JudikaturOLG Wien

2R196/24v – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Schadenersatzrecht
07. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungs- und Rekursgericht in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm. A* , geb. am **, **, vertreten durch Mag. Christoff Beck, Rechtsanwalt in Wien, als gerichtlich bestellter Erwachsenenvertreter, wider die beklagte Partei B* GmbH , **, vertreten durch Singer Kessler Rechtsanwälte OG in Wien, wegen (zuletzt) EUR 223.200,-- samt Anhang, über die Berufung der klagenden Partei und den Kostenrekurs der beklagten Partei (Rekursinteresse EUR 2.644,68) gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30.9.2024, **-72, in nicht öffentlicher Sitzung

I./ durch den Senatspräsidenten Mag. Hofmann als Vorsitzenden, die Richterin MMag. Pichler und den Kommerzialrat Swoboda zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagen Partei die mit EUR 4.363,32 (darin enthalten EUR 727,22 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu Handen der Klagevertreterin zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

II./ durch den Senatspräsidenten Mag. Hofmann als Vorsitzenden, die Richterin MMag. Pichler und den Richter MMag. Popelka den Beschluss gefasst:

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Kostenentscheidung wird geändert und lautet:

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 16.185,66 (darin enthalten EUR 2.694,41 USt und EUR 19,20 Fahrtkosten) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 99,55 (darin EUR 16,59 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

und B e g r ü n d u n g :

Die Klägerin, vertreten durch ihren damaligen Erwachsenenvertreter Mag. C*, LL.M. schloss mit der Beklagten am 21.2.2020 einen Kaufvertrag über die Liegenschaft KG **, EZ **, **, zum Kaufpreis von EUR 369.000,-- ab. Dem Verkauf lag ein vom Erwachsenenvertreter der Klägerin in Auftrag gegebenes Verkehrswertgutachten des Sachverständigen Mag. (FH) D* vom 11.11.2019 mit Bewertungsstichtag 22.10.2019 zu Grunde, der einen Verkehrswert von EUR 365.000,-- ermittelte. Der Kaufvertrag wurde pflegschaftsgerichtlich genehmigt.

Der Verkehrswert der (geldlasten- und bestandfreien) Liegenschaft betrug zum Bewertungsstichtag 21.2.2020 EUR 592.200,--.

Die Beklagte verkaufte die Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 27.8.2020 um einen Kaufpreis von EUR 735.000,-- an Mag. E* weiter.

Die Klägerin begehrte mit ihrer am 25.1.2023 eingebrachten Klage ursprünglich die Zahlung von EUR 370.000,-- samt Anhang wegen Verkürzung über die Hälfte. Die Liegenschaft der Klägerin sei bereits zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses zwischen den Streitteilen am 21.2.2020 weit mehr als das Doppelte des Kaufpreises in Höhe von EUR 369.000,-- wert gewesen.

Zur bereits hinsichtlich des ursprünglichen Klagebegehrens eingewandten Verjährung verwies die Klägerin darauf, dass der Kaufvertrag vom 21.2.2020 datiere und die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Kaufvertrags erst am 16.4.2020 erfolgt sei.

Nach Erstattung des gerichtlichen Sachverständigengutachtens änderte die Klägerin ihr Vorbringen und stützte sich nun darauf, dass die Beklagte gewusst habe bzw wissen hätte müssen, dass der im Gutachten festgestellte Wert nicht marktpreisüblich gewesen sei, sondern deutlich darunter gelegen sei. Der Sachverständigen Mag. (FH) D* sei nicht der Klägerin zuzurechnen, weil sein Gutachten eine Voraussetzung für die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Verkaufes gewesen sei. Es sei keine Veranlassung durch die Beklagte erforderlich, sondern sei der Irrtum allenfalls durch das Gutachten von Mag. (FH) D* ausgelöst worden, sodass hier ein relevanter Irrtum vorliege, der zu berücksichtigen sei. Es sei zu einem Zusammenwirken des Sachverständigen Mag. (FH) D* mit der Beklagten gekommen, was nicht notwendigerweise einen strafrechtlichen Tatbestand, jedoch einen zivilrechtlichen relevanten Sachverhalt zu Lasten der Klägerin darstelle.

Die Beklagte wendet ein, Preisgrundlage des Kaufvertrages vom 21.2.2020 zwischen den Streitteilen sei ein eigens von Klagsseite eingeholtes Sachverständigengutachten gewesen, das ohne Mitwirkung oder sonstiges Zutun der Beklagten im alleinigen Auftrag der Klägerin erstellt worden sei. Die Beklagte habe auf den vom Sachverständigen Mag. (FH) D* ermittelten Verkehrswert vertraut. Der Nachbar, der später von der Beklagten das Grundstück erworben habe, habe dies zum Wert der besonderen Vorliebe getan.

Bereits hinsichtlich des ursprünglichen Klagebegehrens wandte die Beklagte dessen Verjährung ein. Punkt 12. des Kaufvertrags Beilage ./C sei so formuliert, dass die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung ex tunc wirke.

Hinsichtlich der Klagsänderung wandte die Beklagte die Verjährung des irrtumsrechtlichen Anspruchs ein. Der Vertragsabschluss sei am 21.2.2020, die pflegschaftsgerichtliche Bewilligung am 16.4.2020 erfolgt. Die Anfechtung des Vertrages wegen Irrtums sei daher seit dem 24.6.2023 (vgl ON 62) verjährt.

Der von der Klägerin vorgebrachte Sachverhalt trage keine Irrtumsanfechtung. Die Beklagte habe den Irrtum der Klägerin nicht veranlasst, der laut ihrem eigenen Vorbringen vom Sachverständigen ausgelöst worden sei. Die Beklagte sei in die Gutachtenserstellung des Sachverständigen Mag. (FH) D* nicht involviert gewesen. Vielmehr habe die Klägerin die Gutachtenserstellung beauftragt, so dass eine Zurechnung des Gutachtens zur Beklagten scheitere.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab und sprach der Beklagten einen Kostenersatz von EUR 14.472,48 (darin enthalten EUR 2.408,88 USt und EUR 19,20 Fahrtkosten) zu.

Es traf dazu neben dem eingangs bereits zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt die auf den Urteilsseiten 3 bis 4 wiedergegebenen Feststellungen. Davon ist hervorzuheben:

Der Sachverständige Mag. (FH) D* telefonierte am 21.10.2019 mit F*, dem Geschäftsführer der Beklagten (damals künftige Käuferseite) über diverse Grundlagen des Sachverständigengutachtens (Miet- und Wohnrechte, Baumängel und -schäden, Erhaltungszustand, Frage der Erforderlichkeit der Einsicht in den Bauakt, Zweck des Gutachtens). Mag. (FH) D* legte der Bewertung zu Grunde, dass der vorhandene Gebäudebestand von einem Käufer abgebrochen würde.

Rechtlichkam das Erstgericht zum Ergebnis, dass der Sachverständige Mag. (FH) D* aufgrund des von der Klägerin erhaltenen Auftrags als deren Gehilfe anzusehen und daher allenfalls direkt von der Klägerin aus deren Vertragsverhältnis in Anspruch zu nehmen sei. Im Hinblick auf das Zustandekommen des Kaufvertrags mit der Beklagten sei er nicht Dritter im Sinne des § 875 ABGB.

Das Vorbringen der Klägerin, dass die Beklagte, wenn auch nicht arglistig, durch ihren Kontakt mit dem Sachverständigen Mag. (FH) D* den Irrtum der Klägerin über den Verkehrswert (mit)verursacht habe, betreffe einen Irrtum über den Verkehrswert und damit einen Motivirrtum. Auf einen Motivirrtum könne man sich aber nur unter bestimmten Umständen, so etwa bei listiger Verursachung, berufen. List sei bewusste Täuschung (Betrug) und setze daher ein für die Entstehung des Irrtums vorsätzliches, ja ihn bezweckendes Verhalten des Irreführenden voraus. Die Klägerin stütze sich aber konkret nicht darauf, dass die Beklagte bzw der Sachverständige Mag. (FH) D* listig (sohin strafrechtlich relevant) zusammengewirkt hätten, was ein vorsätzliches Handeln mit der Absicht, den Kaufpreis zu senken und die Klägerin damit in ihrem Vermögen zu schädigen aber jedenfalls wäre. Der vorliegende Motivirrtum der Klägerin berechtige sie daher nicht zur Vertragsanpassung.

Das in der mündlichen Verhandlung vom 31.1.2024 erhobene Begehren auf irrtumsrechtliche Vertragsanpassung sei aufgrund des vor mehr als drei Jahren erfolgten Vertragsabschlusses außerdem verjährt.

Seine Kostenentscheidung stützte das Erstgericht auf § 41 Abs 1 ZPO und führte zu den im Rekurs strittigen Positionen aus, dass von den beiden Äußerungen der Beklagten am 8.11.2023 nur eine zu honorieren sei. Die Duplik der Beklagten vom 23.11.2023 enthalte keine Fragen an den Sachverständigen. Die Bemessungsgrundlage der mündlichen Verhandlung vom 3.7.2024 betrage EUR 223.200,--.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit einem auf Klagsstattgebung gerichteten Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Mit ihrem Kostenrekurs begehrt die Beklagte den Zuspruch eines Kostenersatzes von EUR 17.117,16 (darin enthalten EUR 2.937,82 USt und EUR 19,20 Fahrtkosten) und damit EUR 2.644,68 mehr.

Die Parteien beantragen wechselseitig, dem gegnerischen Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Der Kostenrekurs ist teilweise berechtigt.

I. Zur Berufung:

I.1.1. Die Klägerin sieht in der unterlassenen Einvernahme des Zeugen Mag. (FH) D* eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens.

I.1.2.Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist nur dann gegeben, wenn der Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RS0043049). Die unterlassene Einvernahme des Zeugen Mag. (FH) D* kann daher nur dann relevant sein, wenn das Beweisthema, zu dem dieser beantragt wurde, einen noch nicht verjährten Anspruch der Klägerin begründen könnte.

I.1.3. Die Klägerin wendet sich nicht gegen die vom Erstgericht angenommene Verjährung der Irrtumsanfechtung, sondern stützt sich darauf, dass ihr Schadenersatzanspruch noch nicht verjährt sei, weil ihr Irrtum durch das Zusammenwirken des Sachverständigen Mag. (FH) D* und der Beklagten herbeigeführt worden sei.

I.1.4. In ihrem Schriftsatz vom 31.10.2023 führte die Klägerin aus: „Folgt man dem Gutachten SV Dris G* (Seite 41ff) weiter muss zudem angenommen werden, dass der im Gutachten des SV Mag. D* festgestellte Verkehrswert der Liegenschaft, dh sowohl der dort festgestellte Bodenwert als auch die Abbruchkosten, zumindest unter Einflussnahme der damaligen Käufer, hier geklagte Partei (und möglicherweise auch durch einer weiteren Person, die gleichzeitig Partner der als Beklagtenvertreterin einschreitenden Kanzlei ist) errichtet wurde, naturgemäß zum Nachteil der Klägerin “ (ON 42 S 3).

In ihrem Schriftsatz vom 22.11.2023 beantragte die Klägerin die Einvernahme von Mag. (FH) D* zum Beweis der zwischen ihm und vertretungsbefugten Personen der Beklagten erfolgten Absprache, den von ihm zwecks Vorlage an das für die Klägerin zuständige Pflegschaftsgericht gutachterlich zu ermittelnden Verkehrswert der gegenständlichen Liegenschaft unsachgemäß niedrig festzustellen (ON 49).

In der Tagsatzung am 31.1.2024 behauptete die Klägerin, sie sei durch das Gutachten D* über den Wert der Liegenschaft in Irrtum geführt worden und sie hätte in Kenntnis dieses Wertes zu dem vereinbarten Kaufpreis den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Der Vertrag als solcher werde nicht angefochten, sondern Vertragsanpassung beim Kaufpreis begehrt. Für den nun geltend gemachten Irrtum sei die Veranlassung durch die Beklagte nicht erforderlich, sondern der Irrtum sei allenfalls durch das Gutachten von Mag. (FH) D* ausgelöst worden, sodass hier ein relevanter Irrtum vorliege. Das Zusammenwirken des Sachverständigen Mag. (FH) D* mit der Beklagten stelle nicht notwendigerweise einen strafrechtlichen Tatbestand, jedoch einen zivilrechtlich relevanten Sachverhalt zu Lasten der Klägerin dar. § 875 ABGB ermögliche die entsprechende Vertragsanpassung auch ohne Vertragsanfechtung.

In ihrem Schriftsatz vom 27.2.2024 brachte die Klägerin vor, dass die Verjährungsfrist erst ab Kenntnis der Höhe des Schadens zu laufen beginne und sie erst durch das Sachverständigengutachtens Dris. G* Kenntnis über die tatsächliche Schadenshöhe erlangt habe, so dass der Klagsanspruch nicht verjährt sei. Außerdem habe sich der der Klagsänderung zugrundeliegende Sachverhalt nicht gegenüber der Klagseinbringung geändert (ON 64).

In der Tagsatzung am 3.7.2024 brachte die Klägerin vor, die maßgeblichen Vertreter der Beklagten hätten vom ausschließlich relevanten Gutachten von Mag. (FH) D* Kenntnis gehabt und seien während der Errichtung des Gutachtens kontaktiert worden. Die Beklagte habe gewusst bzw habe wissen müssen, dass der im Gutachten festgestellte Wert nicht marktpreisüblich gewesen sei, sondern deutlich darunter gelegen sei. Beim Sachverständigen D* handle es sich um keine der Klägerin zuzurechnende Person, wie es etwa ein von ihr beauftragter Immobilienmakler wäre.

I.1.5. Für sich alleine genommen könnte die Behauptung der Klägerin in ihrem Beweisantrag, dass es eine Absprache zwischen dem Sachverständigen Mag. (FH) D* und vertretungsbefugten Personen der Beklagten gegeben habe, den Verkehrswert der gegenständlichen Liegenschaft unsachgemäß niedrig festzustellen (ON 49 S 4), sowohl einen Anspruch der Klägerin wegen List als auch wegen Schadenersatz begründen. Jedoch findet sich diese Behauptung einerseits nur bei diesem Beweisantrag und nicht im sonstigen Vorbringen der Klägerin.

Andererseits deutete zwar die Klägerin bereits in ihrem früheren Schriftsatz ON 42 S 3 eine Einflussnahme der Beklagten auf den Sachverständigen Mag. (FH) D* bei der Ermittlung des Verkehrswertes an. Nachdem die Beklagte den Vorwurf einer geheimen Absprache jedoch vehement bestritt (zB ON 52), relativierte die Klägerin dies in ihrem späteren Vorbringen und hielt ein solches konkretes Fehlverhalten der Beklagten in der gebotenen Klarheit nicht mehr aufrecht: Der mit dem Beweisantrag auf Einvernahme des Zeugen Mag. (FH) D* erhobene Vorwurf wäre zweifellos als Betrug zu qualifizieren und damit strafrechtlich relevant. In der Tagsatzung am 31.1.2024 hielt die Klägerin zwar ihr Vorbringen eines „Zusammenwirkens“ zwischen der Beklagten und dem Sachverständigen Mag. (FH) D* aufrecht, meinte aber, dass dies nicht notwendigerweise einen strafrechtlichen Tatbestand, jedoch einen zivilrechtlichen relevanten Sachverhalt zulasten der Klägerin darstelle (ON 59.2 S 3). Demnach wirft die Klägerin der Beklagten einen strafrechtlich relevanten Betrug also gar nicht (mehr) vor.

Rein zivil- (und nicht straf-)rechtlich relevant könnte gegebenenfalls eine Aufklärungspflichtverletzung sein (vgl zB 1 Ob 188/75, RS0014821 T8, RS0014790 T7). Eine Aufklärungspflicht deutet die Klägerin in ON 68.4 S 2 f an, nämlich dass die Beklagte „gewusst habe bzw wissen habe müssen“, dass der im Gutachten festgestellte Wert „nicht marktpreisüblich“, sondern deutlich darunter gelegen sei. Damit bleibt aber schon im Dunklen, über welches „Wissen“ genau die Beklagte denn verfügt habe: Ein („marktpreisüblicher“) Liegenschaftswert in Euro ist keine objektivierte Größe, die von einem Marktteilnehmer - für sich allein genommen - „gewusst“ werden könnte. Es handelt sich vielmehr - wie das Ermittlungserfordernis mittels Sachverständigem zeigt - um eine komplexe Einschätzung anhand unterschiedlichster zu objektivierender Parameter. Eine Aufklärungspflicht des potentiellen Käufers gegenüber dem potentiellen Verkäufer darüber, wie er den marktüblichen Preis denn einschätze, im Ergebnis also eine allfällige Aufklärungspflicht des Käufers darüber, dass er den Anbotspreis als „günstig“ einschätze, ist der Rechtsordnung nicht zu entnehmen. Eine Pflicht zur Aufklärung des Vertragspartners könnte gegebenenfalls vielmehr nur über - für eine Einschätzung des Liegenschaftswerts relevante - objektive Fakten bestehen. Über welches - einem „Wissen“ überhaupt zugängliches - konkretes Faktum die Beklagte „gewusst habe oder wissen habe müssen“ (dies auch als Voraussetzung für die Beurteilung der Rechtsfrage, ob über ein solches Faktum überhaupt eine Pflicht zur Aufklärung bestanden hätte), hat die Klägerin schon gar nicht vorgebracht. Einvernahmen hiezu hatten daher schon aufgrund der Unzulässigkeit von Erkundungsbeweisen zu unterbleiben.

Es bleibt somit offen, was der konkrete Vorwurf der Klägerin gegen die Beklagte sein soll. Das von der Klägerin zB in ON 59.2 S 3 genannte „Zusammenwirken“ zwischen dem Sachverständigen und der Beklagten ist entweder ein Betrug oder rechtlich irrelevant. Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht.

I.1.6.Die Klägerin behauptet nur einen vagen Verdacht, dass durch den - ohnehin festgestellten (US 4) - einleitenden Kontakt, nämlich das zeitlich vor der Grundstücksbesichtigung stattgefundene (bereits vom Sachverständigen in seinem Gutachten ohnehin offengelegte) Telefonat vom 21.10.2019 mit einem Geschäftsführer der Beklagten (Beilage ./G S 7) unzulässig „Einfluss genommen“ worden sein könnte. Einerseits stellt Derartiges bereits für sich genommen kein eine Haftung auslösendes Zusammenwirken dar und andererseits handelt es sich um eine unzulässige Neuerung (§ 482 ZPO).

I.1.7. Auch in der Berufung bleibt der Vorwurf der Klägerin vage. Die Abweichungen der von ihr begehrten Ersatzfeststellung von der von ihr bekämpften Feststellung sind entweder irrelevant (Telefonat zwischen Sachverständigen und Geschäftsführer der Beklagten vor oder nach Begehung der Liegenschaft durch den Sachverständigen) oder eine Schlussfolgerung („ sodass es zu einer relevanten Beeinflussung in der Ermittlung des Verkehrswerts der Liegenschaft zu Lasten der Klägerin kam “). Was für eine „Beeinflussung“ stattgefunden haben und inwiefern diese „relevant“ gewesen sein soll, lässt die Berufungswerberin weiterhin offen. Dazu kommt, dass damit die Berufungswerberin offensichtlich die rechtliche Beurteilung vorweg nehmen will. Tatsächlich wäre es Aufgabe der Klägerin gewesen, ein Tatsachenvorbringen dazu zu erstatten, in welcher Form es zu einer Beeinflussung gekommen sei, wobei diese Tatsachen dann entweder nicht oder doch festgestellt und dann einer rechtlichen Beurteilung unterzogen werden können. Die Beweisrüge scheitert somit bereits am Fehlen einer tauglichen Ersatzfeststellung.

I.1.8. Zusammenfassung: In Anbetracht der zeitlichen Entwicklung des Vorbringens der Klägerin ist davon auszugehen, dass sie ihren ursprünglich in Zusammenhang mit dem Zeugenbeweis erhobenen Vorwurf des Betrugs nicht weiter verfolgt. Die Anspruchsgrundlage laesio enormis scheiterte an dem vom Gerichtssachverständigen ermittelten Liegenschaftswert und die Anspruchsgrundlage Irrtum an der Verjährung (wogegen sich die Berufung auch gar nicht mehr wendet). Im Übrigen fehlt es an einem tauglichen anspruchsbegründenden Klagsvorbringen. Da somit weder ein primärer noch auch ein sekundärer Verfahrensmangel vorliegt, musste die Berufung ohne Erfolg bleiben.

I.2.Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet auf den §§ 41 und 50 ZPO.

I.3.Die ordentliche Revision ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalles, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RS0042828 T1).

II . Zum Kostenrekurs:

II.1.1. Die Beklagte wendet sich gegen die Nichthonorierung zweier Schriftsätze, nämlich vom 8.11.2023 (ON 46), in dem sie die Zurückweisung des Antrags der Klägerin auf Gutachtensergänzung vom 31.10.2023 als unzulässigen Erkundungsbeweis beantragte und sich gegen die Klagsänderung aussprach, und vom 23.11.2023 (ON 52), in dem sie eine weitere Adresse des Zeugen Mag. (FH) D* bekanntgab (vgl Postfehlbericht ON 50), die Zurückweisung eines Teiles der von der Klägerin in ON 49 an den Sachverständigen gestellten Fragen beantragte und das Bestehen einer geheimen Absprache zwischen der Beklagten und Mag. (FH) D* bestritt.

II.1.2.Grundgedanke des § 41 Abs 1 ZPO ist, dass ein Ersatzanspruch nur für die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten besteht (RS0035774 T1). War die Aktion zwar zweckmäßig (zB eine Klagsausdehnung), aber nicht notwendig (weil sie zB in der nächsten Verhandlung vorgenommen werden hätte können), so ist sie nicht zu honorieren ( Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.240).

II.1.3.Zum Schriftsatz vom 8.11.2023 (ON 46): Die von der Beklagten darin beantragte Zurückweisung des Antrags der Klägerin auf Gutachtensergänzung vom 31.10.2023 hätte dazu führen können, dass die Anwesenheit des Sachverständigen bei der bereits ausgeschriebenen Tagsatzung am 31.1.2024 nicht erforderlich ist. Das Argument, dass die Beklagte ihr Vorbringen auch mündlich in der nächsten Tagsatzung erstatten hätte können, trifft daher in diesem Fall nicht zu. Es handelt sich aber weder um einen aufgetragenen noch um einen vorbereitenden Schriftsatz, so dass die ursprünglich begehrte TP 3A ausscheidet. Eine Honorierung nach dem Auffangtatbestand des TP 2 I.1.e) RATG ist jedoch gerechtfertigt.

II.1.4. Zum Schriftsatz vom 23.11.2023 (ON 52): Da sich die Beklagte darin nicht gegen alle von der Klägerin an den Sachverständigen gerichtete Fragen ausspricht, hätte sie dies auch erst in der nächsten Tagsatzung tun können. Dasselbe gilt für ihr Bestreitungsvorbringen hinsichtlich einer Absprache. Es verbleibt somit als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendiger Schriftsatzinhalt nur die Bekanntgabe einer weiteren Adresse des Zeugen Mag. (FH) D*, nachdem die Zustellung der Ladung an der ursprünglichen Adresse gescheitert war. Dies ist aber nur nach TP 1 zu honorieren.

II.1.5. Zuletzt begehrt die Beklagte die Honorierung der letzten Tagsatzung auf Basis des ursprünglichen Streitwerts von EUR 370.000,--.

Tatsächlich hat die Klägerin ihr Begehren nie formell auf die Zahlung von EUR 223.200,-- samt Anhang eingeschränkt. Die Klagsänderung bewirkte somit (nur), dass sich die Klage im Umfang letzteren Betrags auf weitere Umstände stütze. Am weiters aufrechten (ursprünglichen) Klagebegehren änderte dies nichts. Allerdings hat das Erstgericht nur über letzteren Betrag entschieden, und ist dieser Umstand allseits ungerügt geblieben. Damit ist der Anspruch auf die Differenz von EUR 146.800,-- samt Anhang aus dem Verfahren ausgeschieden ( Pimmer in Fasching/Konecny 3IV/1 § 496 ZPO Rz 22). Am Streitwert für die Tagsatzung (EUR 370.000,--) ändert dies ebenfalls nichts. Bei den vorliegenden Verhältnissen ist die Klägerin auch mit der Differenz von EUR 146.800,-- als unterliegend anzusehen, weil diese auf dem ursprünglichen Prozessstandstandpunkt (laesio enormis) beruht, den die Klägerin augenscheinlich aufgrund der Verfahrensergebnisse (insb Sachverständigengutachten ON 33.1) letztlich nicht mehr weiterverfolgte.

II.1.6. Der Beklagten waren daher in Summe weitere EUR 1.713,18 (darin EUR 285,33 USt) zuzusprechen.

II.2.Die Kostenentscheidung für das Rekursverfahren beruht auf § 43 Abs 1 ZPO. Die Beklagte konnte bei einem Rekursinteresse von EUR 2.644,68 mit 64,78 % durchdringen. Ihr steht daher ein Kostenersatz von 29,56 % zu. Ein Kostenrekurs ist jedoch gemäß TP 3A I.5.b) RATG nur mit TP 3A zu honorieren.

II.3. Gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO ist der Revisionsrekurs im Kostenpunkt jedenfalls unzulässig.