JudikaturOLG Wien

2R3/25p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Versicherungsrecht
10. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Hofmann als Vorsitzenden und die Richter MMag. Popelka und Mag. Viktorin in der Rechtssache der klagenden Partei A* B*, Angestellte, geboren am **, **, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in Neusiedl am See, gegen die beklagte Partei C* D* AG, **, Deutschland, vertreten durch die Wiedenbauer Mutz Winkler Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 19.600 samt Anhang, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 7.11.2024, GZ **-13, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.201,92 (darin EUR 351,57 [deutsche] USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Ing. E* B*, der Ehemann der Klägerin, schloss mit der Beklagten einen Unfallversicherungsvertrag, der im Jahr 2021 noch aufrecht war und dem die allgemeinen Bedingungen für die C* Unfallversicherung Österreich mit Stand 01.01.2008 zugrunde lagen. Die Klägerin ist aus dem Unfallversicherungsvertrag als versicherte Person mitversichert.

Laut aktualisierter Version des Versicherungsvertrags liegt Invalidität vor, wenn die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person unfallbedingt dauerhaft beeinträchtigt ist. Eine Beeinträchtigung ist dauerhaft, wenn sie voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung des Zustandes nicht erwartet werden kann. Die Invalidität muss innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall eingetreten sein und spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren sechs Monaten, also einundzwanzig Monaten nach dem Unfall, von einem Arzt schriftlich festgestellt und vom Versicherungsnehmer bei der Beklagten geltend gemacht werden.

Gemäß Punkt 17.1. der Versicherungsbedingungen muss der Versicherungsnehmer alle für den Versicherer bestimmten Anzeigen und Erklärungen schriftlich abgeben. Sie „sollen“ an die Hauptverwaltung der Beklagten oder an die im Versicherungsschein oder in dessen Nachträgen als zuständig bezeichnete Geschäftsstelle gerichtet werden.

In den allgemeinen Kundeninformationen der Beklagten ist als „Postanschrift/Hausanschrift“ angegeben „**“ und „**“.

Die Klägerin erlitt am 21.7.2021 auf einer Freizeitbahn im ** (**) einen Unfall, der von der Beklagten auch als solcher anerkannt wurde und dessentwegen sie auch Leistungen erbrachte, die jedoch nicht eine Invalidität der Klägerin betrafen.

Die gesamte Kommunikation mit der Beklagten, auch für die Klägerin, führte deren Ehemann Ing. E* B*. Den gesamten Schriftverkehr mit der Beklagten führte Ing. B* per Mail und nicht per Post.

Mit Mail vom 28.03.2022 legte er der Beklagten einen CT-Befund vom linken Sprunggelenk der Klägerin und einen Karteiauszug aus der Kartei des orthopädischen Facharztes Dr. F* über eine ärztliche Behandlung zwischen 27.1. und 15.2.2022 vor und teilte der Beklagten mit, dass die Klägerin noch immer im Krankenstand sei (seit 21.07.2021), sie in der Zwischenzeit von ihrem Arbeitgeber gekündigt worden sei und „der Fuß“ voraussichtlich nicht mehr seine volle Funktionsfähigkeit erlangen werde.

Dieses Mail beantwortete die Beklagte am nächsten Tag, dem 29.3.2022, indem sie Ing. B* ausdrücklich darauf hinwies, dass er zu beachten habe, „dass die vom behandelnden Arzt vollständig ausgefüllte und unterschriebene Bescheinigung bis spätestens am 21.4.2023“ bei der Beklagten eingegangen sein müsse. Zu einem späteren Zeitpunkt sei „die Frist zur Anmeldung von Invaliditätsansprüchen verstrichen“. Diesem Schreiben schloss die Beklagte ein Muster für eine fachärztliche Bescheinigung an, die „Bitte ausgefüllt und unterschrieben“ zurückzusenden sei an: „C* D*, **“.

Am 18.5.2022 stellte die orthopädische Fachärztin Dr. G* aus ** für die Klägerin eine fachärztliche Bescheinigung über die Invalidität der Klägerin aus und mailte diese (mit Stempel und Unterschrift versehene) Bescheinigung der Klägerin am 25.5.2022.

Am 23.08.2023 schickte Ing. B* der Beklagten die fachärztliche Bescheinigung per Mail, nachdem die Beklagte am 3.8.2023 bereits die Ablehnung einer Leistung aus Invalidität infolge Fristversäumung erklärt hatte.

Die Klägerin begehrt eine Invaliditätsleistung von EUR 19.600 aus dem Versicherungsvertrag wegen dauerhafter körperlichen Beeinträchtigungen aufgrund des Unfallereignisses. Aus der ärztlichen Bestätigung vom 18.5.2022 ergebe sich, dass als Folge des Unfalls vom 21.7.2021 eine dauernde gesundheitliche Schädigung vorliege. Die Klägerin habe den Anspruch auf Invaliditätsleistung fristgerecht bei der Beklagten geltend gemacht. Ihr Gatte habe die fachärztliche Bescheinigung innerhalb der Frist an die Beklagte versendet. Die Beklagte habe die postalische Übermittlung der Bescheinigung an die Anschrift **, begehrt. Eine rekommandierte Übermittlung der fachärztlichen Bescheinigung mit Einschreibbrief an eine Postfachanschrift sei nicht möglich gewesen. Sofern der Beklagten die Bescheinigung tatsächlich nicht zugekommen sein sollte, sei dies auf deren Verschulden zurückzuführen, weil sie keine Vorkehrungen getroffen habe, dass ihr Erklärungen (Schriftstücke) verlässlich zugehen können. Aus diesem Grund gelte der Zugang des Schriftstücks bereits mit Übergabe an das Postunternehmen als Bote als bewirkt, das Risiko des Postwegs treffe die Beklagte. Die Beklagte habe erkannt und erkennen müssen, dass das Schriftstück rechtzeitig abgesendet worden sei. Dass sie die Leistung trotz dieser Kenntnis weiterhin ablehne, sei unzulässig und wohl auch sittenwidrig. Jedenfalls treffe die Klägerin kein Verschulden an einer allfälligen Obliegenheitsverletzung.

Die Beklagte bestritt. Soweit für das Berufungsverfahren relevant, wandte sie ein, dass die für den Invaliditätsfall vereinbarten vertraglichen Fristen präkludiert seien. Die fachärztliche Bestätigung sei erst mit E-Mail vom 23.8.2023 übermittelt worden. Offenbar habe es der Versicherungsnehmer verabsäumt, die fachärztliche Bescheinigung nach Ausstellung durch die Ärztin am 18.06.2022 an die Beklagte zu senden. Die Beklagte habe in ihren Schreiben vom 3.8.2021, 16.11.2021, 29.3.2022 und 21.6.2022, somit insgesamt vier Mal, gesetzes- und vertragskonform auf die Fristen zur Geltendmachung der Invalidität hingewiesen. Das Risiko für den Zugang der fachärztlichen Bescheinigung treffe den Versicherungsnehmer. Die Beklagte habe ausreichend Vorsorge dazu getroffen, dass ihr Erklärungen auch tatsächlich zugehen. Weil es sich bei der Frist zur Geltendmachung um eine Ausschlussfrist handle, bedürfe es keines Verschuldens.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen und die auf den Seiten 3 bis 5 des Urteils ersichtlichen weiteren Feststellungen, auf die verwiesen wird.

Rechtlich führte es aus: Für das Vorliegen eines Versicherungsfalls treffe nach der allgemeinen Risikoumschreibung den Versicherungsnehmer die Beweislast, sodass es der Klägerin nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen oblegen sei, zur Geltendmachung ihres Anspruchs auf Invaliditätsleistung die dafür statuierten Voraussetzungen nachzuweisen, insbesondere also der Beklagten fristgerecht eine fachärztliche Bescheinigung über die Invalidität vorzulegen. Bei der Frist zur Geltendmachung einer dauernden Invalidität handle es sich um eine Ausschlussfrist. Werde sie versäumt, so erlösche der Entschädigungsanspruch. Dies gelte auch für die Vorlage des ärztlichen Befundberichts. Leistungsfreiheit aufgrund Verstreichens einer Ausschlussfrist bedürfe auch keines Verschuldens des Versicherungsnehmers. Mangelndes Verschulden liege hier aber gar nicht vor, weil es der Klägerin als eigenes Verschulden anzulasten sei, dass sie die fachärztliche Bescheinigung nicht innerhalb offener Frist an die Beklagte übermittelt habe.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil im stattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

1. Zur Beweisrüge :

Die Klägerin bekämpft die Feststellung:

„Die in Punkt 4. genannte fachärztliche Bescheinigung [vom 18.5.2022, Anmerkung des Berufungsgerichts] wurde der Beklagten bis 21.4.2023 weder von der Klägerin noch von Ing. E* B* (noch von sonst jemandem) übermittelt und auch nicht abgesendet, und zwar weder postalisch noch per Mail noch auf sonstige Weise.“ (Urteil Seite 4 f).

Sie begehrt die Ersatzfeststellung:

„Die in Punkt 4. genannte fachärztliche Bescheinigung wurde der Beklagten unmittelbar nach Übermittlung durch Fachärztin Dr. G* am 25.05.2022 (Beilage ./P) postalisch an die von ihr bekanntgegebene Postfachanschrift übermittelt, also dem Postunternehmen als Boten übergeben, zur Versendung an die Beklagte.“

Hilfsweise:

„Es kann nicht festgestellt werden, ob die fachärztliche Bescheinigung der Beklagten übermittelt wurde“.

Entsprechend begehrt sie die sprachliche Anpassung der Feststellung, wonach die Bescheinigung „erstmals“ am 23.8.2023 per E-Mail übermittelt worden sei (Urteil Seite 5), dahingehend, dass dies „neuerlich“ geschehen sei.

Das Erstgericht stützte die bekämpfte Feststellung nicht bloß darauf, dass es keinen stichhaltigen objektiven Beweis für die Absendung gibt, sondern führte überdies ins Treffen (vgl Urteil Seite 5 bis 7), dass

- Ing. B* die Bescheinigung, die die Klägerin ihrerseits per E-Mail von ihrer Ärztin erhielt, der Beklagten nicht zumindest zusätzlich per E-Mail weiterleitete, obwohl er sonst Belege zur Erlangung von Versicherungsleistungen per Mail vorlegte, was der Beklagten auch genügte, um Leistungen auszuschütten;

- die Klägerin bzw ihr Gatte über zehn Monate ohne Nachfrage nach der Invaliditätsleistung zuwarteten;

- die Beklagte noch am 21.6.2022 auf die einzuhaltende Frist hinwies, wobei das Erstgericht davon ausging, dass die Beklagte die Bescheinigung, wäre sie abgeschickt worden, nicht mutwillig hätte verschwinden lassen und diese auch binnen offener Frist den Weg zum zuständigen Sachbearbeiter gefunden hätte;

- der Zeuge Ing. B* bei seiner Vernehmung den Gesamteindruck hinterlassen habe, dass er seine Aussage aus der Not eines eigenen Versäumnisses heraus konstruiert habe, um seiner Ehefrau die begehrte Invaliditätsleistung doch noch zu ermöglichen.

Angesichts dieser Indizienlage begegnet es keinen Bedenken, dass das Erstgericht mit dem für eine positive Feststellung erforderlichen Überzeugungsgrad davon ausging, „auf den Punkt Invaliditätsleistung“ sei seitens der Klägerin „schlichtweg vergessen“ worden (vgl Urteil Seite 6), und demnach die bekämpfte Feststellung traf.

Die von der Berufung dagegen vorgebrachten Argumente erwecken keine begründeten Zweifel an dieser Beweiswürdigung.

Die Klägerin meint, es scheine außerhalb jeder Lebenserfahrung, dass sie zwar die beschwerliche Untersuchung bei der Fachärztin absolviert und dieser das vorgesehene Formular der Beklagten übergeben habe, dieses Formular aber nach Übermittlung durch die Fachärztin nicht auch an die Beklagte weitergeleitet hätte.

Die Annahme, dass die Klägerin zunächst zwar Schritte zum Nachweis von Dauerfolgen setzte, indem sie ihre Ärztin befasste, dann aber seitens ihres Gatten vergessen wurde, die Bescheinigung an die Beklagte zu übermitteln, liegt aber keinesfalls außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung durch die Ärztin eine zeitnahe Übermittlung an die Beklagte noch nicht dringlich erscheinen musste.

Hätte Ing. B* die Bescheinigung wie von ihm ausgesagt zur Post gegeben, dann wäre insbesondere zu erwarten gewesen, dass er infolge des Schreibens vom 21.6.2021 (./5), das einen neuerlichen, deutlich hervorgehobenen Hinweis auf die Frist zum Nachweis der Invalidität enthielt, reagiert und auf eine bereits erfolgte Übermittlung verwiesen bzw nachgefragt hätte. Keinen Bedenken begegnet es, dass das Erstgericht der Erklärung des Zeugen nicht folgte, wonach er damals gemeint habe, es sei „halt einfach nur ein Satz, der darauf hinweist, dass man eben diese Fristen beachten soll“, so wie man „eine Mahnung bekommt, obwohl man die Rechnung schon bezahlt hat“ (ON 9.5, Seite 15). Das sehr lange passive Zuwarten seitens der Klägerin ist auch unter der Annahme einer langen Bearbeitungsdauer bei der Beklagten auffällig und konnte daher als eines von mehreren Indizien gegen die behauptete Postaufgabe gewertet werden.

Entgegen dem Berufungsvorbringen ließ das Erstgericht Angaben des Zeugen Ing. B* auch nicht unberücksichtigt, sondern hielt sie für konstruiert (vgl Urteil Seite 7).

Das Berufungsgericht übernimmt daher die bekämpfte Feststellung.

2. Zur Rechtsrüge :

2.1 Die Klägerin argumentiert in ihrer Rechtsrüge, die Beklagte habe ihr Anweisung gegeben, die fachärztliche Bescheinigung an eine Postfachadresse in Deutschland zu senden, und ihr damit verunmöglicht, den Zugang der Bescheinigung durch Urkunden nachzuweisen, weil die Aufgabe (Versendung) von rekommandierten Schreiben an eine bloße Postfachanschrift nicht möglich sei. Zur abschließenden rechtlichen Beurteilung sei daher eine Feststellung geboten, in welcher Form Schreiben an eine Postfachanschrift gerichtet werden könnten. Dass das Erstgericht eine solche Feststellung nicht traf, werde als sekundärer Feststellungsmangel releviert.

Durch Aufgabe einer Sendung mit eingeschriebenem Brief könne nach einhelliger Rechtsprechung der Zugang dieses Schriftstücks an den Empfänger nachgewiesen werden bzw bestehe dann die überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Zugang des Schreibens, sodass es Sache des Adressaten sei, zu beweisen, dass er nicht in den Besitz der Sendung gelangt sei. Schon weil die Beklagte Versicherungsnehmern, die noch dazu in der Regel Verbraucher seien, die Möglichkeit nehme, den Zugang von Schriftstücken (mittels Einschreibbestätigung) zu beweisen, sei die Berufung der Beklagten auf das Verstreichen der Ausschlussfrist als Verstoß gegen Treu und Glauben zu werten und rechtlich unbeachtlich. Durch ihre Vorgabe habe die Beklagte zumindest eine Gefahrensituation geschaffen, die geeignet sei, den Versicherungsnehmer daran zu hindern, einen Nachweis der fristgerechten Geltendmachung von Anträgen zu erbringen. Die Beklagte habe damit ein Verhalten gesetzt, das geeignet sei, den Versicherungsnehmer in Beweisnotstand zu versetzen und an der Geltendmachung berechtigter Ansprüche zu hindern.

2.2 Der OGH hat sich wiederholt mit vergleichbaren Klauseln zur ärztlichen Feststellung und zur Geltendmachung von Invalidität gegenüber dem Unfallversicherer befasst. In stRsp vertritt er die Auffassung, dass es sich bei den entsprechenden Fristen um Ausschlussfristen handelt, bei deren - auch unverschuldeter - Versäumung der Entschädigungsanspruch des Versicherten erlischt (7 Ob 225/14k; RS0034591; RS0082292). Die Zweckrichtung solcher Versicherungsbedingungen liegt in der Herstellung von möglichst rascher Rechtssicherheit und Rechtsfrieden, also den (verspätet in Anspruch genommenen) Versicherer vor Beweisschwierigkeiten infolge Zeitablaufs zu schützen und eine alsbaldige Klärung der Ansprüche herbeizuführen (RS0082216 [T1]).

Die Beweislast für das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes trifft den Versicherer (RS0043565; RS0107031; 7 Ob 81/24y).

2.3 Die Geltendmachung der Invalidität setzt im Allgemeinen weder die Nennung eines Invaliditätsgrades noch eines bestimmten Anspruchs voraus; erforderlich ist die Behauptung, es sei Invalidität dem Grunde nach eingetreten. Bei der Geltendmachung der Invalidität handelt es sich um eine Willenserklärung, auf die die allgemeinen Grundsätze des ABGB (§§ 859 ff ABGB) anwendbar sind. Das heißt, sowohl für die Frage, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt, als auch für die Bestimmung ihres Inhalts ist aufgrund der Vertrauenstheorie der Empfängerhorizont maßgeblich. Die bloße Mitteilung des Unfalls und der unmittelbaren Verletzungsfolge genügt grundsätzlich noch nicht für die Geltendmachung des Ersatzanspruchs für Dauerfolgen; die Schadensmeldung kann für sich allein noch nicht als Geltendmachung der Leistung für dauernde Invalidität gewertet werden (7 Ob 225/14k mwN).

2.4 Der Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht das Versicherungsverhältnis in besonderem Maß (RS0018055). Ohne den Hinweis des Versicherers, dass er in der erstatteten Schadensmeldung weder die Geltendmachung eines Anspruches auf Leistung für dauernde Invalidität noch auch einen ärztlichen Befundbericht erblickt sowie dass die Geltendmachung des Anspruchs und die Vorlage eines Befundberichts innerhalb einer bestimmten Ausschlussfrist vom Unfalltag an zu erfolgen habe, verstößt daher seine Berufung auf den Fristenablauf gegen Treu und Glauben (RS0082222).

Eine gegen Treu und Glauben verstoßende Berufung auf den Ablauf einer Ausschlussfrist liegt aber nicht schon dann vor, wenn die Frist unverschuldet versäumt wurde. Erforderlich ist vielmehr ein solches Verhalten des Anspruchsgegners, durch das der Anspruchsberechtigte veranlasst wurde, seine Forderung nicht fristgerecht geltend zu machen (RS0016824). Die Beweispflicht für die Treuwidrigkeit des Versicherers trifft den dies behauptenden Versicherungsnehmer (RS0082179 [T5]).

2.5 Zu Klauseln, wonach der Anspruch auf eine Invaliditätsleistung innerhalb bestimmter Frist geltend zu machen und „unter Vorlage eines ärztlichen Befundberichtes zu begründen“ ist bzw „unter Vorlage eines schriftlichen ärztlichen Befundberichts“ geltend zu machen ist, sprach der OGH aus, dass sich die Frist auch auf die Vorlage des ärztlichen Befundberichts bezieht (vgl RS0082292 [T1]; RS0106013; 7 Ob 169/17d).

Ob dies auch für die hier zu beurteilende Formulierung der Klausel gilt, kann dahingestellt bleiben, weil innerhalb der Frist jedenfalls keine Geltendmachung von Ansprüchen wegen Invalidität iSd genannten Grundsätze erfolgte. Insbesondere kann die Mitteilung, dass „der Fuß“ voraussichtlich nicht mehr seine volle Funktionsfähigkeit erlangen werde („aus heutiger Sicht“, vgl die als ihrem Inhalt nach unstrittig vom Berufungsbericht iSd RS0121557 [T3] verwertbare Blg ./L bzw ./Q), nicht als eine solche Geltendmachung betrachtet werden.

2.6 In Bezug auf die Übermittlung der ärztlichen Bescheinigung – worin eine Anspruchserhebung zu erblicken gewesen wäre – stellt sich hier keine Frage der Beweislast oder des Risikos des Postweges, weil positiv feststeht, dass bis zum 21.4.2023 seitens der Klägerin die Bescheinigung weder der Beklagten übermittelt noch an sie abgesendet wurde.

Aus der Aufforderung der Beklagten, die Bescheinigung an ein Postfach zu übermitteln, leitete die Klägerin in erster Instanz ab, dass die Beklagte das Risiko des Postweges treffe. Außerdem berief sie sich darauf, dass die Beklagte die (von der Klägerin behauptete) rechtzeitige Absendung des Schriftstücks erkannt habe und auch habe erkennen müssen. Dass die Beklagte die Leistung dennoch ablehne, sei sittenwidrig.

Dieses Vorbringen ist ausgehend von der genannten erstgerichtlichen Tatsachenfeststellung obsolet.

2.7 Aus dem erstmals im Berufungsverfahren erhobenen und insoweit gegen das Neuerungsverbot verstoßenden Einwand, wonach sich die Beklagte rechtsmissbräuchlich auf die mangelnde Nachweisbarkeit (schon) der Postaufgabe berufe, wäre für den Standpunkt der Klägerin auch dann nichts zu gewinnen, wenn man diesen Einwand als von ihrem erstinstanzlichen Vorbringen umfasst betrachtete.

Ob eine von der Beklagten allenfalls zu vertretende Erschwerung des Nachweises, dass das Schreiben zur Post gegeben wurde, den Einwand des Versicherers, der Nachweis der Übermittlung sei nicht erbracht worden, als rechtsmissbräuchlich erscheinen ließe, bedürfte nur dann einer näheren Prüfung, wenn sich dieser Umstand als streitentscheidend erwiese, was dann der Fall wäre, wenn (mangels Nachweises) sonst eine Beweislastentscheidung zu Lasten der Versicherten zu treffen wäre. Doch auch wenn man die Rechtsmissbräuchlichkeit eines solchen Einwandes in Erwägung zöge, könnte dem Versicherer jedenfalls nicht verwehrt werden, positiv den Beweis zu erbringen, dass eine Postaufgabe nicht erfolgte; denn der Versicherte wäre nur in dem Maß schutzwürdig, in dem ihm der Nachweis erschwert wäre, nicht aber insoweit, als – wie hier – darüber hinaus sogar das Gegenteil feststellbar ist.

Somit erübrigt sich auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob – im Hinblick auf die Judikatur zur Beweislastverteilung bei Ausschlusstatbeständen - überhaupt der Versicherte für die innerhalb der Frist erfolgte Geltendmachung beweispflichtig ist.

2.8 Tatsachenfeststellungen dazu, ob eine Übermittlung der ärztlichen Bestätigung an eine deutsche Postfachadresse mittels einer eingeschriebenen Postsendung möglich gewesen wäre, bedurfte es somit nicht. Angesichts der vom Berufungsgericht übernommenen positiven Feststellung, wonach innerhalb der Frist keine Postaufgabe erfolgte, hätte auch eine Feststellung zur allfälligen Unmöglichkeit einer eingeschriebenen Postaufgabe an ein deutsches Postfach zu keinem anderen Ergebnis führen können.

Die Berufung musste daher erfolglos bleiben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.

4. Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht zur Beurteilung standen.