JudikaturOLG Wien

12R2/25i – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
EU-Recht
28. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Senatspräsidentin Mag. Fisher als Vorsitzende sowie die Richterinnen Dr. Reden und Mag. Janschitz in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch Dr. Stephan Duschel, Mag. Klaus Hanten, Mag. Clemens Kurz, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei B * , MA, geboren am **, **, vertreten durch Mag. Sabine Barbach, Rechtsanwältin in Wien, wegen Datenauskunft und -übermittlung (Streitwert EUR 6.000), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 5.11.2024, **-16, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.095,12 (darin enthalten EUR 182,52 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Seit Dezember 2021 wohnen die Streitteile in derselben Wohnanlage. Der Beklagte fühlte sich seit seinem Einzug in das Haus durch den aus der Wohnung der Klägerin stammenden Lärm gestört. Am 14.12.2022 fühlte sich der Beklagte erneut durch den Lärm aus der Wohnung der Klägerin gestört und rief die Polizei. Zusätzlich fertigte er mit seinem Mobiltelefon ein Video an, um die Lärmbelästigung zu dokumentieren. Auf dem Video war nur der Hausflur vor der Wohnung des Beklagten zu sehen, aber keine Personen, insbesondere nicht die Klägerin. Im Hintergrund war der unverständliche Schrei eines unbekannten Mannes zu hören. Die Klägerin wurde nicht bildlich, nicht akustisch und auch nicht in sonstiger Form aufgenommen. Das Video speicherte der Beklagte lokal auf seinem Handy. Die Geolokalisation hatte er bereits seit Inbetriebnahme des Mobiltelefons deaktiviert. Er verwendete auch keine Cloud Computing Dienste.

Am 30.12.2022 erstattete der Beklagte bei der Polizei Anzeige gegen die Bewohner von Top 11.03 wegen ungebührlicher Lärmerregung. Am 30.6.2023 wurde der Beklagte einvernommen und spielte dabei einer Polizeibeamtin die Videoaufnahme vor. Nach seiner Einvernahme am 30.6.2023 löschte der Beklagte das Video von seinem Mobiltelefon.

Anlässlich der Anzeigeerstattung bei der Polizei wandte sich die vormalige Klagevertreterin mit Schreiben vom 9.11.2023 an den Beklagten und teilte ua mit:

Meine Mandantin hat in einem vor der Landespolizeidirektion ** anhängigen Verwaltungsstrafverfahren davon erfahren, dass Sie am 14.12.2022 eine Tonaufnahme von den aus der schräg über Ihnen gelegenen Wohnung meiner Mandantin ausgehenden Geräusche angefertigt und anlässlich Ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme auch vorgespielt haben.

Vorbehaltlich der Geltendmachung weitergehender Ansprüche habe ich Sie aufzufordern, mir iSd Art 15 Abs 1 iVm Abs 3 DSGVO eine Kopie sämtlicher personenbezogener Daten von Frau A* zu übermitteln und Auskunft über die in den Art 15 Abs 1 lit a - lit h DSGVO genannten Informationen zu erteilen.[…]“

Darauf antwortete der Beklagte mit E-Mail vom 24.11.2023:

[…]Wie Sie dem Anhang auf Seite 4 entnehmen können, falle ich als natürliche Person in dieser Sache, gemäß der Haushaltsausnahme, nicht in den Bereich der DSGVO oder des DSG. Ich bin Ihnen oder Ihrer werten Mandantin gegenüber daher nicht auskunftspflichtig. Darüber hinaus teile ich mit, dass ich keine personenbezogenen Daten Ihrer Mandantin verarbeite oder verarbeitet habe. Erwähnte Tonaufnahme habe ich nach meiner Einvernahme bei der Polizei gelöscht.“

Am 23.11.2023 teilte der Beklagte der Polizei mit, die Tonaufnahme nicht mehr zu besitzen.

Die Klägerinbegehrte mit ihrer Klage vom 23.2.2024 gestützt auf Art 15 Abs 1 DSGVO und § 1 Abs 3 Z 1 DSG vom Beklagten die Übermittlung einer Kopie sämtlicher personenbezogenen Daten der Klägerin, die Gegenstand der Verarbeitung des Beklagten seien, sowie ihr Auskunft über die in Art 15 Abs 1 lit a) – h) DSGVO genannten Informationen zu erteilen.

Der Beklagte habe am 14.12.2022 eine Video- und Audioaufzeichnung mit seinem Mobiltelefon angefertigt, auf der die Stimme der Klägerin zu hören sei. Es handle sich dabei um personenbezogene Daten, die durch die aktivierte Geolokalisation der Klägerin zuordenbar seien. Durch die Speicherung habe der Beklagte ihre personenbezogenen Daten verarbeitet. Der Beklagte habe am 30.6.2023 Anzeige wegen Lärmbelästigung erstattet und dabei die Aufnahme einer Polizeibeamtin vorgespielt. Die Klägerin habe bereits vom Beklagten Auskunft sowie die Übermittlung einer Datenkopie begehrt, was dieser jedoch verweigert habe. Abgesehen von dem Video sei der Beklagte im Besitz weiterer Daten der Klägerin und auch dahingehend zur Auskunft verpflichtet. Der Beklagte habe seine Auskunftspflicht nicht erfüllt und hätte darüber hinaus auch Auskunft über das Schreiben vom 9.11.2023 erteilen müssen.

Der Beklagte bestritt und beantragte die Klage abzuweisen. Er brachte vor, dass das angefertigte Video nach der Anzeige bei der Polizei gelöscht worden sei. Auf seinem mittlerweile entsorgten Handy sei die Geolokalisation seit jeher deaktiviert gewesen und er habe keine Kopien des Videos gespeichert. Auf dem Video sei zudem eine männliche Stimme zu hören gewesen, die keiner bestimmten Person zuordenbar sei. Auch das angefertigte Lärmprotokoll enthalte keine persönlichen Daten der Klägerin; der dokumentierte Lärm identifiziere keine Person. Die Herausgabe der Daten sei unmöglich, weil er das Video und das Lärmprotokoll bereits vor der Datenanfrage gelöscht habe. Das Lärmprotokoll sei der Klägerin bereits vor Klagserhebung zugegangen und habe der Beklagte sie über den Zweck und die Empfänger desselben informiert.

Abgesehen davon liege ein Fall der Haushaltsausnahme nach Art 2 Abs 2 lit c DSGVO vor, der auch im Zusammenhang mit einer behaupteten Verletzung von § 1 Abs 1 DSG anzuwenden sei. Die Videoaufzeichnung und das Lärmprotokoll hätten keinen Bezug zur beruflichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit des Beklagten, sondern seien ausschließlich seinem privaten (Wohn-)Bereich zuordenbar und hätten zu keinem Zeitpunkt einer unbegrenzten Zahl von Personen zugänglich gemacht werden sollen.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab und verpflichtete die Klägerin zum Kostenersatz in Höhe von EUR 2.203,44. Es legte seiner Entscheidung - neben dem eingangs der Entscheidung wiedergegebenen Sachverhalt - den auf den Seiten 2 bis 6 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Sachverhalt zugrunde, auf den verwiesen wird.

Das Erstgericht folgerte rechtlich, dass der Beklagte durch die Tonaufnahme keine personenbezogenen Daten der Klägerin verarbeitet habe. Selbst wenn das Lärmprotokoll als personenbezogene Datenverarbeitung zu qualifizieren sei, sei er seiner Auskunftspflicht nachgekommen.

Ein Verantwortlicher, der keine Daten (mehr) verarbeite, sei gemäß Art 15 Abs 1 DSGVO aber auch zu einer Negativauskunft verpflichtet. Spätestens mit dem vorbereitendem Schriftsatz ON 8 sei der Beklagte seiner Auskunftspflicht vollständig nachgekommen.

Gegen dieses Urteil (auch im Kostenpunkt) richtet sich die Berufung der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, der Berufung Folge zu geben und das angefochtenen Urteil, allenfalls nach Ergänzung der in erster Instanz gepflogenen Verhandlung, dahingehend abzuändern, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde. In eventu stellt sie einen Aufhebungsantrag. Sie beantragt weiters die Kostenentscheidung des Erstgerichtes dahingehend abzuändern, dass dem Beklagten ein Kostenersatz von EUR 2.135,28 (darin enthalten EUR 223,88 USt und EUR 792 Barauslagen) auferlegt werde.

Der Beklagte beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Soweit die Klägerin beantragt, über die Berufung allenfalls nach Ergänzung der in erster Instanz gepflogenen Verhandlung zu entscheiden, erachtet der Senat die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 480 Abs 1 ZPO nicht für erforderlich.

1.Die gesetzmäßige Ausführung des Berufungsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erfordert – wie für das Revisions- (§ 506 Abs 2 ZPO) und Rekursverfahren (§ 520 Abs 2 ZPO) ausdrücklich angeordnet – die Darlegung, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache unrichtig erscheint, wobei von den getroffenen Feststellungen auszugehen ist.

Das Berufungsgericht hat bei gesetzmäßig ausgeführter Rechtsrüge die rechtliche Beurteilung allseitig zu überprüfen, es ist jedoch bei Vorliegen mehrerer selbständig zu beurteilender Rechtsfragen an eine Beschränkung der Berufungsgründe gebunden (RS0043352 [T26]; RS0043338).

2.Die Verfassungsbestimmung des § 1 Abs 3 DSG gewährleistet jedem, „soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell, dh ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen „1. das Recht auf Auskunft darüber, wer welche Daten über ihn verarbeitet, woher die Daten stammen, und wozu sie verwendet werden, insbesondere auch, an wen sie übermittelt werden“, und „2. das Recht auf Richtigstellung unrichtiger Daten und das Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten“.

Diese Rechte beziehen sich also nur auf Daten, die zur automationsunterstützen Verarbeitung oder zur Verarbeitung in einer manuell geführten Datei bestimmt sind. Unter Datei sind daher Karteien und Listen, nicht aber Akten und Aktenkonvolute zu verstehen. Datenschutz setzt das Vorliegen einer Datei voraus, die sich durch den schon erwähnten bestimmten Organisationsgrad auszeichnet, der den Zugang und die Auswertung der Daten erleichtert (6 Ob 148/00h mwN). Nicht automationsunterstützt geführte Verfahrensakten in Form von Papierakten weisen nach der Rechtsprechung keine ausreichende Strukturierung auf und sind daher nicht als Dateien zu qualifizieren            (6 Ob 225/15d; Ennöckl in Kahl / Khakzadeh / Schmid, Kommentar zum B-VG und Grundrechte Art 1 Rz 20 mwN; Grabenwarter / Frank, B-VG § 1 DSG Rz 10).

Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht bezieht sich sohin nur auf Daten, die in strukturierten Datensammlungen, nämlich automationsunterstützten Datenanwendungen oder manuellen Dateien, enthalten oder zur Verarbeitung in solchen bestimmt sind ( Thiele / Wagner, Praxiskommentar DSG 2 § 1 Rz 166).

3.Die Klägerin trägt vor, dass sich ihr Begehren auch auf § 1 Abs 3 Z 1 DSG stütze und diese Bestimmung, anders als Art 15 DSGVO, keine Haushaltsausnahme kenne. Der Beklagte sei der ihn treffenden Verpflichtung zur Auskunft in Ansehung ihres Anwaltschreibens vom 9.11.2023 (./E), welches vom Beklagten erfasst und mit Mail vom 24.11.2023 (./1) beantwortet worden sei, nicht nachgekommen. In dieser Mail werde bereits im ersten Satz der Familienname der Klägerin angesprochen. Darüber hinaus enthalte die Nachricht des Beklagten an die Polizei, dass er die Tonaufnahme nicht mehr besitze, personenbezogene Daten der Klägerin.

Dass das Schreiben der Klagevertreterin (./E) vom Beklagten nach Erhalt „erfasst“ (iS einer automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in einer manuell geführten Datei) worden wäre, hat die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren genauso wenig behauptet, wie dass die Mitteilung des Beklagten an die Polizei am 22.11.2023 personenbezogene Daten der Klägerin enthalten habe. Die Berufung verstößt daher in diesen Punkten gegen das im Berufungsverfahren herrschende Neuerungsverbot.

Die Klägerin brachte im erstinstanzlichen Verfahren nur vor, dass der Beklagte auch Auskunft über das Schreiben vom 9.11.2023 (./E) erteilen hätte müssen. Fest steht, dass dem Beklagten das Anwaltsschreiben der Klägerin (./E) zugegangen ist. Durch den Zugang dieses Schreibens in Papierform hat der Beklagte keine die Klägerin betreffenden personenbezogenen Daten automationsunterstützt oder manuell (dh in einer ohne Automationsunterstützung geführten Datei) verarbeitet.

Nur ergänzend wird darauf verwiesen, dass eine Erfassung des Schreibens ./E im E-Mail ./1 keine Weitergabe personenbezogener Daten an andere Empfänger als den Betroffenen ist, richtet sich das E-Mail doch an die Rechtsvertretung der Klägerin, die den Beklagten schließlich zur Auskunft aufgefordert hat. Unter Übermittlung ist ua die Weitergabe personenbezogener Daten an andere Empfänger als den Betroffenen zu verstehen (vgl Diregger , Handbuch Datenschutzrecht S 365). Auch erschließt sich nicht, welche personenbezogenen Daten der Klägerin der Beklagte an die Polizei weitergeben hätte sollen, wenn er dieser mitteilt, das Video – welches er am 30.12.2022 im Zuge seiner Anzeige bereits vorgespielt hat - nicht mehr zu besitzen. Auf dem Video war nur der Hausflur vor der Wohnung des Beklagten zu sehen und im Hintergrund ein unverständlicher Schrei eines unbekannten Mannes zu hören. Die Klägerin wurde in dem Video weder bildlich noch akustisch oder in sonstiger Form aufgenommen.

4. Zur Berufung im Kostenpunkt:

4.1. Die Klägerin bringt vor, dass nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts der Beklagte mit vorbereitendem Schriftsatz ON 8 seiner Auskunftspflicht vollständig nachgekommen sei. Ausgehend davon wären fiktive Phasen zu bilden gewesen. Die Klägerin habe damit im ersten Verfahrensabschnitt obsiegt und sei im zweiten Verfahrensabschnitt unterlegen. Ihr stünden daher die Klagskosten von EUR 2.135,28 zu, hinsichtlich der übrigen Kosten trete Kostenaufhebung ein.

4.2.Die Klägerin unterlag im Prozess von Anfang an, weil die von der Klägerin behaupteten Verletzungen der Bestimmungen der DSGVO oder des DSG durch den Beklagten nicht gegeben waren. Weder durch die Tonaufnahme, noch durch das Lärmprotokoll wurden die der Klägerin durch die Bestimmungen der DSGVO oder des DSG eingeräumten Rechte verletzt. Dies wurde von der Klägerin in der Berufung auch nicht mehr in Frage gestellt. Auch durch das von der Rechtsvertretung der Klägerin selbst verfasste Schreiben werden - wie oben dargelegt - die Rechte der Klägerin nach der DSG nicht verletzt. Im übrigen gab der Beklagte vor Klagseinbringung mit dem E-Mail vom 24.11.2023 (Beilage ./1) der Klagevertretung bekannt, dass er keine personenbezogenen Daten der Klägerin verarbeitet habe. Die Klägerin ist daher im Verfahren erster Instanz vollständig unterlegen. Die Kostenentscheidung des Erstgerichts bleibt damit aufrecht.

Der Berufung war insgesamt nicht Folge zu geben.

5.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

6.Eine Bewertung des Entscheidungsgegenstandes hat nach § 500 Abs 2 ZPO nur dann zu erfolgen, wenn der Streitgegenstand Geldeswert besitzt. Hier hatte eine Bewertung zu unterbleiben, weil es sich nach gefestigter höchstgerichtlicher Rechtsprechung beim Auskunftsanspruch nach der DSGVO/dem DSG um einen höchstpersönlichen Anspruch handelt, der einer Bewertung durch Geld nicht zugänglich ist (vgl RS0042418 [T12; T17]; zuletzt 6 Ob 242/22i; 6 Ob 127/20z; OLG Wien 13 R 47/24p, 4 R 64/24x; aA 3 Ob 100/14y = RS0042418 T16).

Die ordentliche Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen. Eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität war nicht zu lösen.