JudikaturOLG Wien

33R15/25f – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
20. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien erkennt als Berufungs- gericht durch den Senatspräsidenten MMMag. Frank als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Einberger und den Kommerzialrat Ing. Karall in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH , FN **, **, vertreten durch die Estermann Pock Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei B* GmbH , FN **, **, vertreten durch Dr. Wolf-Georg Schärf, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 61.380 sA, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 28.11.2024, GZ **-25, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei deren mit EUR 3.755,82 (darin enthalten EUR 625,97 USt) bestimmte Berufungsbeantwortungskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Ziviltechniker-GmbH wurde von der Beklagten beauftragt, Planungsleistungen für den Ausbau eines Dachgeschosses zu erbringen. Die Zahlung des Gesamthonorars iHv EUR 93.000 (netto) sollte gemäß einem zwischen den Parteien vereinbarten Zahlungsplan nach Leistungsfortschritt erfolgen. Nachdem die Beklagte die Anzahlung iHv EUR 27.900 geleistet hatte, erstellte die Klägerin einen Vorentwurf, einen Entwurf sowie die Einreichunterlagen und stimmte diese mit verschiedenen Magistratsabteilungen der Stadt Wien ab. Die Unterlagen wurden sodann bei der Baubehörde eingereicht.

Mit Klage vom 16.2.2023 begehrte die Klägerin EUR 61.380 s.A. Sie brachte zusammengefasst vor, gemäß dem vereinbarten Zahlungsplan hätte die Beklagte mit Vorlage und Freigabe des Entwurfs eine Teilzahlung von EUR 27.900 und bei Abgabe der Einreichunterlagen eine weitere Teilzahlung von EUR 13.900 zu leisten gehabt, diese aber trotz ordnungsgemäßer Rechnungslegung nicht erbracht. Die Rüge der Beklagten, die Pläne seien nicht genehmigungsfähig gewesen und hätten nicht der Bauordnung entsprochen, sei unzutreffend. Beanstandungen der Behörde ließen diesen Schluss nicht zu, da vielfach ein Ermessensspielraum bestehe. Zudem habe sich die Klägerin, obgleich sie dazu nicht verpflichtet gewesen wäre, ohnedies im Vorfeld mit der Behörde abgestimmt. Letztlich habe die Klägerin den Einwänden der Baubehörde abgeholfen und allfällige Mängel in den Planungsunterlagen damit behoben. Die Leistungserbringung sei nicht verspätet erfolgt. Ein Zeitplan sei nicht vereinbart worden, die Klägerin habe in angemessener Frist geleistet und allfällige Verzögerungen bei der Erteilung der Baubewilligung fielen nicht in ihre Sphäre, sondern in die der Beklagten. Die Erteilung der Baubewilligung sei zudem nur Bedingung für die Fälligkeit der vierten und letzten Teilzahlung iHv EUR 13.950, welche die Klägerin ohnedies nicht geltend mache.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und replizierte im Wesentlichen, die von der Klägerin erstellten Pläne hätten vielfach der Bauordnung widersprochen und seien daher nicht genehmigungsfähig gewesen, sodass sie von der Baubehörde mehrfach beanstandet und zurückgestellt worden seien. Dass es sich dabei um Ermessensentscheidungen gehandelt habe, sei eine Schutzbehauptung. Jedenfalls hätte die Klägerin die Beklagte aufzuklären gehabt, dass „allfällige Wünsche“ nicht genehmigungsfähig seien. Es gehöre zu den üblichen Aufgaben eines Planverfassers, sich vorab mit der Baubehörde abzustimmen. Hätte die Klägerin dies getan, wäre es nicht notwendig geworden, die Pläne nachträglich zu verbessern. Die Klägerin habe einen Zeitplan vorgelegt, worin sie mit der Erteilung einer Baubewilligung bis 14.12.2022 gerechnet habe; bis heute liege jedoch keine Baubewilligung vor. Diese zu beschaffen sei nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine implizit von der Klägerin übernommene Verpflichtung. Die Klagsforderung sei daher nicht fällig. Durch die verursachten Verzögerungen sei der Beklagten zudem ein Schaden zumindest in Höhe der Klagsforderung entstanden, sodass eine Gegenforderung iHv EUR 61.380 eingewandt werde.

Mit dem angefochtenen Urteil stellte das Erstgericht die Klagsforderung als zu Recht bestehend, die Gegenforderung hingegen als nicht zu Recht bestehend fest und gab dem Klagebegehren statt. Es stellte den aus Seiten 3 bis 5 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Sachverhalt fest, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Rechtlich folgerte es, die Parteien hätten einen Werkvertrag geschlossen. Da sie im Zahlungsplan Abschlags- bzw Akontozahlungen vereinbart hätten, könne die Beklagte aufgrund des Vorschusscharakters solcher Leistungen deren Fälligkeit nicht mit dem Einwand der Mangelhaftigkeit bestreiten. Im Übrigen komme es darauf nicht an, zumal mittlerweile eine rechtskräftige Baubewilligung erteilt worden sei. Aus dem gleichen Grund könne es auch auf sich beruhen, in wessen Sphäre die Erwirkung der Baubewilligung gefallen wäre. Der Anspruch der Klägerin bestehe daher zu Recht. Hinsichtlich der eingewandten Gegenforderung sei zwar aus einer Abweichung vom Zeitplan noch keine Verspätung abzuleiten, weil dieser nicht verbindlich vereinbart worden sei. Da die Klägerin aber teilweise auch handwerkliche Fehler in den Einreichunterlagen zu verantworten habe, die zu einer Verzögerung im Bauverfahren geführt hätten, sei sie dadurch in Verzug geraten. Die Beklagte könne daher grundsätzlich einen Verspätungsschaden geltend machen. Die eingewandte Gegenforderung sei jedoch auch nach Erörterung unsubstanziert und unschlüssig geblieben, sodass dazu keine Feststellungen hätten getroffen werden können.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin stellt in ihrer Berufungsbeantwortung den Antrag, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

1. Zur Mängelrüge

Als Verfahrensmangel rügt die Berufungswerberin die unterbliebene Einvernahme der Zeugin Dipl.-Ing. C*. Diese hatte sie zunächst im Anschluss an die Tagsatzung vom 20.8.2024 mit der Begründung beantragt, dass durch die Aussagen der bereits vernommenen Zeugen „nicht klar hervorgekommen ist, ob die Aufforderungen im Bauverfahren im Ermessen der Referentin lagen oder von der Wiener Bauordnung angeordnet waren“ (ON 21). Über Einwand der Klägerin in der nächsten Tagsatzung, dass es sich dabei um eine Erkundungsbeweisführung und bei dem genannten Beweisthema zudem um eine Rechtsfrage handle, ergänzte die Beklagte ihren Beweisantrag durch das Vorbringen, die Zeugin sei während des Bauverfahrens in direktem Kontakt mit der Beklagten gestanden und könne „die Aufträge erklären“ (ON 24.4, S 1). Das Erstgericht nahm den Beweis schlussendlich deswegen nicht auf, weil die Frage, ob bezüglich bestimmter Bemängelungen im Bauverfahren ein Ermessen bestanden habe, eine dem Zeugenbeweis nicht zugängliche Rechtsfrage sei.

Ein von einer Partei gestellter Beweisantrag hat die Tatsache, die bewiesen werden soll, also das Beweisthema, im einzelnen genau zu bezeichnen (RS0039882). Fehlt es einem Beweisantrag an der Bezeichnung eines erheblichen Beweisthemas, liegt kein Verfahrensmangel darin, dass der Beweis nicht aufgenommen wird (3 Ob 236/14y [Pkt 1.2]). Grundsätzlich können nur Tatsachen, nicht aber Rechtsfragen Gegenstand der Beweisführung sein (RS0043593; Rechberger in Fasching/Konecny³ Vor § 266 ZPO Rz 40f). Auf deren Klärung gerichtete Beweisanträge sind daher ebenso unzulässig wie Erkundungsbeweisanträge, die auf die Aufklärung von Tatsachen gerichtet sind, die der Partei selbst nicht klar waren und die von ihr weder vorgetragen noch konkretisiert wurden (RS0039973).

Ob eine bestimmte Norm dem Rechtsanwender einen Ermessensspielraum eröffnet, ist durch ihre Auslegung zu ermitteln (vgl RS0110884 [T1]) und stellt damit – wie das Erstgericht zutreffend erkannte – eine Rechtsfrage dar. Zudem war der Antrag schon seiner Formulierung nach („ob“; vgl RS0040023) augenscheinlich auf bloße Erkundungsbeweisführung gerichtet. In der Berufung nachgetragene Beweisthemen zur Antragsfundierung, die sich zudem ihrerseits weitgehend in Ausforschungsbeweisen erschöpfen („welche Mängel die Planungen […] zu welchem Zeitpunkt hatten; „ob die Praxis ihrer Leitstelle unterschiedlich [strenger] als die anderer Leitstellen gewesen wäre“) verstoßen gegen das Neuerungsverbot und sind unbeachtlich. Im Übrigen ist das Erstgericht ohnedies davon ausgegangen, dass die Beanstandungen der Behörde auch rein handwerkliche Mängel betrafen, die keiner Ermessensübung unterlagen. Zur Frage der Höhe der Gegenforderungen wurde die Zeugin nicht beantragt.

Da das Erstgericht die Gegenforderung als unschlüssig und unsubstantiiert angesehen hat, bedurfte es dazu entgegen der weiteren Rüge keiner Beweisaufnahme. Entgegen der Behauptung der Berufungswerberin hat es diese Rechtsansicht mit ihr auch klar erörtert (ON 10, S 3, Pkt 2). Zu einer weitergehenden Anleitung war es nicht gehalten (RS0037127 [T2]; RS0036874 [T4]). Letztlich unterlässt es die Berufungswerberin auch darzulegen, welches zusätzliche, die Gegenforderung konkretisierende Vorbringen sie bei entsprechender Anleitung erstattet hätte (RS0037300 [T48]).

2. Zur Beweisrüge

Die gesetzmäßige Ausführung einer Beweisrüge erfordert die bestimmte Angabe, welche Beweise der Erstrichter unrichtig gewürdigt hat, aus welchen Erwägungen sich dies ergibt und welche Tatsachenfeststellungen bei richtiger Beweiswürdigung zu treffen gewesen wären (RS0041835). Nicht diesem Berufungsgrund zuzuordnen ist das Fehlen von Feststellungen. Solche sekundären Feststellungsmängel sind mit Rechtsrüge geltend zu machen (RS0043304). Sie liegen aber dann nicht vor, wenn das Erstgericht zu einer bestimmten Frage ohnedies Feststellungen getroffen hat, mögen sie auch von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen (RS0053317 [T1]), oder wenn es zu dieser Frage an einem ausreichend konkreten Tatsachenvorbringen mangelt (RS0053317 [T4]).

Mit ihrer Rüge, es fehle eine Feststellung dazu, dass der Baubewilligungsbescheid nicht rechtskräftig geworden sei, übersieht die Berufungswerberin, dass das Erstgericht dazu eine gegenteilige Feststellung getroffen hat, nämlich dass der Bewilligungsbescheid (sehr wohl) rechtskräftig ist (US 5, 4. Abs). Es fehlen daher keine Feststellungen, sie weichen lediglich von den Vorstellungen der Berufungswerberin ab. Diese positive Feststellung wird von ihr nicht erkennbar angefochten. Zudem erklärt sie nicht, weshalb das Erstgericht dazu nicht der Aussage des Ing. D* hätte folgen dürfen, sondern dem Prozessvorbringen des Klagevertreters, er wüsste nicht, ob Rechtskraft eingetreten ist.

Auch mit der Behauptung, es fehlten Feststellungen zur Schadenshöhe, wird keine Beweisrüge ausgeführt, sondern ein sekundärer Feststellungsmangel geltend gemacht. Er liegt indes nicht vor, weil dazu kein ausreichend konkreten Tatsachenvorbringen durch die Berufungswerberin erstattet wurde. Darauf wird im Rahmen der Rechtsrüge zurückzukommen sein. Fragen der Rechtswidrigkeit und Schuldhaftigkeit einer Schadenszufügung sind im Übrigen Rechtsfragen und damit kein Gegenstand der Feststellungen.

3. Zur Rechtsrüge

Um die Rechtsrüge dem Gesetz entsprechend auszuführen, hat sie von den bindenden Feststellungen des Erstgerichts auszugehen (RS0043603 [T2]). Dies vernachlässigt die Berufungswerberin, wenn sie ausführt, mangels rechtskräftiger Baubewilligung sei Fälligkeit des Werklohns nicht eingetreten. Denn nach den Feststellungen des Erstgerichts liegt eine rechtskräftige Bewilligung mittlerweile vor.

Fragen der Warnpflichtverletzung stellen sich nicht. Der Werkunternehmer hat sein Werk mangelfrei zu erbringen. Tut er das nicht, fallen die widrigen Folgen auf ihn. Eine „Warnung“, durch Erstellung nicht einreichfähiger Pläne mangelhaft geleistet zu haben oder leisten zu wollen, würde daran nichts ändern und ist dem Gesetz fremd.

Mit ihrer Rüge, die festgestellte Unverbindlichkeit des Zeitplans stehe der Fälligkeit der Vorschüsse entgegen, verwechselt die Berufungswerberin offenbar den den Ablauf der Leistungserbringung betreffenden Zeitplan mit dem unstrittigerweise Vertragsinhalt gewordenen Zahlungsplan. Dieser sieht klar vor, dass nach Erreichen eines bestimmten Leistungsfortschritts (wann auch immer dieser erzielt wird) bestimmte Teilzahlungen zu erbringen sind. Weshalb der Zahlungsplan ebenfalls unverbindlich sein sollte, begründet die Berufungswerberin nicht.

Da das Erstgericht ohnedies von einer Vertragsverletzung durch mangelhafte Leistungserbringung der Klägerin und einer dadurch schuldhaft herbeigeführten Verzögerung bei Erteilung der Baubewilligung ausgegangen ist, braucht auf die diesbezüglichen Berufungsausführungen nicht eingegangen zu werden. Es hat die Gegenforderung nur deswegen nicht behandelt, weil die Berufungswerberin den Schadenseintritt und seine Höhe lediglich behauptet, aber nicht substantiiert begründet oder den Schaden aufgeschlüsselt hat. Die Berufungswerberin ficht diese Beurteilung ausschließlich mit dem Vorbringen an, sie habe „sehr entgegen der Ansicht des Erstgerichts die Gegenforderung im notwendigen Ausmaß substantiiert vorgebracht“. Darin kann keine argumentative Auseinandersetzung mit der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts und daher keine gesetzmäßige Ausführung der Rechtsrüge erkannt werden (RS0043603 [T6], [T12]). Es reicht daher der Hinweis aus, dass die bloße Behauptung eines Schadens in bestimmter Höhe ohne Vorbringen dazu, worin dieser Schaden überhaupt bestehen soll, für eine schlüssige Geltendmachung von Schadenersatzforderungen nicht ausreicht (RS0037550 [T1]).

Der unberechtigten Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.

4.Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

5.Die ordentliche Revision ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.