JudikaturOLG Linz

12R13/25f – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
03. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Barbara Jäger als Vorsitzende sowie Dr. Dieter Weiß und Mag. Nikolaus Steininger, LL.M. als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A* , geboren am **, emeritierter Rechtsanwalt, **, **, Zustellbevollmächtigter Dr. B*, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei C* GmbH , FN **, **, **, vertreten durch die Raffaseder Haider Rechtsanwälte OG in Freistadt, wegen Herstellung, in eventu Feststellung (Streitwert EUR 35.000,00), über den Kostenrekurs der klagenden Partei gegen den Kostenbestimmungsbeschluss des Landesgerichts Linz vom 8. Mai 2025, Cg1*-30, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert, sodass er zu lauten hat:

„Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 28,42 (darin EUR 4,74 USt) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu Handen der Beklagtenvertretung zu ersetzen.“

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Der Kläger erwarb von einer (nunmehr) in Liquidation befindlichen Bauträgerin eine Wohnung und ließ sich deren Regressansprüche gegen die bauausführende Beklagte abtreten.

Mit Klage vom 20. November 2024 begehrte der Kläger die Herstellung einer Revisionsöffnung in einer Schachtwand, hilfsweise die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche Schäden aus der Unzugänglichkeit des Schachts.

Mit Schriftsatz vom 4. April 2025 (ON 25) zog der Kläger die Klage unter Anspruchsverzicht zurück und teilte zugleich mit, dass er die tariflichen Kosten der Beklagten in Höhe von EUR 4.317,90 am selben Tag – wie aus der als Beilage ./P vorgelegten Quittung ersichtlich – angewiesen habe. Zum Beweis der Höhe der Kosten legte der Kläger mit der Beilage ./O ein Kostenverzeichnis der Beklagten vom 4. Februar 2025 vor.

Daraufhin stellte die Beklagte am 8. April 2025 innerhalb offener Frist einen Kostenbestimmungsantrag(ON 27) und beantragte die Zuerkennung eines Kostenersatzes in Höhe von EUR 4.517,16. Zwar bestätigte die Beklagte, dass der Kläger die Vertretungskosten der Beklagten in der Höhe von EUR 4.317,90 bereits beglichen habe, verzeichnete in ihrem Kostenbestimmungsantrag aber erneut die bereits überwiesenen Vertretungskosten und zusätzlich die Kosten für den Kostenbestimmungsantrag selbst gemäß Tarifpost 1 RATG auf Basis eines Streitwerts von EUR 35.000,00, weil es ihres Erachtens nach erforderlich sei, auch für diese Kostenzahlung einen Titel zu erwirken.

Dem Kläger wurde der Kostenbestimmungsantrag zur allfälligen Äußerung zugestellt (ON 28). Er äußerte sich dazu nicht.

Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht die Kosten der Beklagten mit insgesamt EUR 4.517,16 und verpflichtete den Kläger, der Beklagten diesen Betrag binnen 14 Tagen zu ersetzen. Sie habe ihre Kosten rechtzeitig und korrekt verzeichnet.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, ihm lediglich einen Prozesskostenersatz von EUR 28,42 aufzuerlegen.

Die Beklagte erstattete dazu eine „Äußerung“, mit welcher sie erkennbar die Bestätigung des angefochtenen Beschlusses anstrebt.

Der Rekurs ist berechtigt .

Rechtliche Beurteilung

1 Der Kläger wendet sich nicht gegen die Bestimmung der zu ersetzenden Prozesskosten an sich, er beanstandet aber, dass das Erstgericht die von ihm geleistete Zahlung im Umfang von EUR 4.317,90 trotz ausreichender Bescheinigung durch den Überweisungsbeleg (Beilage ./P) nicht berücksichtigt habe.

Die Beklagte hält dem entgegen, dass ein Titel jedenfalls zur Vermeidung einer Rückforderung der Zahlung wegen Titellosigkeit geschaffen werden müsse.

1.1Einer Äußerung des Klägers in erster Instanz zum Kostenbestimmungsantrag der Beklagten bedurfte es nicht, da § 237 Abs 3 ZPO im Gegensatz zu § 54 Abs 1a ZPO keine „antizipierten Kosteneinwendungen“ bezweckt. Die verzeichneten Kosten sind amtswegig zu prüfen und die Kostenentscheidung ist dann ohne Einschränkungen anfechtbar ( Obermaier, Kostenhandbuch 4 Rz 1.122; vgl OLG Linz 3 R 6/24k).

1.2Gemäß § 237 Abs 3 ZPO hat die Zurücknahme der Klage zur Folge, dass die Klage als nicht angebracht anzusehen ist und der Kläger dem Beklagten alle diesem nicht bereits rechtskräftig auferlegten Prozesskosten zu ersetzen hat.

Allerdings können die Parteien eine von § 237 Abs 3 ZPO abweichende Kostenvereinbarung treffen. Bescheinigt der Kläger (§ 274 ZPO) eine derartige Vereinbarung, hat das Gericht einen trotzdem gestellten Kostenbestimmungsantrag des Beklagten – dem Gelegenheit zur Gegenbescheinigung zu geben ist – abzuweisen bzw die Kostenentscheidung nach dem Inhalt der Vereinbarung zu treffen ( Lovrek in Fasching/Konecny³ § 237 ZPO Rz 53; vgl Obermaier, Kostenhandbuch 4 Rz 1.122).

1.3Sinn der Fassung eines (rechtskräftigen) Kostenbestimmungsbeschlusses ist es, dem Beklagten einen Exekutionstitel gemäß § 1 Z 1 EO zu verschaffen, um ihm die zwangsweise Durchsetzung seiner Geldforderung zu ermöglichen.

Eines solchen Titels bedarf es aber in jenem Umfang nicht, in dem die Forderung bereits beglichen ist. Bei der Schaffung eines Exekutionstitels können daher ausschließlich offene, noch nicht erfüllte Zahlungsansprüche berücksichtigt werden, da nach § 1412 ABGB eine Verbindlichkeit durch die Erfüllung derselben erlischt.

Würde man einen Titel schaffen, könnte der Kläger einer Exekutionsführung nicht einmal mit einem Oppositionsbegehren begegnen, da ein solches nach § 35 Abs 1 EO nur auf nach Schaffung des Titels eingetretene, den Anspruch aufhebende Tatsachen, nicht aber auf vor Schaffung des Exekutionstitels geleistete Zahlungen gestützt werden kann (vgl Jakusch in Angst/Oberhammer, EO³ § 35 Rz 52; Schneider in Mohr/Pimmer/Schneider,EO17 § 35 [Stand 1.7.2021, rdb.at]).

1.4 Der Kläger hat durch Vorlage der als Beilage ./P angeschlossenen Quittung ausdrücklich bescheinigt, die der Beklagten im Verfahren Cg2* (seit der gerichtsinternen Übertragung [ON 9] Cg1*) entstandenen Verfahrenskosten in Höhe von EUR 4.317,90 überwiesen zu haben. Aus dem angegebenen Verwendungszweck „KVZ Cg2*“ geht unmissverständlich hervor, dass die Zahlung ausdrücklich aufgrund des Kostenverzeichnisses der Beklagten erfolgte. Damit ist nachweislich der gesamte Kostenaufwand, der der Beklagten bis zur Klagsrücknahme entstanden ist, durch den Kläger vor der Entscheidung über den Kostenbestimmungsantrag beglichen worden. Die Zahlung wird auch durch die Beklagte in ihrem Kostenbestimmungsantrag bestätigt.

Vor diesem Hintergrund ist es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht „notwendig, für diese Zahlung auch einen Titel zu schaffen“. Der durch § 237 Abs 3 ZPO vorgesehene gesetzliche Kostenersatzanspruch ist mit der Zahlung des Klägers gemäß § 1412 ABGB erloschen. Die Erlangung eines Exekutionstitels hinsichtlich einer bereits erfüllten Forderung ist auch nicht „zur Vermeidung einer Rückforderung der Zahlung wegen Titellosigkeit“ erforderlich. Fällt der Rechtsgrund für die Zahlung nachträglich weg, entsteht ein Bereicherungsanspruch und den verhindert auch ein prophylaktischer „Reservetitel“ nicht, da selbst bei einer Zahlung unter dem Druck eines Exekutionsverfahrens immer noch ein Kondiktionsanspruch nach § 1431 ABGB möglich ist ( Jakusch in Angst/Oberhammer, EO³ § 35 Rz 68).

1.5 Folglich hätte das Erstgericht die bereits mit der Klagsrücknahme nachgewiesene Zahlung bei seiner Entscheidung berücksichtigen müssen. Indem es dies unterließ und dennoch über eine bereits getilgte Schuld einen Kostenbestimmungsbeschluss erließ, wurde unzulässigerweise für eine materiell nicht mehr bestehende Forderung ein Titel geschaffen.

2 Zusätzlich zu den bereits bezahlten Prozesskosten verzeichnete der Beklagtenvertreter in seinem Kostenbestimmungsantrag noch die Kosten für diesen Antrag, woraus die Differenz zwischen dem überwiesenen Betrag und den im gerichtlichen Beschluss festgesetzten Verfahrenskosten von EUR 199,26 resultiert.

Der Kläger moniert in diesem Zusammenhang die Zugrundelegung einer falschen Bemessungsgrundlage. Nach § 12 Abs 4 lit b RATG sei lediglich eine Bemessungsgrundlage von EUR 1.000,00 heranzuziehen. Der Beklagten stünde daher für den gegenständlichen Antrag nach TP 1 RATG nicht der im angefochtenen Beschluss zugesprochene Betrag von EUR 202,38 zu, sondern lediglich EUR 31,54. Die Differenz zwischen der bereits geleisteten Zahlung und der geltend gemachten Forderung in Höhe von EUR 199,26 wäre demnach um EUR 170,84 zu kürzen. Daraus ergebe sich zum Zeitpunkt der Antragstellung lediglich eine „Restschuld“ des Klägers in Höhe von EUR 28,42 (darin EUR 4,74 an USt).

2.1 Die Diskrepanz zwischen EUR 199,26 und EUR 202,38 sowie zwischen EUR 31,54 und EUR 28,42 resultiert daraus, dass die Beklagte in ihr Kostenverzeichnis keinen ERV-Zuschlag (zuzüglich 20% USt EUR 3,12) für den Kostenbestimmungsantrag aufnahm und deswegen dafür auch keine Kosten bestimmt wurden.

2.2Unstrittig ist ein Kostenbestimmungsantrag nach TP 1 RATG zu honorieren (so auch OGH 1 Ob 137/21k, 8 ObA 11/15y, 7 Ob 98/99h uvam). Die Bemessungsgrundlage richtet sich aber weder – wie von der Beklagten verzeichnet – nach dem Hauptanspruch noch – wie vom Kläger angedacht – nach dem Nebengebührenstreitwert des § 12 Abs 4 RATG. Einschlägig ist vielmehr § 11 Abs 1 RATG, also der Betrag, dessen Zuspruch beantragt wird (OGH 7 Nc 4/05f).

Das Honorar ist daher aufgrund der Einseitigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens (eine Äußerung zum Kostenbestimmungsantrag dient nur zur Geltendmachung einer Kostenvereinbarung [siehe Pkt 1.2]) unter Ausschluss der Quotenkompensation auf der Bemessungsgrundlage des zugesprochenen (des ersiegten) Kostenbetrags zu bestimmen ( Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.126).

2.3Da aber die Beklagte die gesamten bis zur Klagsrücknahme angefallenen Verfahrenskosten bereits durch die Zahlung des Klägers vollständig erhalten hat und das Erstgericht mangels Anspruchs keinen weiteren Titel darüber schaffen hätte dürfen (siehe Pkt 1), war ein zusätzlicher Kostenbestimmungsantrag schon von vornherein zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gemäß § 41 Abs 1 ZPO nicht erforderlich.

Zudem war im konkreten Fall kein „ersiegter Kostenbetrag“ im Sinne des § 11 Abs 1 RATG gegeben. Aus diesem Grund konnten auch keine weiteren Kosten auf Basis dieses Betrags zugesprochen werden.

Da der Kläger jedoch ungeachtet dessen in seiner Rekursschrift die Zahlung eines weiteren Betrags von EUR 28,42 ausdrücklich anerkannte, war der Beschluss wie ersichtlich abzuändern.

3 Rekurskosten wurden keine verzeichnet.

4Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO im Kostenpunkt jedenfalls unzulässig.