JudikaturOLG Wien

20Bs79/25a – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
20. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen §§ 127, 129 Abs 1 Z 3, 130 Abs 1 erster Fall und Abs 2, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Strafe gegen das Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 11. Februar 2025, GZ **-57, und die Beschwerde des Staatsanwaltschaft gegen den gemäß § 53 Abs (1 und) 3 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 2 StPO gefassten Beschluss nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Jilke, im Beisein der Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M., als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Wallenschewski sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* und dessen Verteidiger Mag. Wendt durchgeführten Berufungsverhandlung am 20. Mai 2025

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 20 Monate erhöht.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

II. den

B e s c h l u s s

gefasst:

Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und gemäß §§ 53 Abs 1 StGB, 494a Abs 1 Z 4 StPO die im Verfahren des Bezirksgerichts Innere Stadt zu AZ B* gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen.

Entscheidungsgründe:

Text

Mit dem angefochtenen, auch unangefochten gebliebene Konfiskations- und Verfallsaussprüche sowie einen Privatbeteiligtenzuspruch enthaltenden Urteil wurde der am ** geborene russische Staatsangehörige A* des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls, zum Teil durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 3, 130 Abs 1 (ergänze: erster Fall) und Abs 2 (ergänze: zweiter Fall) 15 StGB (I), des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (III) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 130 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.

Mit gleichzeitig gefasstem Beschluss wurde vom Widerruf der mit Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 17. März 2022, AZ **, gewährten bedingten Nachsicht gemäß § 53 Abs 3 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 2 StPO abgesehen.

Nach dem Inhalt des Schuldspruches hat A* in C*,

I./ Nachgenannten gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 1 und 3 StGB) fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,

A./ weggenommen, und zwar

1. durch Aufbrechen von Behältnissen

a.) am 17. August 2024 D* in bewusstem und gewollten Zusammenwirken (§ 12 StGB) mit dem abgesondert verfolgten E*, indem sie mit einem Brecheisen einen Verkaufsautomaten in ** C*, **, aufbrachen und das enthaltene Münzbargeld in Höhe von zumindest 500 Euro entnahmen;

b.) am 23. Oktober 2024 Verfügungsberechtigten der F* GmbH, indem er mit einem Messer und einer Plastikkarte einen Verkaufsautomaten in ** C*, **, aufbrach und das enthaltene Bargeld in Höhe von zumindest 365 Euro entnahm;

2. am 24. Oktober 2024 G* ein Paar Handschuhe der Marke Prada im Wert von 400 Euro, ein Paar Handschuhe der Marke UGG im Wert von 50 Euro sowie eine Jacke der Marke Uniqlo im Wert von 50 Euro, indem er die Sitzabdeckung ihres Elektrorollers öffnete und die Sachen aus dem Helmfach unter dem Sitz entnahm, wobei keine Gewaltanwendung notwendig war, da der Schließmechanismus der Sitzabdeckung defekt war;

B./ wegzunehmen versucht (§ 15 StGB), und zwar am 24. Oktober 2024 H* als Inhaber der Tabak Trafik H* e.U. durch Aufbrechen von Behältnissen, indem er zuerst mit einem Schraubenzieher und kurz darauf mit seinen Händen versuchte, den Bargeldannahmeschlitz eines Zigarettenautomaten aufzubrechen, jedoch scheiterte da er kollabierte;

II./ im Zuge der in Punkt I./A./2./ geschilderten Tathandlung eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, unterdrückt, und zwar den Zulassungsschein der G*;

III./ in einem nicht mehr feststellbaren Zeitraum bis zum 24. Oktober 2024, wenn auch nur fahrlässig, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war, eine Waffe, nämlich ein Faustmesser, unbefugt besessen.

Bei der Strafbemessung wertete die Erstrichterin als erschwerend drei einschlägige Vorstrafen, die mehrfache Tatbegehung über die Gewerbsmäßigkeit hinaus, den raschen Rückfall und die Begehung innerhalb offener Probezeit, als mildernd hingegen das umfassende, reumütige Geständnis und den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 59) und zu ON 62 ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Strafe, die eine Erhöhung der Freiheitsstrafe begehrt. Gegen den gleichzeitig verkündeten Beschluss ist die einen Widerruf der bedingten Strafnachsicht begehrende Beschwerde der Staatsanwaltschaft gerichtet.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung wegen Strafe ist im Recht.

Grundlage für die Bemessung der Strafe nach § 32 StGB ist die Schuld des Täters. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen könnte. Im Allgemeinen ist die Strafe umso strenger zu bemessen, je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, die der Täter verschuldet hat oder die er zwar nicht herbeigeführt, aber auf die sich sein Verschulden erstreckt hat, je mehr Pflichten er durch seine Handlung verletzt, je reiflicher er seine Tat überlegt, je sorgfältiger er sie vorbereitet oder je rücksichtsloser er sie ausgeführt hat und je weniger Vorsicht gegen die Tat hat gebraucht werden können.

Die vom Erstgericht herangezogenen Strafzumessungsgründe sind dahingehend zu korrigieren, dass als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen hinzuzutreten hat. Zudem liegen mit Blick darauf, dass Sachbeschädigung und Körperverletzung als Aggressionsdelikte auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen und Vergehen nach dem WaffG ebenfalls einen Hang zur Gewalttätigkeit offenbaren, vier einschlägige Vorstrafen vor (RIS-Justiz RS0091417, insbes T3 und T4).

Dem Milderungsgrund des Geständnisses kommt lediglich marginaleres Gewicht zu (RIS-Justiz RS0091512: Geringes Gewicht eines "Mussgeständnisses" (erdrückende Beweislage), machten doch die im Akt befindlichen Videoaufnahmen und Lichtbilder (ON 39.1 bis ON 39.13; ON 42; ON 43; ON 44; ON 45; ON 46; ON 47) sowie der beim Angeklagten vorgefundene Zulassungsschein ein Leugnen praktisch zwecklos.

Fallkonkret entfaltet auch der Umstand, dass es zu Faktum I./B./ beim Versuch geblieben ist, lediglich eingeschränkt mildernde Wirkung, weil der Angeklagte dazu aus eigenem nichts beigetragen hat (Mayerhofer StGB 6 § 34 E 43), sondern lediglich darauf zurückzuführen ist, dass er während der Tatbegehung kollabierte. Ebenso vermag sich die Sicherstellung des Faustmessers nur geringfügig mildernd auszuwirken, da diese nicht auf das Verhalten des Angeklagten zurückzuführen ist.

Letztlich kann die vom Angeklagten behauptete Drogensucht keinen Milderungsgrund begründen (RIS-Justiz RS0091256, RS0091231), wiegt doch der Vorwurf, sich in einen solchen Zustand zu versetzen, schon im Hinblick auf die grundsätzliche Strafbarkeit des Drogenkonsums schwerer als die dadurch verminderte Zurechnungsfähigkeit (Ebner in Höpfel/Ratz WK 2StGB § 35 Rz 4; vgl. auch RIS-Justiz RS0091059, wonach eine durch Berauschung bewirkte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit nur dann mildernd ist, wenn der Täter nicht wusste, dass er ein berauschendes Mittel zu sich nimmt, wenn er die Folgen des Konsums solcher Mittel noch nicht kannte oder wenn er das berauschende Mittel aus allgemein begreiflichen Gründen, wie etwa wegen des Todes eines Angehörigen, zu sich nahm).

Im Übrigen ist der Umstand, dass der Angeklagte innerhalb offener Probezeit rückfällig wurde, im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen zu berücksichtigen, ( Leukauf/Steininger/Tipold, StGB 4 § 33 Rz 8; RiffelaaO § 33 Rz 10). Die Tatbegehung innerhalb offener Probezeit erhöht nämlich allgemein den Schuldgehalt der Tat (RIS-Justiz RS0090597 [T1], RS0090954).

Im Hinblick auf die ausschließlich zum Nachteil des Angeklagten veränderte Strafzumessungslage und angesichts des Strafrahmens von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe erweist sich die vom Erstgericht ausgemessene Sanktion, die das mögliche Höchstmaß zu nicht einmal 17 Prozent ausschöpft, als bei weitem zu gering bemessen, weshalb sie auf das im Spruch ersichtliche Ausmaß anzuheben ist. Für eine bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafen bleibt angesichts des einschlägig getrübten Vorlebens naturgemäß kein Raum mehr.

Zum Beschluss:

Der Angeklagte verstand es vorliegend nicht, die ihm anlässlich seiner Vorverurteilungen gebotenen Resozialisierungschancen für ein normangepasstes Leben zu nützen. Vielmehr delinquierte er im raschen Rückfall abermals spezifisch einschlägig. Es ist daher fallbezogen zusätzlich zu der nunmehr verhängten Freiheitsstrafe der Widerruf der zu AZ B* des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien gewährten bedingten Strafnachsicht, zu welcher die Probezeit bereits auf fünf Jahre verlängert worden war, geboten, um A* von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten und ihm die Konsequenzen seiner Taten eindringlich vor Augen zu führen.