13R90/24m – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Häckel als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Reden und den Richter Mag. Wessely in der Rechtssache der widerklagenden Partei A* , **, vertreten durch Dr. Ursula Huger, Rechtsanwältin in Wien, gegen die widerbeklagte Partei B* AG , **, Schweiz, wegen Nichtigerklärung und Aufhebung eines Vertrags (Streitwert: EUR 600.000,-) und Löschung von Pfandrechten (Streitwert: EUR 500,-), über den Rekurs der widerklagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 13.6.2024, **-11, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die widerklagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig .
Text
Begründung
Das Erstgericht verfügte die Zustellung der Widerklage und des Auftrags zur Erstattung der Klagebeantwortung an die Widerbeklagte mit Sitz in der Schweiz im Rechtshilfeweg durch das Obergericht des Kantons Zug.
Mit Schreiben vom 4.6.2024 (ON 7) teilte das Obergericht des Kantons Zug unter Anschluss eines Auszugs aus dem Handelsregister mit, das Zustellersuchen habe nicht durchgeführt werden können, weil die Aktenstücke weder an der Domiziladresse der Gesellschaft noch an C* (Präsident des Verwaltungsrats, ehemals wohnhaft in **, Schweiz) hätten zugestellt werden können. C* sei nach **, Tschechien weggezogen. Ebenso wenig könne die Zustellung an ein anderes Mitglied des Verwaltungsrats erfolgen, weil die derzeitigen Mitglieder keinen Wohnsitz in der Schweiz hätten. Unter einem ersuchte das Obergericht des Kantons Zug, in Zukunft gestützt auf Art 1 Abs 3 des Vertrags vom 26.8.1968 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich zur Ergänzung des Haager Übereinkommens vom 1.3.1954 betreffend Zivilprozessrecht Schriftstücke durch unmittelbare Übersendung mit der Post an die in der Schweiz wohnhaften Personen zuzustellen.
In Reaktion auf diese Mitteilung stellte der Widerkläger am 7.6.2024 den Antrag (ON 10) auf neuerliche Zustellung der Klage samt Auftrag zur Klagebeantwortung an die laut Handelsregisterauszug nach wie vor aufrechte Domiziladresse der Widerbeklagten durch unmittelbare Übersendung mit der Post. In eventu beantragte er die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (§ 25 ZustG) gemäß § 121 Abs 2 ZPO, in eventu die Bestellung eines Zustellkurators nach § 116 ZPO.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Zustellantrag mit der Begründung ab, ein neuerlicher Zustellversuch werde nur vorgenommen, wenn anzunehmen sei, dass an der angegebenen Adresse eine Person anzutreffen ist, der die Klage für die Beklagte zugestellt werden könne. Dies sei laut Mitteilung des Obergerichts des Kantons Zug nicht der Fall.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekursdes Widerklägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag auf Bewilligung der Zustellung der Klage samt Auftrag zur Klagebeantwortung durch unmittelbare Übersendung mit der Post; in eventu Bewilligung der Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (§ 25 ZustG); in eventu Bestellung eines Kurators nach § 116 ZPO. Hilfsweise stellt der Widerkläger einen Aufhebungsantrag
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1.Gemäß § 87 Abs 2 ZPO sind alle Anordnungen eines Gerichts, die sich auf die Zustellung beziehen, grundsätzlich nicht anfechtbar. Vom Rechtsmittelausschluss des § 87 Abs 2 ZPO sind nur jene die Zustellung betreffenden Verfügungen betroffen, wie sie üblicherweise in der der Urschrift beizusetzenden „Zustellverfügung“ (vgl §§ 123 ff Geo) zusammengefasst werden. Die Abweisung eines Antrags auf Zustellung von Beschlussausfertigungen ist von der gesetzlichen Rechtsmittelbeschränkung des § 87 Abs 2 ZPO jedoch nicht erfasst ( Schima in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 87 ZPO Rz 24 f). Analoges hat für die Abweisung eines Antrags auf Zustellung der Klage samt Auftrag zur Klagebeantwortung zu gelten. Der vorliegende Rekurs ist somit zulässig.
2.1.Welche Schriftstücke zugestellt werden müssen, wie der Zustelladressat bzw Empfangsermächtigte, die Zustellungsadresse und der Zustellungsort zu bestimmen sind, also auch zu wessen Handen und an welchem Ort gerichtliche Schriftstücke zuzustellen sind, ist nach dem nationalen – hier also österreichischem Recht – zu beurteilen (vgl 1 Ob 218/11g).
Die Zustellung ist ein an eine gesetzliche Form geknüpfter, hoheitlicher Vorgang, durch den dem als Empfänger des Schriftstücks bezeichneten Adressaten Gelegenheit geboten wird, von einem im Auftrag des Gerichts an ihn gerichteten Schriftsatz Kenntnis zu nehmen. Sie hat also das Ziel, dem jeweiligen Adressaten das Schriftstück zukommen zu lassen (RS0106442 [T7]). Art 6 Abs 1 EMRK verlangt die Wahrung des beiderseitigen rechtlichen Gehörs der Parteien und stellt damit gewisse Anforderungen an die Zuziehung von Parteien zu einem gerichtlichen Verfahren. Demnach muss gewährleistet sein, dass die Partei auf eine solche Art und Weise dem inländischen Verfahren beigezogen worden ist, dass ihr der verfahrenseinleitende Akt (Klage, bedingter Zahlungsbefehl, einstweilige Verfügung) tatsächlich zur Kenntnis gelangt ist oder ihr jedenfalls objektiv zur Kenntnis gelangen konnte. Dies setzt voraus, dass ihr die Klage persönlich überreicht oder dass sie einer Person übergeben wurde, von der anzunehmen ist, dass sie diese ordnungsgemäß und rechtzeitig an den Empfänger weiterleitet ( Frauenberger-Pfeiler in Fasching/Konecny 3§ 11 ZustG Rz 15).
2.2. Vor diesem Hintergrund ist die Verfügung der Zustellung an eine Adresse, an welcher – wie hier – nach der Aktenlage nicht von der Anwesenheit einer für den Adressaten empfangsberechtigten Person ausgegangen werden kann, unzulässig.
Wer zur Empfangnahme befugter Vertreter ist, richtet sich zunächst nach den die Organisation der juristischen Person regelnden Vorschriften (RS0083868). Im vorliegenden Fall einer Aktiengesellschaft nach schweizerischem Recht ist dies von Gesetzes wegen der Verwaltungsrat (Art 718 Abs 1 OR). Vertretungsbefugte Mitglieder des Verwaltungsrats der Widerbeklagten sind nach Mitteilung des Obergerichts des Kantons Zug an der im Zustellantrag genannten Adresse nicht anwesend.
Soweit der Widerkläger erstmals in seinem Rekurs geltend macht, aus der Mitteilung des Obergerichts des Kantons Zug ergebe sich nicht, dass am Sitz der Widerbeklagten keine für diese empfangsberechtigte Person aufhältig sei – so könnten ja nicht nur die Mitglieder des Verwaltungsrats, sondern auch andere Personen, beispielsweise Bevollmächtigte mit Postvollmacht, eine Klage entgegennehmen – hat er seinen Antrag auf neuerliche Zustellung an derselben Adresse nicht mit der Anwesenheit solcher Personen an der Adresse der Widerbeklagten begründet. Das dahingehende Vorbringen im Rekurs verstößt somit gegen das auch im Rekursverfahren geltende Neuerungsverbot (RS0042091) und ist unbeachtlich.
Das Erstgericht hat den Antrag auf neuerliche Zustellung der Klage samt Auftrag zur Klagebeantwortung im Wege der Post somit zu Recht abgewiesen.
3.1.Für die auf § 121 Abs 2 ZPO gestützten Eventualanträge auf Zustellung der Klage samt Auftrag zur Klagebeantwortung durch öffentliche Bekanntmachung (§ 25 ZustG), in eventu Bestellung eines Zustellkurators nach § 116 ZPO gilt: Durch öffentliche Bekanntmachung (§ 25 ZustG) ist zuzustellen, wenn das Vorliegen der dafür erforderlichen Voraussetzungen glaubhaft gemacht wird (§ 115 1. Satz ZPO). Aufgrund der (möglicherweise weitreichenden) nachteiligen Folgen dieser Art der Zustellung für den Abwesenden ist der Anwendungsbereich von § 115 ZPO im Zivilprozess auf wenige Fälle eingeschränkt: Sobald nämlich der Abwesende eine Prozesshandlung vorzunehmen hat – wie hier die Widerbeklagte die Erstattung der Klagebeantwortung –, oder geladen wird, muss ihm das Gericht einen Prozesskurator bestellen (§§ 116 ff ZPO). Durch § 116 ZPO verbleibt § 115 ZPO genaugenommen kaum ein Anwendungsbereich, weil im Zivilprozess kaum Prozesshandlungen vorstellbar sind, die keine prozessuale Handlungspflicht des Empfängers auslösen ( SchimaaaO § 115 ZPO Rz 1).
Eine Kuratorbestellung nach § 121 Abs 2 ZPO kommt nicht in Betracht, wenn die Abgabestelle der Partei im Ausland im Zeitpunkt der Bestellung unbekannt ist; diesfalls ist ein Kurator gemäß §§ 116 ff ZPO zu bestellen ( Frauenberger-Pfeiler in Frauenberger-Pfeiler/Riesz/Sander/Wessely , Österreichisches Zustellrecht 3§ 121 ZPO Rz 6; SchimaaaO § 121 ZPO Rz 13). Es liegt nur dann eine taugliche Abgabestelle vor, wenn sich der Empfänger dort tatsächlich auch regelmäßig aufhält ( Klauser/Kodek , JN-ZPO 18§ 2 ZustG); im Fall einer juristischen Person ist auf die regelmäßige Anwesenheit empfangsberechtigter Personen abzustellen. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt, sodass keine bekannte Abgabestelle der Widerbeklagten im Ausland vorliegt.
3.2.Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (§ 25 ZustG) gemäß § 115 ZPO und die Bestellung eines Kurators nach § 116 ZPO setzt die Glaubhaftmachung des unbekannten Aufenthalts voraus. Bei der Glaubhaftmachung ist ein strenger Maßstab anzulegen. Der Antragsteller/Einreicher des zuzustellenden Schriftstücks muss nachweisen, dass er sich bemüht hat, eine Abgabestelle des Empfängers auszuforschen; eine einheitliche Rechtsprechung verlangt, dass der Antragsteller vergeblich versucht haben muss, den Aufenthaltsort (die Abgabestelle) des Empfängers zu ermitteln, und dies behauptet und bescheinigt ( SchimaaaO § 115 ZPO Rz 8; Stummvoll in Fasching/Konecny 3§ 116 ZPO Rz 13).
Der Rekurswerber hat in seinem Zustellantrag weder behauptet noch bescheinigt, sich um die Ermittlung des Aufenthaltsorts einer für die Widerbeklagte empfangsberechtigten Person bemüht zu haben. Schon aus diesem Grund hat das Erstgericht auch die Eventualanträge im Ergebnis berechtigt abgewiesen.
Dem unberechtigten Rekurs war nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.