33R163/24v – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten MMMag. Frank als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Eilenberger-Haid und die Kommerzialrätin Ing.in Mag. a Übellacker in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geb. am **, Pensionistin, **, vertreten durch Dr. Peter Paul Wolf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. B* GmbH Co KG , FN **, **, 2. C* GmbH , FN **, **, beide vertreten durch die Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien und 3. D* Aktiengesellschaft , FN **, **, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße, 17-19, 1011 Wien, wegen EUR 16.015 sA und Feststellung (Streitwert: EUR 5.000; Gesamtstreitwert: EUR 21.015) über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 21.6.2024, GZ **-70, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den erst- und zweitbeklagten Parteien die mit EUR 2.586,36 (darin EUR 431,06 USt) sowie der drittbeklagten Partei die mit EUR 1.959,60 bestimmten Berufungsbeantwortungskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
Es ist von folgendem – soweit für die Berufungsentscheidung relevanten – Sachverhalt auszugehen (die fett hervorgehobenen und mit [F1] bis [F3] gekennzeichneten Feststellungen sind bekämpft):
Die Klägerin erwarb von der Erstbeklagten eine Jahreskarte mit der Nummer **, gültig von 1.11.2020 bis 31.10.2021.
Die Klägerin stieg am 21.1.2021 gegen 19.20 Uhr in der Station Bahnhof ** in eine Schnellbahn der Drittbeklagten Richtung **. Sie setzte sich gleich beim Einstieg rechts auf einen Sitzplatz, stand kurz darauf auf, als die Schnellbahn noch in Bewegung war, um bei der nächsten Haltestelle auszusteigen. Sie hielt sich im Stehen an dem Griff, der beim Sitz an der Lehne montiert war, mit der rechten Hand fest, wobei die Klägerin Rechtshänderin ist. Dabei stand sie mit ihren Beinen hüftbreit mit Blick in Fahrtrichtung. Sie trug Halbschuhe mit einer Gummisohle. Der Ausstieg lag in Fahrtrichtung rechts vor ihr.
Unmittelbar vor der Bremsung fuhr die Schnellbahn mit einer Geschwindigkeit von ca. 40 km/h. Der Fahrer der Schnellbahn nahm eine gewöhnliche Betriebsbremsung vor. Kurz vor bzw. spätestens bei der Mitte der Strecke begann der Fahrer mit der Bremsung, wobei er den Fahrbremshebel verwendete, der 7 Stellungen hat. Er nahm zunächst die erste oder zweite Stellung, damit der Zug langsam zu bremsen beginnt, anschließend ging er in die dritte und vierte Stellung. Kurz vor Stillstand ging der Fahrer auf die zweite oder erste Stellung zurück, damit der Zug gelöst stehenbleiben konnte. Die Einfahrtgeschwindigkeit bei der Station ** betrug ca. 40 km/h. Die Bremsverzögerung betrug 0,88 m/s 2 . Zudem war der Zug mit einer permanenten restriktiven Zugüberwachung ausgestattet, die dauernd aktiv ist und den Zug auf 45 km/h überwacht. Durch die vorliegende Steigung in der Strecke zwischen den Stationen Bahnhof ** und ** erhöhte sich die Verzögerung um ca. 0,1 m/s 2 gegenüber einer gleichen Bremsung in der Ebene bzw. verkürzte sich der Bremsweg entsprechend. [F1]
Bei einer Bremsverzögerung von 0,88 m/s 2 sind Stürze auszuschließen. Jedenfalls sind Stürze durch einen festen Griff an einer Haltestange vermeidbar. Warum die Klägerin dennoch stürzte, aufgrund eines Schwindelanfalls oder weil sie sich nicht fest genug anhielt, kann nicht festgestellt werden. [F2]
Während der Bremsung, also noch vor dem Stillstand der Schnellbahn, stürzte die Klägerin und zog sich folgende Verletzungen zu: Eine Prellung der Brustwirbelsäule mit Bruch der Dornfortsätze des 7. und 8. Brustwirbelkörpers sowie des rechten Querfortsatzes des 7. und 8. Brustwirbelkörpers, eine Prellung der rechten Brustkorbhälfte mit Bruch der 8. und 9. Rippe rechts und vorübergehender, verletzungsbedingter abnormer Luftansammlung in der rechten Brustkorbhälfte mit teilweisem Kollaps des Lungenflügels sowie eine Prellung der linken Beckenhälfte. Es kann nicht festgestellt werden, ob die Klägerin auch Einbrüche des 1. und 2. Lendenwirbelkörpers aufgrund des Sturzes erlitt. Nach einer ambulanten Behandlung am Tag des Sturzes am 21.2.2021 wurde die Klägerin im Zeitraum vom 22.1.2021 bis 27.1.2021 im H* des Unfallkrankenhauses Standort ** stationär behandelt. In weiterer Folge wurde sie dort vom 28.1.2021 bis zum 3.2.2021 ambulant behandelt.
Die Klägerin litt in der Zeit von 21.1. bis 30.6.2021 zusammengefasst und zeitlich gerafft unter vier Tagen starken, acht Tage mittelstarken und 32 Tage leichten Schmerzen.
Die Klägerin ging bis Ende des Jahres 2019 regelmäßig zum Kieser-Training. Sie litt unter Schwindel, weshalb sie ca. 10 Tage oder zwei Wochen vor der gegenständlichen Fahrt das Medikament Taumea ein- oder zweimal einnahm, aber dann wieder absetzte. [F3] Weiters wurde bei der Klägerin im Jahr 2015 eine Depression diagnostiziert, weshalb sie das Medikament Cipralex einnahm, und zwar auch im zeitlichen Nahebereich zum Sturz.
Die Klägerin begehrte die Zahlung von EUR 16.015 sA an Schadenersatz sowie die Feststellung, die Beklagten hafteten ihr für alle kausalen Unfallfolgen aus dem Vorfall vom 21.1.2021 zur ungeteilten Hand. Sie brachte zusammengefasst vor, durch den Erwerb der Jahreskarte habe sie mit der Erstbeklagten einen Beförderungsvertrag abgeschlossen; durch die Benutzung der Schnellbahn der Drittbeklagten sei auch mit dieser ein Beförderungsvertrag zustande gekommen. Die Zweitbeklagte hafte als Komplementärin der Erstbeklagten. Am 21.1.2021 sei sie in der Schnellbahngarnitur der Drittbeklagten durch eine ungewöhnlich starke Betriebsbremsung des Schnellbahnlenkers zu Sturz gekommen, obwohl sie sich ordnungsgemäß angehalten habe. Diese Bremsung sei kein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 9 EKHG gewesen, weshalb dessen Haftungsausschluss nicht greife und die Drittbeklagte schon aus diesem Grund hafte. Die Erstbeklagte habe sich bei der Fahrt der Klägerin der Drittbeklagten als Erfüllungsgehilfin im Sinne des § 1313a ABGB bedient, woraus sich die Haftung der Erstbeklagten ergebe. Die Klägerin habe durch den Unfall mehrere Verletzungen und daraus resultierende Schmerzen erlitten, wofür ihr ein Schmerzengeld von EUR 15.000 zustehe. Darüber hinaus habe sie in der Zeit von 28.1. bis 19.2.2021 Unterstützung bei der Körperpflege von sieben Stunden benötigt, was bei einem Stundensatz von EUR 15 einen Anspruch von EUR 105 ergebe. Zudem habe die Klägerin in der Zeit von 18.1.2021 bis 31.3.2021 Unterstützung im Haushalt durch ihre Tochter beim Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung und bei der Begleitung zur Kontrolle in das Traumazentrum im Gesamtausmaß von 67,5 Stunden erfahren, wofür ihr – ausgehend von einem Stundensatz von EUR 12 – EUR 810 zustünden. Schließlich sei ihr an unfallkausale Fahrt- und Telefonspesen ein Pauschalbetrag von EUR 100 entstanden. Spät- und Dauerfolgen seien nicht auszuschließen, weshalb ihr die Beklagten auch für diese hafteten.
Die Beklagten bestritten das Klagebegehren und wandten zusammengefasst ein, der Zugführer habe kein außergewöhnliches Bremsmanöver durchgeführt, sondern vielmehr einen gewöhnlicher Bremsvorgang vorgenommen. Die Klägerin sei nur deshalb zu Sturz gekommen, weil sie die zur Eigensicherung nötigen Vorkehrungen nicht getroffen habe. Damit scheide eine Haftung der Beklagten aus bzw. liege ein Alleinverschulden der Klägerin vor. Das begehrte Schmerzengeld sei überhöht, im Übrigen sei die Klägerin vorfallsbedingt nicht auf fremde Pflege und Hilfe bei der Verrichtung von Haushaltstätigkeiten – jedenfalls nicht im behaupteten Umfang - angewiesen gewesen. Dauer- und/oder Spätfolgen lägen nicht vor.
Die Drittbeklagte wandte ergänzend ein, zwischen ihr und der Klägerin sei kein Beförderungsvertrag zustande gekommen, weshalb ein vertraglicher Schadenersatzanspruch ausscheide. Eine Haftung nach den Bestimmungen des EKHG scheide ebenfalls aus, weil der Unfall als unabwendbares Ereignis iSd § 9 Abs 1 EKHG zu werten sei. Die Drittbeklagte habe zudem jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet, technische Mängel seien nicht vorgelegen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und ging dabei von dem eingangs zusammengefasst wiedergegeben Sachverhalt aus, aus den verwiesen wird (vgl US 4 bis 9). Rechtlich folgerte das Erstgericht, hinsichtlich der Erst- und Zweitbeklagten scheide eine Haftung aus Vertrag aus, weil die Klägerin ein Verschulden der Erstbeklagten nicht nachweisen habe können. Da zwischen Klägerin und Drittbeklagter keine Vertragsbeziehung bestehe, könne die Klägerin sich nicht auf Vertragshaftung stützen; eine deliktische Haftung im Sinne des § 1295 ABGB scheide mangels eines Verschuldens ebenfalls aus. Da im Übrigen kein unabwendbares Ereignis iSd § 9 Abs 2 EKHG – der hier anzuwenden sei – vorliege, scheide auch eine Gefährdungshaftung der Drittbeklagten aus.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und unrichtiger Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagten beantragen, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Zur Tatsachenrüge:
1.1 Die Klägerin begehrt statt der Feststellung [F1] die Ersatzfeststellung:
„Es kann nicht festgestellt werden, mit welcher konkreten Geschwindigkeit die Schnellbahn vor der Bremsung unterwegs war. Ebenso kann die Einfahrtgeschwindigkeit bei der Station ** nicht festgestellt werden. Jedenfalls führte der Fahrer der Schnellbahn bei Einfahrt in die Station ** eine Bremsung durch, welche deutlich stärker als eine gewöhnliche Betriebsbremsung war. Die durchgeführte Bremsung entsprach zumindest einer Schnellbremsung. Durch die vorhandene Bremsung betrug die Bremsverzögerung zumindest 1,74 m/s² und entstand ein Bremsruck, welcher jedenfalls über 1,0 m/s³ liegt. Eine Schnellbremsung, wie die gegenständlichenfalls vorgenommene, wird allgemein als sehr starke Bremsung wahrgenommen und entstehen durch den vorherrschenden Bremsruck ruckartige Bewegungen.“
Statt der Feststellung [F2] begehrt die Klägerin die Ersatzfeststellung:
„Gegenständlichenfalls ist die Klägerin aufgrund der vorliegenden Bremsung, welche zumindest einer Schnellbremsung entsprach, und den damit einhergehenden Bremsruck zu Sturz gekommen, obwohl sie sich ordnungsgemäß festgehalten hatte.“
Statt der Feststellung [F3] begehrt die Klägerin die Ersatzfeststellung:
„Die Klägerin nahm über Empfehlung eines Bekannten ca. 10 bis 14 Tage vor dem gegenständlichen Sturz ein oder zwei Mal das Medikament Taumea, bei welchem es sich um ein homöopathisches Medikament aus Pflanzenextrakten handelt, welches insbesondere gegen Schwindelbeschwerden eingesetzt wird. In weiterer Folge setzte die Klägerin dieses Medikament allerdings wieder ab. Unter Schwindelanfällen litt die Klägerin zu keiner Zeit und kam es auch zu keiner Zeit zu einem durch Schwindel verursachten Sturz der Klägerin.“
1.2 Vorangestellt werden kann, dass das Berufungsgericht die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil für zutreffend hält, hingegen die dagegen gerichteten Berufungsausführungen nicht für stichhaltig, weshalb auf das angefochtene Urteil verwiesen wird (§ 500a ZPO; RS0122301).
1.3 Um eine Beweisrüge „korrekt“ auszuführen, muss der Rechtsmittelwerber angeben, welche konkrete Feststellung infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung bekämpft wird sowie welche Feststellung aufgrund welcher richtigen Beweiswürdigung (an deren Stelle) zu treffen gewesen wäre (stRsp, vgl zB 7 Ob 166/01i; RS0041835 [T5]).
Das als Tatsacheninstanz fungierende Gericht hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach seiner persönlichen Überzeugung zu beurteilen, ob ein Beweis gelungen ist oder nicht. Bei der richterlichen Beweiswürdigung hat es die Ergebnisse der gesamten Verhandlung miteinzubeziehen ( Rechberger in Rechberger/Klicka 5 § 272 ZPO Rz 1). Das Regelbeweismaß der ZPO ist dabei die hohe Wahrscheinlichkeit, wobei es letztlich auf die subjektiven Komponenten der richterlichen Überzeugung ankommt. Der bloße Umstand, dass ein anderer Geschehensablauf möglich ist oder war, ist für sich nicht geeignet, Bedenken gegen die Beweiswürdigung zu erwecken. Für eine wirksame Bekämpfung der Beweiswürdigung des Erstgerichts und der von ihm getroffenen Tatsachenfeststellungen genügt es nicht, bloß auf einzelne für den Prozessstandpunkt der Berufungswerberin günstige Beweismittel zu verweisen und darzulegen, dass auf Basis der vorliegenden Beweisergebnisse auch andere Rückschlüsse als jene, die das Erstgericht gezogen hat, möglich gewesen wären. Vielmehr muss aufgezeigt werden, dass bedeutend überzeugendere Beweisergebnisse für andere Feststellungen vorliegen und das Erstgericht diesen und nicht anderen Beweismitteln hätte glauben müssen (vgl Pimmer in Fasching/Konecny 3 § 467 ZPO Rz 40/2 mwN).
1.4 Hier begründete das Erstgericht nachvollziehbar, warum es die bekämpften (Negativ-)Feststellungen [F1] und [F2] traf. Es können verschiedenste Gründe in Frage kommen, warum ein 85-jähriger Fahrgast – wie hier die Klägerin - trotz Festhaltens bei einer „normalen“ Betriebsbremsung zu Sturz kommt, beispielsweise wegen eines vom Erstgericht erwähnten Schwindels oder weil der Festhaltegriff nicht stark genug ist, um auch eine solche „normale“ Betriebsbremsung entsprechend ausgleichen zu können. Darüber hinaus begegnet es auch keinen Bedenken, wenn das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung davon ausging, dass die Aussage der Klägerin überwiegend davon getragen war, ihren eigenen Prozessstandpunkt zu stützen und nicht die Geschehnisse so zu schildern, wie sie sich tatsächlich zugetragen haben. Das ergibt sich schon alleine aus der Verwendung des Wortes „Schnellbremsung“ (vgl ON 24.2 S 2, dritter Absatz) durch die Klägerin, als diese von sich aus bei ihrer Einvernahme erklärte, wie man eine „ungewöhnliche“ Bremsung eines Straßenbahnzuges nennt. Ein solches „Spezialwissen“ ist offenbar einer „guten“ (juristischen) Vorbereitung auf die abzulegende Aussage geschuldet, anders ist es nämlich nicht (leicht) erklärbar, woher die Klägerin Kenntnisse über einen solchen Terminus technicus hat. Sie scheint also vor ihrer Einvernahme darüber aufgeklärt worden zu sein, dass es hier rechtlich einen Unterschied macht, ob eine „normale“ Betriebsbremsung oder eine „Schnellbremsung“ vorlag. Darüber hinaus gelangte das Erstgericht wohlbegründet zur Annahme, die Aussage der Klägerin, es habe zu Beginn der Bremsung „einen Ruck gegeben“, sei technisch nicht mit den Ausführungen des Sachverständigen in Einklang bringen, wonach selbst bei einer „Zwangsbremsung“ (im Sinne einer Schnellbremsung) ein solcher Ruck aus technischen Gründen sehr unwahrscheinlich sei (vgl ON 24.2 S 9). Da somit alle Beweise dafür sprechen, dass zum Zeitpunkt des Sturzes der Klägerin eine normale Betriebsbremsung vorgelegen hat, begegnen auch der vom Erstgericht getroffenen Negativfeststellung [F2] keine Bedenken.
1.5 Auch die bekämpfte Feststellung [F3] begründete das Erstgericht überzeugend und nachvollziehbar. Aus der von der Klägerin selbst vorgelegten Krankengeschichte (Beilage ./F) ergibt sich zweifelsfrei, dass die Klägerin sowohl im Jänner als auch im März 2021 das Medikament Taumea gegen Schwindel genommen hat bzw. verschrieben bekommen wollte. In ihrer Einvernahme verwies die Klägerin sogar darauf, das Medikament nach Rücksprache mit ihrem Hausarzt eingenommen zu haben, bestritt aber unter einem je unter Schwindel gelitten zu haben. Sie habe das Medikament nur (ein- oder zweimal) genommen, weil ein Bekannter ihr davon erzählt habe. Es ist völlig lebensfremd anzunehmen, dass Menschen (insbesondere höheren Alters) Medikamente ohne jede medizinische Indikation nehmen, schon aufgrund der als gerichtsbekannt anzusehenden zahlreichen (potentiellen) Nebenwirkungen, die Medikamente üblicherweise haben und die Menschen im Regelfall nicht ohne medizinischen Grund auf sich nehmen. Hier ergibt sich auch aus der Krankengeschichte der Klägerin, dass diese innerhalb weniger Wochen zweimal bei ihrem Hausarzt zu diesem Medikament vorstellig wurde, woraus sich ebenfalls zwanglos ableiten lässt, dass die Klägerin tatsächlich im ersten Quartal 2021 unter Schwindel gelitten hat.
1.6 Die von der Klägerin angeführten Argumente überzeugen indes nicht. Das Berufungsgericht übernimmt daher die erstgerichtlichen Feststellungen und legt sie seiner weiteren Beurteilung zu Grunde (§ 498 ZPO).
2. Zur Rechtsrüge:
2.1. In ihrer Rechtsrüge kommt die Klägerin einerseits auf die Frage der Vertragshaftung der Beklagten, andererseits auf die Frage, inwieweit § 9 EKHG hier erfüllt ist, zurück. Dass das Erstgericht keine Feststellungen zu den Ansprüchen wegen eines erhöhten (Pflege-)Aufwands, zu den pauschalen Unkosten und zu Spät- und Dauerfolgen traf, greift die Klägerin in ihrer Berufung nicht auf.
2.2. Da nicht feststeht, dass die Bremsung des Straßenbahnzugs den Sturz der Klägerin verursacht hat, bestehen ihre auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes (sowohl ex contractu als auch ex delicto ) gestützten Ansprüche schon allein mangels der Kausalität eines den Beklagten zuzurechnenden Verhaltens nicht zu Recht.
2.3. Aus dem unter Punkt 2.2. dargelegten Grund kann dahingestellt bleiben, ob zwischen der Klägerin und der Drittbeklagten ein Vertrag zustande gekommen ist oder nicht.
2.4. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass sich die Klägerin selbst bei Ausblendung der Kausalitätsfrage nicht mit Erfolg auf das EKHG stützen kann.
2.4.1. Eine außergewöhnliche Betriebsgefahr iSd § 9 Abs 2 EKHG ist immer dann anzunehmen, wenn die Gefährlichkeit, die regelmäßig und notwendig mit dem Betrieb eines Fahrzeugs verbunden ist, dadurch vergrößert wird, dass besondere Gefahrenmomente hinzutreten, die nach dem normalen Verlauf der Dinge nicht schon deshalb vorliegen, weil ein Fahrzeug im Betrieb ist (RS0058461 [T4]; RS0058467; RS0058586). Der Unterschied zwischen gewöhnlicher und außergewöhnlicher Betriebsgefahr ist funktionell darin zu erblicken, dass zur gewöhnlichen Betriebsgefahr besondere Gefahrenmomente hinzutreten, die nach dem normalen Ablauf der Dinge nicht schon dadurch gegeben waren, dass ein Fahrzeug überhaupt in Betrieb gesetzt wurde (RS0058467).
2.4.2 Der Oberste Gerichtshof hat das Vorliegen einer außergewöhnlichen Betriebsgefahr daher bereits bejaht, wenn ein Fahrgast einer Straßenbahn, der sich wohl an der Haltestange festgehalten hat, durch eine Schnellbremsung (1,6 m/s²) der Straßenbahn losgerissen wird und zu Boden stürzt, ebenso bei einer stärkeren Betriebsbremsung mit einer Bremsverzögerung von 0,94m/sec 2 (2 Ob 50/82 = ZVR 1983/318; 2 Ob 42/99s).
2.4.3 Eine solche Schnellbremsung, eine stärkere Betriebsbremsung oder ein anderes für den Sturz der Klägerin verantwortliches Ereignis, das als außergewöhnlichen Betriebsgefahr zu werten wäre, liegt nach den Feststellungen nicht vor, sodass die (auch) aus dem EKHG abgeleiteten Ansprüche der Klägerin jedenfalls nicht zu Recht bestehen.
3. Der Berufung war somit nicht Folge zu geben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
5. Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage von einer über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung zu beurteilen war.