Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Nigl als Vorsitzenden, die Richter Mag. Zechmeister und Mag. Pinter sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Leitner und Rudolf Galko in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle **, **, vertreten durch Mag. Christian Wegerth, ebenda, wegen Entziehung von Rehabilitationsgeld, infolge der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits und Sozialgerichtes Wien vom 10.3.2025, **-14, in nichtöffentlicher Sitzung
I. den
B e s c h l u s s
gefasst:
Aus Anlass der Berufung wird das Urteil des Erstgerichts im Umfang des Spruchpunktes 2., wonach festgestellt werde, dass keine dauernde Berufsunfähigkeit vorliege, als nichtig aufgehoben und die Klage insoweit wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen.
II. zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Begründung und Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 18.6.2024 sprach die beklagte Partei aus, dass aufgrund der Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin keine vorübergehende Berufsunfähigkeit mehr vorliege, das seit 1.2.2022 bezogene Rehabilitationsgeld mit 31.7.2024 aus diesem Grund entzogen werde, medizinische Maßnahmen der Rehabilitation nicht mehr zweckmäßig seien und kein Anspruch auf berufliche Maßnahmen der Rehabilitation bestehe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die erkennbar auf Weitergewährung einer zeitlich unbegrenzten Versicherungsleistung über den 31.7.2024 hinaus gerichtete Klage der Klägerin mit dem wesentlichen Vorbringen, sie sei aufgrund ihres Gesundheitszustandes dauerhaft nicht mehr imstande, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Die beklagte Parteibestritt und brachte vor, die Nachuntersuchung habe eine wesentliche Verbesserung des Gesundheitszustands der Klägerin durch medizinische Maßnahmen der Rehabilitation ergeben. Die Klägerin habe innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag nicht in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine Erwerbstätigkeit als Angestellte oder nach § 255 Abs 1 ASVG ausgeübt und sei wieder imstande, durch eine Tätigkeit, die auf dem Arbeitsmarkt noch bewertet werde und die ihr unter billiger Berücksichtigung der von ihr ausgeübten Tätigkeit noch zugemutet werden könne, wenigstens die Hälfte des Entgelts zu erwerben, dass eine körperlich und geistig gesunde versicherte Person regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflege. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Rehabilitationsgeld lägen damit nicht mehr vor. Wenn die Klägerin nach erfolgter Gewichtsabnahme vom Gehabten wieder abgehe und erneut an Gewicht zunehme, stelle dies eine Verletzung der ihr obliegenden Mitwirkungspflicht dar.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass vorübergehende Berufsunfähigkeit und ein Anspruch der Klägerin auf Rehabilitationsgeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung sowie auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation über den 31.7.2024 hinaus bestehe, ab (Spruchpunkt 1.). Es stellte zudem fest, dass keine dauernde Berufsunfähigkeit vorliege (Spruchpunkt 2.), sowie dass vorübergehende Berufsunfähigkeit im Ausmaß von mindestens sechs Monaten ab 1.10.2024 vorliege, ab diesem Zeitpunkt für die Dauer der vorübergehenden Invalidität ein Anspruch der Klägerin auf Rehabilitationsgeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung sowie auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation bestehe und berufliche Maßnahmen der Rehabilitation nicht zweckmäßig und zumutbar seien (Spruchpunkt 3.).
Dieser Entscheidung legte das Erstgericht soweit im Berufungsverfahren relevant folgenden Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin hat keine Berufsausbildung und arbeitete als Reinigungskraft. Mit Vergleich vom 11.1.2023 vereinbarten die Parteien im Rahmen des Vorverfahrens, dass dauernde Berufsunfähigkeit der Klägerin nicht vorliege, sie aber Anspruch auf Rehabilitationsgeld ab dem 1.2.2022 aufgrund vorübergehender Berufsunfähigkeit aufgrund von Übergewicht und der damit verbundenen Belastung auf die Kniegelenke, die linke Achillessehne und die Wirbelsäule habe. Die beklagte Partei belehrte die Klägerin, dass diese an medizinisch zumutbaren Therapiemaßnahmen, insbesondere zur Reduzierung ihres Gewichts, mitzuwirken habe. Der Vorsitzende erklärte der Klägerin aus diesem Anlass, dass bei einer Verletzung der Mitwirkungspflicht das Rehabilitationsgeld entzogen werden könnte, obwohl sich an ihrem Gesundheitszustand in Wahrheit nichts gebessert habe.
Die Klägerin absolvierte daraufhin ein Rehabilitationsprogramm zur Verringerung ihres Gewichts, wodurch sie im Jänner 2024 einen Gewichtsverlust von 125 kg auf 106 kg erzielte und dieses Gewicht auch einige Monate halten konnte. Dadurch war die Klägerin ab diesem Zeitpunkt wieder in der Lage, zumindest halbschichtige leichte Arbeiten im Rahmen einer Halbtags bzw Teilzeitbeschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben, insbesondere die Berufe Hilfsarbeiterin in der Elektro und Elektronikindustrie (Fertigungsbereich), Hilfsarbeiterin in der Werbemittelbranche und Adressverlagen und Wäschewarenlegerin.
Nach Ende der Rehabilitation im Mai 2024 nahm die Klägerin wieder an Gewicht zu, sodass die Belastung auf ihre Gelenke stieg und ihr ab Ende September 2024 vorübergehend für zumindest sechs Monate keine geregelten Arbeiten zumutbar sind. Zu dieser erneuten Gewichtszunahme kam es, weil die Klägerin sich in Trauer um ihren zeitnah verstorbenen Sohn befand, nach Abschluss der Rehabilitation wieder mehr aß und es nicht mehr schaffte, sich an die in der Rehabilitation geübten gewichtsreduzierenden bzw erhaltenden Maßnahmen zu halten. Eine Besserung ihres Gesundheitszustandes könnte durch einen erneuten Gewichtsverlust sowie nach einem Kniegelenkstotalersatz und der entsprechenden Rehabilitationsphase erreicht werden. Die Klägerin will diese Operation durchführen lassen.
Rechtlich folgerte das Erstgericht zusammengefasst und soweit im Berufungsverfahren relevant, dass die Entziehung des Rehabilitationsgeldes mit 31.7.2024 aufgrund der im Rahmen des von der Klägerin absolvierten Rehabilitationsprogramms erzielten wesentlichen Verbesserung des Gesundheitszustandes gerechtfertigt gewesen sei. Allerdings sei Ende September 2024 während des laufenden Entziehungsverfahrens erneut (vorübergehende) Arbeitsunfähigkeit eingetreten, wodurch die Klägerin mit (neuem) Stichtag ab 1.10.2024 Anspruch auf Rehabilitationsgeld habe.
Die Frage der Verletzung einer Mitwirkungsobliegenheit stelle sich beim (auch neuerlichen) Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nach der Entziehung aus berechtigten Gründen nicht. Zudem sei der Klägerin die erneute Gewichtszunahme nach Abschluss der vorgesehenen Therapiemaßnahmen subjektiv nicht vorwerfbar. Unter Verweis auf eine Studie führte es aus, Übergewicht und Adipositas seien zusätzlich zur persönlichen - durch den Tod ihres Sohnes ausgelösten - besonders belasteten Situation der Klägerin ein global und national an Bedeutung zunehmendes, multifaktorelles Problem mit geringen langfristigen Heilungschancen.
Gegen dieses Urteil richtet sich insoweit es im Spruchpunkt 3. die vorübergehende Berufsunfähigkeit ab 1.10.2024 feststellt und den Anspruch auf Rehabilitationsgeld und medizinische Maßnahmen der Rehabilitation ab diesem Zeitpunkt ausspricht die rechtzeitige Berufung der beklagten Partei.
Geltend gemacht wird der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, sowie innerhalb dieser ein sekundärer Feststellungsmangel. Beantragt wird die Abänderung des angefochtenen Urteils im Spruchpunkt 3. dahingehend, dass die Nicht-Zweckmäßigkeit und Nicht-Zumutbarkeit beruflicher Maßnahmen der Rehabilitation festgestellt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin hat sich am Berufungsverfahren nicht beteiligt.
Zu I.:
Die vorliegende Klage richtet sich gegen den Bescheid vom 18.6.2024, mit dem unter anderem über das Vorliegen vorübergehender Berufsunfähigkeit abgesprochen wurde, nicht aber über das Vorliegen oder Nichtvorliegen dauernder Berufsunfähigkeit.
Gemäß § 67 Abs 1 Z 1 ASGG darf unter anderem in einer Leistungssache nach § 65 Abs 1 Z 1 ASGG vom Versicherten eine Klage nur erhoben werden, wenn der Versicherungsträger darüber bereits mit Bescheid entschieden hat. „Darüber“ bedeutet, dass der Bescheid über den der betreffenden Leistungssache zugrunde liegenden Anspruch ergangen sein muss. Der mögliche Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist durch den Antrag, den Bescheid und das Klagebegehren dreifach eingegrenzt. Der Streitgegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens muss demnach mit jenem des vorgeschalteten Verwaltungsverfahrens ident sein. Andernfalls fehlt es für ein Begehren an einer „darüber“ ergangenen Entscheidung des Versicherungsträgers und ist eine Klage gemäß § 73 ASGG von Amts wegen wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen, sowie ein allenfalls davon betroffener Verfahrensteil als nichtig aufzuheben (RS0124349 [T3], [T6]; RS0042080; 10 ObS 4/16k mwN).
Zwar begehrte die Klägerin mit ihrer Klage erkennbar die Zuerkennung einer zeitlich nicht eingeschränkten Versicherungsleistung über den 31.7.2024 hinaus, jedoch war das Vorliegen dauernder Berufsunfähigkeit nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides. Es war daher das Urteil in diesem Umfang als nichtig aufzuheben.
Zu II.:
Die Berufung ist im Übrigen nicht berechtigt.
1.) Der Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wendet sich gegen die rechtliche Subsumtion des Erstgerichts. Der Rechtsmittelwerber muss dabei von den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ausgehen und darlegen, warum falsche rechtliche Schlüsse gezogen wurden. Die gesetzmäßige Ausführung dieses Rechtsmittelgrundes fordert wie für das Revisions(§ 506 Abs 2 ZPO) und das Rekursverfahren (§ 520 Abs 2 ZPO) ausdrücklich angeordnet die Darlegung, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache unrichtig erscheint ( A. Kodek in Rechberger/Klicka 5§ 471 ZPO Rz 16).
1.1.) Die Berufung stützt sich auf eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch die Klägerin und führt aus, diese sei bereits im Vorverfahren darüber belehrt worden, dass sie eine Gewichtsreduktion vorzunehmen habe, um ihre Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen.
Wenn das Erstgericht davon ausgehe, dass ein einmaliges und offenbar nur kurzfristiges Erreichen der Arbeitsfähigkeit durch Gewichtsreduktion die Klägerin davon befreie, diesen Zustand beizubehalten, entspreche dies weder dem Zweck der Mitwirkungspflichtbelehrung gemäß § 99 Abs 1a ASVG, noch dem Sinn der Schadenminderungspflicht gemäß § 1304 ABGB. Es sei nicht davon auszugehen, dass eine einmal erteilte Mitwirkungspflichtbelehrung mit Wiedererlangen der Arbeitsfähigkeit automatisch ihre Rechtswirksamkeit verliere, wenn es sich bei der Grundlage für eine erneute Leistungsgewährung um den Wiedereintritt der Arbeitsunfähigkeit aus dem selben Grund handle, aus dem die Leistung ursprünglich gewährt und die Mitwirkungspflichtbelehrung erteilt worden sei. Diesbezüglich sei zudem der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Belehrung über die Mitwirkungspflicht, deren Erfüllung und der nur wenige Monate danach erneut eingetretenen Arbeitsunfähigkeit zu beachten. Die vorübergehende Erfüllung der Mitwirkungspflicht und die Verletzung derselben hätten sich noch während des laufenden Gerichtsverfahrens ereignet, was bei der Urteilsfällung zu berücksichtigen gewesen wäre. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte das Erstgericht die Verletzung der Mitwirkungspflicht als Hindernis für die erneute Gewährung des Rehabilitationsgeldes ab 1.10.2024 werten müssen.
1.2.) Zudem führt die Berufung aus, das Urteil weise sekundäre Feststellungsmängel im Hinblick auf die Beurteilung der subjektiven Vorwerfbarkeit der Mitwirkungspflichtverletzung durch die Klägerin auf. Für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit sei das individuelle Leistungskalkül der Klägerin inklusive Einschätzung der Besserungswahrscheinlichkeit heranzuziehen, allgemeine Studien seien keine geeignete Beweisgrundlage.
Aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung habe das Erstgericht Feststellungen dazu unterlassen, ob es der Klägerin zumutbar und möglich gewesen wäre, das ursprünglich im Rahmen der Mitwirkungspflicht erzielte Gewicht von etwa 106 kg bzw ein Gewicht, bei dem Arbeitsfähigkeit bestehen bleibe, zu halten und nicht erneut an Gewicht zuzunehmen. Die subjektive Vorwerfbarkeit habe das Erstgericht ohne Treffen der notwendigen Feststellungen zum Ausmaß der emotionalen Belastungssituation durch den familiären Todesfall und die individuell langfristigen Heilungschancen der Klägerin beurteilt. Da der festgestellte Sachverhalt für die Beurteilung der subjektiven Vorwerfbarkeit der Mitwirkungspflichtverletzung nicht ausreiche, liege ein sekundärer Feststellungsmangel vor.
2.) Die Berufung ist nicht berechtigt:
2.1.) Gemäß § 99 Abs 1a ASVG ist der anspruchsberechtigten Person das Rehabilitationsgeld zu entziehen, wenn sie sich nach Hinweis auf diese Rechtsfolge weigert, an den ihr zumutbaren medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation mitzuwirken.
Demnach ist Voraussetzung für einen Entzug von Rehabilitationsgeld aufgrund einer Verletzung der Mitwirkungspflichten eine Weigerung des Versicherten, sich konkreten zumutbaren medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation zu unterziehen.
2.1.1.) Ausgehend vom unbekämpft gebliebenen festgestellten Sachverhalt absolvierte die Klägerin ein Rehabilitationsprogramm zur Verringerung ihres Gewichts, im Rahmen dessen ihr eine erhebliche Gewichtsreduktion auf 106 Kilogramm sowie die Wiedererlangung ihrer Arbeitsfähigkeit gelang. Erst nach Beendigung dieses Rehabilitationsprogramms im Mai 2024 kam es zur erneuten Gewichtszunahme und zur dadurch bedingten neuerlichen (vorübergehenden) Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ab Ende September 2024. Die Entziehung des Rehabilitationsgeldes mit 31.7.2024 erfolgte daher dem festgestellten Sachverhalt zufolge - und auch in rechtlicher Hinsicht von beiden Parteien unangefochten – zu Recht.
2.1.2.) Wie bereits das Erstgericht richtig ausführte, enthält das auf Weitergewährung einer Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gerichtete Klagebegehren als logisches Substrat auch das Eventualbegehren auf Wiedergewährung der Pensionsleistung für den Fall, dass zwar die Entziehung berechtigt war, inzwischen aber die Voraussetzungen für eine Neugewährung vorliegen (RS0099110). Wenn sich die beklagte Partei mit ihrer Rechtsrüge im Hinblick auf die in Punkt 3. des Urteils ausgesprochene Wiedergewährung des Rehabilitationsgeldes auf eine Verletzung der Mitwirkungspflicht gemäß § 99 Abs 1a ASVG stützt, übersieht sie, dass sich diese Bestimmung auf die Entziehung des Rehabilitationsgeldes und nicht auf eine Neugewährung der Versicherungsleistung bezieht. Die Entziehung des Rehabilitationsgeldes erfolgte jedoch mit 31.7.2024 unbestritten zu Recht. Ein Verlust des Anspruchs der Klägerin auf Wiedergewährung der Versicherungsleistung kann sich aus § 99 Abs 1a ASVG damit nicht ergeben.
2.2.) Nach ständiger Rechtsprechung ist der Versicherte im Rahmen seiner (sozialversicherungsrechtlichen) Mitwirkungspflicht dazu verhalten, alle zumutbaren Maßnahmen zu unternehmen, um einen Zustand zu erhalten oder herbeizuführen, der ihn in die Lage versetzt, sonst zumutbare Arbeiten zu verrichten (10 ObS 105/15m, 10 ObS 12/15k). In seiner diesbezüglichen Grundsatzentscheidung, welche zur Frage erging, ob sich der Versicherte einer Operation zur Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit unterziehen muss (10 ObS 40/90), sprach der Oberste Gerichtshof – unter Darlegung der Voraussetzungen (Chance der Risikoverringerung und Zumutbarkeit) sowie der Grenzen der Zumutbarkeit (mit der Maßnahme verbundene Gefahren, Erfolgsaussichten, Schwere des Eingriffs und seine Folgen unter Berücksichtigung einer erforderlichen Nachbehandlung sowie der damit verbundenen Schmerzen) - aus, dass für das österreichische Sozialversicherungsrecht zwar keine generellen allgemeinen Normen über die Mitwirkungs- und Duldungspflicht des Versicherten bestehen, sich eine solche Verpflichtung jedoch aus einer Vielzahl von Einzelregelungen ableiten lässt, welche als Ausdruck des auch im Sozialversicherungsrecht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben angesehen werden können, der es dem Leistungsempfänger gebietet, die Interessen der Sozialversicherung in zumutbarer Weise zu wahren, sowie auch aus den Bestimmungen über die Schadenminderungspflicht des bürgerlichen Rechts (§ 1304 ABGB). Weiteren höchstgerichtlichen Entscheidungen zufolge, die jeweils zur Mitwirkungsobliegenheit für bereits gemindert arbeitsfähige Versicherte hinsichtlich der Durchführung einer zumutbaren Krankenbehandlung ergingen, setzt das Entstehen einer Mitwirkungspflicht ein entsprechendes Verlangen des Versicherungsträgers voraus. Bei der Frage der Mitwirkungspflichten des Versicherten besteht kein grundsätzlicher Unterschied zwischen Gewährung und Entziehung einer Leistung, weshalb die dargestellten Grundsätze auch im Falle der Erst- oder Weitergewährung zu gelten haben (10 ObS 188/04a; 10 ObS 134/07i; 10 ObS 88/07z).
Lediglich in Bezug auf die Verwendung einfacher Hilfsmittel, deren Anschaffung und Nutzung dem Versicherten möglich und zumutbar ist, sprach der Oberste Gerichtshof aus, dassanders als bei Heilbehandlungen, durch die eine bereits geminderte Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt werden soll und deren Notwendigkeit dem Antragsteller noch einmal vor Augen geführt werden soll - keine Aufforderung zur Erfüllung der Mitwirkungspflicht durch den Pensionsversicherungsträger erforderlich ist, wenn durch die Verwendung dieser einfachen Hilfsmittel die Arbeitsfähigkeit erhalten werden kann. Dazu nannte er beispielhaft das Tragen einer passenden Prothese, das Tragen einer Brille mit einem undurchsichtigen Glas, oder die Beherrschbarkeit einer Unterzuckergefahr durch mehrmals tägliche Blutzuckerbestimmungen (10 ObS 12/15k; RS0084985).
Nach der dargestellten Judikatur besteht eine Verpflichtung des Versicherten, sich einer Heilbehandlung zu unterziehen, wenn bereits eine geminderte Arbeits bzw Erwerbsfähigkeit im Sinne der jeweils anwendbaren sozialversicherungsrechtlichen Norm besteht, und dieser Zustand durch eine zumutbare Krankenbehandlung so weit gebessert werden kann, dass die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt wird ( Födermayr, Resch in Mosler/Müller/Pfeil,Der SV-Komm § 255 ASVG (Stand 1.3.2020, rdb.at) Rz 74 ff mwN). Zur Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit wurde soweit überblickbar bislang lediglich ausgesprochen, dass zu den dem Versicherten zumutbaren Maßnahmen auch das Aufsuchen von Therapieeinrichtungen zu zählen ist, die die konkret für ihn notwendigen Therapien außerhalb der Arbeitszeit anbieten (10 ObS 105/15m).
Dass den Versicherten nach erfolgreicher Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit eine „Mitwirkungsobliegenheit“ dahingehend trifft, von sich aus in Eigenverantwortung und ohne Verlangen des Versicherungsträgers sämtliche Maßnahmen zu treffen, um eine (auch erneute) Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu verhindern, kann aus der dargestellten oberstgerichtlichen Judikatur aber nicht abgeleitet werden. Die Verweigerung einer der Klägerin aufgetragenen, zumutbaren Therapie liegt nicht vor.
Den unbekämpften Feststellungen zufolge schloss die Klägerin die von ihr verlangte Rehabilitation vollständig und erfolgreich ab. Dass weitere Therapiemaßnahmen seitens des Versicherungsträgers von ihr gefordert wurden, steht nicht fest, und behauptete die beklagte Partei auch nicht. Da die beklagte Partei nach Abschluss der Rehabilitation keine weitere Behandlung von der Klägerin verlangte, entstand auch keine diesbezügliche Mitwirkungspflicht ihrerseits. Daran ändert auch der tatsächlich enge zeitliche Zusammenhang nichts.
Einer Verfahrensergänzung hinsichtlich der individuellen Zumutbarkeit bestimmter Behandlungen oder Maßnahmen bedarf es daher nicht, die monierten Feststellungsmängel liegen nicht vor.
Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.
Kosten wurden im Berufungsverfahren nicht verzeichnet.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil angesichts der bereits vorhandenen oberstgerichtlichen Judikatur zur Notwendigkeit des Verlangens einer konkreten Maßnahme durch den Versicherungsträger keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zur Beurteilung vorlag.
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