Ra 2021/17/0117 1 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz
Der zweite Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 9 FPG setzt mehrere Kriterien voraus: Erstens muss der Drittstaatsangehörige eine gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staats und seiner Gesellschaft gerichtete Einstellung haben, zweitens muss er sein diesbezügliches Gedankengut in Wort, Bild oder Schrift gegenüber anderen Personen oder Organisationen zum Ausdruck bringen, drittens muss er diese Personen oder Organisationen von seiner Einstellung zu überzeugen versuchen oder bereits versucht haben oder viertens eine Person oder Organisation, die die Verbreitung solchen Gedankenguts fördert oder unterstützt, auf andere Weise unterstützen. Das erstgenannte Kriterium setzt nach den Materialien zum FrÄG 2017 (ErläutRV 1523 BlgNR 25. GP 6 f; IA 2285/A 25. GP 33) voraus, dass der Drittstaatsangehörige ein Gedankengut, das den Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staats und seiner Gesellschaft widerspricht, gutheißt. Er muss gegenüber diesen Wertvorstellungen ablehnend und feindlich eingestellt sein bzw. muss auf eine derartige Haltung zu schließen sein. Das zweitgenannte Kriterium setzt nach den Materialien zum FrÄG 2017 voraus, dass der Drittstaatsangehörige sein einschlägiges Gedankengut durch entsprechende Äußerungen nach außen hin zum Ausdruck bringt. Dazu bedarf es in der Regel einer Kommunikation in Wort, Bild oder Schrift, wobei aber grundsätzlich jede Form der Kommunikation erfasst sein soll, durch die er sein betreffendes Gedankengut einem größeren Personenkreis bekannt und zugänglich macht. Beim drittgenannten Kriterium kommt es nach dem Gesetzeswortlaut darauf an, dass der Drittstaatsangehörige durch die Verbreitung seines Gedankenguts andere zu überzeugen "versucht oder versucht hat". Nach den Materialien zum FrÄG 2017 reicht es aus, dass der Drittstaatsangehörige in Bezug auf sein Gedankengut (zumindest) die "Intention hat, dieses zu verbreiten", bzw. dass er seine Anschauungen und Denkweisen (künftig) "verbreiten möchte". Auch ist an das Bestreben des Drittstaatsangehörigen, andere von seinem Gedankengut zu überzeugen, auch kein allzu hoher Maßstab anzulegen. Vielfach wird schon die offene Darstellung der eigenen Überzeugung das Element in sich tragen, jemand anderen von seiner Einstellung überzeugen zu wollen. Das viertgenannte Kriterium stellt bloß eine Alternative zum zweit- bzw. drittgenannten Kriterium insofern dar, als auch jede sonstige Unterstützung vonseiten des Drittstaatsangehörigen gegenüber einer Person oder Organisation, die die Verbreitung eines einschlägigen Gedankenguts fördert oder unterstützt, in den Tatbestand einbezogen sein soll.