7Rs102/24g – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Glawischnig als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Zechmeister und Dr. Nowak in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. A*, LL.M. MA , geboren am **, **, vertreten durch Celar Senoner Weber-Wilfert Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle **, **, wegen medizinischer Maßnahmen der Rehabilitation, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 11.07.2024, **-4, in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Text
B e g r ü n d u n g:
Am 14.12.2023 beantragte der Kläger bei der Beklagten einen medizinische Rehabilitationsaufenthalt in **. Mit Schreiben vom 21.12.2023 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass diesem Antrag nicht stattgegeben werden könne.
Am 15.01.2024 beantragte der Kläger bei der Beklagten einen Rehabilitations-, Kur- bzw Erholungsaufenthalt in **. Mit Schreiben vom 18.01.2024 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass auch diesem Antrag nicht stattgegeben werden könne.
Mit Schreiben vom 22.03.2024 wurde nach neuerlicher chefärztlicher Entscheidung dem Ersuchen des Klägers auf Abänderung dieser Entscheidung nicht nachgekommen.
Einen Antrag auf eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit stellte der Kläger nicht.
Mit E-Mail vom 29.03.2024 und 01.05.2024 ersuchte der Kläger um Ausstellung eines Bescheides.
Mit Bescheid vom 13.06.2024 wies die Beklagte die vom Kläger beantragte Bescheiderteilung über die Gewährung von freiwilligen Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation zurück.
Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage vom 01.07.2024 begehrte der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, dem Kläger aufgrund des Antrages vom 14.12.2023 medizinische Maßnahmen der Rehabilitation zu gewähren, in eventu , über den Antrag des Klägers vom 14.12.2023 be- scheidmäßig abzusprechen. Er brachte dazu vor, die Beklagte habe die zu Heilzwecken dringend gebotenen medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation abgelehnt. Dadurch habe sie jedenfalls rechtswidrig gehandelt, zumindest aber ihr pflichtgemäßes Ermessen überschritten. Die Beklagte habe eine negative Entscheidung über einen begründeten Antrag zu begründen; dieser sei einer sachlichen Überprüfung zu unterziehen. Aus diesem Grund hätte die Beklagte jedenfalls inhaltlich zu entscheiden gehabt.
Die Beklagte bestritt, beantragte die Zurückweisung der Klage und wendete im Wesentlichen ein, bei einem Antrag wie dem vorliegenden sei keine Verpflichtung des Pensionsversicherungsträgers zur Erlassung eines Bescheides gegeben. Nur bei Bestehen einer Bescheidpflicht würde die Ablehnung die Möglichkeit einer Klage eröffnen. Die Klage sei daher wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht
die Klage zufolge Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Freiwillige Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation seien als Pflichtaufgaben des Pensionsversicherungsträgers ohne individuellen Rechtsanspruch des Versicherten ausgestaltet, die Beklagte habe diese nach pflichtgemäßem Ermessen zu erbringen. Da im vorliegenden Fall kein materieller Bescheid zu erlassen gewesen sei, sei es dem Gericht nicht möglich zu überprüfen, ob das Ermessen pflichtgemäß ausgeübt worden sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers aus den Rechtsmittelgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unzutreffender Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass der Klage stattgegeben werde, in eventu , den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Durchführung des Verfahrens bzw nochmalige Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
Die Beklagte beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrensist nur dann gegeben, wenn der Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RS0043049, RS0043027).
Die gesetzmäßige Ausführung des Berufungsgrundes der Mangelhaftigkeit erfordert, dass der Berufungswerber die für die Entscheidung wesentlichen Feststellungen anführt, die bei mängelfreiem Verfahren zu treffen gewesen wären (RS0043039). Er muss nachvollziehbar ausführen, welche für ihn günstigen Verfahrensergebnisse zu erwarten gewesen wären, wenn der Verfahrensfehler nicht unterlaufen wäre und in welcher Hinsicht sich bei Unterbleiben des behaupteten Verfahrensfehlers eine abweichende Sachverhaltsgrundlage ergeben hätte (RS0043039 [T4, T5]).
Diesen Anforderungen wird die daher bloß der Bezeichnung nach erhobene Mängelrüge nicht gerecht, weil weder dargetan wird, welcher Verfahrensfehler dem Erstgericht unterlaufen sein soll, noch eine abweichende Sachverhaltsgrundlage angeführt wird.
2. Grundsätzlich steht im vorliegenden Fall die Erhebung einer Beweisrügeoffen, weil das Erstgericht die entscheidungswesentlichen Feststellungen zum Vorliegen der Prozessvoraussetzung der Zulässigkeit des Rechtsweges schon aufgrund des Akteninhalts treffen konnte, ohne dass die Durchführung unmittelbarer Erhebungen nötig gewesen wäre (RS0044018 [T5, T6]).
Um eine Beweisrügegesetzmäßig auszuführen, muss der Rechtsmittelwerber deutlich zum Ausdruck bringen, welche konkrete Feststellung bekämpft wird, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, welche Feststellung begehrt wird und auf Grund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen die begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre (RS0041835 [T5]; Kodekin Rechberger/Klicka ZPO 5 § 471 Rz 15).
Der Rekurswerber richtet sich jedoch nicht gegen die tatsächlichen Annahmen des Erstgerichtes und bringt eine Beweisrüge schon aus diesem Grund nicht gesetzmäßig zur Darstellung.
3. In seiner Rechtsrüge wendet sich der Rekurswerber gegen die Rechtsansicht des Erstgerichts, der Rechtsweg sei unzulässig, und wiederholt im Wesentlichen wörtlich das Klagsvorbringen.
3.1.Gemäß § 67 Abs 1 ASGG darf in einer Leistungssache nach § 65 Abs 1 Z 1, 4 und 6 bis 8 ASGG sowie über die Kostenersatzpflicht eines Versicherungsträgers nach § 65 Abs 1 Z 5 ASGG - vorbehaltlich des § 68 ASGG - vom Versicherten eine Klage nur erhoben werden, wenn der Versicherungsträger darüber bereits mit Bescheid entschieden oder den Bescheid nicht innerhalb der in § 67 Abs 1 Z 2 ASGG genannten Fristen erlassen hat. Voraussetzung für eine Klageerhebung nach § 67 ASGG ist daher entweder das Vorliegen eines Bescheids im Zeitpunkt der Klagseinbringung oder das Vorliegen eines Säumnisfalls. Der Säumnisfall erfordert, dass der Versicherungsträger zur Erlassung eines Bescheids verpflichtet ist ( Neumayr in ZellKomm 2§ 67 ASGG Rz 12 mwN). Wenn der Versicherungsträger zur Erlassung eines Bescheids nicht verpflichtet ist, steht dem Versicherten eine Säumnisklage nicht zu.
3.2.§ 367 ASVG regelt die Bescheidpflicht des Versicherungsträgers in Leistungssachen.
Nur medizinische Maßnahmen der Rehabilitation in der Pensionsversicherung, die im Zusammenhang mit einem Pensionsantrag stehen (§§ 253f, 270b ASVG), sind als Leistungssachen mit bedingter Bescheidpflicht im Sinn des § 367 Abs 1 ASVG ausgestaltet (RS0130606).
In 10 ObS 48/20m führte der OGH aus, dass es sich bei den Maßnahmen der Rehabilitation in der Pensionsversicherung nach §§ 300 ff ASVG um eine Pflichtaufgabe des Pensionsversicherungsträgers handelt, die nicht als Pflichtleistung (mit individuellem Rechtsanspruch), sondern als freiwillige Leistung (ohne individuellen Rechtsanspruch) normiert ist. Medizinische Maßnahmen der Rehabilitation nach § 302 ASVG hat der Pensionsversicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen zu erbringen, er hat darüber jedoch keinen Bescheid zu erlassen. Der Leistungswerber hat daher keine Möglichkeit, die Erbringung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation durch den Pensionsversicherungsträger nach § 302 ASVG im Leistungsstreitverfahren durchzusetzen, weil § 367 Abs 1 Satz 2 ASVG – vor wie nach dem SRÄG 2012 – nicht auf § 222 Abs 3 ASVG verweist (RS0084894; zur früheren Rechtslage zB 10 ObS 68/09m; zur Rechtslage nach dem SRÄG 2012, BGBl I 2013/3, 10 ObS 119/15w).
3.3.Nach dem soeben Gesagten steht der Rechtsweg nicht offen, weil kein Bescheid in der Sache selbst zu ergehen hatte, würde doch nicht einmal das Vorliegen einer Ermessensüberschreitung durch die Beklagte dazu führen, dass ein formeller Bescheid mittels Bescheidklage, also nach § 67 Abs 1 Z 1 ASGG, bekämpft werden könnte.
Das wohl als Säumnisklage zu verstehende Eventualklagebegehren ist ebenso zurückzuweisen, weil die Beklagte mangels Bescheidpflicht nicht säumig ist.
Das Erstgericht hat die Klage daher zu Recht zurückgewiesen.
4. Dem unberechtigten Rekurs war sohin ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 ASGG. Für einen Kostenzuspruch an den zur Gänze unterliegenden Kläger nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG ergaben sich keine Anhaltspunkte. Der Kläger hat daher die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Der ordentliche Revisionsrekurs war nicht zuzulassen, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO abhing. Das Rekursgericht konnte auf die zitierte einheitliche höchstgerichtliche Judikatur zurückgreifen.