Punkt I.3 auszugsweise wiedergegebene Begründung des Erkenntnisses VwGH 19.9.2017, Ro 2017/20/0001, zeigt anschaulich, dass die angefochtene Bestimmung einer Auslegung sehr wohl zugänglich ist, denn sie wird darin vom Verwaltungsgerichtshof detailliert ausgelegt und erörtert. Es erscheint auch bezeichnend, dass der Verwaltungsgerichtshof weder in diesem Erkenntnis noch in seiner sonstigen Rechtsprechung die Vereinbarkeit der angefochtenen Bestimmung mit dem Determinierungsgebot bzw mit dem Gebot einer präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit problematisiert oder gar in Frage gestellt hat.

4. Was den im Antrag behaupteten Widerspruch zwischen den Erkenntnissen VwGH 19.9.2017, Ro 2017/20/0001, und VwGH 20.12.2017, Ro 2017/03/0019, betrifft, fällt zunächst auf, dass in der Begründung des – nur drei Monate später ergangenen – Erkenntnisses VwGH 20.12.2017, Ro 2017/03/0019 das erstgenannte Erkenntnis zweimal zitiert und ausdrücklich an dieses angeknüpft wird. Schon das muss Zweifel an der Annahme wecken, die beiden Erkenntnisse widersprächen einander. Ein solcher Widerspruch liegt nach Ansicht der Bundesregierung auch nicht vor: Die Ausführungen im Erkenntnis VwGH 20.12.2017, Ro 2017/03/0019 (Unterstreichungen nicht im Original),

'15 Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers führte die – nach Ablauf der Nachfrist nach §16 Abs1 VwGVG erfolgte – Erlassung des Bescheides vom 29. Juni 2016 nicht dazu, dass das Verwaltungsgericht (nach Aufhebung dieses Bescheides wegen Unzuständigkeit der außerhalb der Nachfrist entscheidenden Behörde) wieder zuständig geworden wäre, aufgrund der Säumnisbeschwerde in der Sache selbst anstelle der Verwaltungsbehörde zu entscheiden. Indem das Verwaltungsgericht daher im Säumnisbeschwerdeverfahren im vorliegenden Fall eine derartige Sachentscheidungspflicht (nach Nachholung des Bescheides durch die Verwaltungsbehörde, wenn auch außerhalb der Nachfrist) nicht angenommen hat, ist es nicht von der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.'

sind nämlich vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Revisionswerber – anders als in dem dem Erkenntnis VwGH 19.9.2017, Ro 2017/20/0001, zugrunde gelegenen Fall – den Spruchpunkt des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes, mit dem das Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerdeverfahren) eingestellt worden war, angefochten hatte. Seiner Ansicht nach hätte das Verwaltungsgericht das Säumnisbeschwerdeverfahren fortführen und über den verfahrenseinleitenden Antrag inhaltlich absprechen müssen. Mit den zitierten Ausführungen wird dies vom Verwaltungsgerichtshof jedoch verneint; entgegen der Ansicht des Revisionswerbers sei das Verwaltungsgericht auf Grund der Säumnisbeschwerde bzw im Säumnisbeschwerdeverfahren zur Erlassung einer (meritorischen) Entscheidung in der Verwaltungssache nicht verpflichtet gewesen. Eine allgemeine Aussage über die Zuständigkeit zur (meritorischen) Entscheidung in der Verwaltungssache in der konkreten Konstellation – welche laut Erkenntnis VwGH 19.9.2017, Ro 2017/20/0001, dem Verwaltungsgericht zukommt – wird damit nicht getroffen und brauchte vom Verwaltungsgerichtshof ja auch nicht getroffen zu werden, weil sich diese Zuständigkeitsfrage bei seiner Entscheidung über die gegen die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens erhobene Revision von vornherein nicht gestellt hat. Dass der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis VwGH 20.12.2017, Ro 2017/03/0019, die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens nicht als inhaltlich rechtswidrig erkannt hat, sagt also nichts darüber aus, wer in der konkreten Verfahrenskonstellation zur (meritorischen) Entscheidung in der Verwaltungssache zuständig wäre; unbeschadet der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes zur (meritorischen) Entscheidung in der Verwaltungssache in der konkreten Konstellation wäre der gegen die Einstellungsentscheidung erhobenen Revision nämlich keinesfalls Berechtigung zugekommen.

5. Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, dass sich die Erkenntnisse VwGH 19.9.2017, Ro 2017/20/0001, und VwGH 20.12.2017, Ro 2017/03/0019, zwanglos in einer Weise verstehen lassen, die einen Widerspruch zwischen beiden Erkenntnissen vermeidet. Doch selbst wenn sie einander widersprächen, würde daraus, wie bereits zur Zulässigkeit ausgeführt, nicht folgen, dass die gesetzliche Bestimmung, zu der sie ergangen sind, in verfassungswidriger Weise unbestimmt ist. Gemäß Art133 Abs4 B VG ist nämlich gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, was ua dann der Fall ist, wenn die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Zur Entwicklung und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und der Beseitigung von in dieser Rechtsprechung aufgetretenen Widersprüchen sieht das B VG also die Revision gemäß Art133 Abs1 Z1 B VG (sowie §13 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG, BGBl Nr 10/1985, die Bildung von verstärkten Senaten) vor. Der Verfassungsgerichtshof hingegen hat nach Art140 Abs1 Z1 B VG alleine über Verfassungswidrigkeit von Gesetzen zu befinden.

6. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die angefochtenen Bestimmungen nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig sind."

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag im Sinne des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Der Verfassungsgerichtshof hegt keinen Zweifel, dass das antragstellende Gericht die angefochtene Bestimmung bei seiner Entscheidung (denkmöglich) anzuwenden hat, zumal §16 VwGVG die maßgebliche Rechtsgrundlage für den Zuständigkeitsübergang von der Behörde auf das Verwaltungsgericht nach dem ungenützten Ablauf der Nachfrist von drei Monaten bildet.

1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Aus dieser Grundposition folgt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Teil einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).

Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Bestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).

Dagegen macht eine zu weite Fassung des Antrages diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit alle vom Antrag erfassten Bestimmungen präjudiziell sind oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teiles der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl VfSlg 19.746/2013, 19.905/2014). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht nicht präjudiziell sind, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrages (siehe VfSlg 18.298/2007, 18.486/2008; soweit diese Voraussetzungen vorliegen, führen zu weit gefasste Anträge also nicht mehr – vgl noch VfSlg 14.342/1995, 15.664/1999, 15.928/2000, 16.304/2001, 16.532/2002, 18.235/2007 – zur Zurückweisung des gesamten Antrages).

1.2.1. Entgegen der Auffassung der Bundesregierung in ihrer Äußerung sind nicht sämtliche Aufhebungsbegehren unzulässig. §16 Abs1 und 2 VwGVG stehen in einem untrennbaren Zusammenhang: Aus §16 Abs1 VwGVG ergibt sich, dass die Behörde innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten nach Erhebung einer Säumnisbeschwerde gemäß Art130 Abs1 Z3 B VG – weiterhin – den Bescheid erlassen kann. Würde nur dieser erste Absatz des §16 VwGVG durch den Verfassungsgerichtshof beseitigt, ergäbe sich aus §16 Abs2 VwGVG, dass die Behörde den Bescheid ohne jegliche Frist nachholen könnte. Aus diesem Grund sind das Hauptbegehren sowie das erste und zweite Aufhebungsbegehren wegen zu engen Anfechtungsumfanges als unzulässig zurückzuweisen.

1.2.2. Der im dritten Aufhebungsbegehren gewählte Aufhebungsumfang ist hingegen zutreffend gewählt.

1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der dritte Eventualantrag auf Aufhebung des (ganzen) §16 VwGVG als zulässig.

2. In der Sache

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

Der Antrag ist nicht begründet.

2.1. Nach Auffassung des antragstellenden Bundesverwaltungsgerichtes verstößt die angefochtene Bestimmung gegen das Bestimmtheitsgebot des Art18 B VG und das Gebot des Art83 Abs2 B VG, behördliche Zuständigkeiten nach objektiven Kriterien und klar und eindeutig zu regeln. Das antragstellende Gericht begründet die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit des §16 VwGVG im Wesentlichen unter Bezugnahme auf zwei – behauptetermaßen widersprüchliche – Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes (19.9.2017, Ro 2017/20/0001; 20.12.2017, Ro 2017/03/0019). Aus der nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes unterschiedlichen Auslegung des §16 VwGVG erweise sich der Verstoß des §16 VwGVG gegen Art18 und Art83 Abs2 B VG.

2.2. Gemäß Art83 Abs2 B VG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Diese Verfassungsnorm bindet nicht nur die Vollziehung, sondern auch die Gesetzgebung. Das bedeutet, wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, dass die sachliche Zuständigkeit einer Behörde im Gesetz selbst festgelegt sein muss (VfSlg 2909/1955, 3156/1957, 6675/1972). Art18 iVm Art83 Abs2 B VG verpflichtet den Gesetzgeber zu einer – strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden – präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit (vgl zB VfSlg 937/1984, 10.311/1984, 12.788/1991, 13.029/1992, 13.816/1994, 14.843/1997, 15.094/1998, 15.106/1998, 16.794/2003, 19.970/2015, 19.991/2015). Im Interesse der Rechtsschutz suchenden Bevölkerung sind Regelungstechniken, die besondere Unsicherheit in der Frage nach der zuständigen Behörde entstehen lassen, verfassungsgesetzlich verpönt (zB VfSlg 9937/1984, 12.883/1991, 18.639/2008, 20.221/2017).

2.3. Zunächst ist hervorzuheben, dass eine etwaige unterschiedliche Auslegung einer Zuständigkeitsbestimmung in Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes nicht bedeutet, dass diese Rechtsvorschrift in Widerspruch zum Bestimmtheitsgebot des Art18 iVm Art83 Abs2 B VG steht:

Für den Verfassungsgerichtshof kann zunächst dahinstehen, ob die beiden vom Bundesverwaltungsgericht angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 19.9.2017, Ro 2017/20/0001; 20.12.2017, Ro 2017/03/0019) in einem Widerspruch zueinander stehen.

Selbst wenn in den beiden vom Bundesverwaltungsgericht genannten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 19.9.2017, Ro 2017/20/0001; 20.12.2017, Ro 2017/03/0019) die angefochtene Regelung des §16 VwGVG unterschiedlich ausgelegt würde, könnte daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass §16 VwGVG zu unbestimmt ist und gegen Art18 iVm Art83 Abs2 B VG verstößt. Der Verfassungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass das Gesetz klare Kriterien vorgeben muss, anhand derer sich die Zuständigkeit für den Gesetzesvollzug verteilen lässt (VfSlg 20.183/2017).

2.4. §16 VwGVG eröffnet der säumigen Behörde die Möglichkeit, ihre an sich gegebene Pflicht, die Verwaltungsangelegenheit ohne unnötigen Aufschub zu erledigen, innerhalb einer Nachfrist von drei Monaten zu erfüllen. Damit ist in §16 VwGVG eine zeitlich befristete Zuständigkeit der säumigen Behörde bzw ein Zuständigkeitsübergang an das Verwaltungsgericht angelegt. Die Zuständigkeit wird – entsprechend den Vorgaben des Art18 B VG iVm Art83 Abs2 B VG – durch §16 VwGVG definiert. Überschneidungen der jeweiligen Zuständigkeitsbereiche sieht §16 VwGVG nicht vor.

Aus diesen Gründen liegt der vom Bundesverwaltungsgericht geltend gemachte Verstoß von §16 VwGVG gegen Art18 iVm Art83 Abs2 B VG nicht vor.

V. Ergebnis

1. Der dritte Eventualantrag auf Aufhebung des §16 VwGVG ist als unbegründet abzuweisen.

Im Übrigen sind die Anträge zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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