Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* B*wegen der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 16. Mai 2025, GZ **-85.3, nach der am 24. September 2025 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Röggla, im Beisein der Richterin Mag. Schneider-Reich und des Richters Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Wallenschewski sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* B* und seines Verteidigers Mag. Christian Hirsch durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Der Berufung des Angeklagten wird nicht , hingegen jener der Staatsanwaltschaft Folgegegeben und der Ausspruch teilbedingter Strafnachsicht nach § 43a Abs 4 StGB aus dem angefochtenen Urteil ausgeschaltet.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen – auch ein Konfiskations- und Adhäsionserkenntnis enthaltenden - Urteil wurde der am ** geborene kroatische Staatsangehörige A* B* (zu A./I./ und II./) der Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB, (zu A./III./1./ bis 5./) der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 (zu ergänzen:) erster Fall StGB, (zu B./) des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und (zu C./) des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 (zu ergänzen:) erster Fall StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung der §§ 28 Abs 1 StGB, 39a Abs 1 Z 4 (zu ergänzen:) iVm Abs 2 Z 3 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31 Abs 1, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 13. März 2025, AZ **, nach § 106 Abs 1 StGB unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von 27 Monaten verurteilt, wovon ein Teil von 18 Monaten gemäß § 43a Abs 4 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Zudem ordnete das Erstgericht aus Anlass der zu A./III./1./ bis 5./ und C./ dargestellten Taten die Unterbringung des Genannten in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB an.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in ** unter dem maßgeblichen Einfluss einer die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, nämlich einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen und dissozialen Anteilen (F61), psychischen und Verhaltensstörung durch Alkohol am 24. Jänner 2025/akute Intoxikation im Sinn einer mittelgradigen Berauschung (F10.0) sowie psychischen und Verhaltensstörung durch Alkohol/schädlicher Gebrauch (F10.1),
A./ C* B* und D*, dem die nachstehenden Äußerungen zur Kenntnis gelangen sollten und bei dem es sich um den mit ihr befreundeten ehemaligen Chef der C* B* und Lebensgefährten ihrer Freundin E*, sohin um eine ihr persönlich nahestehende Person (Sympathieperson) handelt, durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung, nämlich Abstandnahme, weiter zueinander Kontakt zu haben, zu nötigen versucht, und zwar
I./ zwischen Anfang Jänner 2025 und 23. Jänner 2025, indem er C* B* – zumindest eine Verletzung am Körper der Genannten und des D* durch Beschaffung eines Auftragsmörders in Aussicht stellend - ankündigte, er werde jemanden organisieren, wenn er die Genannte und deren vermeintlichen Geliebten D* los werden möchte, und er selbst werde sich im Ausland ein Alibi verschaffen, sodass man ihm nichts werde nachweisen können, sowie äußerte, die Kinder würden ohne Eltern aufwachsen, wenn sie ihn weiter betrüge;
II./ am 23. Jänner 2025, um ca. 13.00 Uhr, indem er C* B* gegenüber – inhaltlich zumindest eine Verletzung am Körper in Aussicht stellend – äußerte, er werde sie und D* zusammen umbringen, wenn er sie zusammen erwische;
III./ am 24. Jänner 2025
1./ gegen 21.45 Uhr, indem er in Gegenwart der C* B* ein ca. 16 cm langes, eine spitze Klinge aufweisendes Messer "**" aus dem Abstellraum holte, mit dem Messer herumfuchtelte, ankündigte: „Du wirst jetzt sehen, was ich anrichten werde. Ich kann 20 Jahre Gefängnis dafür bekommen, aber ich werde ihn zerschneiden“, das Messer sodann in seinen Hosenbund steckte und auf ihre Frage, was er damit vorhabe, meinte, er werde "so" machen und dabei eine Geste des Körper Aufschlitzens andeutete und sodann mitsamt dem Messer die Wohnung verließ, wobei er die Nötigung zu begehen suchte, indem er mit dem Tod drohte;
2./ um 21.54 Uhr, indem er in einer an „D*“ (= D*) versendeten Sprachnachricht ankündigte: „Du Skipetaren-Dreck, ich ficke dein Kind in den Mund. Ich werde dich in Stücke schneiden!“, wobei er die Nötigung angesichts des zuvor stattgefundenen Wortwechsels (Punkt A./III./1./) zu begehen suchte, indem er mit dem Tod drohte;
3./ gegen ca. 21.55 Uhr, indem er gegenüber C* B* telefonisch ankündigte, er sei beim Lokal des D*, suche diesen und werde ihn umbringen, er werde ihn abstechen, er werde dann, wenn er den Genannten finde, 20 Jahre ins Gefängnis gehen, wobei er die Nötigung angesichts des zuvor stattgefundenen Wortwechsels (Punkt A./III./1./) zu begehen suchte, indem er mit dem Tod drohte;
4./ um 22.56 Uhr, indem er C* B* gegenüber – in einer Sprachnachricht ankündigte: „Du hast angerufen, dass er sich mit dir trifft, ich werde ihn umbringen wie einen Hund!“, wobei er die Nötigung angesichts des zuvor stattgefundenen Wortwechsels (Punkt A./III./1./) zu begehen suchte, indem er mit dem Tod drohte;
5./ indem er im Lokal des D* "F*" gegenüber der Kellnerin G* äußerte, er wolle D*, den "Schwanzlutscher", sprechen, er habe „etwas mit“, sowie gegenüber der Kellnerin H* mehrmals äußerte, er werde „den Schwanzlutscher killen“, und dabei wiederholt an das unter seinem Mantel verborgene am Hosenbund mitgeführte **-Messer griff, wobei er die Nötigung zu begehen suchte, indem er mit dem Tod drohte;
B./ am 23. Jänner 2025 dadurch, dass er den Seitenspiegel des PKW ** der E* durch einen Schlag mit dem Ellbogen zerschlug, wodurch ein Schaden in Höhe von ca. 300,- Euro entstand, eine fremde Sache beschädigt;
C./ zwischen 23. Jänner 2025 und 24. Jänner 2025, 23.15 Uhr dadurch, dass er D* telefonisch und in einer Sprachnachricht ankündigte, er werde ihm die Kehle aufschneiden, wenn er ihn erwische, er werde ihn umbringen, den Genannten gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, wobei er die gefährliche indem er mit dem Tod drohte.
Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht drei einschlägige Vorstrafen in Deutschland (Verurteilungen 4, 7 und 10 der ECRIS-Auskunft ON 15.2), das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen und Vergehen sowie die Tatbegehung gegen die Ehefrau erschwerend, mildernd hingegen die teilweise geständige Verantwortung, den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist und die Minderung der Zurechnungsfähigkeit.
Gegen dieses Urteil richten sich die rechtzeitig angemeldeten (ON 88 bzw ON 1.56), mit ON 93 bzw ON 95 – nach Zurückziehung der ebenfalls angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde sowie des „Rechtsmittels gegen die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum“ durch den Angeklagten (ON 91) – fristgerecht zur Ausführung gelangten Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe, mit der die Staatsanwaltschaft eine tat- und schuldangemessene Erhöhung der verhängten Freiheitsstrafe unter Ausschaltung der Anwendung des § 43a Abs 4 StGB anstrebt, während der Angeklagte eine Herabsetzung der ausgesprochenen Freiheitsstrafe sowie deren gänzliche bedingte Strafnachsicht begehrt.
Zunächst ist festzuhalten, dass für die Strafbemessung bei der nachträglichen Verurteilung § 40 StGB gilt. Danach ist die Zusatzstrafe so zu bemessen, dass die Summe der Strafen jener Strafe entspricht, die bei gemeinsamer Aburteilung aller Straftaten zu verhängen wäre. Es ist also zu prüfen, welche Strafe bei gemeinsamer Aburteilung aller Delikte tatschuldangemessen ist. Diese Strafe ist sodann zu der im früheren Urteil ausgesprochenen Strafe in Relation zu setzen. Ergibt sich dabei eine Differenz, so ist diese als Zusatzstrafe zu verhängen. Ist auf eine Geldstrafe Bedacht zu nehmen, so ist die Differenz zur Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend (vgl Leukauf/Steininger/Tipold, StGB 4 § 31 Rz 17). Welche Strafzumessungsgründe im Vor-Urteil herangezogen wurden, ist nicht von Bedeutung. Vielmehr ist die Strafbemessung mit Rücksicht auf die neu hinzugekommenen Strafzumessungsgründe nach Maßgabe jener vorzunehmen, die im damaligen Verfahren richtigerweise heranzuziehen gewesen wären ( Ratz,WK² StGB § 40 Rz 2).
Mit dem Bedachtnahmeurteil (ON 68.3) wurde der Berufungswerber des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 26. August 2024 in ** eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen durfte, mit dem Vorsatz beschädigte, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts oder einer Tatsache gebraucht werde, indem er den Reisepass seiner Tochter I* B* zerriss, und hiefür zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen á vier Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.
Die vom Erstgericht im Übrigen zutreffend aufgelisteten besonderen Strafzumessungsgründe waren daher zunächst zum Nachteil des Angeklagten zu korrigieren, als zusätzlich auch der rasche Rückfall, der keine einschlägige Vordelinquenz voraussetzt (13 Os 62/10g), aggravierend zu veranschlagen war, wurde der Angeklagte doch zuletzt erst mit Urteil des Amtsgerichtes Rottweil vom 25. September 2023, rechtskräftig am 3. Oktober 2023, zu AZ 3 Ds 26 Js 7017/22 2 VRs (vgl ON 15.2, 12 ff; ON 59.8) zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, und wurde er nunmehr bereits erneut (innerhalb eines Jahres [vgl hiezu Riffel, WK 2StGB § 33 Rz 11]) am 26. August 2024 straffällig. Überdies war auch der besondere Erschwerungsgrund des § 33 Abs 2 Z 6 StGB ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (RIS-Justiz RS0130193; aA Flora, WK 2 StGB § 39aRz 15) anzunehmen, handelt es sich bei § 39a StGB nämlich um eine reine, den Strafsatz nicht bestimmende Strafrahmenvorschrift ( Riffel , WK 2StGB § 32 Rz 54/4) und verwendete der Angeklagte zur Verübung der unter Spruchpunkt A./III./1./ und 5./ genannten Taten ein Messer „**“ (vgl die Lichtbilder ON 2.13) und damit eine Waffe.
Zudem waren mit Blick auf das Bedachtnahmeurteil, deretwegen bereits am 3. Dezember 2024 ein Verhandlungstermin stattfand (vgl ON 13.2.4.2), sowie das bereits erwähnte Vorurteil des Amtsgerichtes Rottweil vom 25. September 2023 sowohl die Tatbegehung während offener Probezeit und eines anhängigen Strafverfahrens im Rahmen der allgemeinen Strafbemessung erschwerend zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0090597; RS0091048 [T6]).
Bei Abwägung der solcherart zum Nachteil des Angeklagten korrigierten Strafzumessungsparameter, der allgemein im Sinn des § 32 Abs 2 und 3 StGB anzustellenden Überlegungen und spezial- und generalpräventiver Aspekte erweist sich dessen ungeachtet, ausgehend von einem nach § 39a Abs 1 Z 4 iVm Abs 2 Z 3 StGB erweiterten Strafrahmen des § 106 Abs 1 StGB von einem bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, die ausgemittelte Sanktion als mit Augenmaß bemessen.
Entgegen den Ausführungen des Angeklagten kommt den einschlägigen Vorstrafen nicht bloß eingeschränkte Bedeutung zu, kam es nämlich seit 2017 in regelmäßigen Abständen, zunächst 2019 und anschließend 2023, zu Verurteilungen und delinquierte er nunmehr erneut wiederholt, während anhängigem Strafverfahren und auch im raschen Rückfall. Umgekehrt ist gerade auch besonders ins Kalkül zu ziehen, dass der Angeklagte die (zumindest Gegenstand dieser Verurteilung bildenden) Taten unter dem maßgeblichen Einfluss einer die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung begangen hat, sodass sich die verhängte Zusatzfreiheitsstrafe, für deren Höhe die zugleich erfolgte Anordnung der Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum ohne Belang ist (vgl Mayerhofer, StGB 6 § 32 E 5b), angesichts des nunmehr erstmals wegen einer (in Österreich) gerichtlich strafbaren Handlung verspürten Haftübels als nicht korrekturbedürftig erweist.
Die vom Berufungswerber begehrte Gewährung gänzlich bedingter Strafnachsicht scheidet daher aufgrund der Strafhöhe aus, ist doch auch ein Fall des § 41 Abs 3 StGB in Ermangelung eines beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen nicht gegeben.
Im Gegenteil zeigen die konstatierten Verurteilungen des Angeklagten durch das Amtsgericht Rottweil vom 23. Oktober 2019 und vom 25. September 2023 (vgl US 7 f), die nunmehr wiederholten (Todes-)Drohungen als auch die Zerstörung des Seitenspiegels des PKWs der E* in Verbund mit dessen Persönlichkeitsstörung (SV-GA ON 29.1, 2 und ON 85.2, 85 f und 93) dessen offenkundig hohe Aggressivität mit Neigung zu Wut- und Gewaltausbrüchen auf.
Eine Anwendung der – auf extreme Ausnahmefälle abzielenden (vgl RIS-Justiz RS0092050 [auch T2 und T3]) – Bestimmung des § 43a Abs 4 StGB kommt folglich nicht in Betracht, weshalb der Berufung der Staatsanwaltschaft im spruchgemäßen Umfang Folge zu geben war.
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