JudikaturOLG Wien

16R163/24v – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Unternehmensrecht
04. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Sonntag als Vorsitzenden sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Elhenicky und Dr. Rieder in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch Mag. Laurenz Strebl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B * , geboren am **, **, vertreten durch Prof. Dr. Georg Zanger, M.B.L.-HSG, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 58.000,-- sA, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 21.06.2024, **-41, gemäß 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.743,82 (darin EUR 623,97 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte war im März 2022 Gesellschafterin und einzelvertretungsbefugte Geschäftsführerin der C* GmbH (FN **). Diese Gesellschaft betrieb in der **, ein Bubble-Tea-Geschäft.

Die Klägerin begehrte EUR 58.000,-- sA. Dazu brachte sie vor, die Streitteile hätten am 16.03.2022 eine mangels Einhaltung der Notariatsaktspflicht formungültige und nichtige Vereinbarung über die Abtretung von 1/3 der Geschäftsanteile an der C* GmbH, welche von der Beklagten gehalten worden seien, unterfertigt. Aufgrund dieser Vereinbarung und im Vertrauen, dass die Vereinbarung gültig sei, habe sie der Beklagten EUR 58.000,--, bestehend aus EUR 50.000,-- als Kaufpreis und EUR 8.000,-- als Kaution, übergeben. Den Empfang dieses Betrages habe die Beklagte bestätigt. Hätte die Klägerin gewusst, dass der Vertrag ohne Notariatsakt unwirksam sei, hätte sie ihn nicht unterschrieben. Die Klägerin habe keine Gegenleistung erhalten. Die Klägerin sei nach Unterfertigung der Vereinbarung außerdem als Arbeiterin im Geschäftslokal beschäftigt gewesen. Anstatt ihr die versprochenen EUR 3.000,-- pro Monat auszuzahlen, habe die Beklagte sie vereinbarungswidrig zu einem wesentlich geringeren Betrag angemeldet. Die Gesellschaft sei den Gehaltszahlungsverpflichtungen weder in der vereinbarten, noch in der vereinbarungswidrig angemeldeten Höhe nachgekommen. Als sich die Klägerin über diesen Missstand beschwert und den rechtsgrundlos geleisteten Klagsbetrag zurückgefordert habe, habe die Beklagte als Geschäftsführerin der Gesellschaft die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin ausgesprochen. Die Klägerin sei daraufhin mit völlig unberechtigten Vorwürfen der Betriebsspionage konfrontiert worden. Gewinne hätten von der Gesellschaft nicht ausgeschüttet werden können, da sie gar nicht erwirtschaftet worden seien. Die Jahresabschlüsse der C* GmbH für die Jahre 2020 und 2021 wiesen einen Bilanzverlust von EUR 17.000,-- und Verbindlichkeiten von EUR 30.000,-- (2020) beziehungsweise einen Bilanzverlust von EUR 22.000,-- und Verbindlichkeiten von EUR 50.000,-- (2021) aus. Die Klägerin sei auch vom Vertrag zurückgetreten. Sie habe die Beklagte mit Schreiben vom 12.08.2022 zur Rückzahlung des Klagsbetrages aufgefordert und diesen fällig gestellt. Die Beklagte sei der Aufforderung nicht nachgekommen. Über die C* GmbH sei der Konkurs eröffnet worden. Eine Übertragung des Geschäftsanteils von der Beklagten auf die Klägerin sei nicht mehr möglich, da die Beklagte mittlerweile als Gesellschafterin ausgeschieden sei.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, das Bubble-Tea-Geschäft der Gesellschaft sei in den der Klage vorausgegangenen Jahren sehr lukrativ geworden, was ausschließlich an der modernen Technologie und der einzigartigen Rezeptur des Unternehmens, dessen Lizenznehmerin die Gesellschaft gewesen sei, liege. Die Gesellschaft habe Anfang 2022 ein Inserat geschalten, um nach einem langfristigen Geschäftspartner zu suchen oder das gesamte Geschäft zu veräußern. Im März 2022 habe die Klägerin konkretes Interesse am Geschäftskonzept der Gesellschaft gezeigt und mit der Beklagten Kontakt aufgenommen. Sie habe den Wunsch geäußert, zunächst 1/3 der GmbH-Anteile zu erwerben, womit die Beklagte einverstanden gewesen sei. Die Streitteile hätten in der Folge gemeinsam eine Absichtserklärung ausgearbeitet, welche von beiden Seiten am 16.03.2022 unterschrieben worden sei. Beim darauffolgenden Notartermin habe die Klägerin unerwartet den Abschluss eines Notariatsaktes abgelehnt. Der Notar habe darauf hingewiesen, dass eine Übertragung von GmbH-Anteilen ohne Notariatsakt nicht wirksam sei. Dies habe die Klägerin zur Kenntnis genommen und erklärt, dass sie derzeit nur eine Investition tätigen und sich vorläufig mit einer Gewinnbeteiligung zufrieden geben wolle. Damit sei die Beklagte einverstanden gewesen. Die Klägerin habe sodann den Investitionsbetrag in Höhe von EUR 58.000,-- geleistet. Gleichzeitig sei eine 33%-ige Gewinnbeteiligung vereinbart worden. Die Klägerin habe sohin den eingeklagten Betrag ungeachtet der Erklärung, dass für die Übertragung von Gesellschaftsanteilen ein Notariatsakt erforderlich sei, gezahlt. Die Klägerin habe in weiterer Folge das gesamte Unternehmen erwerben und zu diesem Zweck die alltäglichen Abläufe im Geschäft kennenlernen wollen. Sie sei mit 04.04.2022 für 30 Stunden pro Woche zu einem Bruttomonatsgehalt von EUR 1.314,75 im Bubble-Tea-Geschäft angestellt worden. Ein monatliches Nettogehalt von EUR 3.000,-- sei nicht vereinbart worden. Die Klägerin habe im Mai und Juni von betriebsfremden Personen Aufnahmen im für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Betriebsbereich des Geschäftes anfertigen lassen und begonnen, passiv und lustlos zu arbeiten, nicht mehr zur Arbeit zu kommen und wiederholt Getränke nicht zu bonieren sowie technische Geräte nicht auszuschalten. Ein Aufrechterhalten der Beschäftigung der Klägerin sei undenkbar gewesen, weshalb sie am 17.08.2022 gekündigt worden sei. Die Beklagte sei nicht passivlegitimiert, weil die Absichtserklärung wie auch die Gewinnbeteiligung zwischen der Klägerin und der Gesellschaft geschlossen worden sei.

In der Tagsatzung vom 21.6.2024 legte die Beklagte einen (vom Erstgericht wieder ausgefolgten) USB-Stick zum Beweis dafür vor, dass die Klägerin perfekt Deutsch spreche. Die Klägerin habe immer gewusst, dass es im Geschäftslokal eine Videoüberwachung gebe und dieser auch zugestimmt. Die Behauptung der Klägerin, nicht Deutsch zu können, sei wissentlich falsch.

Die Klägerin sprach sich gegen die Übernahme des USB-Sticks aus. Derartige Aufnahmen seien unzulässig, die Vorlage des USB-Sticks verspätet und für die Frage der Wirksamkeit des Notariatsakts irrelevant. Die Klägerin habe nicht gewusst, dass sie im Geschäftslokal videoüberwacht worden sei und habe dazu ihre Zustimmung nicht erteilt.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt. Es legte seiner Entscheidung folgende, teilweise (erkennbar im unterstrichenen Umfang) bekämpfte Feststellungen zugrunde:

„Die Klägerin befindet sich seit nun ca. 18 Jahren in Österreich und arbeitet als Kellnerin in einem Restaurant. Sie kann ein wenig Deutsch, ihr Wortschatz ist ausreichend, dass sie im Rahmen des Restaurantbetriebes mit den Gästen kommunizieren kann .

Die Beklagte ist mit ihrem Ehemann D* Gesellschafterin der E*gmbh (FN **). Die E*gmbh und die Beklagte waren zum Zeitpunkt des Abtretungsvertrages im März 2022 gemeinsam Gesellschafter der C* GmbH.

Die Beklagte inserierte Anfang 2022 eine Anzeige im Internet, in der sie für ihr Geschäft eine/n Gesellschafter/in suchte. Bei dem Geschäft handelte es sich um ein Bubble-Tea-Geschäft mit dem Namen „F*“ in der **. Die Klägerin wurde auf diese Anzeige aufmerksam und meldete sich bei der Beklagten. Die Beklagte erklärte, dass das Geschäft EUR 150.000,-- wert sei und sie es für diesen Betrag veräußern würde. Die Klägerin konnte sich das nicht leisten, woraufhin die Beklagte anbot, die Hälfte oder ein Drittel der Gesellschaftsanteile zu verkaufen. Sie kamen überein, dass die Klägerin ein Drittel der Gesellschaftsanteile kaufen würde. Weiters erklärte die Beklagte, dass die Klägerin EUR 8.000,-- als Mietkaution für das Bubble-Tea-Geschäft zu zahlen habe. Sie einigten sich über die Bezahlung von EUR 58.000,-- und die Beklagte setzte am 16.03.2022 einen Vertrag in chinesischer Sprache auf, den beide am selben Tag unterzeichneten. Die Beklagte unterschrieb diesen nicht als Geschäftsführerin der GmbH, sondern als Gesellschafterin. Die Vereinbarung ließen sie von dem Dolmetscher G* ins Deutsche übersetzen

Der Vertrag lautet (Beilage ./C):

Beide Seiten sind mit freundlichen Zusammenarbeiten einverstanden, das Geschäft – F* in ** zusammenzubetreiben:

1. Die gesamte Investition für das Geschäft – F* beträgt € 150000, Seite A hat nun ihre Anteile von 33% - € 50000 an Seite B zu verkaufen, die Kaution von 33% beträgt € 8000, es ist somit insgesamt € 58000.

2. Beide Seiten vereinbaren sich die Kauffrist von 30 Tagen, die Seite B hat innerhalb 30 Tagen der Seite A zu verständigen, ob sie das Angebot von Seite A zu nehmen hat, ist es der Fall, berechnet Seite A es mit dem Betrag von €150000 als Bemessungsgrundlage; hat Seite B nach 30 Tagen es dann zu kaufen, müssen beide Seiten sich darüber neu vereinbaren.

3. Hat Seite B diese Anteile gekauft, ist sie am 01.04.2022 schon der Gesellschafter der Firma betreibt und führt den Laden mit.

4. Seite A ist weiter für Marke, Propaganda, Buchungen, Produktaktualisierung, Management usw. pflichtig, Seite B ist für das Geschäft und den Management im Alltag verantwortlich, sie beiden helfen sich miteinander, nachdem Siete B die Anteile der Firma gekauft hat.

5. Das Einkommen der Seite B richtet sich nach dem Marktpreis.

6. Ist der Anteilsgewinn der Seite B in 3 Monaten kontinuierlich bis zum 31.12.2022 weniger als €1500, berechtigt Seite B davon abzutreten, und die Seite A hat die ganze Investition der Seite B insgesamt € 58000 zurückzuzahlen (außer höherer Gewalt).

7. Hat die Seite B das Geld in die Firma bis zum 01.04.2022 investiert, haben die Schulden und Rechtsfolge vor dem Datum mit ihr nichts zu tun.

8. Beide Seiten dürfen gegen das Gesetz nicht verstoßen, die Rechte und Interesse der Firma und des Ladens nicht beschädigen.

9. Hat die Seite B €58000 bezahlt, haben die beide diese Vereinbarung unterzeichnet, tritt sie in Kraft, beide Seiten haben sie einzuhalten, entsteht Problem, haben sie beide zu vereinbaren, betrifft sich das Problem mit Anteilen der Firma und des Ladens, haben sie beide 30 Tage vorher gegeneinander schriftlich zu verständigen.

Wien, am 16.03.2022

Unterschriften

Die Klägerin wollte, dass ein Notar die Unterschriften beglaubigt und so wählte die Beklagte die Notariatskanzlei von Dr. H* aus. Zum Notartermin am 18.03.2022 erschienen die Klägerin, die Beklagte und deren Ehemann D*. Da Dr. H* auf Urlaub war, nahm Dr. I* den Termin als dessen Notarsubstitut wahr. Die Klägerin hatte bei dem Termin keine Vertrauensperson mit, die für sie übersetzte. Die Beklagte sprach daher mit Dr. I* auf Deutsch und übersetzte der Klägerin ins Chinesische. Dr. I*, der kein Chinesisch spricht, machte darauf aufmerksam, dass ein Vertrag über die Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen notariatsaktpflichtig ist und mangels Einhaltung des Formgebotes unwirksam ist. Die Beklagte gab der Klägerin die Information des Notars auf Chinesisch nicht korrekt weiter und lehnte die Errichtung eines Notariatsaktes ab. Die Klägerin dachte, dass der Vertrag wirksam sei. Dr. I* bestätigte in der Folge nur die Echtheit der Unterschriften.

Im Glauben, dass der Vertrag wirksam sei, übergab die Klägerin der Beklagte EUR 58.000,-- noch in den Räumlichkeiten des Notars. Die Beklagte erstellte über den Erhalt des Geldes einen Vermerk auf der abgeschlossenen Vereinbarung. Die Klägerin hätte, wenn sie gewusst hätte, dass der Vertrag mangels Errichtung eines Notariatsaktes keine Gültigkeit besitze, der Beklagten den Geldbetrag nicht übergeben.

Die Klägerin begann mit 20.3.2024 im Bubble-Tea-Geschäft zu arbeiten. Die Beklagte hatte ihr gesagt, dass sie für jeden Tag, den sie dort arbeiteten würde, EUR 100,00 erhalten würde. Die Klägerin war als Kellnerin ab 4.4.2022 bis Juli 2022 angemeldet und hatte einen monatlichen Nettoverdienst von EUR 985,98 für April 2022, EUR 1.108,27 für Mai 2022, EUR 1.949,69 für Juni 2022 sowie EUR 1.108,27 für Juli 2022, welche Beträge die Beklagte ihr auch auszahlte. Die Klägerin stellte bei der Arbeit fest, dass das Unternehmen nicht die von der Beklagten zugesagten Gewinne abwarf. Sie bekam entgegen der Zusage der Beklagten keine Gewinne ausbezahlt und erklärte daher am 12.8.2022 vom Vertrag gemäß Punkt 6. des Vertrages zurückzutreten und forderte die Rückzahlung der bezahlten EUR 58.000,00. Sie wurde daraufhin von der GmbH gekündigt. Den von ihr geleisteten EUR 58.000,-- stand keinerlei Gegenleistung gegenüber.

Während ihrer Arbeit im Geschäft wurde die Klägerin von Freunden besucht, die auch Getränke konsumierten. Die Klägerin spionierte den Betrieb der Beklagten nicht aus. Die Beklagte überwachte die Klägerin per Videokamera bei ihrer Tätigkeit.

Die Jahresabschlüsse der C* GmbH aus den Jahren 2021 und 2022 weisen steigende Verbindlichkeitsquoten und Bilanzverluste auf: Im Jahr 2020 lag der Bilanzverlust bei EUR 17.180,78 und bestanden Verbindlichkeiten in der Höhe von EUR 29.250,00. Zum Bilanzstichtag 31.12.2021 gab es einen Bilanzverlust von EUR 21.702.20, und bestanden Verbindlichkeiten in der Höhe von EUR 48.874,06.

Im Laufe des Zivilverfahrens wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 23.05.2023, AZ **, der Konkurs über die C* GmbH eröffnet und ist die Gesellschaft infolge der Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst. Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 07.06.2024, AZ ** wurde der Konkurs mangels Kostendeckung aufgehoben. Einem Antrag der Beklagten auf Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens zu ** des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien wurde nicht Folge gegeben und das Verfahren mangels Kostendeckung nicht eröffnet.“

Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass die Übertragung von Geschäftsanteilen eines Notariatsaktes bedürfe. Dieses Formgebot gelte sowohl für das Verpflichtungs-, als auch das Verfügungsgeschäft. Ohne Einhaltung der Notariatsaktspflicht sei ein solches Geschäft nicht rechtswirksam, weshalb durch einen solchen Vorgang auch kein klagbarer Anspruch auf Erfüllung, also auf Errichtung des Notariatsaktes, erworben werden könne. Die Missachtung des Formzwanges bei der Übertragung von Geschäftsanteilen oder bei der Verpflichtung zur künftigen Übertragung von Geschäftsanteilen an einer GmbH habe grundsätzlich die Unwirksamkeit der Übertragung beziehungsweise der Verpflichtung zur Folge. Auf die absolute Nichtigkeit eines Geschäfts sei sogar amtswegig Bedacht zu nehmen. Es könne sich daher auch jener Vertragsteil darauf berufen, der sie bei Vertragsabschluss gekannt habe. Die Vereinbarung zwischen den Streitteilen sei folglich absolut unwirksam. Wer auf das Zustandekommen eines Vertrages vertraue, obwohl der Vertrag nicht zustande gekommen sei, könne den Vertrauensschaden verlangen. In diesem Fall habe der Schädiger den Vertrauenden so zu stellen, wie er stünde, wenn er nicht mit der Gültigkeit des Vertrags gerechnet hätte. Die Zahlung der Kaution iHv EUR 8.000,-- sei für die Klägerin ebenfalls vollkommen nutzlos gewesen, weshalb die Beklagte ihr den Gesamtbetrag von EUR 58.000,-- samt Zinsen zurückzuzahlen habe.

Die Vorlage des USB-Sticks mit (widerrechtlich aufgenommenen) Videoaufnahmen von der Klägerin zum Beweis dafür, dass diese perfekt Deutsch spreche und verstehe, sei mangels Relevanz für die rechtliche Beurteilung zurückzuweisen gewesen. Die Abtretungsvereinbarung sei absolut unwirksam, und zwar unabhängig davon, ob die Klägerin Deutsch verstehe oder nicht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Berufungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, „der Berufung im Umfang der Anfechtung Folge zu geben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidungsfindung an die Erstinstanz zurückzuverweisen“.

Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

1. Vorbemerkungen

Die Beklagte bekämpft das Urteil zwar formal nur mit Beweis- und Rechtsrüge. Tatsächlich stützt und beruft sie sich - wenngleich im Rahmen der Beweisrüge - auch ausdrücklich auf eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens.

Eine solche unrichtige oder unvollständige Bezeichnung der Rechtsmittelgründe gereicht dem Rechtsmittelwerber nicht zum Schaden, wenn die Rechtsmittelausführungen die Beschwerdegründe deutlich erkennen lassen (RS0041851). Sind die Rechtsmittelgründe – wie hier die Berufungsgründe der unrichtigen Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung und der (primären) Mangelhaftigkeit des Verfahrens - nicht getrennt ausgeführt, schadet dies nicht, soweit sich die Zugehörigkeit der Ausführungen zu dem einen oder anderen Rechtsmittelgrund erkennen lässt (RS0041911; RS0041768). Unklarheiten gehen jedoch zu Lasten des Revisionswerbers (RS0041911 [T1]; RS0041761).

2. Verfahrens- und Beweisrüge

2.1. Den Berufungsausführungen ist deutlich zu entnehmen, dass die Beklagte den Umstand, dass das Erstgericht den von ihr vorgelegten USB-Stick mit Videoaufnahmen nicht zum Akt genommen bzw das Video nicht abgespielt habe, als Verfahrensmangel rügt. Sie trägt dazu vor, dass die Klägerin ausgezeichnet Deutsch spreche, die Belehrung durch den Notar verstanden und daher auch gewusst habe, dass mit der Übergabe des Geldbetrages keine Anteile an der Gesellschaft hätten erworben werden können. Es hätte weiters auch den Ausführungen der Beklagten und des Zeugen D* folgen müssen, wonach es die Klägerin gewesen sei, die den Abschluss eines Notariatsaktes abgelehnt habe, weil sie die zusätzlichen EUR 2.000,--, die der Notar dafür verlangt habe, nicht habe bezahlen wollen. Das Erstgericht wäre zum Schluss gekommen, dass der streitgegenständliche Betrag als Investition in das Unternehmen der Beklagten anzusehen und eine Rückforderung gemäß Punkt 6. des Vertrages aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage während der Covid-Lockdowns (höhere Gewalt) ausgeschlossen gewesen sei.

Der Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist nur dann gegeben, wenn der Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (vgl RS0043049, RS0043058). Dem gerügten Verfahrensmangel fehlt es hier an der Wesentlichkeit (vgl RS0116273). Wie noch zu zeigen sein wird (siehe unten 2.3.ff), könnte die Aufnahme des von der Beklagten vermissten Beweises nämlich letztlich zu keinem anderen Ergebnis als einer Klagsstattgebung führen.

2.2. Mit ihrer Beweisrüge möchte die Beklagte erkennbar folgende, tatsächlich wie folgt lautende Feststellung auf Seite 2 des Ersturteils bekämpfen:

Sie [Die Klägerin] kann ein wenig Deutsch, ihr Wortschatz ist ausreichend, dass sie im Rahmen des Restaurantbetriebes mit den Gästen kommunizieren kann. Weiters wendet sie sich gegen einen Passus in der Bweiswürdigung, wonach die Klägerin glaubhaft ausführte, „ das Wort ‚Notariatsakt‘ noch nie gehört zu haben und dass sie dachte, dass der Vertrag gültig sei, wenn ein Notar dabei ist […]. “ (US 6).

Bei richtiger Beweiswürdigung hätte das Erstgericht die Feststellung treffen müssen, dass die Klägerin, die seit 18 Jahren in Österreich lebe, der deutschen Sprache ausreichend mächtig gewesen sei, um zu verstehen, dass eine Anteilsübertragung nur mittels Notariatsaktes möglich sei. Der streitgegenständliche Betrag wäre daher als Investition in das Unternehmen der Beklagten zu sehen, eine Rückforderung laut Punkt 6 des Vertrages aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage während der Covid-Lockdowns (höhere Gewalt) ausgeschlossen.

Eine Auseinandersetzung mit der Beweisrüge kann unterbleiben, weil auch die begehrte Ersatzfeststellung im Ergebnis nichts an der Stattgebung der Klage ändern könnte (siehe sogleich 2.3.ff). Ob allein aus der im Rahmen der Beweisrüge begehrten Ersatzfeststellung angesichts der weiteren zahlreichen - unbekämpft gebliebenen - Feststellungen im Zusammenhang mit dem Notartermin am 18.3.2022 (US 4) überhaupt eine solche Abweisung des Klagebegehrens resultieren könnte oder sich die Beklagte letztlich in einen unauflösbaren Widerspruch zu diesen Feststellungen setzen würde, kann daher ebenfalls dahingestellt bleiben.

2.3. Die Ausführungen unter Punkt III.A. der Berufung werfen somit sowohl in der darin erkennbar enthaltenen Verfahrensrüge als auch in der Beweisrüge als Streitpunkt einzig die Deutschkenntnisse der Klägerin und den von der Beklagten daraus gezogenen Schluss auf, dass der von der Klägerin übergebene Geldbetrag eine Investition in das Unternehmen dargestellt habe. Wie bereits dargelegt, könnte aber eine Relevanz jeweils nur dann gegeben sein, wenn sich an der rechtlichen Beurteilung unter Annahme des von der Beklagten behaupteten Sachverhalts eine derartige Änderung ergäbe, dass diese nicht ebenfalls zu einer Klagsstattgebung führte. Dies ist hier nicht der Fall.

2.4. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass gemäß § 76 Abs 2 GmbHG die Übertragung von Geschäftsanteilen mittels Rechtsgeschäfts unter Lebenden eines Notariatsakts bedarf. Richtig hat bereits das Erstgericht darauf verwiesen, dass die Verletzung der Formvorschrift die Ungültigkeit des Geschäfts zur Folge hat (RS0060256 [insb T5, T11, T12]; RS0059756), was die Beklagte nicht bestreitet. Auch die bewusste Bewirkung des Formmangels durch beide Parteien verhindert nicht die Unwirksamkeitsfolge ( Rauter in Straube/Ratka/Rauter , WK GmbHG § 76 [Stand 1.3.2024, rdb.at] Rz 221 mwN). Ein bereits gezahlter Kaufpreis ist grundsätzlich kondizierbar ( Rauter in Straube/Ratka/Rauter , WK GmbHG § 76 [Stand 1.3.2024, rdb.at] Rz 222 mwN; 6 Ob 180/17i). Selbst ausgezeichnete Deutschkenntnisse der Klägerin könnten daher an dieser Rechtsfolge nichts ändern.

2.5. Tatsächlich argumentiert die Beklagte aber ohnedies nur, dass bei Annahme ausreichender Deutschkenntnisse die Klägerin verstanden hätte, dass eine Anteilsübertragung nur mittels Notariatsakts möglich sei und der streitgegenständliche Betrag daher als Investition in das Unternehmen anzusehen gewesen wäre.

Die Beklagte bestreitet dabei aber nicht, sondern legt dies ihrer Rechtsansicht sogar als Prämisse zugrunde, dass der Klägerin auch in dem von ihr angenommenen Fall (bloße Investition in das Unternehmen) gemäß Punkt 6. des Vertrags [der ein Rücktrittsrecht und die Rückzahlung der Investition von EUR 58.000,-- vorsieht, wenn der Anteilsgewinn der Klägerin in drei Monaten kontinuierlich bis zum 31.12.2022 weniger als EUR 1.500,-- ist] jedenfalls grundsätzlich ein Rücktritts- bzw Rückforderungsrecht zustünde. Nach den – insoweit unbekämpft gebliebenen – Feststellungen erklärte die Klägerin am 12.08.2022 in diesem Sinne auch, vom Vertrag gemäß Punkt 6. des Vertrages zurückgetreten und forderte die Rückzahlung der bezahlten EUR 58.000,--, weil ihr keine Gewinne ausbezahlt wurden (US 5).

Die Beklagte spricht daher der Klägerin das Rücktrittsrecht in der von ihr angestrebten Sachverhaltsvariante nicht per se ab. Sie beruft sich aber auf den in Punkt 6. des Vertrags vorgesehenen Ausnahmetatbestand der „höheren Gewalt“, den sie mit der schwierigen Wirtschaftslage während des Covid-Lockdowns begründet. Tatsächlich hat sich die Beklagte aber – obwohl die Klägerin die Rückforderung auch ausdrücklich auf einen Vertragsrücktritt stützte – auf den vertraglichen Ausschlussgrund der „höheren Gewalt“ in erster Instanz nicht gestützt. Dem erstmals in der Berufung erstatteten Vorbringen zum Vorliegen höherer Gewalt steht somit das Neuerungsverbot entgegen (RS0041965). Sonstige Gründe gegen einen Rückzahlungsanspruch gemäß Punkt 6. des Vertrages, von dessen Gültigkeit die Beklagte auch bei der von ihr angenommenen (bloßen) Investitionsvereinbarung ausgeht, trägt die Berufungswerberin nicht vor. Weshalb der Klägerin ohne die – von ihrem Vorbringen nicht gedeckte - Prämisse des Vorliegens höherer Gewalt, unter der Annahme ausreichender Deutschkenntnisse der Klägerin ausgehend vom unstrittigen Sachverhalt, dass sie keine Gewinne ausbezahlt erhielt und den EUR 58.000,-- keinerlei Gegenleistung gegenüberstand (US 5), kein Rückforderungsrecht zukommen sollte, ist nicht ersichtlich und wird von der Beklagten auch nicht dargestellt.

Auch unter Zugrundelegung des von der Beklagten behaupteten Sachverhalts, wonach die Klägerin – entgegen dem festgestellten Sachverhalt, aber wie es sich bei Aufnahme des beantragten Beweismittels (USB Stick) erwiesen bzw bei richtiger Beweiswürdigung ergeben hätte – ausreichend Deutsch spräche und die Parteien eine Investition der Klägerin in das Unternehmen vereinbart hätten, wäre von einem – von der Beklagten nicht in Abrede gestellten - Rücktritt der Klägerin mit der Rechtsfolge eines Rückzahlungsrechts auszugehen. Auch in dieser Konstellation wäre dem Klagebegehren aber stattzugeben gewesen. Die Relevanz des geltend gemachten primären Verfahrensmangels ist daher nicht gegeben, eine Behandlung der Beweisrüge konnte ebenfalls unterbleiben.

3. Rechtsrüge

Die Rechtsrüge der Beklagten beschränkt sich auf einen Verweis auf die übrigen Berufungsausführungen (zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens und zur unrichtigen Beweiswürdigung), „falls das Berufungsgericht die ausgeführten Überlegungen als sekundären Feststellungsmangel subsumiert“.

Welche zusätzlichen Feststellungen sie vermisst, stellt die Beklagte nicht dar. Feststellungsmängel setzen aber voraus, dass zu einem bestimmten Thema keine (positiven oder negativen) Feststellungen getroffen wurden (vgl RS0053317 [T3]). Überdies setzten Feststellungsmängel voraus, dass bereits im Verfahren erster Instanz ein entsprechendes Tatsachenvorbringen erstattet wurde (RS0053317 [T2]); RS0043157 [T4[). Dass das Vorbringen zum Ausschluss der Rückforderung aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage während der Covid-Lockdowns (höhere Gewalt) gegen das Neuerungsverbot verstößt, wurde bereits dargelegt.

Im Ergebnis war der Berufung daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen (§ 502 Abs 1 ZPO), weil sich keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung stellte.