JudikaturOLG Wien

7Rs107/24t – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Glawischnig als Vorsitzende, die Richter Mag. Derbolav-Arztmann und Mag. Zechmeister sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Albert Koblizek und ao Univ.Prof.Mag.Dr. Monika Drs in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geb. **, **, vertreten durch KS Kiechl Schaffer Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversichterungsanstalt , 1020 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 4.6.2024, **-42, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Berufung selbst zu tragen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht auch im zweiten Rechtsgang das auf Gewährung einer Invaliditätspension ab 1.3.2022 gerichtete Klagebegehren abgewiesen und festgestellt, dass die Klägerin nicht vorübergehend invalid im Ausmaß von zumindest sechs Monaten ist, somit kein Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung und kein Anspruch auf medizinische oder berufliche Maßnahmen der Rehabilitation besteht.

Seiner Entscheidung legte es nunmehr die auf den Seiten 2 bis 10 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen zugrunde, auf die verwiesen und aus denen Folgendes hervorgehoben wird:

Die am ** geborene Klägerin hat nach eigenen Angaben im September 1985 die Handelsschule abgeschlossen. Sie war von Februar 1986 bis Jänner 1989, von April 1990 bis Dezember 2004 und von Dezember 2006 bis Juli 2009 als Empfangsdame sowie von Juli 2009 bis Dezember 2016 und von Jänner 2017 bis Dezember 2020 als Rezeptionsmitarbeiterin bzw Rezeptionsleiterin beschäftigt.

In diesem letzteren Beruf Rezeptionsmitarbeiterin bzw Rezeptionsleiterin fielen folgende Tätigkeiten an:

Kassenübergabe/Kassenzählung; Anreiseliste – Zimmereinteilung; Abreiseliste – Rechnungen vorbereiten, Minibar Buchungen; check out der Gäste mit Gepäck-Einstellung; Hausdamenliste vorbereiten; Besprechung mit Housekeeping; Liste für Haustechnik vorbereiten mit Besprechung; Liste für Frühstück und Küche vorbereiten; Bearbeitung sämtlicher Korrespondenz, Anfragen per E-Mail, Fax und Gruppenbuchungen; Bestellung Büromaterial; Zimmerkontrolle (nach Reinigung durch die Hausdamen); check in der Gäste; Organisation für Rundfahrten; Bestellungen Küche und Frühstück für den Folgetag und Bestellung der Getränke und Snacks für die Minibars; Bestellung Hotelwäsche für den Folgetag; Entgegennahme von telefonischen Reservierungen und Anliegen von Gästen; Entgegennahme von Lieferungen, Übernahme von Post und Verteilung; eventuelle Preisänderungen in Buchungsportalen eingeben; Kontrolle der An-und Abreisen für den Folgetag; Übergabe Kassa an den Folgedienst und Kontrolle; Dienstpläne für Rezeption, Küche und Housekeeping erstellen, Bewirtung der Gäste; Gepäck/Koffer tragen; Verantwortung als Brandschutzbeauftragte; Betreuung und Pflege des hauseigenen Kakadus; Einschulung neue RezeptionsmitarbeiterInnen; Mitarbeiterbesprechungen; Fungieren als Verbindungsperson zu Mitarbeitern und Geschäftsleitung; Rechnungslegung und Inkasso; Bearbeitung von Reservierungsanfragen; Eingaben im Hotelprogramm betreffend einzelne Reisende und Gruppen; Bankwesen: Zahlungen von Lieferantenrechnungen und Rechnungen von Dienstleistern im Internetbanking; tägliche Kassenabrechnung, Barzahlungen und Zahlungen mit Kreditkarte, Tagesabschluss, Vergabe von Garagentickets; Bargeld zur Bank bringen; Organisieren von Konzertkarten und Sightseeingtouren; Bestellung von Flughafen Transfers; Preisgestaltung bei Gruppenbuchungen; Korrespondenz; Kontrolle Mahnwesen der Buchhaltung; einfache Buchhaltung.

Diese Tätigkeiten entsprechen im Großen und Ganzen (außer Pflege des Kakadus) dem typischen Berufsbild einer Rezeptionistin. ......

Bei den Bürokräften – Empfang handelt es sich mehrheitlich um qualifizierte Fachkräfte, welche meist eine bürokaufmännische Ausbildung besitzen. Empfangskräfte werden sowohl in mittelgroßen bis großen Betrieben, Krankenhäusern, Gesundheitszentren etc dort eingesetzt, wo kein Portier vorhanden ist und sind im Eingangsbereich des Unternehmens stationiert.

Aufgabenschwerpunkt ist es, Personen (den Kunden/Lieferanten/Instandsetzer, die Mitarbeiter von Behörden, Patienten etc), die das Unternehmen aufsuchen, zu empfangen, ihnen Informationen darüber zu geben, ob bestimmte Personen, welche diese Personen aufsuchen möchten, im Haus sind, wo diese anzutreffen sind und die Besucher telefonisch oder mittels EDV beim Mitarbeiter des Unternehmens anzumelden. Darüber hinaus sind sie je nach Organisation und Struktur des Unternehmens mit unterschiedlichsten Aufgaben, wie insbesondere Ausrufdiensten über Lautsprecher, der Kontrolle sowie dem Ausstellen von Ausweisen, der Verwaltung und Ausgabe von Pagern/Handys etc, der Entgegennahme von Reklamationen/Beschwerden und richtiger Weiterleitung derselben, der Ausgabe von Informationsmaterialien/Prospekten/Katalogen, Entgegennahme/Ausgabe von Schriftstücken, der Betreuung von Einfahrtsbereichen mittels Videomonitor, Entgegennahme/Ausgabe von gefundenen Gegenständen, Kopiertätigkeiten, statistischen Arbeiten und der Bewirtung von Kunden mit Getränken befasst. In kleineren Betrieben sind sie ferner mit „kleineren“ Schreibarbeiten, der Postentgegennahme und -abfertigung und teils auch mit der Vermittlung von Telefongesprächen befasst.

Rechtlichfolgerte das Erstgericht, die Klägerin sei in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1.3.2022) in mehr als 90 Monaten als Rezeptionistin erwerbstätig gewesen und genieße daher Berufsschutz nach § 273 Abs 1 ASVG. Als Vergleichsmaßstab diene diese zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübte Angestelltentätigkeit. Dabei bestehe das Verweisungsfeld aus der Summe der Berufe die eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten verlangten, auch aus allen Berufen der nächstniedrigeren Beschäftigungs- bzw Verwendungsgruppe, weil die Versicherte gewisse Einbußen an Entlohnung und Sozialprestige hinnehmen müsse. Die Klägerin sei in der Lage, weiterhin berufsschutzerhaltend beispielsweise als Bürokraft – Empfang bzw Empfangsdame oder teilzeitbeschäftigt als Telefonistin tätig zu werden: Als Rezeptionistin im Hotel sei sie dem Kollektivvertrag für Arbeiter und Angestellte im Hotel- und Gastgewerbe unterlegen. Mit ihrer Erfahrung etc wäre sie in die Beschäftigungsgruppe 3 einzuordnen. Im Vergleich mit den gängigsten Kollektivverträgen, nämlich Kollektivvertrag für Angestellte im Handel und Kollektivvertrag für Angestellte im Gewerbe und Handwerk und in der Dienstleistung, ließen sich Parallelen ziehen. In Beschäftigungsgruppe 3 des Kollektivvertrags für Arbeiter und Angestellte im Hotel- und Gastgewerbe fänden sich auch Buchhalter und Lohnverrechner, diese Rollen gebe es auch im Handels-KV und im Gewerbe-KV. Die Buchhalterin oder Lohnverrechnerin sei im Handels-KV in Beschäftigungsgruppe C oder bestenfalls D, im Gewerbe-KV in Verwendungsgruppe 3 oder bestenfalls 4 einzuordnen. Die Verweisungsberufe als Empfangsdame und als Telefonistin fänden sich im Gewerbe-KV in Verwendungsgruppe 3 oder 4. Das Berufsbild der Rezeptionistin entspreche weiter wertigkeitsmäßig Beschäftigungsgruppe 2 bis 3 des Kollektivvertrags für Handelsangestellte (alt); hingegen das Berufsbild der angeführten Verweisungstätigkeiten, insbesondere jenes der Büromitarbeiterin – Empfang und der Telefonistin wertigkeitsmäßig Beschäftigungsgruppe 2 des Kollektivvertrags für Handelsangestellte (alt). Daraus sei zu schließen, dass die Verweisungsberufe entweder gleichwertig seien oder eine Herabstufung von nur einer Verwendungsgruppe bedeuten würden. Es handle sich daher bei den Verweisungsberufen als Büromitarbeiterin – Empfang bzw Empfangsdame und Telefonistin jeweils wertigkeitsmäßig um einen Beruf in zumindest der nächstniedrigeren Beschäftigungs- bzw Verwendungsgruppe. Auch könne die Klägerin hier ihre Kenntnisse und Fähigkeiten, die sie als Rezeptionistin erworben habe, einsetzen. Sie habe daher keinen Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitspension nach § 273 Abs 1 ASVG. Auch seien weder die Voraussetzungen des § 273 Abs 3 iVm § § 255 Abs 3a ASVG noch nach § 273 Abs 3 iVm § 255 Abs 4 erfüllt. Die Klägerin sei daher nicht, auch nicht vorübergehend berufsunfähig.

Gegen diese Urteil, auch hinsichtlich der Kosten, richtet sich die Berufung der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem auf Zuerkennung einer Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab dem Stichtag (1.3.2022), hilfsweise von Rehabilitationsgeld im gesetzlichen Ausmaß ab dem Stichtag (1.3.2022) gerichteten Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt; hilfsweise mögen zumindest die Kosten beider Instanzen nach Billigkeit zuerkannt werden.

Die beklagte Partei hat sich am Berufungsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

Zur allein erhobenen Rechtsrüge meint die Berufungswerberin unter Zitierung des Aufhebungsbeschlusses des Berufungsgerichts im ersten Rechtsgang zusammengefasst, die nunmehr getroffenen Feststellungen würden immer noch nicht für die rechtliche Beurteilung reichen. Das Erstgericht nehme auf Basis der Feststellungen eine Einordnung in den Kollektivvertrag für Arbeiter und Angestellte im Hotel- und Gastgewerbe und auch im Handelskollektivertrag vor, ebenso bei den in Frage kommenden Verweisungsberufen. Dabei stütze es sich auf die unpräzisen Ausführungen des Sachverständigen, wobei es sich bei dieser Einstufung ohnehin um eine Rechts- und keine Tatsachenfrage handle. Das Erstgericht ordne die Klägerin im „Ursprungskollektivvertrag (Hotel-KV)“ nicht richtig in die Beschäftigungsgruppe 3 (Angestellte mit abgeschlossener Berufsausbildung im berufseinschlägigen Aufgabenbereich) ein und nicht richtig in die Beschäftigungsgruppe 2 (Angestellte mit erweitertem Verantwortungsbereich). Auf Basis der Feststellungen ergebe sich nämlich, dass die Klägerin berufseinschlägige Arbeiten eigenständig und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte verantwortungsbewusst und eigenständig verrichtet habe und auch fachliche Verantwortung für ihr unterstellte Arbeitskräfte getragen habe (Hausdamenliste vorbereiten, Besprechung mit Hauskeeping, Liste für Haustechnik vorbereiten, Zimmer kontrollieren nach Reinigung durch die Hausdamen, Mitarbeiterbesprechungen, Einschulung neuer Rezeptionsmitarbeiterinnen, Fungieren als Verbindungsperson zu Mitarbeitern und Geschäftsleitung, etc). Auch die Vergleichs-Einstufung als Rezeptionistin in die Beschäftigungsgruppe 2 bis 3 des Kollektivvertrags für Handelsangestellte (alt) sei unrichtig. Die Beschäftigungsgruppen seien im Gehaltssystem neu geordnet worden (A bis H anstatt 1 bis 6). Dabei sei die Vergleichseinstufung des Erstgerichts nicht nachvollziehbar. Auf Basis der Feststellungen wäre die Klägerin im Handels-KV neu wohl zumindest in die Beschäftigungsgruppe F, einzustufen, da sie nicht standardisierte Aufgabenstellungen durchzuführen, zu planen und zu verantworten gehabt, operative Entscheidungen getroffen und strategische Entscheidungen vorbereitet habe. Der KV für Handelsangestellte führe dazu aus: 3.6. Beschäftigungsgruppe F Diese Beschäftigungsgruppe umfasst 3.6.1. Arbeitnehmerinnen, die in ihrem Aufgabengebiet weitgehend eigenständig umfassende, nicht standardisierte Fachfragen bzw Beratungsaufgaben übernehmen und/oder in größerem Umfang planende, konzeptionelle, organisierende und anleitende Tätigkeiten ausüben. Die Arbeitnehmerinnen treffen umfangreiche operative Entscheidungen, die andere betriebliche Bereiche beeinflussen, und bereiten strategische Entscheidungen vor. Sie tragen die Verantwortung für die Arbeitsergebnisse in ihrem Aufgabengebiet und ihrer Organisationseinheit Empfangsdamen, Telefonistinnen etc sind dem hingegen grundsätzlich in die Beschäftigungsgruppe C einzustufen (bei Fremdsprachenkenntnissen vereinzelt eventuell in D). Die im Urteil angeführten weiteren Verweisungsberufe „Fakturistin und Rechnungsbuchführerin“ würden gar nicht erörtert und fehlten dazu auch jegliche Feststellungen zu deren Aufgabenbereichen und Einstufungen. Die Verweisungsberufe seien daher nicht gleichwertig und würden die Herabstufung von mehr als einer Verwendungsgruppe bedeuten. Auch die Herabstufung „nur“ einer Verwendungsgruppe wäre im Einzelfall zu beleuchten. Die Verweisungsberufe seien der Klägerin aufgrund der Herabstufung nicht zumutbar sind: Gegenüber der Tätigkeit einer Rezeptionistin hebe sich die Tätigkeit einer bloßen Empfangsdame nicht wesentlich von der einer Hilfsarbeiterin ab. Die Verwandtschaft dieser beiden Berufe sei gering und tatsächlich lediglich auf das arbeitskulturelle Umfeld und das Erteilen von Auskünften beschränkt. Zu den Aufgaben einer Rezeptionistin, die deswegen auch höheres Sozialprestige genieße, gehörten demgegenüber auch das logistische Verwalten der Hotelzimmer, das Verwahren von Schlüsseln, die umfassende Betreuung der Gäste als Gastgeberin, operative Personalentscheidungen, organisatorische Aufgaben, das Vorbereiten strategischer Entscheidungen und insbesondere das eigenständige Treffen von Entscheidungen im Zusammenhang mit der Unterbringung der Gäste. Die Tätigkeit einer Empfangsdame könne auch von weit weniger qualifiziertem Personal verrichtet werden und stelle, entgegen der Ansicht des Erstgerichts daher keine berufsschutzerhaltende (Teil-)Tätigkeit dar. Ebenso verhalte es sich im Verhältnis der Tätigkeiten einer bloßen Telefonistin zu einer Rezeptionistin, deren Tätigkeit im Wesentlichen darin bestehe, den Gästen umfassende Anlaufstelle für sämtliche Anliegen zu sein und in einer Gesamtschau für deren Wohlbefinden verantwortlich zu sein sowie die notwendigen Personalentscheidungen (Housekeeping, Dienstpläne, Mitarbeiterkontrolle … zu treffen), wobei die Entgegennahme telefonischer Reservierungen nur einen unbedeutenden Teil dieser Aufgabe darstelle. Der Aufgabenbereich von Telefonistinnen beschränkte sich auf das Führen von Telefonaten, meist ohne darin eigenständige Entscheidungen zu treffen. Selbiges gelte für Fakturistinnen und Rechnungsprüferinnen, die nur minimale Teilbereiche des Berufs der Rezeptionistin umfassten, wobei zum Kalkül dieser Berufe Feststellungen und Beweisergebnisse fehlten. Daher stelle diese Verweisung einen unzumutbaren gesellschaftliche Abstieg dar. Die Verweisung auf eine dieser beiden Tätigkeiten, entspreche wertungsmäßig der unzulässigen Verweisung eines gelernten Restaurantfachmanns auf eine Tätigkeit als Sitzkassier. Selbst wenn dem Erstgericht grundsätzlich zu folgen wäre, seien die Feststellungen (iSe sekundären Verfahrensmangels) immer noch nicht präzise genug. Die Tätigkeit, auf die die Versicherte verwiesen werde, müsse eine Tätigkeit in einem erlernten oder angelernten Beruf iSd § 255 Abs 1 und 2 ASVG sein, die Tätigkeit dürfe nicht nur untergeordnet sein, sondern müsse sich qualitativ hervorheben. Auch fehlten Feststellungen zu den Anspruchsvoraussetzungen des hilfsweise beantragten Rehabilitationsgelds. Zur Berufung im Kostenpunkt meint die Berufungswerberin, ihre Rechtsansicht sei jedenfalls vertretbar. Die weitere Beauftragung der Klagevertreterin diene der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, sodass zumindest die tarifmäßigen Verfahrenskosten nach Billigkeit zuzuerkennen seien.

Der Berufung ist Folgendes entgegen zu halten:

Unstrittig stellt die festgestellte Tätigkeit der Klägerin als Rezeptionistin, die sie zuletzt nicht nur vorübergehend, sondern mehr als 90 Monate ausgeübt hat, eine solche als Angestellte dar. Die Prüfung der geminderten Arbeitsfähigkeit hat daher nach § 273 Abs 1 ASVG zu erfolgen.

Gemäß § 273 Abs 1 ASVG gilt als berufsunfähig die versicherte Person, deren Arbeitsfähigkeit infolge ihres körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen einer körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist, wenn innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag (§ 223 Abs 2 ASVG) in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine Erwerbstätigkeit als Angestellte oder nach § 255 Abs 1 ASVG ausgeübt wurde.

Bei der Lösung der Frage eines unzumutbaren sozialen Abstiegs – auf den sich die Berufungswerberin offenbar stützen möchte - kommt es auf den sozialen Wert an, den die Ausbildung und die Kenntnisse und Fähigkeiten, die in der zuletzt ausgeübten Berufstätigkeit des Versicherten von Bedeutung waren, unter den Verhältnissen zur Zeit des Stichtags haben. Kann zur Beurteilung dieses Wertes auf die Einstufung in einem Kollektivvertrag zurückgegriffen werden, ist entscheidend, in welche Beschäftigungsgruppe zur Zeit des Stichtags eine Tätigkeit eingestuft würde, für die jene Ausbildung und jene Kenntnisse und Fähigkeiten verlangt werden, die für den Versicherten in seiner zuletzt ausgeübten Berufstätigkeit erforderlich waren und auch angewendet wurden. Die Einstufung einer Tätigkeit in einem Kollektivvertrag kann dafür ein Indiz bilden und daher zur Beurteilung des sozialen Wertes herangezogen werden. Unzumutbar ist der soziale Abstieg vor allem dann, wenn die Verweisungstätigkeit in den Augen der Umwelt ein wesentlich geringeresAnsehen genießt (RS0084890 [T3, T10]). So wurde etwa die Verweisbarkeit der mit ihrer zuletzt ausgeübten Funktion als Leiterin einer kleinen Filiale eines Fleischhandelsbetriebs in die Beschäftigungsgruppe 3 des Kollektivvertrags für Lehrlinge und Angestellte in Handelsbetrieben einzureihenden Versicherten auf Beschäftigungen der Beschäftigungsgruppe 2 ungeachtet des Verlusts der Vorgesetztenfunktion bejaht; oder einer Verkaufsleiterin (Beschäftigungsgruppe 5 des Kollektivvertrags für Handelsangestellte) auf Tätigkeiten als Sachbearbeiterin bzw Referentin mit eigenverantwortlichem Tätigkeitsbereich der Beschäftigungsgruppe 4; oder eines Vertriebsmitarbeiters im Außendienst (Beschäftigungsgruppe 3 des damals geltenden Kollektivvertrags für Angestellte im Handel) auf die Tätigkeit eines Informationsdienstangestellten in Handelsbetrieben (Beschäftigungsgruppe 2 dieses Kollektivvertrags; RS0084890).

Die Verweisung einer Angestellten auf Tätigkeiten, die einer Beschäftigungsgruppe entsprechen, die der bisherigen Beschäftigungsgruppe unmittelbar nachgeordnet ist, wird sohin in ständiger Rechtsprechung in der Regel für zulässig erachtet (RS0085599 [T6, T7, T32]). Dies gilt auch, wenn es sich dabei um Tätigkeiten mit einer geringeren Eigenverantwortung handelt (RS0085599 [T2, T5]). Auch gewisse Einbußen an Entlohnung und sozialem Prestige muss ein Versicherter hinnehmen (RS0085599 [T2, T5, T14]; RS0084890 [T9]).

Richtig ist, dass es für die Prüfung des Berufsschutzes nach § 273 ASVG detaillierter Feststellungen zur Tätigkeit bedarf (vgl Sonntag in Sonntag, ASVG13 § 273 Rz 8 mwN; RS0106499; 10 ObS 239/98i uva). Solche hat das Erstgericht aber nunmehr getroffen.

Richtig ist auch, dass die Frage, in welche Beschäftigungsgruppe eines anwendbaren Kollektivvertrags die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit einer Versicherten einzureihen ist, eine Rechtsfrage darstellt, die anhand eines Vergleichs der ausgeübten Tätigkeit mit den Einstufungskriterien des Kollektivvertrags anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu lösen ist (10 ObS 40/21m; 10 ObS 75/14y mwN; 10 ObS 103/08g ua; RS0043547).

Auch dies hat das Erstgericht vorgenommen.

Kann ein Versicherter eine Verweisungstätigkeit aber noch ohne Einschränkung ausüben, ist eine Prüfung, ob weitere Verweisungstätigkeiten möglich sind, nicht mehr erforderlich. Grundsätzlich ist daher ein einziger Verweisungsberuf bereits für die Verneinung der Invaliditätspension ausreichend (RS0084983 [T1]).

Zutreffend hat das Erstgericht einen Vergleich der kollektivvertraglichen Einordnungen der von der Klägerin festgestellten ausgeübten Tätigkeit als Rezeptionistin mit jener der festgestellten Bürokraft – Empfang angestellt und eine Verweisbarkeit im Rahmen des Berufsschutzes der Klägerin für zumutbar erachtet. Die Ausführungen der Berufung vermögen hingegen dazu nicht zu überzeugen, sodass auf die insofern richtige rechtliche Beurteilung des Erstgerichts verwiesen wird (§ 500a ZPO); einer Prüfung der weiters angeführten Verweisungsberufe bedarf es daher nicht. Lediglich ergänzend ist der Berufung entgegen zu halten:

Die Einstufung der Tätigkeit der Klägerin als Rezeptionistin im Hotel in die Beschäftigungsgruppe 3 (Angestellte mit abgeschlossener Berufsausbildung – im berufseinschlägigen Aufgabenbereich) des Kollektivvertrags für Arbeiter und Angestellte im Hotel- und Gastgewerbe, unter der ausdrücklich etwa auch die Rezeptionistin als Beispiel angeführt wird, ist nicht zu beanstanden. Dabei wurde ohnehin ihre Erfahrung berücksichtigt.

Für eine von der Berufungswerberin gewünschte Einstufung in die Beschäftigungsgruppe 2 (Angestellte mit erweitertem Verantwortungsbereich) fehlte es aber an einer zu tragenden fachlichen Verantwortung für ihr unterstellte Arbeitskräfte. Aus den von der Berufungswerberin dazu angeführten Tätigkeiten (Hausdamenliste vorbereiten, Besprechung mit Hauskeeping, Liste für Haustechnik vorbereiten, Zimmer kontrollieren nach Reinigung durch die Hausdamen, Mitarbeiterbesprechungen, Einschulung neuer Rezeptionsmitarbeiterinnen, Fungieren als Verbindungsperson zu Mitarbeitern und Geschäftsleitung) ergibt sich nicht, dass ihr Arbeitskräfte unterstellt gewesen wären, für die sie die fachliche Verantwortung zu tragen gehabt hätte.

Ebenso wenig ist der Berufungswerberin zu folgen, sie wäre nach dem Handels-KV (neu) wohl zumindest in die Beschäftigungsgruppe F (3.6.1.) einzustufen. Diese Beschäftigungsgruppe umfasst Arbeitnehmerinnen, die in ihrem Aufgabengebiet weitgehend eigenständig umfassende, nicht-standardisierte Fachfragen bzw Beratungsaufgaben übernehmen und/oder in größerem Umfang planende, konzeptionelle, organisierende und anleitende Tätigkeiten ausüben. Die Arbeitnehmerinnen treffen umfangreiche operative Entscheidungen, die andere betriebliche Bereiche beeinflussen, und bereiten strategische Entscheidungen vor. Sie tragen die Verantwortung für die Arbeitsergebnisse in ihrem Aufgabengebiet und ihrer Organisationseinheit. Neben den überdurchschnittlichen Fach- und Sachkenntnissen zur Bearbeitung komplexer Aufgabenstellungen sind fortgeschrittene soziale Kompetenzen, insbesondere Kundenorientierung und Teamfähigkeit, Kommunikations- und Verhandlungsfähigkeit sowie Motivations- und Konfliktfähigkeit, beispielsweise für die Verhandlungen mit Kundinnen und Lieferantinnen, aber auch für die Zusammenarbeit im Unternehmen erforderlich.

Aus den festgestellten Tätigkeiten lässt sich weder erkennen, dass hiefür überdurchschnittlichen Fach- und Sachkenntnissen zur Bearbeitung komplexer Aufgabenstellungen erforderlich gewesen gewesen wären, noch, dass sie umfangreiche operative Entscheidungen getroffen, die andere betriebliche Bereiche beeinflussen, und strategische Entscheidungen vorbereitet hätte.

Dass die kollektivvertragliche Einstufung auch der Einschätzung des berufskundlichen Sachverständigen entspricht, macht aber die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts nicht unrichtig, sondern spricht für deren Richtigkeit.

Gemäß § 255b bzw § 273b ASVG hat die versicherte Person Anspruch auf Rehabilitationsgeld, wenn vorübergehende Invalidität bzw vorübergehende Berufungsunfähigkeit voraussichtlich im Ausmaß von zumindest sechs Monaten und die Voraussetzungen nach § 254 Abs 1 Z 2 bis 4 vorliegt. Der Anspruch scheitert hier schon daran, dass (auch) die geforderte vorübergehende Invalidität oder Berufsunfähigkeit nicht vorliegt.

Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen. Weiterer Feststellungen bedarf es nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 ASGG. Ein Kostenzuspruch nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG hatte in beiden Instanzen zu unterbleiben, weil Billigkeitsgründe nicht dargelegt wurden und sich solche auch aus dem Akt nicht ergeben.

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten war.