Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident MMag. Maislinger sowie die Hofräte Dr. Terlitza und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. in Schimpfhuber, über die Revision des A B I R, vertreten durch MMag. Dr. Stephan Vesco, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. August 2025, I417 22391754/21E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der 1987 geborene Revisionswerber, ein ägyptischer Staatsangehöriger, hält sich seit Jänner 2014 im Bundesgebiet auf. Ihm war ein einmal verlängerter Aufenthaltstitel als Studierender, zuletzt mit Gültigkeit bis zum 28. Februar 2016, erteilt worden. Im Hinblick auf seine Heirat am 12. Februar 2016 mit einer slowakischen Staatsangehörigen, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Österreich ausgeübt hatte, wurde ihm antragsgemäß mit Gültigkeit ab 4. März 2016 eine Aufenthaltskarte ausgestellt.
2Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 19. Dezember 2016 wurden der Revisionswerber (als Beteiligter nach § 117 Abs. 4 FPG) und seine Ehefrau wegen des Vergehens nach § 117 Abs. 1 FPG jeweils zu einer Geldstrafe verurteilt, und zwar deshalb, weil sie eine Aufenthaltsehe eingegangen waren, also im Sinne der zuletzt genannten Bestimmung ohne ein gemeinsames Familienleben nach Art. 8 EMRK führen zu wollen und im Wissen, dass sich der Revisionswerber für den Erwerb eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts auf diese Ehe berufen wolle.
3Mit Bescheid vom 17. Dezember 2020 sprach das von der Niederlassungsbehörde gemäß § 55 Abs. 3 NAG befasste Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA, belangte Behörde) aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (von Amts wegen) nicht erteilt werde und erließ gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFAVG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 Z 1 FPG. Dabei ging das BFA davon aus, dass das von seiner Ehefrau, gegen die im Februar 2019 für die Dauer von zwei Jahren ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot erlassen worden sei, abgeleitete Aufenthaltsrecht des Revisionswerbers mit deren Wegzug aus Österreich (nach den Meldedaten: Mitte September 2018) erloschen sei. Des Weiteren stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Ägypten zulässig sei, und bestimmte gemäß § 55 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG erließ das BFA gegen den Revisionswerber überdies wegen Eingehens einer Aufenthaltsehe ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot.
4Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde, die mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (Verwaltungsgericht) vom 15. Februar 2021 als unbegründet abgewiesen wurde. Eine dagegen eingebrachte außerordentliche Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 7. September 2021, Ra 2021/21/0096, zurück.
5Am 18. Oktober 2021 brachte der Revisionswerber einen ersten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK ein, der mit Bescheid der belangten Behörde vom 31. Jänner 2022 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückgewiesen wurde. Begründend führte die belangte Behörde aus, gegen den Revisionswerber bestehe seit 15. Februar 2021 eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung und ein maßgeblich geänderter Sachverhalt liege nicht vor.
6Auch gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde, welche mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 22. April 2022 als unbegründet abgewiesen wurde. Die dagegen eingebrachte außerordentliche Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 7. Juli 2022, Ra 2022/17/0104, zurück.
7Am 8. August 2022 stellte der Revisionswerber bei der belangten Behörde den hier gegenständlichen zweiten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005, der mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Jänner 2024 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen wurde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich im Hinblick auf das Privat- und Familienleben des Revisionswerbers seit der rechtskräftig gegen ihn mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Februar 2021 erlassenen Rückkehrentscheidung kein maßgeblich geänderter Sachverhalt ergeben habe.
8Dieser Bescheid wurde aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. März 2024 behoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde den langen Inlandsaufenthalt des Revisionswerbers in ihrer rechtlichen Beurteilung gänzlich außer Acht gelassen habe und nicht „von vornherein“ ausgeschlossen habe werden können, dass eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK geboten sei.
9Mit Bescheid vom 9. Oktober 2024 wies das BFA den verfahrensgegenständlichen Antrag des Revisionswerbers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nach weiteren Erhebungen sowie der Einholung einer Stellungnahme des rechtsfreundlich vertretenen Revisionswerbers zu dessen persönlichen Verhältnissen im Bundesgebiet gemäß § 55 AsylG 2005 ab.
10 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht diese Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
14Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 Die Revision wendet sich in der Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung.
16Dazu ist festzuhalten, dass eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG ist (vgl. VwGH 16.12.2024, Ra 2022/17/0191, mwN).
17Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt auch ein mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt trotz Vorliegens gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend zu einem Überwiegen des persönlichen Interesses, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren (vgl. VwGH 21.3.2025, Ra 2025/17/0023, mwN). Es ist daher auch in Fällen eines mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthaltes eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller fallbezogen maßgeblichen Aspekte vorzunehmen, wenn auch unter besonderer Gewichtung der langen Aufenthaltsdauer (vgl. VwGH 9.11.2023, Ra 2023/22/0067, mit Verweis auf VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0117, wonach das Schließen einer Aufenthaltsehe zu jenen Umständen zu rechnen ist, die trotz eines zehnjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse [entscheidend] verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland [entscheidend] relativieren können).
18 Die Frage, ob eine (weitere) Beweisaufnahme im Rahmen der Ermittlungen notwendig ist, unterliegt der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 21.7.2025, Ra 2023/17/0068, mwN).
19 Das Verwaltungsgericht hat zunächst entgegen dem weiteren Zulässigkeitsvorbringenauch die vom Revisionswerber ins Treffen geführten Umstände, nämlich seinen elfjährigen Aufenthalt in Österreich, das in Ägypten absolvierte Studium der Rechtswissenschaften, seine früheren Beschäftigungen und ehrenamtlichen Tätigkeiten, Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 sowie den Besuch der Gottesdienste der koptischen Kirchengemeinde und die Erbringung freiwilliger Tätigkeiten in der Sonntagsschule und den Aufbau eines sozialen Umfelds, sowie die Beziehung zu seiner Schwester und deren Familie ohnehin zu seinen Gunsten in die Beurteilung nach Art. 8 EMRK (iVm § 9 BFAVG) einbezogen. Mit dem Vorbringen, wonach das Verwaltungsgericht vorgelegte Empfehlungsschreiben sowie den ägyptischen Schulabschluss und „die durchgehende Einhaltung melderechtlicher Vorschriften“ nicht berücksichtigt habe, entfernt sich der Revisionswerber von den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses und er zeigt auch keine stichhaltigen Gründe auf, aus denen die vom Verwaltungsgericht durchgeführte Interessenabwägung nicht auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und nicht im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze erfolgt wäre. Das Verwaltungsgericht erachtete insbesondere angesichts des fremdenrechtlich verpönten Eingehens einer Aufenthaltsehe zur missbräuchlichen Erlangung eines Aufenthaltsrechtes in Österreich und des deshalb bestehenden großen öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung in vertretbarer Weise die vom Revisionswerber erlangte Integration als relativiert (vgl. dazu erneut VwGH 21.7.2025, Ra 2023/17/0068).
20 Somit gelingt es der Revision nicht darzulegen, dass die verwaltungsgerichtliche Interessenabwägung, die nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der sich das Verwaltungsgericht einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen konnte und in der auch sein Schwager als Zeuge einvernommen wurde unter Bedachtnahme auf die konkreten Umstände des Revisionsfalls vorgenommen wurde, unvertretbar wäre.
21 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 23. Oktober 2025
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