Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr. in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis und die Hofrätin Dr. Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des Bürgermeisters der Gemeinde Unterach am Attersee, vertreten durch die Dr. Heinz Häupl Rechtsanwälte GmbH in 4865 Nußdorf, Stockwinkl 18, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 8. Februar 2022, Zl. LVwG 451108/8/HW/VEP, betreffend Festsetzung einer Freizeitwohnungspauschale samt Zuschlag für die Jahre 2019 und 2020 (mitbeteiligte Partei: Ing. W W in S, vertreten durch Dr. Berthold Garstenauer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Fürstenallee 17), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Revisionsbeantwortung der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid vom 6. Mai 2021 setzte der Revisionswerber gegenüber dem Mitbeteiligten die Freizeitwohnungspauschale für ein näher bezeichnetes Objekt für die Jahre 2019 und 2020 gemäß §§ 54 ff Oö. Tourismusgesetz 2018 mit jeweils 108 € sowie einen Zuschlag von jeweils 216 € fest.
2 Dagegen erhob der Mitbeteiligte Beschwerde, in der er zusammengefasst vorbrachte, er habe dem Revisionswerber im durchgeführten Erhebungsverfahren gemeldet, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Objekt um eine Wohnung ohne Hauptwohnsitzmeldung handle, die überwiegend als Gästeunterkunft iSd § 47 Abs. 2 Oö. Tourismusgesetz 2018 diene. In der Anlage zu dieser Meldung habe er die Größe der Wohnung mit ca. 76 m 2 aufgeschlüsselt und ausführlich den überwiegenden Zweck der Wohnung als gewerbliche Gästeunterkunft und für berufliche Zwecke begründet. Beides führe für sich zum Entfall der Abgabenpflicht nach § 54 Oö. Tourismusgesetz 2018. Die Evidenz der Gemeinde über gemeldete Nächtigungen greife zu kurz, weil im konkreten Fall mehrfach wochenweise tagsüber an einen gewerblichen Mieter zur Abhaltung von Workshops vermietet worden sei. Ein „überwiegender Bedarf“ für die in § 54 Oö. Tourismusgesetz 2018 normierten Zwecke müsse immer dem tatsächlichen Bedarf für Freizeitzwecke gegenübergestellt werden. Auch andere gewerbliche Vermieter im touristischen Saisongeschäft von drei bis vier Monaten würden ihre Objekte überwiegend als Gästeunterkunft benötigen, hätten außerhalb der Saison keine Nächtigungen und würden keine Freizeitwohnungspauschale zahlen.
3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 13. Juli 2021 wies der Revisionswerber die Beschwerde des Mitbeteiligten als unbegründet ab.
4 Der Mitbeteiligte beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde statt und hob den angefochtenen Bescheid ersatzlos auf. Eine Revision erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig.
6 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Mitbeteiligte sei Eigentümer des näher bezeichneten Objekts. Er verfüge über ein Gewerbe mit dem Wortlaut „Gastgewerbe in der Betriebsart Beherbergung von Gästen, [...]“. Das Objekt sei in den Jahren 2019 und 2020 in näher bezeichneten Zeiträumen für jeweils mehrere aufeinanderfolgende Tage (19. bis 23. August 2019, 26. bis 30. August 2019, 9. bis 13. September 2019, 24. bis 29. August 2020, 14. bis 18. September 2020) vom Mitbeteiligten zur Abhaltung von Workshops entgeltlich vermietet worden. Im Jahr 2019 sei das Objekt zudem zur Durchführung beruflicher Arbeiten vom Mitbeteiligten für einen näher bezeichneten Zeitraum (zwei Wochen) selbst genutzt worden. Im übrigen Zeitraum in den Jahren 2019 und 2020 sei das Objekt nicht überwiegend zu anderen Zwecken genutzt worden, es sei vom Mitbeteiligten nicht mehr als ein bis zwei Nächte pro Jahr als private Unterkunft genutzt worden. Dies stehe nicht im Widerspruch zum Vorbringen der belangten Behörde, wonach im Jahr 2019 lediglich drei Nächtigungen und im Jahr 2020 zwei Nächtigungen gemeldet worden seien, habe der Revisionswerber doch angegeben, dass die Workshops tagsüber abgehalten und nur die tatsächlichen Nächtigungen ausländischer Teilnehmer gemeldet worden seien.
7 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, im Ergebnis überwiege die Nutzung gemäß § 54 Abs. 2 Z 3 Oö. Tourismusgesetz 2018 deutlich gegenüber dem Aufenthalt im Rahmen der Freizeit oder der Hobbyausübung. Das verfahrensgegenständliche Objekt stelle daher keine der Abgabenpflicht unterliegende Freizeitwohnung dar.
8 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit der Grundsätzlichkeit der Frage, „unter welchen Voraussetzungen eine Wohnung überwiegend im Sinne des § 54 Abs. 2 Z 3 Oö. Tourismusgesetz 2018 benötigt wird“.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Amtsrevision, in der zur Zulässigkeit ergänzend vorgebracht wird, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, inwiefern auch Zeiten eines Leerstands einer Wohnung bei der Beurteilung der Pflicht zur Entrichtung einer Freizeitwohnungspauschale zu berücksichtigen seien. Das Verwaltungsgericht habe § 54 Abs. 2 Oö. Tourismusgesetz 2018 unzutreffend dahingehend interpretiert, dass Leerstandszeiten nicht in die Betrachtung einzufließen hätten, sondern nur die Zeiten tatsächlicher Nutzungen einander gegenüberzustellen seien.
10 Der Mitbeteiligte sowie die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstatteten eine Revisionsbeantwortung.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Revision ist zulässig, sie ist auch begründet.
12 § 54 des Oö. Tourismusgesetzes, LGBl. Nr. 3/2018 idF (des mit 1. Jänner 2019 in Kraft getretenen) LGBl. 55/2019, lautete auszugsweise wie folgt:
„§ 54
Abgabenpflicht
(1) Das Land erhebt auf Freizeitwohnungen eine Abgabe nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen.
(2) Freizeitwohnungen sind Wohnungen im Sinn des § 2 Z 4 des Bundesgesetzes über das Gebäude und Wohnungsregister (GWR Gesetz), die
1. in das Gebäude und Wohnungsregister eingetragen sind und
2. länger als 26 Wochen keinen Hauptwohnsitz darstellen und
3. nicht überwiegend zu folgenden Zwecken benötigt werden:
a) als Gästeunterkunft im Sinn des § 47 Abs. 2;
b) zur Erfüllung der Schulpflicht oder zur Absolvierung des Besuchs einer allgemein bildenden höheren oder berufsbildenden Schule oder einer Hochschule oder zur Absolvierung einer Lehre;
c) zur Ableistung des Wehr oder Zivildienstes;
d) zur Berufsausübung, insbesondere als Pendlerin bzw. Pendler;
e) zur Unterbringung von Dienstnehmerinnen bzw. Dienstnehmern.
(3) Nicht als Freizeitwohnung gilt eine Wohnung, wenn seit mindestens fünf Jahren auf demselben Grundstück
1. zumindest eine Person durchgehend mit Hauptwohnsitz wohnt,
2. keine Wohnung als Gästeunterkunft verwendet wird und
3. nicht Personen wohnen, die keine nahen Angehörigen im Sinn des § 2 Abs. 7 Oö. Grundverkehrsgesetz 1994 sind.
Ein Hauptwohnsitz ist nicht erforderlich, solange dieser aus gesundheitlichen oder altersbedingten Gründen aufgegeben werden muss.
[...]“.
13 Für die Beurteilung der Abgabenpflicht des Revisionswerbers ist entscheidend, ob die in § 54 Abs. 2 Oö. Tourismusgesetz 2018 normierten Voraussetzungen für das Vorliegen einer Freizeitwohnung erfüllt sind.
14 Im revisionsgegenständlichen Fall ist unstrittig, dass es sich bei der verfahrensgegenständlichen Wohnung um eine solche iSd § 2 Z 4 GWR Gesetz handelt, die in das Gebäude und Wohnungsregister eingetragen ist und in den Streitjahren 2019 und 2020 jeweils länger als 26 Wochen keinen Hauptwohnsitz dargestellt hat.
15 Strittig ist lediglich, ob einer der Ausnahmetatbestände des § 54 Abs. 2 Z 3 Oö. Tourismusgesetz 2018 erfüllt ist, somit ob das verfahrensgegenständliche Objekt in den Streitjahren 2019 und 2020 „überwiegend“ zu den in Z 3 leg. cit. genannten Zwecken benötigt wurde.
16 Nach den Materialien zu § 54 Öo. Tourismusgesetz 2018 soll die tatsächliche zumindest zeitweilige Benutzung der die Abgabenpflicht auslösenden Wohnung (im Gegensatz zur Vorgängerregelung) keine Rolle mehr spielen. Damit werde, so die Materialien, ein großes Vollzugsproblem für die bisherige Verwaltungspraxis beseitigt und der Leerstandsproblematik entsprechend Rechnung getragen (vgl. AB 553/2017, BlgLT 28. GP 32).
17 Die Regelung einer Abgabenpflicht für Freizeitwohnungen erfolgte durch den Landesgesetzgeber im Rahmen seiner finanzverfassungsrechtlichen Kompetenz zur Regelung einer Fremdenverkehrsabgabe. Es wird damit eine Abgabenpflicht für Wohnungen normiert, die Aufenthalte während der Freizeit, des Wochenendes, des Urlaubs, der Ferien oder der sonstigen Freizeitgestaltung außerhalb beruflicher Zwecke ermöglichen. Wenn keine Umstände ersichtlich sind, die eine Freizeitwohnsitznutzung indizieren und eine solche nach der Lage des Falls auszuschließen ist, kann eine Abgabenpflicht für diese Wohnung nicht entstehen (vgl. VfGH 23.6.2022, E 710/2021).
18 Betreffend das verfahrensgegenständliche Objekt war in den Streitjahren eine Nutzung als Freizeitwohnsitz möglich und erfolgte (auch nach dem Vorbringen des Revisionswerbers) tatsächlich.
19 Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass die Nutzung gemäß § 54 Abs. 2 Z 3 Oö. Tourismusgesetz 2018 deutlich gegenüber dem Aufenthalt im Rahmen der Freizeit oder der Hobbyausübung überwiege. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an:
20 Nach dem Wortlaut des Gesetzes liegt eine Freizeitwohnung dann vor, wenn diese nicht überwiegend zu einem der in § 54 Abs. 2 Z 3 leg. cit. aufgezählten Zwecke benötigt wird, hier (nach dem Vorbringen des Revisionswerbers) als Gästeunterkunft oder zur Berufsausübung. Nach den Erläuterungen zum Ausschussbericht (AB 553/2017, BlgLT 28. GP 32) ist dabei grundsätzlich das Kalenderjahr der Beurteilungszeitraum. Im Hinblick auf die Aliquotierung der Freizeitwohnungspauschale nach § 55 Abs. 1 Oö. Tourismusgesetz 2018 sind dabei Zeiten, in denen die Wohnung einen Hauptwohnsitz darstellt, auszuschließen. Im vorliegenden Fall besteht freilich für den gesamten Zeitraum kein Hauptwohnsitz.
21 Für die in § 54 Abs. 2 Z 3 leg. cit. angeführten Zwecke tatsächlich genutzt wurde die Wohnung in den Streitjahren nach den dem Vorbringen des Revisionswerbers folgenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts lediglich für wenige Wochen. Dass die Wohnung über die tatsächliche Nutzung hinaus für diese Zwecke benötigt worden wäre (etwa für diese Zwecke bereitgehalten worden wäre und damit eine Nutzung für Freizeitzwecke ausgeschlossen hätte), wird nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich. Auf die Dauer der tatsächlichen Nutzung für Freizeitzwecke kommt es hingegen - nach der aus den Materialien ersichtlichen Absicht des Gesetzgebers, die mit dem Wortlaut des Gesetzes im Einklang steht - nicht an. Gemessen am Beurteilungszeitraum von jeweils einem Kalenderjahr kann damit im vorliegenden Fall aber nicht abgeleitet werden, dass die Wohnung in den Streitjahren 2019 und 2020 jeweils überwiegend für die in § 54 Abs. 2 Z 3 leg. cit. genannten Zwecke benötigt worden wäre.
22 Das Verwaltungsgericht (und der Mitbeteiligte in seiner Revisionsbeantwortung) stützen ihre Ansicht auf Ausführungen im Ausschussbericht zum Tatbestand des § 54 Abs. 2 Z 3 lit. d Oö. Tourismusgesetz 2018. Dort wird ausgeführt:
„Der abgabenbefreiende Tatbestand des Abs. 2 Z 3 lit. d (überwiegende Benötigung zur Berufsausübung, insbesondere als Pendlerin bzw. Pendler) ist auch dann erfüllt, wenn ein Gebäude unregelmäßig bewohnt wird, um beispielsweise land und forstwirtschaftliche Arbeiten zu erledigen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass eine nachvollziehbare Relation zwischen dem Ausmaß der Erwerbstätigkeit und jenem des Aufenthalts gegeben sein muss; mit anderen Worten: Ist auf Grund der Umstände davon auszugehen, dass die erwerbswirtschaftliche Betätigung nicht deutlich gegenüber dem Aufenthalt im Rahmen der Freizeit oder der Hobbyausübung überwiegt, dann ist eine Abgabenbefreiung nicht gegeben.“
23 Mit diesen Ausführungen im Ausschussbericht wird aber nicht dargelegt, dass für das Vorliegen dieses Befreiungstatbestands das Verhältnis der Aufenthaltstage für eine erwerbswirtschaftliche Betätigung einerseits und den Aufenthaltstagen für die Freizeit oder Hobbyausübung anderseits entscheidend sei. Es kommt vielmehr auf das Verhältnis des Ausmaßes (Dauer) des Aufenthalts zum Ausmaß der Erwerbstätigkeit an. Es ist sohin für den jeweiligen Aufenthalt zu prüfen, ob für diesen die erwerbswirtschaftliche Betätigung gegenüber der Freizeit oder Hobbyausübung überwiegt, ob also bei dem jeweiligen Aufenthalt die erwerbswirtschaftliche Betätigung oder eine Hobbyausübung (Freizeit) im Vordergrund steht. Nur dann, wenn die Wohnung für Aufenthalte, bei denen die erwerbswirtschaftliche Betätigung im Vordergrund steht, im Kalenderjahr überwiegend benötigt wird, liegt (nach § 54 Abs. 2 Z 3 lit. d Oö. Tourismusgesetz 2018) keine Freizeitwohnung vor.
24 Da das Verwaltungsgericht von einer anderen Rechtsansicht ausgegangen ist, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
25 Die (wenn auch über Aufforderung des Verwaltungsgerichts eingebrachte) Revisionsbeantwortung der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde war zurückzuweisen, da die belangte Behörde nur dann eine andere (iSd § 30a Abs. 4 VwGG) Partei des Verfahrens iSd § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG ist, wenn diese nicht selbst Revision erhoben hat.
Wien, am 25. Juni 2025