30Bs105/25y – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edwards als Vorsitzende sowie die Richterinnen Dr. Steindl und Mag. Pasching als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen § 28a Abs 1 erster und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des Rechtsschutzbeauftragten der Justiz gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 26. März 2025, GZ **-194.1, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Aus Anlass der Beschwerde wird der Beschluss ersatzlos aufgehoben.
Die durch diese Ermittlungsmaßnahme gewonnenen Ergebnisse sind gemäß § 115 f StPO iVm § 89 Abs 4 StPO zu vernichten.
Text
Begründung:
Mit rechtskräftigem Urteil vom 13. Juni 2024 wurde A* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, des Verbrechens des unerlaubten Umgangs mit Drogenausgangsstoffen nach § 32 Abs 3 SMG und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Zudem wurden gemäß § 20 Abs 1 und Abs 3 StGB 33.317,91 Euro für verfallen erklärt (ON 169.4).
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 26. März 2025 ordnete das Landesgericht Korneuburg gemäß §§ 109 Z 2a lit a, 115 f Abs 1 und Abs 2 StPO aus eigenem die Beschlagnahme eines Mobiltelefons zum Zweck der Auswertung der Daten (I./) und gemäß § 110 Abs 1, Abs 2 StPO die Sicherstellung des Mobiltelefons an (II./).
Begründend führte es aus, dass bislang lediglich ein Teil des Verfalls von 475 Euro hereingebracht werden habe können. Aufgrund einer Meldung der Justizanstalt ** seien unter anderem ein Bitcoin-Tresor-Stick und ein Mobiltelefon des A* gefunden worden, wobei sich auf dem Bitcoin-Tresor-Stick 750.000 Euro befinden sollen, die zur Sicherung des rechtskräftig ausgesprochenen Verfalls notwendig seien. Die Auswertung des Mobiltelefons sei zur Entschlüsselung des Bitcoin-Tresor-Sticks erforderlich.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde des Rechtsschutzbeauftragten der Justiz (ON 199), die sich gegen die Beschlagnahme von Daten der Kategorie „Gesundheitsdaten“ richtet, weil aus dem Beschluss nicht hervorgehe, welchen Zweck das Landesgericht Korneuburg mit der Beschlagnahme dieser besonders sensiblen Daten verfolge.
Rechtliche Beurteilung
An die geltend gemachten Beschwerdepunkte ist das Rechtsmittelgericht nicht gebunden (§ 89 Abs 2b letzter Satz StPO). Anlässlich der Beschwerde musste sich das Rechtsmittelgericht davon überzeugen, dass dem angefochtenen Beschluss schon ein grundsätzlicher Rechtsmangel anhaftet.
Das Erstgericht stützte die Beschlagnahme und Sicherstellung auf Bestimmungen des Ermittlungsverfahrens. Ein solches ist jedoch derzeit nicht anhängig, ebenso wenig ein Hauptverfahren, in dem die entsprechenden Befugnisse dem Gericht zukämen (§ 210 Abs 3 StPO), zumal das gegenständliche Strafverfahren mit rechtskräftigem Urteil vom 13. Juni 2024 beendet (ON 169.4). Schon der bloße Wortlaut des § 115 f Abs 1 StPO, wonach die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten zulässig ist, wenn sie aus Beweisgründen erforderlich scheint und aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dadurch Informationen ermittelt werden können, die „für die Aufklärung einer Straftat wesentlich“ sind, lässt sich mit dem Beschluss des Erstgerichts nicht in Einklang bringen. Die Aufklärung der Straftat ist bereits abgeschlossen.
Relevant sind im gegenständlichen Verfahrensstadium vielmehr die Bestimmungen über die Vollstreckung von Urteilen nach dem 19. Hauptstück der StPO (§§ 396 ff StPO).
Wenn der Verurteilte eine über ihn verhängte Geld-strafe nicht unverzüglich nach Eintritt der Rechtskraft erlegt, ist er schriftlich aufzufordern, die Strafe binnen vierzehn Tagen zu zahlen, widrigenfalls sie zwangsweise eingetrieben werde. Gleiches gilt für den Verfall nach § 20 Abs 3 StGB und die Konfiskation nach § 19a Abs 1a StGB (§ 409 Abs 1 StPO).
Wie die in Abs 1 genannten Geldbeträge einzutreiben sind, wird im gerichtlichen Einbringungsgesetz in der jeweils geltenden Fassung angeordnet. Die Auskunft aus dem Kontenregister oder die Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte (§§ 116, 210 Abs 3 StPO) ist auch dann zulässig, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass Vermögenswerte zur Vollstreckung einer Geld-strafe, einer Konfiskation (§ 19a StGB), eines Verfalls (§ 20 StGB), eines erweiterten Verfalls (§ 20b StGB) oder einer anderen gesetzlich vorgesehenen vermögensrechtlichen Anordnung aufgefunden werden können (Abs 2 leg cit).
Daraus ergibt sich, dass eine zwangsweise Eintreibung des rechtskräftig ausgesprochenen Verfalls nach § 20 Abs 3 StGB lediglich nach diesen Bestimmungen in Betracht kommt, wobei demnach einzig die Auskunft aus dem Kontenregister oder die Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte als durch das erkennende Gericht zu veranlassende Zwangsmaßnahmen zur Eintreibung des Verfalls vorgesehen sind. Dies steht auch im Einklang mit den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (EBRV 1058 BlgNR 25. GP, 3).
Für den Beschluss des Erstgerichts bestand somit keine Rechtsgrundlage, sodass dieser ersatzlos aufzuheben war. Nachdem derzeit in gegenständlichem Verfahren auch kein Anfangsverdacht (§ 1 Abs 3 StPO) der Begehung einer Straftat besteht, war zudem gemäß § 115 f Abs 9 iVm § 89 Abs 4 StPO die Vernichtung der durch die Ermittlungsmaßnahme gewonnenen Ergebnisse anzuordnen.
Der Vollständigkeit halber bleibt anzumerken, dass über das Ansuchen des Verurteilten auf Stundung bzw Ratenzahlung des Verfalls (ON 184) vom Erstgericht nicht gesetzeskonform entschieden wurde, sondern ihm bloß formlos mitgeteilt wurde, dass „die Zahlung des Verfalls bis zu seiner Enthaftung gestundet sei, da dem Gericht bekannt sei, dass er aus der Haft heraus den Verfallsbetrag nicht zahlen könne“ (ON 187). Gemäß § 409a Abs 1 StPO hat der Vorsitzende über einen derartigen Antrag durch Beschluss zu entscheiden. Wird eine Ratenzahlung oder Stundung gewährt, kommen zwangsweise Einbringungsmaßnahmen jeglicher Art während der Einhaltung der entsprechenden Auflagen nicht in Betracht.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).