JudikaturOLG Linz

6R77/25y – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
05. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edeltraud Kraupa als Vorsitzende sowie Mag. Hermann Holzweber und Mag. Christine Mayrhofer in der Rechtssache der Klägerin und gefährdeten Partei A* GmbH , FN ***, **gasse **, **, vertreten durch Mag. Milan Glisic, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei B* GmbH , FN **, **straße **, **, vertreten durch die Barovsky Köhler Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Widerruf (Streitwert EUR 229.207,25) und Erlassung einer einstweiligen Verfügung über den Rekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 25. April 2025, (richtig:) Cg*-4, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Die Beklagte hat die Kosten ihres Rekurses endgültig selbst zu tragen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 30.000,--.

Der ordentliche Revisionrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung:

Die Parteien schlossen betreffend das Bauvorhaben C*straße ** einen Generalunternehmervertrag ab. Mit dem vereinbarten Entgelt von netto EUR 1.885.750,00 sollten die Leistungen nach dem Vertrag abgedeckt sein. Davon ausgenommen waren jedoch weitergehende Leistungen und Mehrkosten aufgrund von Änderungen durch die Beklagte. Hinsichtlich des Deckungsrücklasses war im Generalunternehmervertrag geregelt, dass von jeder Abschlagszahlung ein 10%-iger Deckungsrücklass einzubehalten ist, der durch eine Bankgarantie ablösbar ist. Die ÖNORM B 2110 wurde ausgeschlossen.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten den Widerruf der Inanspruchnahme der von der D* E* AG ausgestellte Bankgarantie vom 11.02.2025. Mit dem gleichzeitig mit der Klage gestellten Sicherungsantrag begehrt die Klägerin, der Beklagten jede weitere Verfügung über diese Bankgarantie und insbesondere die gänzliche oder teilweise Einziehung des Garantiebetrages von insgesamt EUR 229.207,25 zu untersagen, und der D* E* AG bis auf weitere gerichtliche Anordnung zu verbieten, den Betrag von EUR 229.207,25 aus der Inanspruchnahme der vorgenannten Bankgarantien gänzlich oder teilweise auszubezahlen oder sonst etwas zu unternehmen, was die Durchsetzung des Widerrufanspruches der Klägerin vereiteln oder erheblich erschweren könnte.

Dazu brachte die Klägerin zusammengefasst vor, die Beklagte habe die Bankgarantie am 27.3.2025 abgerufen, obwohl sie bereits am 10.3.2025 angekündigt habe, dass sie das Bauvorhaben spätestens mit 31.3.2025 im Wege der Ersatzvornahme durch Dritte fertigstellen lassen und am Generalunternehmervertrag nicht festhalten werde. Zu diesem Zeitpunkt sei die Baustelle bereits geräumt gewesen, weil sich die Beklagte geweigert habe, die Mehrkosten der Klägerin anzuerkennen. Die Beklagte habe mündlich mitgeteilt, dass sie mit dem Geld des Deckungsrücklasses die Ersatzvornahmen finanzieren werde. Mit dem am 2.4.2025 per E-Mail übermittelten Schreiben habe der Rechtsvertreter der Beklagten bekannt gegeben, dass der Generalunternehmervertrag mit sofortiger Wirkung beendet sei; in diesem Schreiben sei auch festgehalten worden, dass der Vertrag bereits durch die Räumung der Baustelle durch die Klägerin aufgelöst worden sei. Da zwischen den Streitteilen schon seit 10.3.2025 kein Vertragsverhältnis mehr bestehe, sei der Beklagten bei Inanspruchnahme der Garantie am 27.3.2025 bewusst gewesen, dass keine vertraglicher Grundlage mehr für einen Deckungsrücklass bestehe und der Garantiefall nicht eintreten könne. Die Rechnung, hinsichtlich derer der Deckungsrücklass gegen Vorlage der Bankgarantie an die Klägerin ausbezahlt worden sei, sei von der Beklagten in technischer, wirtschaftlicher und rechnerischer Hinsicht überprüft und mit dem Rechnungsbetrag anerkannt worden. Aufgrund der Freigabe der Rechnungen gebe es gar keine Unsicherheiten mehr über eine etwaige Abrechnungsungenauigkeit. Die Inanspruchnahme der Garantie durch die Beklagte sei daher rechtsmissbräuchlich erfolgt.

Mit dem angefochtenen Beschluss erließ das Erstgericht ohne Anhörung der Beklagten die beantragte einstweilige Verfügung .

Über den eingangs wiedergegebenen bescheinigten Sachverhalt hinaus, legte das Erstgericht seiner Entscheidung die auf den Seiten 2 bis 7 der Beschlussausfertigung ersichtlichen Feststellungen zu Grunde, auf welche gemäß § 526 Abs 3 iVm 500a ZPO verwiesen wird. Folgender auszugsweise wiedergegebener bescheinigter Sachverhalt ist für das Rekursverfahren noch wesentlich:

„Die Klägerin legte mit Rechnung vom 20.01.2025 die 16. Teilrechnung mit der Rechnungsnummer ** vor. Seitens der Beklagten wurde die 16. Teilrechnung in technischer, wirtschaftlicher und rechnerischer Hinsicht überprüft und mit dem Rechnungsbetrag anerkannt. Kumulierte Rechnungssumme war EUR 1.910.060,39 netto bzw. EUR 2.292.072,47 brutto und Teilrechnungssumme war EUR 14.579,46 brutto (die Freigabe erfolgte mit neuer Rechnungsnummer **). Als Information für die Buchhaltung wurde von der Beklagten auf dieser Teilrechnung festgehalten, dass der (Teil)Betrag von EUR 14.142,08 am 5.2.2025 anweisbar ist.

Die Beklagte wollte trotz Prüfung und Freigabe der Rechnung den Deckungsrücklass einbehalten und verlangte für die Auszahlung von EUR 229.207,25 die Vorlage einer Bankgarantie. Aus diesem Grund beauftragte die Klägerin die D* E* AG mit der Übernahme einer Bankgarantie zugunsten der Beklagten. Inhalt dieses (in der angefochtenen Entscheidung abgedruckten) Garantievertrags zwischen der Klägerin und der D* war die Besicherung des Deckungsrücklasses für die Teilrechnung ** (=Rechnung vom 20.01.2025 zu **; die Vergabe der neue Rechnungsnummer erfolgte anlässlich der Freigabe der Teilrechnung durch die Beklagte [siehe oben]).

Mit Mail vom 10.03.2025 teilte F* der Klägerin Folgendes mit:

„(…) Als Bauherrenvertreter möchte ich schon jetzt im Vorhinein festhalten, dass die vorgetragenen Vorwürfe dem Grunde und Höhe nach nicht anerkannt werden! Hier werden zwei unterschiedliche Projektaufträge mit unterschiedlichen Architekten und unterschiedlichen Bauaufsichten in einer pauschalen Beschreibung dafür verwendet Ihre wirtschaftliche Schieflage und die daraus ableitende Bauverzögerung zu erklären. Eine qualifizierte Ankündigung von Mehrleistung und daraus zu Folge eine Bauzeitverlängerung muss unmittelbar nach eintreten des Umstandes angekündigt werden! Wir haben wöchentliche Besprechungen abgehalten und laufend Besprechungsprotokolle angefertigt! Die Möglichkeit auf die in den Protokollen besprochenen Punkte zu antworten und etwaige Änderungen der vertraglich vereinbarten Leistungen anzuzeigen wurde bis Dato von Ihnen nicht genützt. (…). Für die B* GmbH, C*straße **, **, haben wir eine vertragliche Fertigstellung mit 30.09.2024 vereinbart, durch Zusatzaufträge und Auftragserweiterung wurde dann der 31.12.2024, belegt mit neuen Bauzeitenplan, vereinbart! Da bis Dato auch hier kein wesentlicher Fortschritt zur Fertigstellung ersichtlich wird, setzte ich hiermit eine Nachfrist bis 31.03.2025 die Arbeiten abzuschließen! Sollte danach noch Leistungen zu erbringen sein, werden Ersatzmaßnahmen eingeleitet und der Punkt 10. Pönale wird eingefordert!“

Mit dem vom Erstgericht in seiner Entscheidung abgedruckten Schreiben vom 27.3.2025 hat die Beklagte die Bankgarantie Nr. ** vom 11.02.2025 gegenüber der Rechtsvertretung der D* in Anspruch genommen.

Die Beklagte hat die Garantie nicht zur Sicherung von Abrechnungsungenauigkeiten verwendet, sondern um die Ersatzvornahme der vom Vertrag umfassten Arbeiten durch einen Dritten durchzuführen zu lassen; dies war ihr bereits zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Bankgarantien bewusst.

Am 2.4.2025 übermittelte der Beklagtenvertreter der Klägerin ein Schreiben, in dem er unter anderem mitteilte, dass die Arbeiten trotz Kenntnis des vereinbarten Fertigstellungstermins bereits vor Wochen eingestellt worden seien. Weiters hielt er in diesem Schreiben fest:

„1. Der vertraglich vereinbarte Fertigstellungstermin wurde nicht eingehalten.

2. Es werden seitens Ihres Unternehmens keinerlei Handlungen gesetzt, die einen Rückschluss zulassen, dass Ihrerseits Bestrebungen bestehen die vertraglich geschuldete Leistung zumindest zeitnah zu erbringen.

3. Durch die Räumung der Baustelle und Ihre damit im Zusammenhang stehende Weigerung Ihre vertraglichen Pflichten zu erfüllen, ist es seitens Ihres Unternehmens zu einer unberechtigten Vertragsauflösung gekommen und werden sie die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für diese zu tragen haben. Aufgrund der o.a. Gründe erklären wir namens und auftrags unserer Mandantin die SOFORTIGE Vertragsauflösung aus wichtigem Grund und wird diese die vertraglich geschuldete Leistung auf Kosten Ihres Unternehmens im Wege der Ersatzvornahme erbringen. Weiter behält sich unsere Mandantin ausdrücklich die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen vor.“

In seiner rechtlichen Beurteilunggab das Erstgericht zunächst (erkennbar) Teile der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 1 Ob 44/24p wieder und kam zum Schluss, durch den Wegfall des Generalunternehmervertrages bestehe keine vertragliche Grundlage mehr für den Einbehalt eines Deckungsrücklasses. Mit der Bankgarantie sei ausschließlich der Deckungsrücklass betreffend die Teilrechnung besichert worden. Die Beklagte habe die Garantie nicht (gemeint) wegen Abrechnungsungenauigkeiten in Anspruch genommen, sondern um hinsichtlich der noch offenen Arbeiten Ersatzvornahmen durchführen zu lassen. Dies sei der Beklagten zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Bankgarantie bewusst gewesen. Da die Gefährdung der Klägerin offenkundig sei, sei dem Sicherungsantrag stattzugeben gewesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Beklagten aus den Rekursgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem auf Abweisung des Sicherungsantrages gerichteten Abänderungsantrag.

In ihrer Rekursbeantwortung beantragt die Klägerin, dem Rekurs der Beklagten keine Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Tatsachenrüge

1.1.Um die Beweisrüge gesetzmäßig auszuführen, muss der Rechtsmittelwerber deutlich zum Ausdruck bringen, welche konkrete Feststellung bekämpft wird, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, welche Feststellung begehrt wird und aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen die begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre (vgl RS0041835; 9 ObA 262/99s; 10 ObS 129/02x; Kodek in Rechberger/Klicka 5§ 471 ZPO Rz 15).

Aufgrund der Beweisergebnisse kann das Gericht zu einem rechtlich relevanten Beweisthema eine positive Feststellung, eine negative Feststellung oder die Feststellung des Gegenteils treffen. Ausgehend von diesen drei Möglichkeiten hat der Berufungswerber darzutun, welche Ersatzfeststellung er begehrt (vgl. Pochmarski/Lichtenberg/Tanczos/Kober, Berufung in der ZPO 4S. 175). Es genügt nicht die "ersatzlose" Streichung einer Feststellung anzustreben (RS0041835 [T3]).

1.2. Die Beklagte gibt zunächst die gesamte Beweiswürdigung betreffend die (nicht ausdrücklich bekämpfte) Feststellung, derzufolge die Beklagte die Garantie nicht zur Sicherung von Abrechnungsungenauigkeiten verwendet, sondern um die Ersatzvornahme der vom Vertrag umfassten Arbeiten durch einen Dritten durchzuführen zu lassen, wieder und behauptet, das Erstgericht habe „ lediglich aufgrund der o.a. unrichtigen Feststellungen zu der nunmehr bekämpften Beweiswürdigung gelangen“ können.

Diese Ausführungen erfüllen die eingangs dargestellten Anforderungen an eine gesetzmäßig ausgeführte Tatsachenrüge nicht. Sie übergehen überdies, dass das Erstgericht nicht aufgrund von ihm getroffener Feststellungen, sondern auf Grundlage der von ihm angeführten Bescheinigungsmittel zum festgestellten Sachverhalt gelangt ist. Die vom Erstgericht getroffenen und von der Beklagten bekämpften Feststellungen sind – wie im Folgenden aufgezeigt werden wird – allesamt nicht zu beanstanden, weil sich diese unzweifelhaft aus den vom Erstgericht jeweils angeführten Urkunden ergeben.

Selbst wenn man davon ausgehen würde, die Beklagte hätte mit ihren Ausführungen eigentlich die mit der wiedergegebenen Beweiswürdigung begründete Feststellung bekämpfen wollen, wäre für sie nichts zu gewinnen: Denn die Beklagte hat es verabsäumt darzulegen, warum die der bekämpften Feststellung zu Grunde liegende Beweiswürdigung unrichtig sein soll, und welche Ersatzfeststellungen das Erstgericht aufgrund welcher Bescheinigungsmittel und welcher dazu angestellter Überlegungen treffen hätte müssen.

1.3. Die Beklagte bekämpft die Feststellungen „Die 14. Teilrechnung ** vom 11.11.2024 wurde von der Beklagten am 12.11.2024 in technischer, wirtschaftlicher und rechnerischer Hinsicht überprüft und mit dem Rechnungsbetrag anerkannt.“ (...) Die Beklagte wollte trotz Prüfung und Freigabe der Rechnung den Deckungsrücklass einbehalten und verlangte für die Auszahlung von EUR 229.207,25 die Vorlage einer Bankgarantie. Aus diesem Grund beauftragte die Klägerin die D* E* AG mit der Übernahme einer Bankgarantie zugunsten der Beklagten. Inhalt dieses Garantievertrages war die Besicherung des Deckungsrücklasses.“ und begehrt an deren Stelle die Feststellung „Infolge der Pauschalvereinbarung (Beilage ./A) gelangten mit der Teilrechnung geleistete und zukünftig zu leistende Arbeiten zur Abrechnung und wurde von der Klägerin zur Sicherung der Beklagten die verfahrensgegenständliche Garantie begeben um Abrechnungsungenauigkeiten abzusichern“

Die Tatsachenrüge ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil von der Beklagten im Rekurs nicht dargelegt wird, weshalb die den getroffenen Feststellungen zu Grunde liegende Beweiswürdigung des Erstgerichts, derzufolge sich die Feststellungen aus den in Klammer zitierten Urkunden ergeben – was auch tatsächlich der Fall ist – unrichtig sein soll.

Zudem korrespondiert die von der Beklagte begehrte Ersatzfeststellung „Infolge der Pauschalvereinbarung (Beilage ./A) gelangten mit der Teilrechnung geleistete und zukünftig zu leistende Arbeiten zur Abrechnung.“ nicht mit den bekämpften Feststellungen, weil diese weder etwas darüber aussagen, aufgrund welcher Grundlage die Teilrechnung gelegt, noch was damit abgerechnet wurde. Auch die ersatzweise begehrte Feststellung „Die Garantie wurde von der Klägerin zur Sicherung der Beklagten begeben, um Abrechnungsungenauigkeiten abzusichern“korrespondiert nicht mit den bekämpften Feststellungen, da diese lediglich (neutral) Auskunft darüber geben, was Inhalt des Garantievertrages war, nicht aber darüber, was die Intention der Klägerin war, als sie die Garantie in Auftrag gegeben hat. Nach der Rechtsprechung kommt es für die Auslegung des Begriffs „Deckungsrücklass“ auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl 6 Ob 107/17d). Hier geht aber ohnehin auch die Klägerin davon aus, dass es beim hier in Rede stehenden Deckungsrücklass (alleine) um „ die Sicherung von Abrechnungsungenauigkeiten geht“ (Seite 6 ff in ON 1); es ist daher hier unstrittig, wie der Begriff „Deckungsrücklass“ im Zusammenhang mit dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Generalunternehmervertrag zu verstehen ist.

Da keine gesetzmäßig ausgeführte Tatsachenrüge vorliegt, ist lediglich der Vollständigkeit halber anzumerken, dass der Behauptung der Beklagten, die Verrechnung sei „dual“ – teils für bereits erbrachte Leistungen, teils für erst zukünftig zu erbringende Leistungen – erfolgt, bereits der Wortlaut des in der Abrechnung enthaltenen Einleitungssatzes „Folgende erbrachte Leistungen rechnen wir wie folgt ab:“ entgegensteht (Beilage ./C).

Dem Argument der Beklagten, hätte die Beklagte die Rechnungssumme anerkannt, dann wäre sie nicht zum Einbehalt des Deckungsrücklasses berechtigt gewesen und wäre dieser wohl von der Klägerin gefordert worden anstatt eine Versicherungsgarantie zu begeben, steht der in der Rechnungskontrolle enthaltene Passus „Die Rechnung wurde in technischer, wirtschaftlicher und rechnerischer Hinsicht überprüft und mit dem Rechnungsbetrag anerkannt .“ (Beilagen ./C) entgegen. Im Übrigen steht dieser Argumentation auch der Umstand entgegen, dass sich hier die Klägerin gegen die Inanspruchnahme der Bankgarantien gerade mit dem Argument wehrt, dass es vor dem Hintergrund, dass die Beklagten die Rechnungen anerkannt habe, gar keine Abrechnungsungenauigkeiten mehr geben könne.

1.4. Die Beklagte bekämpft die vermeintliche „Feststellung“ „Mit E-Mail vom 10.03.2025 kündigte die Beklagte an, dass bei Nichteinhaltung des vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermins mit 31.03.2025 eine Ersatzmaßnahme eingeleitet wird.“ und meint, das Erstgericht hätte im Zusammenhang mit der Beilage ./G (gemeint wohl: Beilage ./E) lediglich die Feststellung zu treffen gehabt, dass die Klägerin bereits vor Ende der vertraglichen Frist in Verzug gewesen sei und daher eine Überzahlung der Klägerin jedenfalls nicht ausgeschlossen werden könne. Die Tatsachenrüge geht jedoch ins Leere, weil das Erstgericht die bekämpfte Feststellung gar nicht getroffen hat; das Erstgericht hat lediglich festgestellt, dass F* am 10.3.2025 ein E-Mail an die Klägerin geschrieben hat, und in der Folge dieses Schreibens bzw. die Urkunde Beilage ./E (auszugsweise) wortwörtlich wiedergegeben.

Abgesehen davon behauptet die Beklagte nicht einmal, dass sich die vom Erstgericht (tatsächlich) „im Zusammenhang mit der Beilage ./E“ getroffene Feststellung nicht aus der vom Erstgericht als Bescheinigungsmittel angeführten Beilage ./E ableiten ließe. Auch korrespondiert die begehrte Ersatzfeststellung nicht mit den vom Erstgericht tatsächlich „im Zusammenhang mit der Beilage ./E“ getroffenen Feststellungen, sodass die Beweisrüge im Ergebnis zu einem unzulässigen ersatzlosen Entfall von Feststellungen führt. Da keine gesetzmäßig ausgeführte Tatsachenrüge vorliegt, bleibt nur anzumerken, dass sich die bekämpfte Feststellung mit dem Inhalt der vom Erstgericht als Bescheinigungsmittel angeführten Urkunde Beilage ./E deckt.

1.5. Schließlich bekämpft die Beklagte die vermeintliche „Feststellung“ „Mit Email vom 02.04.2025 wurde der Klägerin mittels Schreiben der rechtsfreundlich vertretenen Beklagten die sofortige Vertragsauflösung aus wichtigem Grund kundgetan. Gleichzeitig hielt die rechtsfreundliche Vertretung der Beklagten fest, dass die Arbeiten durch die Klägerin bereits vor Wochen eingestellt wurden.“ , moniert, das Erstgericht lasse offenkundig die zeitlichen Zusammenhänge außer Acht und verschweige sich zur Frage, ob der erklärte Rücktritt berechtigt gewesen sei, und fordert ersatzweise die Feststellung, dass der Rücktritt jedenfalls vor Inanspruchnahme der Garantie erfolgt sei.

Auch insoweit geht die Tatsachenrüge von vornherein ins Leere, als das Erstgericht die von der Beklagten bekämpfte Feststellung gar nicht getroffen hat; das Erstgericht hat lediglich festgestellt, dass der Beklagtenvertreter der Klägerin am 2.4.2024 ein Schreiben übermittelt hat, und in der Folge den wesentlichen Inhalt dieses Schreibens (= Beilage ./F) wortwörtlich wiedergegeben.

Abgesehen davon liegt auch insoweit wiederum keine gesetzmäßig ausgeführte Tatsachenrüge vor, weil die bekämpften Feststellungen (selbst wenn man dabei zu Gunsten der Beklagten von den vom Erstgericht tatsächlich getroffenen Feststellungen ausgeht) nicht mit der begehrten Ersatzfeststellung korrespondieren und nicht dargelegt wird, weshalb sich die vom Erstgericht im Zusammenhang mit dem vom Beklagtenvertreter am 2.4.2025 an die Klägerin übermittelten Schreiben getroffenen Feststellungen nicht aus dem hiefür vom Erstgericht angeführten Bescheinigungsmittel – der Urkunde Beilage ./F – ergeben sollen. Da das Erstgericht die genannte Urkunde wortwörtlich wiedergegeben hat, bedarf es keiner weiteren Erörterung, dass die vom Erstgericht dazu getroffenen Feststellungen nicht zu beanstanden sind.

1.6. Abgesehen davon, dass die Tatsachenrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt ist, vermochten die Ausführungen der Beklagten keine Zweifel an der den bekämpften Feststellungen zu Grunde liegenden Beweiswürdigung zu erwecken; der Tatsachenrüge war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.

2. Zur Rechtsrüge

2.1.Vorauszuschicken ist, das die Beklagte die Rechtslage verkennt, wenn sie meint, für sie gelte das Neuerungsverbot im Rekursverfahren nicht, weil das Erstgericht die Einstweilige Verfügung ohne ihre Anhörung erlassen hat (vgl RS0002445 [T4], zuletzt 3 Ob 139/20t).

2.2.Soweit die Beklagte argumentiert, aus der Freigabe einer Zahlung könne nicht unisono auf die rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme einer Garantie geschlossen werden, übergeht sie die Feststellung, derzufolge die Beklagte die 16. Teilrechnung mit dem Rechnungsbetrag anerkannt hat, und die Beklagte die Garantie gar nicht wegen Abrechnungsungenauigkeiten betreffend die genannte Teilrechnung in Anspruch nimmt, sondern um mit dem Garantiebetrag Ersatzvornahmen durchführen zu lassen (US 6). Da die Rechtsrüge nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht, ist diese nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RS0043312 ua).

2.3.1. Der Vortrag der Beklagten auf den Seiten 13 bis 16 ihrer Rechtsmittelschrift lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Die Klägerin habe bereits Anfang März 2025 die Arbeiten weitgehend eingestellt, obwohl der vertraglich vereinbarte Zustand bei Weitem nicht hergestellt gewesen sei. In den hierauf zwischen den Streitteilen geführten Gesprächen habe die Klägerin mitgeteilt, dass sie in finanzielle Schieflage geraten sei und die Baustelle nicht fertigstellen könne. Sie habe der Beklagten eine Aufstellung übergeben, derzufolge zur Fertigstellung des Projektes per März 2025 noch ein Aufwand von EUR 141.960,-- erforderlich wäre. Eine Kostenschätzung der Beklagten habe jedoch ergeben, dass für die Fertigstellung ein Aufwand von EUR 410.400,-- erforderlich sei. Daraus, dass die Beklagte bis auf EUR 133.013,41 bereits den gesamten Werklohn laut Generalunternehmervertrag geleistet habe, ergebe sich, dass die Beklagte der Klägerin bereits um EUR 277.386,59 zu viel bezahlt habe, was eine Abrechnungsungenauigkeit darstelle. Da die Summe der Überzahlung die Garantie um gut EUR 50.000,-- übersteigen würde und daher selbst im Falle des Abrufs der Garantie noch immer eine Überzahlung von rund EUR 50.000,-- bestehen bleibe, könne nicht von einer Rechtsmissbräuchlichkeit ausgegangen werden. Dieser Vortrag verstößt gegen das Neuerungsverbot und ist daher im Rekursverfahren unbeachtlich.

2.3.2. Dies gilt auch für die Ausführungen der Beklagten auf den Seiten 16 bis 18 des Rekurses, welche sich wie folgt zusammenfassen lassen:

Die Klägerin habe mit einer am 17.3.2025 übermittelten Nachtragsrechnung zu Unrecht generierte Forderungen wegen Stehzeiten, Forcierungskosten und entgangenem Gewinn geltend gemacht. Dies offenkundig nur, um die per 4.4.2024 geltend gemachten Sicherstellungsansprüche gemäß § 1170b ABGB rechtfertigen zu können. Gleichzeitig habe die Klägerin den Vertragsrücktritt der Beklagten bestritten, ein aufrechtes Vertragsverhältnis behauptet und für den Fall, dass die geforderte Sicherstellung nicht geleistet werde, den Vertragsrücktritt erklärt. Daraus ergebe sich, dass die Klägerin zumindest am 4.4.2025 bis zum Ablauf des 18.4.2025 selbst von einem wirksamen Generalunternehmervertrag ausgegangen sei.

2.4.Rechtsmissbrauch liegt ua dann vor, wenn die Bankgarantie vom Begünstigten für ein Ereignis in Anspruch genommen wird, für das sie nicht übernommen wurde (RS0018027 [T9]; RS0005092 [T5]). Die Schutzwürdigkeit des Begünstigten aus einer Bankgarantie ist dann nicht mehr gegeben und Rechtsmissbrauch anzunehmen, wenn er eine Leistung in Anspruch nimmt, obwohl schon eindeutig feststeht, dass er keinen derartigen Anspruch gegen den Dritten hat und daher das Erhaltene jedenfalls sofort wieder herauszugeben hätte (RS0018006 [T1]). Für den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs kommt es auf den Wissensstand und die Beweislage im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Garantie an (RS0017042; zu allem: 1 Ob 44/24z)).

2.5. Wie bereits oben unter Punkt 1.3. dargelegt wurde, gehen hier die Streitteile übereinstimmend davon aus, dass der Deckungsrücklass, dessen Besicherung in der Garantie ausdrücklich als Haftungsgrund in Bezug auf eine konkrete Teilrechnung genannt wurde, nur der Sicherung von Abrechnungsungenauigkeiten im Zusammenhang mit der in der Garantie konkret genannten Teilrechnung dienen sollte. Da die Beklagte die Garantiesumme nach dem bescheinigten Sachverhalt gar nicht wegen einer Abrechnungsungenauigkeit der Teilrechnung Nr.: ** abgerufen hat, ist die Inanspruchnahme der Garantie durch die Beklagte bereits aus diesem Grund als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren.

2.6.1. Es erübrigt sich daher auf die Frage einzugehen, ob es durch die von der Beklagten behauptete Weigerung der Klägerin, ihre vertraglichen Pflichten zu erfüllen, zu der von der Klägerin im Schreiben vom 2.4.2025 behaupteten Vertragsauflösung durch die Klägerin gekommen ist. Auch bedarf es keiner Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass die Inanspruchnahme der Garantie durch die Beklagte zwar bereits mit Schreiben vom 27.3.2025 erfolgt ist (wann die diesbezügliche Erklärung der D* zugegangen ist, ergibt sich aus dem bescheinigten Sachverhalt nicht), die Beklagte jedoch bereits sechs Tage später am 2.4.2025 gegenüber der Klägerin die sofortige Vertragsauflösung aus wichtigem Grund erklärt hat.

2.6.2.Lediglich der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 1 Ob 44/24p hinzuweisen:

Darin hat der Oberste Gerichtshof festgehalten, dass die dortige Werkbestellerin auf der Grundlage des bescheinigten Sachverhalts gemäß § 918 Abs 1 ABGB unter Setzung einer angemessenen Nachfrist berechtigt und wirksam vom Vertrag zurückgetreten sei und dazu erläutert, dass dieser Rücktritt die Auflösung des Vertrags – allerdings mit obligatorischer Wirkung – zwischen den Vertragsparteien ex tunc zur Folge habe und die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem aufgehobenen Vertrag rückwirkend auf den Abschlusszeitpunkt erlöschen lasse. Erfüllungsansprüche bestünden nicht mehr; bereits erbrachte Leistungen, allenfalls ihr Wert seien bereicherungsrechtlich herauszugeben. Dazu, dass die dortige Werkunternehmerin die ihr von der Werkbestellerin in Form einer Bankgarantie geleistete Sicherstellung gemäß § 1170b ABGB im Zusammenhang mit einer erst (etwa drei Wochen) nach Vertragsrücktritt gelegten Schlussrechnung, deren Bezahlung von der dortigen Werkbestellerin verweigert wurde, abgerufen hatte, nahm der Oberste Gerichtshof nicht gesondert Stellung. Der Oberste Gerichtshof hat aber an anderer Stelle in der genannten Entscheidung betont, dass bei einer abstrakten Bankgarantie der Garantievertrag vom Bestand der gesicherten Hauptschuld grundsätzlich unabhängig sei, es gerade der Sinn einer solchen Garantie sei, dem Begünstigten eine sichere und durch Einwendungen nicht verzögerte Zahlung zu gewährleisten und Streitigkeiten erst nach der Zahlung abgewickelt werden sollten. Daraus kann geschlossen werden, dass die Auflösung eines (Werk)Vertrages infolge eines Rücktritts gemäß § 918 Abs 1 ABGB weder den Bestand von aus diesem Vertragsverhältnis heraus gewährten Garantien berührt, noch dem aus der Garantie Begünstigten von vornherein die Berechtigung nimmt, diese abzurufen.

Umso mehr kann hier dahingestellt bleiben, ob auch die von der Beklagten am 2.4.2025 gegenüber der Klägerin erklärte Vertragsauflösung aus wichtigem Grund wie ein Rücktritt nach § 918 Abs 1 ABGB eine Auflösung des gesamten Vertrages mit obligatorischer Wirkung zwischen den Vertragsparteien ex tunc zur Folge hat und sämtliche gegenseitige Rechte und Pflichten aus dem aufgehobenen Vertrag rückwirkend auf den Abschlusszeitpunkt erlöschen hat lassen (vgl zu dieser Problematik allgemein Brandstätter , Zum Rücktrittsrecht vom Werkvertrag aus wichtigem Grund, JBl 2024, 504).

3. Dem Rekurs war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.

4.Die Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung stützt sich auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten des Rekurses auf die §§ 402 Abs 4, 78 EO sowie 50 Abs 1 und 41 ZPO.

5. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes orientiert sich am in der Garantieerklärung angegebenen Garantiebetrag.

6.Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses liegen nicht vor, weil die Entscheidung des Rekursgerichts von den Umständen des Einzelfalls und nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO abhing (vgl RS0017997 [T5]).