JudikaturBFG

RV/7102507/2024 – BFG Entscheidung

Entscheidung
19. August 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Ahmet Ovacin, Walfischgasse 5/3, 1010 Wien, über die Beschwerde vom 27. Februar 2024 gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom 29. November 2023 betreffend Umsatzsteuer 2016, Körperschaftsteuer 2016 sowie Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2016, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Verein ***Bf1*** (Beschwerdeführer, Bf.) wurde für die Jahre 2015 bis 2020 einer abgabenrechtlichen Prüfung unterzogen, wobei festgestellt wurde, dass aufgrund mangelhafter Normierung des begünstigten Zwecks sowie einer nicht unmittelbaren Zweckverfolgung nicht den Erfordernissen der §§ 34 ff BAO entsprochen wurde und die abgabenrechtlichen Begünstigungen ab dem Jahr 2016 nicht gewährt werden könnten. In der Folge wurden von Seiten des Finanzamtes Österreich am 29. November 2023 ein Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheid für 2016 sowie ein Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2016 erlassen. Der Bf. erhob nach Fristverlängerung am 27. Februar 2024 Beschwerde gegen die o.a. Bescheide. Begründend wurde angeführt, dass die Bescheide infolge Eintritts der Festsetzungsverjährung ( § 207 BAO) aufzuheben seien. Die Beschwerde wurde von Seiten des Finanzamtes Österreich mit Beschwerdevorentscheidung vom 18. April 2024 als unbegründet abgewiesen. Die abgabenbehördliche Prüfung sei am 28. August 2019 mit Unterzeichnung des Prüfungsauftrages begonnen worden. Damit einhergehend verlängere sich die fünfjährige Verjährungsfrist ( § 207 Abs. 1 BAO) für die das Jahr 2016 betreffenden Bescheide nach § 209 Abs. 1 BAO um ein Jahr. Die Prüfung sei infolge der COVID-19 Pandemie vorübergehend ausgesetzt und nach einem Telefonat des Prüfungsorganes mit dem zuständigen Sachbearbeiter der steuerlichen Vertretung (N, C) vom 22. September 2021 wiederaufgenommen worden. N sei am 15. November 2021 ein Fragenvorhalt übermittelt worden, dessen Beantwortung binnen eingeräumter Frist unterblieben sei. Der Außenprüfung sei nach telefonischer Urgenz bei der Kanzlei vom 30. März 2022 ein telefonischer Kontakt mit D angeboten worden. Da sämtliche Kontaktversuche mit diesem scheiterten, sei letztlich eine schriftliche Urgenz des Fragenvorhaltes am 19. Dezember 2022 an den Verein (mit Zustellnachweis) übersendet worden. Für die angefochtenen Bescheide des Jahres 2016 betrage die Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs. 2 BAO fünf Jahre und würde somit ohne Verlängerungshandlungen am 31. Dezember 2021 eintreten. Dem stünden indes Amtshandlungen entgegen, die die Verjährungsfrist verlängert hätten. Durch Erlassung des Prüfungsauftrages vom 28.August 2019 verlängere sich die Bemessungsverjährung gemäß § 209 Abs. 1 BAO um ein weiteres Jahr und somit bis 31. Dezember 2022.Da in diesem Jahr, am 19. Dezember 2022 eine schriftliche Urgenz an den Bf. ergangen sei, die am 20. Dezember 2022 nachweislich zugestellt wurde, liege eine weitere nach außen erkennbare Amtshandlung vor, die den Eintritt der Verjährung um ein weiteres Jahr, bis 31. Dezember 2023 verlängere. Die bekämpften Bescheide seien am 29. November 2023 und somit innerhalb der Verjährungsfrist ergangen.Der Bf. stellte am 21. Mai 2024 durch den nunmehr zuständigen steuerlichen Vertreter Mag. Ahmet Ovacin ein Vorlageantrag gemäß § 264 BAO zur Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Dem Bf. sei eine schriftliche Urgenz (Fragenvorhalt) nicht bekannt. Ein Schreiben sei nicht zugestellt und dieser Nachweis vom Finanzamt der Beschwerdevorentscheidung nicht beigelegt worden. Es sei auch rechtlich nicht klar, ob eine schriftliche Urgenz die Frist um ein Jahr verlängere. Die Beschwerde wurde dem BFG mit Vorlagebericht vom 16. Juli 2024 vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

§ 4 Abs. 1 u. 2 BAO lautet:(1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.(2) Der Abgabenanspruch entsteht insbesonderea) bei der Einkommensteuer und bei der Körperschaftsteuer1. für die Vorauszahlungen mit Beginn des Kalendervierteljahres, für das die Vorauszahlungen zu entrichten sind, oder, wenn die Abgabepflicht erst im Lauf des Kalendervierteljahres begründet wird, mit der Begründung der Abgabepflicht;2. für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, soweit nicht der Abgabenanspruch nach Z 1 schon früher entstanden ist, oder wenn die Abgabepflicht im Lauf eines Veranlagungszeitraumes erlischt, mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Abgabepflicht;3. für Steuerabzugsbeträge im Zeitpunkt des Zufließens der steuerabzugspflichtigen Einkünfte;§ 207 Abs. 2 BAO lautet:(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.§ 208 Abs. 1 lit a BAO lautet:(1) Die Verjährung beginnta) in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird;§ 209 Abs. 1 BAO lautet:(1) Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen.Die Beweiserhebung seitens des Bundesfinanzgerichtes erfolgte durch Einsichtnahme in die vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Verwaltungsakte.Das Bundesfinanzgericht legt nachfolgenden Sachverhalt seiner Entscheidung zu Grunde: Die Bf. wurde einer abgabenbehördlichen Prüfung für die Jahre 2015 bis 2020 unterzogen und darüber am 3. November 2023 eine Schlußbesprechung abgehalten. Im Gefolge einer abgabenbehördlichen Prüfung erließ das Finanzamt Österreich am 12. November 2021 einen Fragenvorhalt/Ergänzungsersuchen an den Bf. z.Hd. der steuerlichen Vertretung (C, N) mit einer Frist von 4 Wochen ab Erhalt des Schreibens. Am 15. Dezember 2022 erließ das Finanzamt eine ,Erinnerung zur Beantwortung des Fragenvorhalts vom 12.11.2021 zur Außenprüfung mit der Auftragsbuchnummer.: 126018/19'.Gemäß dem Schreiben wurde der Fragenvorhalt von der, als Kontakt (D) benannten Person trotz mehrmaliger mündlicher Urgenz ebenso wenig beantwortet wie von der steuerlichen Vertretung. Das Schreiben incl. Fragenvorhalt wurde dem Bf. mit eingeschriebenem Brief (RSb) übermittelt und von diesem nach einer, vom Finanzamt vorgelegten ,Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Dokuments' am 22. Dezember 2022 übernommen. Am 29. November 2023 erging in Gefolge der Außenprüfung u.a. ein Umsatz-, und Einkommensteuerbescheid für 2016 sowie ein Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2016.Gegenständlich entstand der Abgabenanspruch für die zu veranlagende Umsatz- und Einkommensteuer 2016 gemäß § 4 Abs. 1 BAO mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, somit am 31. Dezember 2016. Gemäß § 208 Abs. 1 BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 2 (zu denen die gegenständlich zu beurteilenden Sachbescheide (Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer zählen) mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist zur Festsetzung dieser Abgaben 5 Jahre. Die Verjährungsfrist begann somit mit Ablauf des Jahres 2016 und endete nach dieser Bestimmung am 31. Dezember 2021.§ 209 Abs. 1 erster BAO sieht u.a. eine Verlängerung der Verjährungsfrist um ein Jahr vor, wenn innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches getätigt werden. Amtshandlungen müssen nach außen wirksam und einwandfrei nach außen erkennbar sein. Nach der Rechtsprechung des VwGH stellen abgabenbehördliche Prüfungen die Verjährungsfrist verlängernde Amtshandlungen dar (zB. VwGH 24. 4. 2013, 2010/17/0242).Die am 28. August 2019 begonnene und am 3. November 2023 abgeschlossene Außenprüfung stellt somit ohne Zweifel Amtshandlung dar, die zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist führte. Die Verjährungsfrist verlängerte sich durch diese Amtshandlung somit um ein weiteres Jahr bis 31. Dezember 2022.Gemäß § 209 Abs. 1 zweiter Satz BAO verlängert sich die Verjährungsfrist jeweils um ein weiteres Jahr, ,wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.'Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (vgl. u.a. 9. Juni 2023, Ra 2021/16/0067) wird die Verjährung auch durch an den Abgabepflichtigen gerichtete Vorhalte, Anfragen und Aufforderungen zur Vorlage von Unterlagen und Beweismitteln unterbrochen (Hinweis u.a. auf VwGH 25. Mai 2022, Ra 2022/15/0001).Gegenständlich war somit jede, im Jahr 2022 erfolgte Amtshandlung - im konkreten Fall die am 15. Dezember 2022 erlassene Erinnerung zur Beantwortung des Fragenvorhalts, die vom Bf. am 22. Dezember 2022 nachweislich übernommen wurde - geeignet, den Eintritt der Verjährung um ein weiteres Jahr, d.h. bis zum 31. Dezember 2023 hinauszuschieben. Zu der Beschwerde gegen den Anspruchszinsenbescheid 2016 betreffend Körperschaftsteuer 2016 ist auszuführen, dass der Abgabenanspruch durch die Bekanntgabe des Bescheides aus dem die Nachforderung oder Gutschrift resultiert, entsteht (vgl. Ritz, BAO6, § 205 Rz. 38). Der Abgabenanspruch hinsichtlich des Anspruchszinsenbescheides 2016 vom 29. November 2023 entstand somit durch dessen Zustellung im Jahr 2023, womit die Frist gemäß § 207 Abs. 2 BAO (5 Jahre) zu laufen begann und im Jahr 2028, 5 Jahre nach dessen Bekanntgabe enden wird. Eine Verjährung ist daher weder in Bezug auf die Sachbescheide (Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer) noch den Festsetzungsbescheid Apruchszinsen, alle für das Jahr 2016, eingetreten.Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.Das Erkenntnis erging in Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen sowie der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.

Wien, am 19. August 2025