Spruch
L511 2275956–1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA über die Beschwerden von XXXX , geb. 17.02.1992, StA. Syrien, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Wien Außenstelle Wien vom 20.06.2023, Zahl: XXXX , nach mündlicher Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1.1. Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger und stellte am 30.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz (Aktenseite des Verwaltungsverfahrensaktes [AS] 5).
1.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [BFA] wies mit Bescheid vom 20.06.2023, Zahl: XXXX , diesen Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III) (AS 65-146).
1.3. Der Beschwerdeführer erhob gegen Spruchpunkt I des am 23.06.2023 zugestellten Bescheides am 19.07.2023 fristgerecht Beschwerde (AZ 169-187, 159).
2. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 01.08.2023 die Beschwerde samt durchnummeriertem Verwaltungsakt vor (Ordnungszahl des Gerichtsverfahrensaktes [OZ] 1 (AS 1-195]).
2.1. Das Bundesverwaltungsgericht hielt unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch am 18.04.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung ab, an welcher der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertretung teilnahmen; das BFA verzichtete auf die Teilnahme (OZ 5).
Der Beschwerdeführer nahm zum Parteiengehör des BVwG zur aktuellen Situation in Syrien und aktuellen Länderinformationsquellen (OZ 12) nicht Stellung.
3. Zu den Fluchtgründen und der Rückkehrbefürchtung befragt erstattete der Beschwerdeführer nachfolgendes zusammengefasstes Vorbringen:
In der Erstbefragung im August 2022 brachte der Beschwerdeführer vor, er müsse in Syrien seinen Militärdienst leisten, habe diesen jedoch verweigert und sei daher inhaftiert worden. Er sei insgesamt für circa zwei Jahre im Gefängnis gewesen und dort unmenschlich behandelt worden. Er habe binnen zwei Jahren 35 kg abgenommen (von 80kg auf 45 kg) und habe sich als Lebendiger tot gefühlt. Er sei zunächst in einem Gefängnis untergebracht gewesen, wo sich ca. 150 Menschen in einen winzigen Raum befunden hätten. Nachdem sein Urteil vom Gericht gekommen sei, sei er in ein anderes Gefängnis verlegt worden, wo er er auf ca. 16m² mit ca. 30 weiteren Personen inhaftiert gewesen. In seiner Zelle seien einige Personen gestorben, da sie kaum zu essen und zu trinken bekommen hätten und die hygienischen Bedingungen katastrophal gewesen seien. Seine Familie habe ihn schlussendlich freigekauft und er sei aus der Haft entlassen worden. Aufgrund seiner Zeit im Gefängnis habe er beschlossen, dass er nicht mehr in Syrien leben möchte. Er wolle nicht töten und nicht kämpfen. Die Inhaftierung liege zwar schon einige Zeit zurück, trotzdem sei er noch sehr traumatisiert und habe auch jetzt noch Angst, dass ihm dieses Schicksal erneut passieren könnte. Im Fall einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben und vor einer weiteren Gefängnisstrafe. In seinem Militärbuch sei bereits vermerkt worden, dass er im Gefängnis gewesen sei (AS 13-15).
In der Einvernahme im Juni 2023 gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, er sei vom XXXX . 2011 bis XXXX beim Militär als Koch in einem Restaurant tätig gewesen. Er hätte den Dienst bis 01.01.2013 leisten müssen, sei aber am XXXX verhaftet worden, weil er die Teilnahme an Kampfhandlungen verweigert habe. Im XXXX 2014 sei er aus der Haft entlassen worden, weil sein Bruder sehr viel Bestechungsgeld bezahlt habe. Er wisse nicht, wie lange seine Haft noch gedauert hätte, da es kein Urteil gegeben habe. Er sei befristet freigelassen worden und hätte auf ein Gerichtsurteil warten sollen, bis heute habe er jedoch nichts erhalten. Er sei die ersten sechs Monate in Damaskus beim Geheimdienst und dann im Gefängnis XXXX gewesen. Er müsse in Syrien noch den Reservedienst ableisten und habe Angst, dass sie ihn jederzeit einberufen. Er wolle nicht kämpfen und wenn er wieder verweigere, würden sie ihn töten (AS 60-62).
Die Beschwerde vom Juli 2023 wiederholt im Wesentlichen das Vorbringen des Beschwerdeführers. Im Fall einer Rückkehr hätte der Beschwerdeführer mit einer abermaligen Inhaftierung durch das syrische Regime bzw. einer nochmaligen Einziehung zum Militärdienst als Bestrafung zu rechnen (AS 170-174, 181). Im Falle einer Rückkehr bestehe aufgrund des Auslandsaufenthaltes, der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung in Österreich darüber hinaus auch die Gefahr, vom syrischen Regime als Gegner angesehen und verfolgt zu werden (AS 176-179).
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im April 2024 bekräftigte und konkretisierte der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe. Er sei in Haft gewesen, weil er sich geweigert habe, zu kämpfen. Während des Militärdienstes habe er desertieren wollen, jedoch habe es jemand mitbekommen und gemeldet. Der Beschwerdeführer habe eine Kanone bedient und sei Schütze gewesen. Er habe dann Bestechungsgeld gezahlt, um in der Küche arbeiten zu können. Im Juni 2012 seien sie sechs oder sieben Personen in einem Zimmer gewesen. Drei oder vier davon seien desertiert, er sei davor aber festgenommen zuerst zur Militärpolizei und dann zum Geheimdienst nach Damaskus gebracht und eingesperrt worden. Im XXXX 2014 sei er befristet entlassen worden, da sein Bruder Bestechungsgelder gezahlt habe. Die befristete Entlassung bedeute, dass er zum Reservedienst müsste. Seine ganze Familie werde gesucht, da sein älterer Bruder XXXX desertiert sei. Wer sich der syrischen Armee nicht anschließe, werde als Feind angesehen. In Idlib habe der Beschwerdeführer die Opposition gesehen. Auch diese würde Verbrechen begehen (VHS 7-9).
II. zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. entscheidungswesentliche Feststellungen
1.1. zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen, ist 1992 geboren und Staatsangehöriger von Syrien. Er gehört der arabischen Volksgruppe an und bekennt sich zur sunnitischen Religionsgemeinschaft. Der Beschwerdeführer ist geschieden und hat eine Tochter, welche bei einem Bruder des Beschwerdeführers in der Türkei lebt. Er besuchte in Syrien sechs Jahre die Grundschule und war als Landwirt tätig (AS 3-7, 56-59, VHS 5).
Der Beschwerdeführer hat sieben Brüder; einer lebt in Syrien, fünf in der Türkei, ein Bruder ist in Österreich asylberechtigt, und sechs Schwestern; vier leben in Syrien, eine im Libanon eine in Kanada. Die Eltern des Beschwerdeführers sind verstorben (AS 7-9, 57-58).
Er leistete seinen Grundwehrdienst für das damalige syrische Regime in den Jahren 2011 und 2012 ab (AS 60, 171; 41-45; VHS). Er verließ Syrien 2016 illegal und hielt sich ca. sechs Jahre lang in der Türkei auf (AS 11,59, VHS 8).
Im August 2022 reiste er unrechtmäßig in Österreich ein und verfügt in Österreich über den Status eines subsidiär Schutzberechtigten und eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG. Der eingeholte Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich weist keine Einträge auf, und es wurde kein Einreiseverbot gegen ihn erlassen (OZ 4).
1.2. Zum Herkunftsort und Aufenthalt des Beschwerdeführers in Syrien
Der Herkunftsort des Beschwerdeführers ist XXXX ) im Gouvernement Idlib. Er ist dort geboren und aufgewachsen. Vor seiner Ausreise im Jahr 2016 hielt sich der Beschwerdeführer ca. ein Jahr lang in XXXX ), im Süden des Gouvernements Aleppo aufhältig (AS 9, 56- 57, 170-171; VHS 5-6, 8). Der Herkunftsort des Beschwerdeführers stand bis ca. Jänner 2018 unter der Kontrolle der syrischen Opposition und befand sich anschließend unter der Kontrolle des syrischen Regimes. Im Zuge der Ende November 2024 einsetzenden Offensive erlangten das extremistisch-islamistische Bündnis Haiʾat Tahrir asch-Scham (auch Hay’at Tahrir ash-Sham; HTS) und seine Verbündeten Anfang Dezember 2024 die Kontrolle über diese Region. Zum Entscheidungszeitpunkt unterliegt der Heimatort des Beschwerdeführers dem Einflussbereich der aktuellen Übergangsregierung unter Führung des Übergangspräsidenten Ahmed al Sharaa (Abu Mohammad al Jolani) (VHS 5, AS 10, 49; online Kontrollgebietskarten).
1.3. Zur Begründung des Antrages auf internationalen Schutz
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer glaubhaft an, Syrien 2016 aufgrund der Inhaftierung und Furcht vor erneuter Inhaftierung verlassen zu haben, um im Rahmen des Bürgerkrieges nicht zum Reservedienst in der syrischen Armee gezwungen zu werden (AS 13-15, 60-62, 149-179, VHS 7-9).
Probleme im Zusammenhang mit der HTS oder einer anderen der am Konflikt beteiligten Gruppierungen, etwa die SDF, FSA oder den IS, brachte der Beschwerdeführer nicht vor und es ergeben sich auch keine Hinweise darauf aus dem Vorbringen im Verfahren.
1.4. Zur (verfahrensgegenständlich relevanten) Lage im Herkunftsstaat Syrien
1.4.1. Zur Sicherheitslage in Syrien, insbesondere im Gouvernement Aleppo
Auszug aus Staatendokumentation Länderinformationsblatt Syrien, COI-CMS Version 11, 27.03.2024
Neben der Gefährdung durch militärische Entwicklungen, Landminen und explosive Munitionsreste, welche immer wieder zivile Opfer fordern, bleibt auch die allgemeine Menschenrechtslage in Syrien äußerst besorgniserregend (AA 2.2.2024).Von allen Akteuren agiert das Regime am meisten mit gewaltsamer Repression und die PYD am wenigsten - autoritär sind alle Machthaber nach Einschätzung der Bertelsmann-Stiftung (BS 23.2.2022).Die im August 2011 vom UN-Menschenrechtsrat eingerichtete internationale unabhängige Untersuchungskommission zur Menschenrechtslage in Syrien (Commission of Inquiry, CoI) benennt in ihrem am 13.9.2023 veröffentlichten Bericht (Berichtszeitraum Januar bis Juni 2023) zum wiederholten Male teils schwerste Menschenrechtsverletzungen, identifiziert Trends und belegt diese durch die Dokumentation von Einzelfällen. Nach Einschätzung der CoI dürfte es im Berichtszeitraum in Syrien weiterhin zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gekommen sein. Dazu gehörten u. a. gezielte und wahllose Angriffe auf Zivilisten und zivile Ziele (z. B. durch Artilleriebeschuss und Luftschläge) sowie Folter. Darüber hinaus seien willkürliche und ungesetzliche Inhaftierungen, „Verschwindenlassen“, sexualisierte Gewalt sowie willkürliche Eingriffe in die Eigentumsrechte, unter anderem von Geflüchteten, dokumentiert. Obwohl die UN-Kommission die Verantwortung in absoluten Zahlen betrachtet für die große Mehrzahl der Menschenrechtsverletzungen bei Kräften der syrischen Regierung und ihrer Verbündeten sieht, wurden erneut für alle Konfliktparteien und alle Regionen des Landes Menschenrechtsverstöße dokumentiert (AA 2.2.2024) […]
Weitere schwere Menschenrechtsverletzungen, derer das Regime und seine Verbündeten beschuldigt werden, sind unter anderem willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten und medizinische Einrichtungen, darunter auch der Einsatz von chemischen Waffen; Tötungen von Zivilisten und sexuelle Gewalt; Einsatz von Kindersoldaten sowie Einschränkungen der Bewegungs-, Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit, einschließlich Zensur (USDOS 20.3.2023). Es kommt auch weiterhin zu Beschlagnahmungen von Eigentum und Einschränkungen des Zugangs für Rückkehrende in ihre Herkunftsgebiete (HRW 11.1.2024). […]
Die Zahl der Übergriffe und Repressionen durch nichtstaatliche Akteure einschließlich der defacto-Autoritäten im Nordwesten und Nordosten Syriens bleibt unverändert hoch. Bei Übergriffen regimetreuer Milizen ist der Übergang zwischen politischem Auftrag, militärischen bzw. polizeilichen Aufgaben und mafiösem Geschäftsgebaren fließend. In den Gebieten, die durch regimefeindliche bewaffnete Gruppen kontrolliert werden, kommt es auch durch einige dieser Gruppierungen regelmäßig zu Übergriffen und Repressionen (AA 2.2.2024). In ihrem Bericht von März 2021 betont der Bericht der UNCOI, dass das in absoluten Zahlen größere Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen durch das Regime und seine Verbündeten andere Konfliktparteien ausdrücklich nicht entlastet. Vielmehr ließen sich auch für bewaffnete Gruppierungen (u. a. Free Syrian Army, Syrian National Army [SNA], Syrian Democratic Forces [SDF]) und terroristische Organisationen (u.a. HTS - Hay’at Tahrir ash-Sham, bzw. Jabhat an-Nusra, IS - Islamischer Staat) über den Konfliktzeitraum hinweg zahlreiche Menschenrechtsverstöße unterschiedlicher Schwere und Ausprägung dokumentieren. Hierzu zählen für alle Akteure willkürliche Verhaftungen, Praktiken wie Folter, grausames und herabwürdigendes Verhalten und sexualisierte Gewalt sowie Verschwindenlassen Verhafteter. Im Fall von Free Syrian Army, HTS, bzw. Jabhat an-Nusra, sowie besonders vom IS werden auch Hinrichtungen berichtet (UNCOI 11.3.2021) Bewaffnete terroristische Gruppierungen, wie z. B. HTS, sind verantwortlich für weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen, darunter rechtswidrige Tötungen und Entführungen, rechtswidrige Inhaftierungen, körperliche Misshandlungen und Tötungen von Zivilisten und Rekrutierungen von Kindersoldaten (USDOS 20.3.2023). Personen, welche in Verdacht geraten, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu haben, sind in Gebieten extremistischer Gruppen der Gefahr von Exekutionen ausgesetzt (FH 9.3.2023). HTS ging teils brutal gegen politische Gegner vor, denen z. B. Verbindungen zum Regime, Terrorismus oder die „Gefährdung der syrischen Revolution“ vorgeworfen würden. Weiterhin legen die Berichte nahe, dass Inhaftierten Kontaktmöglichkeiten zu Angehörigen und Rechtsbeiständen vorenthalten werden. Auch sei HTS, laut Berichten des SNHR, für weitere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, vor allem in den Gefängnissen unter seiner Kontrolle (AA 2.2.2024). [LIB 162-169]
Gouvernement Aleppo / Syrischer Nordwesten
Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). […] Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor übt die syrische Regierung über weite Teile die Kontrolle aus (Barron 6.10.2023). […] Laut dem Humanitarian Needs Overiew der VN für 2022 ist jede dritte Gemeinde in Syrien [mit Blindgängern oder Landminen] kontaminiert, besonders betroffen sind demnach die Gebiete in und um die Städte Aleppo, Idlib, Raqqa, Deir ez-Zor, Quneitra, Dara‘a und die ländliche Umgebung von Damaskus. Erhebliche Teile dieser Städte sind auch mittel- bis langfristig nicht bewohnbar. […] Im Juni 2023 wurde ein Wiederaufflammen der Kampfhandlungen zwischen Regierungskräften und Rebellengruppen in den Provinzen Aleppo und Idlib vermeldet (NPA 2.7.2023; vgl. AN 28.6.2023). [LIB 4, 18, 26, 38]
1.4.2. Zur Lage seit Dezember 2024
Auszug aus Auswärtiges Amt, Syrien: Reise-und Sicherheitshinweise, Stand 20.12.2024
Am 8. Dezember 2024 stürzten oppositionelle und islamistische Gruppen, darunter die islamistische Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS), die Regierung von Präsident Baschar al-Assad. Seitdem kontrollieren sie weite Teile des Landes, wie die Gouvernements Idlib, Hama, Homs, Latakia, Tartus, Damaskus, As-Suweida, Dar‘a.
Der Nordosten des Landes wird weiterhin von den Demokratischen Kräften Syriens (SDF) kontrolliert. Die Lage bleibt allerdings volatil und kann sich jederzeit ändern. Im Nachgang der Terroranschläge des 7. Oktober 2023 auf Israel ist in Syrien eine Zunahme von israelischen Luftschlägen gegen Ziele mutmaßlich irannaher Akteure und Strukturen zu verzeichnen. Diese Luftschläge erfolgen z. T. am Tag und in urbanen Gebieten bzw. auf viel befahrenen Straßen, so etwa am 8. Dezember 2024 in Damaskus. Die Terrororganisation IS ist ebenfalls weiterhin aus dem Untergrund aktiv und ist nach wie vor in der Lage, überall im Land Anschläge zu verüben. Insbesondere im Norden und Osten des Landes kommt es immer wieder zu Anschlägen mit unkonventionellen Sprengvorrichtungen. Ausländer können ebenso wie syrische Staatsangehörige Opfer terroristischer und gewaltbereiter Dschihadisten werden.
Die allgemeine Sicherheitslage ist im ganzen Land weiterhin äußerst volatil. Seit dem Zusammenbruch der Assad-Regierung sind die meisten innersyrischen Kampfhandlungen eingestellt worden. Ein erneutes Aufflammen von Kampfhandlungen in naher Zukunft kann jedoch nicht ausgeschlossen werden.
Die Kriminalität hat seit Konfliktbeginn erheblich zugenommen. In allen Landesteilen besteht große Gefahr, Opfer einer Entführung zu werden. Die staatlichen Strukturen sind in zahlreichen Orten zerfallen und das allgemeine Gewaltrisiko ist sehr hoch. Persönliche Sicherheit kann in ganz Syrien, einschließlich Damaskus und seine Vororte, weiterhin nicht gewährleistet werden. Das Verhalten syrischer Sicherheitsbehörden ist oft unvorhersehbar und willkürlich.
Auszug aus https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/kobane-tuerkei-syrien-sna-kampf-100.html, 20.12.2024
Die Herrschaft des bisherigen syrischen Regimes ist im Zuge einer Offensive der HTS Anfang Dezember 2024 binnen weniger Tage zusammengebrochen; Baschar al-Assad selbst ist mit seiner Familie nach Russland geflohen. Seither befindet sich das Land im Umbruch (https://orf.at/sto-ries/3378333, 09.12.2024).
Im Dezember 2024 fand die Operation „Dawn of Freedom“ statt, einer Offensive der SNA im nordwestlichen Teil des Gouvernements Aleppo. Nach dem Beginn der Offensive am 27. November 2024 und der Einnahme mehrerer Regionen der Stadt Aleppo begann die SNA am 30. November 2024 mit der Operation Dawn of Freedom. Die Operation wurde vom Premierminister der Syrischen Nationalen Koalition, Abdurrahman Mustafa, in einem NTV-Interview offiziell angekündigt. Er skizzierte zwei primäre strategische Ziele: die Unterbrechung der Versorgungsnetze der SDF und die Schaffung eines Korridors, der al-Bab, das unter türkischer Besatzung in Nordsyrien steht, mit Tel Rifaat verbindet. Die Offensive fand mit logistischer Unterstützung durch die Türkei statt, welche einen Sicherheitskorridor einrichten will, der bis zu 40 Kilometer tief ins Kurdengebiet nach Syrien reicht
Auszug aus Kurzinformation der Staatendokumentation SYRIEN, 10.12.2024 (Punkt 3)
Sicherheitslage
Israel hat Gebäude der Syrischen Sicherheitsbehörden und ein Forschungszentrum in Damaskus aus der Luft angegriffen, sowie militärische Einrichtungen in Südsyrien, und den Militärflughafen in Mezzeh. Israelische Streitkräfte marschierten außerdem in al-Quneitra ein (Almodon 8.12.2024) und besetzten weitere Gebiete abseits der Golan-Höhen, sowie den Berg Hermon (NYT 8.12.2024). Die israelische Militärpräsenz sei laut israelischem Außenminister nur temporär, um die Sicherheit Israels in der Umbruchphase sicherzustellen (AJ 8.12.2024d). Am 9.12.2024 wurden weitere Luftangriffe auf syrische Ziele durchgeführt (SOHR 9.12.2024c). Einer Menschenrechtsorganisation zufolge fliegt Israel seine schwersten Angriffe in Syrien. Sie fokussieren auf Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Luftabwehr (NTV 9.12.2024). Quellen aus Sicherheitskreisen berichten indes, dass Israelisches Militär bis 25km an Damaskus in Südsyrien einmarschiert wäre (AJ 10.12.2024).
Das US-Central Command gab an, dass die US-Streitkräfte Luftangriffe gegen den Islamischen Staat in Zentralsyrien geflogen sind (REU 9.12.2024). Präsident Biden kündigte an, weitere Angriffe gegen den Islamischen Staat vorzunehmen, der das Machtvakuum ausnützen könnte, um seine Fähigkeiten wiederherzustellen (BBC 7.12.2024).
Russland versucht, obwohl es bis zum Schluss al-Assad unterstützte, mit der neuen Führung Syriens in Dialog zu treten. Anstatt wie bisher als Terroristen bezeichnen russische Medien die Opposition mittlerweile als „bewaffnete Opposition“ (BBC 8.12.2024d).
Sozio-Ökonomische Lage
Die Opposition versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten (TNA 5.12.2024).
Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt (Presse 9.12.2024). Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben (Spiegel 9.12.2024).
Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren (Arabiya 9.12.2024).
Die HTS, die weiterhin auf der Terrorliste der UN steht, ist seit 2016 von Sanktionen des UN-Sicherheitsrates betroffen. Diplomaten zufolge war die Streichung der HTS von der Sanktionenliste kein Thema bei der jüngsten Ratssitzung (REU 10.12.2024).
Bevor der Wiederaufbau zerstörter Städte, Infrastruktur und Öl- und Landwirtschaftssektoren beginnen kann, muss mehr Klarheit über die neue Regierung Syriens geschaffen werden (DW 10.12.2024).
Auszug aus Institute for the Study of War, Iran Update, December 2024
HTS Anführer Ahmed al Sharaa (aka Abu Mohammad al Jolani) verkündete am 15. Dezember, dass er Wehrdienstpflicht in Syrien abschaffen werde. (https://www.ecoi.net/de/dokument/2119182.html; https://understandingwar.org/backgrounder/iran-update-december-16-2024: HTS leader Ahmed al Sharaa (aka Abu Mohammad al Jolani) stated on December 15 that he will end mandatory conscription in Syria.).
Auszug aus EUAA, Syria Country Focus, Country of Origin Information Report, März 2025
Die Übergangsregierung schaffte die Wehrpflicht ab, außer in Situationen wie dem nationalen Notstand. Laut Samir Saleh, Mitglied des Militärkommandos im Umland von Damaskus, wird die syrische Armee eine Freiwilligenarmee sein, an der sich die Bevölkerung beteiligen soll, um die Grenzen des Landes zu sichern. Frühere Überläufer, wie z. B. Offiziere der Freien Syrischen Armee (FSA), werden in der Struktur des Verteidigungsministeriums einen besonderen Status erhalten, je nach ihrer Expertise. Am 29. Dezember wurde eine Liste mit 49 neuen militärischen Befehlshabern veröffentlicht, darunter Mitglieder der HTS, übergelaufene Offiziere der syrischen Armee und mindestens sechs Nicht-Syrer, wobei die sieben höchsten Positionen Berichten zufolge mit HTS-Mitgliedern besetzt sind.
Schließlich verpflichtete sich die Übergangsregierung, alle Rebellengruppen in das Verteidigungsministerium zu integrieren. Zwischen Januar und Februar 2025 bemühten sich die Interimsministerien für Verteidigung und Inneres, alle bewaffneten Gruppen in einer einzigen Militär- und Polizeitruppe zu vereinen. Das Verteidigungsministerium berichtete, dass über 70 Gruppierungen aus sechs Regionen der Integration zugestimmt hätten, und es wurde ein Oberster Ausschuss eingerichtet, der den Einsatz militärischer Mittel, einschließlich Personal, Stützpunkte und Waffen, steuern sollte. […]
Von Anfang an verkündeten die neuen Behörden, dass die Soldaten, die im Rahmen der Wehrpflicht rekrutiert worden waren, sicher seien und dass es verboten sei, sie anzugreifen. Am 9. Dezember erließ das MOA eine Generalamnestie für alle zwangsrekrutierten Militärangehörigen. […]
Ende Dezember intensivierte die Übergangsverwaltung ihre Bemühungen, Personen festzunehmen, die mit der gestürzten Regierung in Verbindung stehen. Die Behörden behaupteten, ihre Verhaftungsaktionen zielten nur auf Personen ab, die im Namen des Assad-Regimes Verbrechen begangen hatten. Die Kampagnen in Deir Ez-Zor, Aleppo und Tartous konzentrierten sich auf die Beschlagnahmung illegaler Waffen und die Festnahme von Verdächtigen, die an illegalen Aktivitäten beteiligt waren. Allein in einer Woche wurden in Damaskus, Latakia, Tartus, Homs, Hama und Deir Ez-Zor fast 300 Personen festgenommen, darunter ehemalige Regimeinformanten, pro-iranische Kämpfer und rangniedrige Militäroffiziere. Nach Angaben des SOHR wurden einige Gefangene, die beschuldigt wurden, der Assad-Regierung Informationen geliefert zu haben, Berichten zufolge unmittelbar nach ihrer Verhaftung hingerichtet.
1.4.3. Auszug aus UNHCR Position zur Rückkehr in die Syrische Arabische Republik, Dezember 2024
Freiwillige Rückkehr
Syrien befindet sich an einem Scheideweg – zwischen Frieden und Krieg, Stabilität und Gesetzlosigkeit, Wiederaufbau oder weiterem Ruin. Es gibt jetzt eine bemerkenswerte Gelegenheit für Syrien, sich in Richtung Frieden zu bewegen, und für sein Volk, nach Hause zurückzukehren. Seit vielen Jahren besteht das UNHCR auf der Notwendigkeit, die Anstrengungen zu verdoppeln, um günstige Bedingungen für Flüchtlinge und Vertriebene zu schaffen, damit sie nach Hause zurückkehren können, und die derzeitige Situation eröffnet in dieser Hinsicht neue Möglichkeiten, die von allen genutzt werden müssen. Dazu gehört auch die Beseitigung und/oder das Thematisieren neuer sicherheitspolitischer, rechtlicher und administrativer Hindernisse seitens der syrischen De-facto-Behörden; umfangreiche humanitäre Hilfe und Soforthilfe, die von den Geberstaaten für Rückkehrer, Gemeinschaften, die sie zurückerhalten, und Gebiete mit tatsächlicher und potenzieller Rückkehr im Allgemeinen bereitzustellen ist; und die Ermächtigung des UNHCR und seiner Partner, die Rückführungen an Grenzübergängen und an Orten, an denen sich die Menschen für die Rückkehr entscheiden, zu überwachen.
Jeder hat das Recht, in sein Herkunftsland zurückzukehren. UNHCR ist bereit, syrische Flüchtlinge zu unterstützen, die sich nach umfassender Information über die Lage an ihren Herkunftsorten oder in einem alternativen Gebiet ihrer Wahl freiwillig für eine Rückkehr entscheiden. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen, mit denen die syrische Bevölkerung konfrontiert ist, darunter eine groß angelegte humanitäre Krise, ein anhaltend hohes Maß an Binnenvertreibung und die weit verbreitete Zerstörung und Beschädigung von Häusern und kritischer Infrastruktur, fördert das UNHCR jedoch vorerst keine groß angelegte freiwillige Rückführung nach Syrien.
Moratorium zu Zwangsrückführungen
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist Syrien weiterhin von Angriffen und Gewalt in Teilen des Landes betroffen; großflächige interne Verdrängung; Kontamination vieler Teile des Landes mit explosiven Kriegsresten; eine verwüstete Wirtschaft und eine große humanitäre Krise, in der vor den jüngsten Entwicklungen bereits über 16 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen. Darüber hinaus hat Syrien, wie bereits erwähnt, massive Zerstörungen und Schäden an Häusern, kritischen Infrastrukturen und landwirtschaftlichen Flächen erlitten. Eigentumsrechte wurden stark beeinträchtigt, wobei in den letzten zehn Jahren weit verbreitete Verstöße gegen Wohn-, Grundstücks- und Eigentumsrechte verzeichnet wurden, was zu komplexen Eigentumsstreitigkeiten führte, deren Beilegung Zeit in Anspruch nehmen wird. Vor diesem Hintergrund fordert das UNHCR die Staaten vorerst weiterhin auf, syrische Staatsangehörige und ehemalige gewöhnliche Bewohner Syriens, einschließlich Palästinenser, die zuvor in Syrien wohnhaft waren, nicht gewaltsam in einen Teil Syriens zurückzuführen.
Aussetzung der Ausstellung negativer Entscheidungen für syrische Antragsteller auf internationalen Schutz
Das UNHCR fordert weiterhin alle Staaten auf, Zivilisten, die aus Syrien fliehen, Zugang zu ihren Hoheitsgebieten zu gewähren, das Recht auf Asyl zu gewährleisten und jederzeit die Achtung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung zu gewährleisten.
Während die Risiken im Zusammenhang mit der Verfolgung durch die ehemalige Regierung aufgehört haben, können andere Risiken bestehen bleiben oder sich verstärken. Angesichts der rasch veränderten Dynamik und der sich wandelnden Lage in Syrien ist das UNHCR derzeit nicht in der Lage, den Asylentscheidern detaillierte Leitlinien für den internationalen Schutzbedarf der Syrer zur Verfügung zu stellen. Das UNHCR wird die Lage weiterhin genau beobachten, um detailliertere Leitlinien bereitzustellen, sobald die Umstände dies zulassen. Angesichts der derzeitigen Ungewissheit über die Lage in Syrien fordert das UNHCR die Asylstaaten auf, die Ausstellung negativer Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz durch syrische Staatsangehörige oder Staatenlose, die ihren früheren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, auszusetzen. Die Aussetzung des Erlasses negativer Entscheidungen sollte so lange in Kraft bleiben, bis sich die Lage in Syrien stabilisiert hat und zuverlässige Informationen über die Sicherheits- und Menschenrechtslage vorliegen, um eine umfassende Bewertung der Notwendigkeit vorzunehmen, einzelnen Antragstellern den Flüchtlingsstatus zuzuerkennen.
Das UNHCR ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Beendigung der Flüchtlingseigenschaft für Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt wurde und die aus Syrien stammen, derzeit nicht erfüllt sind.
2. Beweiswürdigung
2.1. Die Beweisaufnahme erfolgt durch Abhaltung einer mündlichen Verhandlung am 18.04.2024 (VHS); Parteiengehör zur aktuellen Situation in Syrien (OZ 12); Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsverfahrensakt (OZ 1), beinhaltend insbesondere: Erstbefragung (AS 3-17), Einvernahme (AS 55-64), Bescheid (AS 65-146) und Beschwerde (AS 169-187); Einsicht in die vorgelegten oder beigeschaffte Unterlagen und Dokumente darunter insbesondere Kopien von Identitätsdokumenten (AS 41-49, 51-53); Einsicht in Österreichische Datenregister (OZ 4): Zentrales Melderegister [ZMR], Strafregister der Republik Österreich [SA], Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister des Bundesministeriums für Inneres [IZR], Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich [GVS]); sowie Einsicht in folgende länderspezifische Berichte: Staatendokumentation Länderinformationsblatt Syrien, COI-CMS Version 11, 27.03.2024 [LIB]; EUAA Syria – Security Situation, October 2024 [EUAA Sec]; EUAA Syria – Country Guidance, April 2024 [EUAA CG]; Online Karten: www.cartercenter.org, Exploring Historical Control in Syria; syria.liveuamap.com; Syrien Nachrichten und Ereignisse; UNHCR, Position on Returns to the Syrian Arab Republic, Dezember 2024; Staatendokumentation, Kurzinformation SYRIEN - Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht, 10.12.2024; Auszug aus Institute for the Study of War, Iran Update, December 2024
2.2. Die Sachverhaltsfeststellungen zum Beschwerdeführer und seinen Lebensumständen (Pkt. 1.1) sowie zum fluchtkausalen Vorbringen (Pkt. 1.3) beruhen auf dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung in Verbindung mit dem Inhalt des Verwaltungsverfahrensaktes des BFA und dem Gerichtsakt des BVwG.
Der Beschwerdeführer hat während des gesamten Verfahrens im Wesentlichen gleichbleibende, in sich schlüssige und widerspruchsfreie Angaben zu seinen Fluchtgründen getätigt. Zumal die Ausführungen auch in den vorgelegten Personaldokumenten (vgl. AS 51-53) Deckung finden und sich vor dem festgestellten Länderhintergrund nicht als unplausibel darstellen, werden diese als glaubhaft erachtet. (AS 1-3, 46-48, 188; VHS 5-6).
Als Herkunftsregion (Pkt. 1.2) des Beschwerdeführers war XXXX ) im Gouvernement Idlib festzustellen. Der Beschwerdeführer hat den Großteil seines Lebens dort verbrachte und im Vergleich dazu nur sehr kurze Zeit in XXXX im Gouvernement Aleppo. Dass der Beschwerdeführer zu XXXX enge Bindungen entwickelt hätte und dort neu verankert wäre (vgl. dazu VwGH 25.08.2022, Ra2021/19/0442) ergibt sich aus den Feststellungen nicht.
Die politischen Verhältnisse in der Herkunftsregion ergeben sich aus den online verfügbaren Kontrollgebietskarten Exploring Historical Control in Syria und syria lifemap.
Der Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers in Österreich sowie seine Unbescholtenheit und das Nichtbestehen eines Einreiseverbotes (Pkt. 1.1) ergeben sich aus behördlich geführten Datenregistern, an deren Richtigkeit kein Anlass an zu zweifeln bestand (OZ 5).
2.3. Die Feststellungen zur aktuellen Situation in Syrien (Pkt. 1.4) sowie der Herkunftsregion des Beschwerdeführers, sind dem Länderinformationsblatt Syrien der Staatendokumentation vom März 2024, der Kurzinformation der Staatendokumentation vom 10.12.2024 zu Syrien sowie der UNHCR Position über die Rückkehr in die Syrische Arabische Republik vom Dezember 2024 und dem aktuellen EUAA-Bericht vom März 2025 entnommen. Diese Berichte sind aktuell, zeigen ein im Wesentlichen übereinstimmendes Bild, stammen von seriösen staatlichen und unabhängigen Quellen, sodass auch kein Grund besteht, an diesen zu zweifeln. Auch die Verfahrensparteien sind den in das Verfahren eingeführten Länderinformationsquellen nicht entgegengetreten (VHS 10, OZ 9).
3. Rechtliche Beurteilung
Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch eine Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 BVwGG iVm § 7 BFA-VG sowie dem AsylG. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die das BFA im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).
Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig (§§ 7, 9 VwGVG).
Zu A) Flüchtlingseigenschaft gemäß §3 AsylG 2005
3.1.Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 [Anmerkung: Drittstaatssicherheit, Schutz im EWR-Staat oder in der Schweiz oder Zuständigkeit eines anderen Staates] zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (§ 3 Abs. 1 AsylG 2005). Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (§ 3 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005) oder der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat (§ 3 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005). Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt (§ 3 Abs. 5 AsylG 2005). Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, BGBl Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Jänner 1967, BGBl Nr. 78/1974 (GFK), ist als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (VwGH 02.09.2015, Ra2015/19/0143). Nach der jüngeren Ansicht des UNHCR reicht es aus, dass der Konventionsgrund ein (maßgebender) beitragender Faktor ist, er muss aber nicht als einziger oder überwiegender Grund für die Verfolgung oder das Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen nachgewiesen werden (VwGH 23.02.2016, Ra2015/20/0113 mit Literaturnachweisen von UNHCR, Hathaway/Foster und Marx).
Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 05.09.2016, Ra2016/19/0074). Unter Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt Verfolgung als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, worunter (ua) Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 MRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 MRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 MRK niedergelegte Verbot der Folter (VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0083). Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 27.05.2019, Ra2019/14/0153).
3.2. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, kommt dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen zwar Glaubhaftigkeit zu, aufgrund des festgestellten Sachverhaltes und der aktuellen Lage in Syrien besteht für den Beschwerdeführer nach dem Sturz des syrischen Assad-Regimes jedoch keine Gefahr mehr, von diesem verfolgt oder zum Militärdienst der syrischen Armee eingezogen oder wegen Wehrdienstentziehung bestraft zu werden.
Aufgrund der Abschaffung der Wehrpflicht durch die Übergangsregierung droht dem Beschwerdeführer aktuell auch keine Rekrutierung in die Armee der Übergangsregierung. So wurden ausweislich der Berichtslage auch in den bereits zuvor unter Kontrolle des Oppositionsbündnisses unter Führung der HTS befindlichen Gebieten trotz des Bedarfs bisher keine Zwangsrekrutierungen durchführt, da sich genug freiwillige Kämpfer fanden (vgl. dazu VwGH 06.10.2024, Ra2023/18/0496).
Ebenso besteht ausgehend von der festgestellten aktuellen Lage in Syrien für den Beschwerdeführer zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt keine Gefahr, bei einer Rückkehr nach Syrien dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit durch die HTS oder eine andere am bisherigen militärischen Konflikt beteiligte Gruppierung, wie die SDF, FSA oder IS, zwangsrekrutiert oder aus anderen Gründen verfolgt zu werden.
Ausgehend von den Feststellungen (vgl. dazu insbesondere den EUAA CoI-Report) weist der Beschwerdeführer auch weder eine etwaige oppositionelle Haltung der HTS gegenüber, noch ein Profil auf – etwa Personen die mit dem bisherigen Regime in Verbindung standen oder Alawiten – welches nahelegen würde, dass ihm eine solche unterstellt werden könnte.
3.3. Zusammenfassend hat der Beschwerdeführer somit mit seinem Vorbringen nicht glaubhaft gemacht (und es ergibt sich auch sonst kein Hinweis darauf), dass er im Fall seiner Rückkehr nach Syrien zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer unmittelbaren Bedrohung oder Verfolgung aus ethnischen, religiösen oder politischen Gründen oder aufgrund der Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt sein wird, oder ihm aus einem dieser Motive Schutz durch die gegenwärtigen Machthaber in Syrien verweigert werden würde.
Es liegt somit keine Verfolgung des Beschwerdeführers im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vor und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht gegeben.
3.4. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die im Dezember 2024 veröffentlichte Position des UNHCR zur Rückkehr nach Syrien (UNHCR-Position on Returns to the Syrian Arab Republic, Dezember 2024) der vorliegenden Entscheidung nicht entgegensteht.
UNHCR plädiert darin dafür, vorerst keine negativen Entscheidungen über Asylanträge von syrischen Staatsangehörigen oder Staatenlosen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, zu erlassen, insbesondere das non-refoulement Prinzip zu beachten. Das Risiko einer Verfolgung durch die bisherige syrische Regierung habe zwar geendet, aufgrund der in Syrien vorherrschende Unsicherheit und Instabilität bestünden jedoch andere Risiken fort oder könnten zunehmen. Die vor diesem Hintergrund von UNHCR thematisierten Fragen der freiwilligen Rückkehr (Voluntary Returns) sowie von zwangsweisen Rückführungen (Moratorium on Forced Returns) sind mit Blick auf den Gegenstand der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts insofern nicht relevant, da dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz zukommt, was eine zwangsweise Rückführung nach Syrien ausschließt.
Die Beschwerde ist daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.
zu B) Unzulässigkeit der Revision
Die sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergebende rechtliche Subsumtion bedurfte angesichts der einheitlichen im Zuge der rechtlichen Ausführungen wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Flüchtlingskonvention keiner Lösung einer erheblichen Rechtsfrage. Es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.