JudikaturOLG Wien

20Bs65/25t – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Wirtschaftsrecht
20. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als  Schöffengericht  vom  3. Dezember 2024,  GZ **-139.2, nach der am 20. Mai 2025 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Jilke, im Beisein der Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M., als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Wallenschewski sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* und seines Verteidigers Dr. Rudolf Mayer durchgeführten Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde A* des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB (A./), des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 2 und 5 Z 4 StGB (B./) sowie des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (C./) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB sowie aktenkonformer Vorhaftanrechnung nach § 156 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren verurteilt.

Danach hat er in ** und an anderen Orten als Geschäftsführer der B* GmbH

A./ im Zeitraum vom 12. November 2021 bis 22. September 2022 als Schuldner mehrerer Gläubiger einen Bestandteil des Vermögens der B* GmbH beiseite geschafft, indem er sich mit Vermögen in nicht mehr feststellbarer, jedoch den Betrag von EUR 900.000,- jedenfalls übersteigender Höhe absetzte und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger vereitelte, wobei er durch die Tat einen EUR 300.000,- übersteigenden Schaden herbeigeführt hat;

B./ im Zeitraum Ende 2021 bis 12. Mai 2023 in fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit grob fahrlässig (§ 6 Abs 3 StGB) die Befriedigung wenigstens eines Gläubigers dadurch vereitelt bzw geschmälert, dass er es unterließ, Geschäftsbücher zu führen;

C./ im Zeitraum vom 8. Dezember 2021 bis 7. Mai 2022 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der C* GmbH durch die wahrheitswidrige Behauptung, ein zahlungsfähiger und -williger Kunde zu sein, somit durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, nämlich zum Abschluss von Handyverträgen und dadurch zur Herausgabe von mehr als 30 Elektronikgeräten verleitet, wodurch dieser ein Schaden in nicht mehr feststellbarer, jedoch den Betrag von EUR 25.000,- jedenfalls übersteigender Höhe, entstand.

Bei der Strafbemessung wertete der Schöffensenat den bisher ordentlichen Lebenswandel sowie das reumütige Geständnis als mildernd, als erschwerend hingegen das Zusammentreffen mehrerer Vergehen mit einem Verbrechen sowie den hohen, die jeweiligen Wertgrenzen mehrfach übersteigenden Schaden.

Nach Zurückziehung der angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde (ON 144) ist nunmehr über die fristgerecht angemeldete (ON 140) und rechtzeitig ausgeführte Berufung des Angeklagten (ON 150.2) zu entscheiden, mit der er - unter Anwendung des § 41 Abs 1 Z 4 StGB die Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafe sowie deren gänzlich bzw teilweise bedingte Nachsicht anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.

Zunächst waren die Erschwerungsgründe zum Nachteil des Angeklagten dahingehend zu präzisieren, dass er zu Punkt A./ die zumindest dreifache Überschreitung der Wertgrenze des § 156 Abs 2 StGB und zu Faktum C./ angesichts eines EUR 25.000,-- jedenfalls übersteigenden Betrugsschadens die Überschreitung der in § 147 Abs 2 StGB normierten Wertgrenze zumindest um das 5-fache zu verantworten hat. Weiters war der lange Deliktszeitraum (November 2021 bis Mai 2023) zu berücksichtigen.

Soweit der Angeklagte unter Hinweis auf seinen bis 2022 durchgehenden Lebensmittelpunkt in Österreich, seine bisherige Straflosigkeit sowie Berücksichtigung des Umstands, dass die gegenständlichen Taten im auffallendem Widerspruch zu seinem sonstigen Verhalten stehen, eine stärkere Gewichtung des Milderungsgrundes des § 34 Abs 1 Z 2 StGB für sich reklamiert, ist klarzustellen, dass die Diskrepanz zwischen Tat und sonstigem Täterverhalten die Bedingung ist, unter der dem Rechtsbrecher ein bisher ordentlicher Lebenswandel uneingeschränkt als Milderungsgrund zugute gehalten werden kann (RIS-Justiz RS0091436; RS0091459). Entgegen der Ansicht des Berufungswerbers wurde diesem Milderungsgrund vom Schöffensenat mit Blick auf den eingetretenen Schaden ohnehin beträchtliches Gewicht beigemessen.

Die Anziehung des Milderungsgrundes des § 34 Abs 1 Z 15 StGB scheitert an den zutreffenden Ausführungen des Schöffengerichts, wonach der Angeklagte vor der Insolvenz der B* bestrebt war, möglichst viel an Vermögensbestandteilen aus dem Unternehmen zu ziehen bzw beiseite zu schaffen und damit die Zahlungsunfähigkeit der B* zu beschleunigen bzw geradezu zu provozieren, wodurch er rücksichtslos die Interessen der jeweiligen Gläubiger negierte (Urteilsseite 11).

Auch von der ins Treffen geführten Selbststellung im Sinne des § 34 Abs 1 Z 16 StGB kann keine Rede sein. So informierte der Angeklagte das Firmenbuchgericht, dass sich seine Wohnadresse geändert habe und er nunmehr in Deutschland, **, wohnhaft sei (ON 44.3), wobei diese Adresse nach staatsanwaltschaftlichen Erhebungen (ON 46) nicht verifiziert werden konnte (ON 50.2). Auch die vom Angeklagten dem Firmenbuch bekannt gegebene neue Adresse der B* (ON 44.3) erwies sich als unzutreffend (ON 52.3; ON 67), der Angeklagte musste zur Aufenthaltsermittlung im Inland (ON 76) ausgeschrieben wurde. Dass der Angeklagte am 15. Juli 2024 mit Hilfe einer Grenzempfehlung des österreichischen Generalkonsulats in ** nach Österreich einreiste, um ein im August 2022 abgelaufenes Visum zu erhalten (ON 82.4), vermag den Milderungsgrund nicht herzustellen.

Den Berufungsausführungen zuwider kann dem Angeklagten auch der Milderungsgrund der Tatbegehung aus Unbesonnenheit nach § 34 Abs 1 Z 7 StGB nicht zugestanden werden. Wie der Angeklagte selbst ausführt, handelt unbesonnen, wer spontan einem augenblicklichen Willensimpuls folgt, der aus besonderen Gründen der Lenkung durch das ruhige Denken entzogen ist und ohne diese unterdrückt worden wäre. Tatwiederholung schließt Unbesonnenheit allerdings aus ( Riffel in WK² § 34 Rz 18).

Insoweit der Berufungswerber auf ein nunmehr bereits längeres Wohlverhalten referenziert, ist ihm zu erwidern, dass sich der Milderungsgrund des längeren Zurückliegens der Tat im Sinne des § 34 Abs 1 Z 18 StGB an der fünfjährigen Rückfallverjährungsfrist des § 39 Abs 1 StGB orientiert ( Riffel in WK² § 32 Rz 46) und daher fallbezogen nicht zur Anwendung kommt.

Eine verlockende Gelegenheit im Sinne des § 34 Abs 1 Z 9 StGB liegt nur dann vor, wenn die Tatbegehung in einem solchen Maße nahe liegt, dass ihr auch ein ansonsten rechtstreuer Mensch unterliegen könnte (15 Os 18/95), was bereits aufgrund der festgestellten Schadenssummen, die der Angeklagte selbst als „außergewöhnlich und überwältigend“ tituliert, ausgeschlossen ist.

Hätte sich der Angeklagte auch die von den Mietern erlegten Kautionen mit Bereicherungsvorsatz zugeeignet, hätte er zusätzlich zu den im Schuldspruch angeführten Fakten darüber hinaus den Tatbestand der Veruntreuung nach § 133 StGB verwirklicht - der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 14 StGB ist ihm auf Grund dieser Tatsache nicht zuzubilligen.

Wenn der Angeklagte die Veranschlagung der beschleunigten Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit zu seinem Nachteil als Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot moniert, ist er darauf hinzuweisen, dass der Tatbestand des § 159 Abs 2 StGB in subjektiver Hinsicht (lediglich) grobe Fahrlässigkeit erfordert; der vom Erstgericht dargestellte hohe Handlungs- und Gesinnungsunwert wurde daher zutreffend im Rahmen allgemeiner Strafzumessungsparameter im Sinne des § 32 Abs 3 StGB berücksichtigt.

Mit Blick auf den Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe war die begehrte Herabsetzung der (ohnehin im unteren Drittel ausgemessenen) Freiheitsstrafe bereits mit Blick auf den hohen Schaden und die Tatkumulation außer Reichweite, das behauptete Überwiegen der Milderungsgründe, welches die Voraussetzung der Anwendung des § 41 StGB bildet, liegt fallkonkret nicht vor.

Die Anwendung des § 43 Abs 1 StGB, § 43a Abs 2 bzw. Abs 3 StGB scheitert somit bereits an der Strafhöhe. Auch die geforderte teilbedingte Nachsicht nach § 43a Abs 4 StGB kommt nicht in Betracht, soll diese Rechtswohltat doch auf „extreme Ausnahmefälle“, wie etwa Konflikt- oder Krisensituationen, beschränkt bleiben (RIS-Justiz RS0092050; Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari , StGB 15 § 43a Rz 5), wobei die in spezialpräventiver Hinsicht erforderliche qualifiziert günstige Prognose fallkonkret bereits an der Tatkumulation scheitert.