Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Weixelbraun als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag a . Tscherner und Mag a . Viktorin in der Rechtssache der klagenden Partei A*, geb. ** , **, vertreten durch Summer Schertler Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Bregenz, wider die beklagte Partei B* Limited, **, Malta, vertreten durch CERHA HEMPEL Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 33.159,95 samt Zinsen, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25.7.2025, **-13, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 4.8.2025, **-15, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.400,32 (darin EUR 566,72 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beklagte ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in Malta, die Internet-Glücksspiel auf der Internetseite ** veranstaltet. Sie verfügt in Malta über eine aufrechte Glücksspiellizenz. Über eine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz verfügt sie nicht.
Die in Österreich wohnhafte Klägerin registrierte sich mit dem Spielerkonto „**“ bei der Beklagten zum Zweck der Teilnahme am Online-Glücksspiel. Im Zeitraum von 18.2.2022 bis 14.5.2024 zahlte die Klägerin, die immer nur von ** aus spielte, EUR 58.330 ein. Dem stehen Auszahlungen von EUR 25.170,05 gegenüber. Der Gesamtverlust der Klägerin beläuft sich auf EUR 33.159,95.
Mit dem am 9.1.2025 eingebrachten Antrag auf Erlassung eines europäischen Zahlungsbefehls begehrt die Klägerin die Rückzahlung der Verluste von EUR 33.159,95 samt 4 % Zinsen ab 15.5.2024.
Die Beklagte biete in Österreich ohne Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz Glücksspiele an. Die Klägerin habe an den Glücksspielen teilgenommen und dabei Verluste erlitten. Angesichts der fehlenden Konzession seien die Spiele verboten gewesen. Der Glücksspielvertrag sei unerlaubt und damit unwirksam, sodass die Spieleinsätze bereicherungsrechtlich und schadenersatzrechtlich rückforderbar seien, zumal der Eingriff ins Glücksspielmonopol eine Schutzgesetzverletzung bewirke.
Die Beklagtebeantragte die Abweisung der Klage. Das österreichische Glücksspielmonopol sei inkohärent und mit dem Unionsrecht unvereinbar. Die Inkohärenz des österreichischen Glücksspielmonopols ergebe sich insbesondere aus der unterschiedlichen Behandlung von Online-Sportwetten und Online-Glücksspiel, der Ausweitung der Lotterie-Konzession auf alle Online-Glücksspiele, den unterschiedlichen Regulierungen im Automatenbereich und der expansionistischen Geschäfts- und aggressiven Werbepraxis der de facto Monopolisten. Die bisherige Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte zum Glücksspielmonopol beschränke sich auf die Prüfung der Werbepraxis der de facto Monopolisten, die anderen für die Inkohärenzprüfung maßgeblichen Themengebiete würden gänzlich außer Acht gelassen. Erst jüngst habe der Verfassungsgerichtshof wesentliche Teile des § 25 GSpG als unsachlich und damit gleichheitswidrig aufgehoben. Die Aufhebung, die mit Ablauf des 24.1.2023 in Kraft getreten sei, betreffe den gegenständlichen Zeitraum. Glücksspielgewinne, die die Klägerin im Ausland erzielt habe, unterlägen nicht dem österreichischen Glücksspielgesetz und seien damit nicht rückforderbar. Zinsen stünden frühestens mit erstmaliger Fälligstellung des Anspruchs durch die Zustellung der Klage zu.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von EUR 33.159,95 samt 4 % Zinsen seit 15.5.2024 sowie zum Kostenersatz an die Klägerin.
Dabei traf es die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, der Oberste Gerichtshof gehe – im Einklang mit der Rechtsprechung des Verfassungs- sowie des Verwaltungsgerichtshofs – seit seiner Entscheidung vom 22.11.2016 zu 4 Ob 31/16m in ständiger Judikatur davon aus, dass das im Glücksspielgesetz normierte Monopol- bzw Konzessionssystem bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen (insbesondere der Werbemaßnahmen der Konzessionäre) auf dem Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspreche. Auch in aktuellen Entscheidungen habe der Oberste Gerichtshof an der bisherigen Rechtsprechung zur EU-Rechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols festgehalten und ausgesprochen, dass die Frage der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols aus seiner Sicht abschließend beantwortet sei. Die Rechtsprechung des EuGH, wonach die tatsächlichen Auswirkungen des Monopols von den nationalen Gerichten „dynamisch“ zu beurteilen seien, erfordere keine gleichsam ständige Neubeurteilung der Auswirkungen in jedem einzelnen Fall und zu jeder einzelnen Werbekampagne, vielmehr werde damit zum Ausdruck gebracht, dass nicht bloß statisch auf den Zeitpunkt der Erlassung der Regelung abgestellt werden dürfe. Auch zum Großteil des hier maßgeblichen Zeitraums habe der Oberste Gerichtshof diese Rechtsansicht bereits bestätigt. Die Aufhebung von Teilen des § 25 Abs 2 GSpG durch den VfGH ändere nichts an der unionsrechtlichen Zulässigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols. Da die Beklagte über keine Konzession für Glücksspiel in Österreich verfüge, seien die mit der Klägerin geschlossenen Verträge gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig. Die Klägerin könne den Verlust daher gemäß § 877 ABGB von der Beklagten zurückfordern. In Fällen der Rückabwicklung habe der redliche Bereicherungsschuldner – außer bei Vorliegen einer Gegenleistung – bereits ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Bereicherung die zumindest mit dem gesetzlichen Zinssatz abzugeltenden Nutzungen eines von ihm zu erstattenden Geldbetrags unabhängig vom Eintritt des Verzugs herauszugeben („Vergütungszinsen“). Der Klägerin stünden daher Vergütungszinsen seit 15.5.2024 zu.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (samt sekundärer Feststellungsmängel) und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Abänderungsantrag, das Klagebegehren abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1.1 Die Beklagte moniert als Verfahrensmangel, das Erstgericht habe das beantragte Sachverständigengutachten aus dem Bereich Marktforschung und Marketing nicht eingeholt. Damit hätte unter Beweis gestellt werden können, dass die von den Konzessionsinhabern betriebene Werbung nicht maßvoll oder darauf beschränkt sei, Verbraucher zu den kontrollierten Spielernetzwerken zu lenken, gezielt vulnerable Gruppen anspreche, Glücksspiel verharmlose und ein positives Image verleihe, Gewinne verführerisch in Aussicht stelle, die Anziehungskraft durch zugkräftigere Botschaften erhöhe und jene Personen zur aktiven Teilnahme an Glücksspiel anrege, die bis dato nicht gespielt hätten.
1.2Ein primärer Verfahrensmangel im Sinn des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO liegt schon deshalb nicht vor, weil das Erstgericht gerade keine von den Behauptungen der Beklagten abweichenden Feststellungen getroffen hat. Sollten die Tatsachen, die die Beklagte mit dem beantragten Gutachten beweisen möchte, rechtlich relevant sein, könnte nur ein sekundärer Feststellungsmangel nach § 496 Abs 1 Z 3 ZPO vorliegen (vgl Pimmer in Fasching/Konecny 3§ 496 ZPO Rz 55 ff). Auf die Frage, ob in Zusammenhang mit der Beurteilung der Kohärenz des österreichischen Glücksspielmonopols sekundäre Feststellungsmängel vorliegen, wird im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge näher eingegangen.
2.Gegenstand der Rechtsrüge ist die von der Beklagten behauptete Unionsrechtswidrigkeit des in § 3 GSpG normierten Glücksspielmonopols.
2.1Der Oberste Gerichtshof geht seit seiner am 22.11.2016 zu 4 Ob 31/16m ergangenen Entscheidung in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass das im GSpG normierte Monopol- oder Konzessionssystem bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen (insbesondere der Werbemaßnahmen der Konzessionäre) auf dem Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts zur Verhältnismäßigkeit und Kohärenz entspricht (RS0130636 [T7]; 7 Ob 213/21f; 4 Ob 223/21d; 4 Ob 213/21h; 4 Ob 200/21x; 1 Ob 74/22x; 2 Ob 23/23f; 7 Ob 203/23p; 7 Ob 86/24h; 1 Ob 78/24p; 7 Ob 150/24w; 6 Ob 157/24t; 3 Ob 147/24z uva). Jüngst hat der Oberste Gerichtshof diese Ansicht etwa zu 6 Ob 33/25h und zu 1 Ob 36/25p (für einen Spielzeitraum bis 1.2.2024) bestätigt. Bereits mehrfach hat der Oberste Gerichtshof unter Berücksichtigung der Rechtsprechung der anderen österreichischen Höchstgerichte und des Europäischen Gerichtshofs die Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols als abschließend beantwortet erachtet (3 Ob 72/21s; 9 Ob 20/21p; 5 Ob 30/21d; uva).
2.2Die genannten Entscheidungen setzen sich mit den von der Beklagten vorgebrachten Argumenten auseinander, die Konzessionsinhaberinnen würden exzessive Werbemaßnahmen betreiben und ausweiten, Glücksspiel verharmlosen und ihnen ein positives Image verleihen oder Personen zur Teilnahme anregen, die bisher nicht gespielt haben. Sie begründen, wieso auch eine Politik der kontrollierten Expansion von Glücksspielen mit dem Ziel, Spieler zu schützen und Straftaten im Zusammenhang mit verbotenen Spielen zu bekämpfen, in Einklang stehe, wenn Spieler dadurch veranlasst werden, von verbotenen Spielen zu erlaubten und geregelten Spielen überzugehen, bei denen davon ausgegangen werden könnte, dass sie „frei von kriminellen Elementen“ und darauf ausgelegt seien, die Verbraucher vor übermäßigen Ausgaben und Spielschulden zu schützen (vgl 1 Ob 229/20p; 8 Ob 129/23p mwN; ua).
2.3Der Oberste Gerichtshof beleuchtete in den genannten Entscheidungen auch die Fragen der unterschiedlichen Behandlung von Online-Sportwetten und Online-Glücksspiel sowie Online-Glücksspiel und Offline-Glücksspiel (vgl 7 Ob 213/21f; RS0129268 [T6, T8] = 5 Ob 30/21d).
2.4Die Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof steht im Einklang mit den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs (vgl E 945/2016, G 286/219) und des Verwaltungsgerichtshofs (vgl Ro 2015/17/0022, Ra 218/170048, Ra 2020/17/0001; Ra 2021/17/0031). Auch der EuGH sah die aktuellen Werbemaßnahmen der österreichischen Konzessionsinhaber in der zuletzt ergangenen Entscheidung zum österreichischen Glücksspielmonopol als kohärent an (EuGH C-920/19, Fluctus ).
2.5 Die Beklagte zeigt – auch für den hier zu beurteilenden Zeitraum – nicht auf, inwiefern sich durch Feststellungen zum Wachstum des Glücksspielmarkts, zur Ausweitung der Geschäftstätigkeit und des Angebots der Konzessionsinhaber, zu den Werbemaßnahmen der Konzessionsinhaber, zur steigenden Kriminalität im Zusammenhang mit Glücksspiel und zur Kontrolle des Spielerschutzes ergeben würde, dass die Ausgestaltung des österreichischen Glücksspielrechts nicht geeignet wäre, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern, die Spieler zu schützen und der Kriminalität vorzubeugen.
Die Feststellungsgrundlage ist daher auch nicht mangelhaft geblieben:
Die behauptete Ausweitung der Geschäftstätigkeit, die Steigerung der Einnahmen und die Werbemaßnahmen der Konzessionsinhaber führten nach der Rechtsprechung nicht zur Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielgesetzes, weil diese als Teil einer Politik der kontrollierten Expansion im Glücksspielsektor zur wirksamen Lenkung der Spieltätigkeit in kontrollierbare, rechtmäßige Bahnen angesehen werden könnten (1 Ob 229/20p, EuGH C-347/09, Dickinger/Ömer, Rn 65). Auch die Zunahme von Kriminalität wäre kein Indiz dafür, dass die Kriminalität durch die Monopolregelungen nicht beherrscht würde. Die Rechtsprechung des EuGH, wonach die tatsächlichen Auswirkungen des Monopols von den nationalen Gerichten „dynamisch“ zu beurteilen seien (vgl C-464/15, Admiral, Rn 32ff), möchte ein statisches Abstellen auf den Zeitpunkt der erlassenen Regelung verhindern; das Erfordernis einer ständigen Neubeurteilung der Auswirkungen in jedem einzelnen Fall lässt sich aus dieser Rechtsprechung nicht ableiten. Der Hinweis auf die Entscheidung 10 Ob 52/16v vom 11.11.2016 geht fehl, weil diese Entscheidung aus der Zeit vor der dargestellten nunmehr maßgebenden gefestigten Rechtsprechung stammt (vgl 4 Ob 229/17f; RS0042668).
2.6 Aus der in der Berufung aufgezeigten Mehrfachfunktion des BMF als Eigentümervertreter eines Glücksspielunternehmens und dessen Aufsichtsbehörde lässt sich nicht ableiten, dass das österreichische System nicht geeignet wäre, die Verwirklichung des Ziels, Spieler zu schützen und Straftaten in Zusammenhang mit verbotenen Spielen zu bekämpfen (vgl EuGH C-390/12, Pfleger , Rn 42), oder die Verwirklichung des genannten Ziels verhindere. Der bloße Umstand, dass die Bundesregierung eine Umstrukturierung des Glücksspielwesens plane, lässt nicht den Schluss zu, dass das derzeitige System nicht wirklich dem Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung diene und nicht dem Anliegen entspreche, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen.
Das Berufungsgericht sieht daher auch keinen Anlass, der Anregung der Beklagten näherzutreten, dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob Rechtsvorschriften, nach denen das Recht zur Durchführung von Glücksspielen ausschließlich dem Staat vorbehalten ist, und die Aufsicht über die staatlich konzessionierten Glücksspielunternehmen und die Kontrolle von Werbemaßnahmen dieser Glücksspielunternehmen von einer weisungsunterworfenen Dienststelle einer Regierungsbehörde ausgeübt werden, wenn gleichzeitig der Staat Eigentümer dieser Glücksspielunternehmen ist und die Vertretung des Eigentümers durch dieselbe Regierungsbehörde erfolgt, die für ihre Aufsicht zuständig ist, Art 49 und/oder Art 56 AEUV entgegenstehen.
2.7 Das Berufungsgericht sieht – auch für den hier zu beurteilenden Zeitraum – keinen Grund, von der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abzugehen, wonach abschließend geklärt ist, dass das im Glücksspielgesetz normierte Monopol- und Konzessionssystem im hier relevanten Zeitraum in allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht.
3. Der Berufung war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht zur Beurteilung standen.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden