1R75/25t – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekursgericht durch Senatspräsident Dr. Wolfgang Seyer als Einzelrichter (§ 8a JN) in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, **, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei B* , **platz **, **, vertreten durch die MUSEY rechtsanwalt gmbh in Salzburg, wegen EUR 29.313,19 sA über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Gebührenbestimmungsbeschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 30. Mai 2025, Cg*-59, beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rekurses selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Gegenstand des Verfahrens sind Schadenersatzansprüche des Klägers aus dem Titel der Haushalts- und Pflegehilfe von insgesamt EUR 29.313,19 sA resultierend aus einem Verkehrsunfall vom 17. August 2017, für den die Beklagte aus einem Haftungsanerkenntnis einzustehen hat. Strittig ist die Höhe der Ansprüche im Zeitraum 2018 bis 2021 und ob überhaupt ein Anspruch für den Zeitraum 2022 bis 2023 besteht.
Entsprechend dem Gutachtensauftrag (ON 12) - nach Gebührenwarnung (ON 13) und Befundaufnahme vor Ort (ON 18) - erstattete die Sachverständige C* B.A. ein 44 Seiten umfassendes Pflegegutachten bezüglich des Klägers, das den Zeitraum von 18. April 2018 bis 31. Juli 2023 umfasst (ON 25). Für dieses schriftliche Gutachten beanspruchte sie mit ihrer am 14. Dezember 2023 eingebrachten Gebührennote eine Gebühr von EUR 9.004,85 (wobei sie für Mühewaltung 58 Stunden á EUR 125,00 verzeichnete [ON 27]).
Innerhalb der gesetzten richterlichen Frist erhob der Kläger fristgerecht Einwendungen gegen den Gebührenanspruch, wobei er die verzeichneten 58 Stunden Mühewaltung als exorbitant hoch und nicht nachvollziehbar sowie das Gutachten als ungeeignet und unverwertbar kritisierte und anstrebte, der Sachverständigen für ihre Mühewaltung bloß sechs Stunden á EUR 125,00 zuzusprechen (ON 32).
Nach der Gutachtenserörterung (ON 35.2) und Erörterung des Gebührenanspruchs der Sachverständigen (ON 36.2 Seite 8) legte der Sachverständige fristgerecht – wie vom Gericht aufgetragen – ihre Stundenaufzeichnungen zum Pflegegutachten vor und verzeichnete darin für ihr schriftliches Gutachten (ident mit ihrer Gebührennote ON 27.1) und für die Gutachtenserörterung vom 13. Juni 2024 (beinhaltend eine Mühewaltung von insgesamt vier Stunden á EUR 125,00 netto) insgesamt eine Gebühr von EUR 9.702,71 (inklusive USt).
Auch gegen diese Gebührennote erhob der Kläger fristgerecht Einwendungen (ON 39), wobei er die verzeichnete Stundenanzahl als „völlig überhöht und jenseits jeglicher praktischer Erfahrung“ kritisierte. Er beanstandete auch den ermittelten Zeitraum bis 31. Juli 2023 mit dem Argument, verfahrensgegenständlich sei nur der Zeitraum von 18. April 2018 bis 28. Februar 2023. Nun kritisierte der Kläger auch den Stundensatz der Sachverständigen und meinte, gemäß § 34 Abs 3 Z 1 GebAG gebühre der Sachverständigen höchstens ein Stundensatz von EUR 20,00. Ein Gebührenanspruch der Sachverständigen habe gänzlich zu entfallen; allenfalls gebührten ihr für ihre Mühewaltung bloß sechs Stunden á EUR 20,00 (ON 39).
Dazu erwiderte die Sachverständige zusammengefasst, ihr Zeitaufwand für Mühewaltung für das schriftliche Gutachten habe insgesamt 60 Stunden und 10 Minuten umfasst, wobei sie - um den aufgetragenen Kostenvorschuss von brutto EUR 9.000,00 nicht zu überschreiten - lediglich 58 Stunden abgerechnet habe. Als Nachweis für ihre Entlohnung bei ihrer außergerichtlichen Tätigkeit habe sie vier Honorarnoten vom privaten Gutachten vorgelegt. Eine weitere mit einem höheren Stundensatz verrechnete private Honorarnote habe sie mit ON 40 vorgelegt.
Nachdem das Erstgericht den weiters vom Kläger gegen die Sachverständige gestellten Ablehnungsantrag vom 1. Juli 2024 (mit dem Beschluss ON 44 vom 27. August 2024) verworfen hatte, bestimmte das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Gebühren der Sachverständigen für ihr schriftliches Gutachten (ON 25) und für ihre Teilnahme an der Verhandlung vom 13. Juni 2024 (ON 35) wie folgt:
a) Reisekosten gemäß § 27 GebAG (57 km) EUR 23,94
b) Sonstige Kosten gemäß § 31 GebAG (48 Seiten) EUR 96,00
c) Zeitversäumnis gemäß § 32 GebAG (4 Stunden) EUR 104,60
d) Mühewaltung gemäß § 34 GebAG (62 Stunden á EUR 125,00) EUR 7.750,00
EUR 7.974,54
20 % USt EUR 1.594,91
Summe (gerundet) EUR 9.569,00
Zusammengefasst – mit ausführlicher Begründung – gelangte das Erstgericht zur Auffassung, dass der Aufwand für das schriftliche Gutachten um 50 Minuten zu reduzieren sei. Da die Sachverständige aber statt der dafür (nach Kürzung) angefallenen Mühewaltung von 59 Stunden und 20 Minuten nur 58 Stunden verzeichnet habe, ergebe sich diesbezüglich keine Änderung. Die vier Stunden Mühewaltung für die Teilnahme an der Verhandlung inklusive der Vorbereitung seien unbedenklich. Die Höhe des Stundensatzes von EUR 125,00 habe die Sachverständige durch Vorlage von anderen Gebührennoten iSd § 34 Abs 1 GebAG nachgewiesen.
Gegen diesen Beschluss erhebt der Kläger Rekurs wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Gebührenzuspruch an die Sachverständige auf EUR 2.555,00 zu reduzieren.
Die Sachverständige beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Die Beklagte hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Rekurswerber macht den Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend. Seine Ausführungen im Rekurs Punkte A.1. bis 3. beschränken sich darauf, sinngemäß seine erstinstanzlichen Einwendungen gegen den Gebührenanspruch der Sachverständigen, also die Punkte 1. bis 3. seiner Äußerung ON 39 zu wiederholen. Er meint, bei einer „richtigen Ermessensausübung“ wären folgende Feststellungen zu treffen gewesen: „Vom 24. bis 27. Juli 2024 habe die Sachverständige Aufwendungen für das Aktenstudium von insgesamt einer Stunde gehabt. Für den Zeitraum 28. Juli bis 25. September 2024 sei ein Mühewaltungsaufwand von höchstens einer Stunde und fünf Minuten gerechtfertigt. Für den Zeitraum nach der Befundaufnahme des 25. September 2024 bis zur Fertigstellung des Gutachtens sei ein Mühewaltungsaufwand von höchstens 17 Stunden und 10 Minuten gerechtfertigt.“ Ferner beanstandet der Rekurswerber den verzeichneten und zugesprochenen Zeitaufwand für die Gutachtenserörterung und meint, bei einer „richtigen Ermessensausübung“ wäre folgende Feststellung zu treffen gewesen: „Für die Gutachtenserörterung nach der schriftlichen Gutachtenserstattung sei ein Mühewaltungsaufwand von einer Stunde und 30 Minuten gerechtfertigt.“
Dazu ist auszuführen:
Die Angaben einer – wie hier – gerichtlich beeideten Sachverständigen über den Zeitaufwand sind so lange als wahr anzunehmen, als nicht das Gegenteil bewiesen oder zumindest wahrscheinlich gemacht wird oder solange nicht gegenteilige Anhaltspunkte hervorkommen (Krammer/Schmidt/Guggenbichler SDG-GebAG 4, § 38 GebAG E 93, 96 und 98; Sachverständige 2025, 94). Die Zeitangaben können nicht auf Angemessenheit überprüft, sondern nur durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden (Krammer/Schmidt/ Guggenbichler aaO § 38 GebAG E 97; Sachverständige 2025, 94). Hat eine Partei die Richtigkeit der Zeitangaben in Zweifel gezogen, ohne ihre Unrichtigkeit zu beweisen, ist den erläuternden Angaben der Sachverständigen Glauben zu schenken (Krammer/Schmidt/ Guggenbichler aaO § 38 GebAG E 99; Sachverständige 2025, 94).
Wenn nun der Rekurswerber geltend macht, bei einer „richtigen Ermessensausübung“ wären die von ihm zum Mühewaltungsaufwand gewünschten Feststellungen zu treffen, so verkennt er, dass der Zeitaufwand an Mühewaltung nicht vom Gericht eingeschätzt werden darf (vgl Krammer/Schmidt/Guggenbichler aaO § 34 GebAG E 185). Das Ausmaß der für Mühewaltung aufgewendeten Zeit ist eine Tatfrage (Krammer/Schmidt/Guggenbichler aaO § 34 GebAG E 185) und keine Rechtsfrage. Das Gericht hat nicht zu prüfen, ob es objektiv möglich gewesen wäre, die vom Sachverständigen erbrachten Leistungen in einem kürzeren Zeitraum zu erbringen. Eine Prüfung der „Angemessenheit“ der vom Sachverständigen aufgewendeten Zeit hat daher im Allgemeinen nicht zu erfolgen (Krammer/Schmidt/Guggenbichler aaO § 34 GebAG E 188).
Im Übrigen beschränkt sich der Kläger in seinen Rekursausführungen zu Punkt A.1. bis 3. darauf, seine im erstinstanzlichen Gebührenbestimmungsverfahren erstattete Äußerung ON 39 Punkt 1. bis 3. inhaltlich zu wiederholen (Rekurs A.1. bis 3.; ON 39 Punkte 1. bis 3.), ohne konkret darzulegen, warum die ausführliche erstgerichtliche Begründung im angefochtenen Beschluss unrichtig sein soll. Insofern wird der Rekurs den an eine Rechtsmittelschrift gestellten Anforderungen nicht gerecht (vgl RS0043603 [T15]; 1 Ob 131/23f [Rz3] ua). Denn damit findet die notwendige Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Erstgerichts gerade nicht statt, sodass insofern der Rekurs auch nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (RS0043603 [T9]; vgl RS0043605; 10 Ob 23/23i).
Erstmals im Rekurs beanstandet der Kläger die für die Vorbereitung und Verrichtung der Verhandlung vom 13. Juni 2024 (Gutachtenserörterung) verzeichnete Mühewaltungsgebühr (vier Stunden) – die überdies unbedenklich ist. Der Kläger meint, bei einer „richtigen Ermessensausübung“ wäre hiefür nur ein Mühewaltungsaufwand von einer Stunde und 30 Minuten gerechtfertigt (Rekurspunkt A.4.). Da der Kläger einen damit korrespondierenden Einwand im erstinstanzlichen Gebührenbestimmungsverfahren nicht erhoben hat, steht diesem Rekursvorbringen das Neuerungsverbot entgegen (vgl Krammer/Schmidt/Guggenbichler aaO § 39 GebAG E 95, 91, 93 und 71).
Entgegen den Rekursausführungen hat die Sachverständige ihren zeitlichen Aufwand vor der Befundaufnahme korrekt als Mühewaltung verzeichnet. Die Aufarbeitung der für die Gutachtenserstattung erforderlichen Grundlagen ist mit der Gebühr für Mühewaltung abzugelten (vgl Krammer/Schmidt/Guggenbichler aaO § 36 E 10). Ebenso ist das Studium einschlägiger Literatur nicht nach § 36 GebAG, sondern nach der für Mühewaltung aufgewendeten Zeit zu honorieren (aaO E 11). Zu der im Rahmen der Mühewaltung aufgewendeten Zeit gehört auch der Zeitaufwand für die Vorbereitung des Gutachtens; so etwa für Literaturstudium und Erkundigungen oder für die Einholung der erforderlichen Information (Krammer/Schmidt/Guggenbichler aaO § 34 GebAG E 3; vgl auch E 5).
Letztlich meint der Kläger, der Sachverständigen gebühre nach der Art ihrer Tätigkeit gemäß § 34 Abs 3 Z 1 GebAG nur ein Stundensatz von EUR 90,00.
§ 34 Abs 3 Z 1 GebAG sieht derzeit eine Rahmengebühr von EUR 29,00 bis EUR 87,00 vor (BGBl II Nr. 430/2023). Auf diese Bestimmung kommt es hier jedoch bereits deshalb nicht an, weil die Sachverständige den Stundensatz ihrer außergerichtlichen Einkünfte bescheinigt hat, wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat (Gebührenbestimmungsbeschluss Seite 4; siehe auch ON 36.3 sowie ON 27.1 bis ON 27.4). § 34 Abs 1 GebAG sieht als Grundregel die Entlohnung des Sachverständigen in der vollen Höhe seiner außergerichtlichen Einkünfte vor (vgl Krammer/Schmidt/Guggenbichler SDG-GebAG 4§ 34 GebAG Anmerkung 2 mwN). Die in § 34 Abs 3 Z 1 bis 3 GebAG definierten Gebührenrahmen sind nur dann anzuwenden, wenn der Sachverständige seine Einkünfte, die er im außergerichtlichen Erwerbsleben für seine Gutachtenstätigkeit üblicherweise bezieht, nicht nachgewiesen hat (§ 34 Abs 3 GebAG; vgl auch Krammer/Schmidt/Guggenbichler aaO § 34 GebAG E 153).
Dem Rekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.
Generell findet im Gebührenbestimmungsverfahren gemäß § 41 Abs 3 letzter Satz GebAG kein Kostenersatz statt.
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 5 ZPO jedenfalls unzulässig.