12Ra15/25z – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Barbara Jäger als Vorsitzende, Mag. Nikolaus Steininger, LL.M. und Dr. Dieter Weiß als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Herwig Mayer, MBA (Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Michael Dorrer (Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, selbständig, **, **-Straße **, vertreten durch Mag. Christian Maurer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei B* GmbH , FN **, **, **straße **, vertreten durch die Hasch und Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen EUR 15.830,88 brutto sA , über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Jänner 2025, Cga*-11, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:
„ Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 15.830,88 brutto samt 13,08 % Zinsen seit 1. Juni 2024 binnen 14 Tagen zu zahlen.
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 5.038,02 (darin EUR 707,67 USt und EUR 792,00 Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen. “
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.046,12 (darin EUR 304,52 USt und EUR 1.219,00 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war von 4. Mai 2009 bis 31. Mai 2024 bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Klägers. Zu Beginn des Monats Mai 2024 hatte der Kläger einen Anspruch auf 34,4 Urlaubstage. Mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung Mai 2024 zahlte die Beklagte dem Kläger eine Urlaubsersatzleistung im Ausmaß von 18,4 Tagen aus.
Mit Klage vom 3. Oktober 2024 begehrte der Kläger EUR 15.830,88 brutto sA an restlicher Urlaubsersatzleistung für 16 Tage. Mit dem Geschäftsführer der Beklagten sei eine Dienstfreistellung und kein Urlaubsverbrauch in der Kündigungsfrist vereinbart worden.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass der Kläger vereinbarungsgemäß den Urlaub konsumiert habe.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab. Seiner Entscheidung legte es folgende, für das Berufungsverfahren wesentliche Feststellungen zugrunde:
Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis in der letzten Aprilwoche 2024 fristgerecht zum 31. Mai 2024. Am 3. Mai 2024 fand eine gemeinsame Besprechung zwischen dem damaligen und dem nunmehrigen Geschäftsführer der Beklagten sowie dem Kläger statt, um die Übergabe der Agenden zu regeln. Zu Beginn des Gesprächs wurde der Kläger zu seinem Kündigungsgrund befragt. Der jetzige Geschäftsführer der Beklagten bemühte sich erfolglos, den Kläger davon zu überzeugen, seine Kündigung zurückzuziehen. Der Kläger fragte, ob er noch in die Firma kommen oder ob er ab sofort zu Hause bleiben solle, woraufhin sich der Geschäftsführer der Beklagten und sein Nachfolger berieten. Der jetzige Geschäftsführer äußerte, dass er den Kläger möglicherweise noch einige Tage benötigen werde, womit dieser einverstanden war. Der Geschäftsführer meinte, dass der Kläger über ein ausreichendes Urlaubsguthaben verfüge und er sich diesbezüglich noch mit ihm besprechen werde. Der Geschäftsführer stellte den Kläger nicht dienstfrei, forderte ihn aber auf, Zutrittskarte und Schlüssel abzugeben. Der Kläger kam dieser Aufforderung nach. Das Gespräch wurde damit beendet, dass sich der Kläger und der jetzige Geschäftsführer am 6. Mai 2024 noch einmal treffen werden.
Bei diesem Termin übergab der Kläger ua seinen Dienstlaptop samt Zubehör und legte dem jetzigen Geschäftsführer eine von ihm vorbereitete Gesprächsnotiz vor, die in ihrem ersten Teil wie folgt lautet:
3.5.: 9.00 Uhr Abschlussgespräch [...]. Es wurde vereinbart, dass ich [...] nach der heutigen Freistellung noch 3x für einen Informationsaustausch zur Verfügung stehe. Wenn nötig - in Absprache auch noch öfters.
Ich übergebe folgendes an die beiden Herren:
3.5. 1x Schlüssel [...]
3.5. 1x Gimpl) und Zutrittskarte
6.5. Laptop inkl. Tasche und Stromkabel
Der Kläger forderte die Unterfertigung der Gesprächsnotiz. Der nunmehrige Geschäftsführer wies den Kläger mehrmals darauf hin, dass er noch nicht zum Geschäftsführer der Beklagten bestellt und nicht zeichnungsberechtigt sei. Er machte den Kläger auch darauf aufmerksam, dass er nicht befugt sei, eine Freistellung – wie in der Gesprächsnotiz angeführt – zu entscheiden und dass der Kläger diesen Punkt mit dem Geschäftsführer besprechen müsse. Er leistete dann aber doch die Unterschrift, weil er keinen Konflikt mit dem Kläger wollte und die Hoffnung hatte, dass sich der Kläger seine Kündigung noch einmal überlegen werde. Er vereinbarte mit dem Kläger, dass dieser noch am 14. und 15. Mai 2024 für die Übergabe der Agenden zur Verfügung stehe, wobei der Kläger einen dieser Termine dann aus privaten Gründen verschob.
Am 29. Mai 2024 stellte der Kläger sein Dienstfahrzeug, eine Tank- und Kreditkarte sowie ein Tablet an die Beklagte zurück.
In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht von einer konkludent getroffenen Urlaubsvereinbarung aus. Beim Gespräch am 3. Mai 2024 habe der Geschäftsführer der Beklagten objektiv zum Ausdruck gebracht, dass ein Verbrauch des offenen Resturlaubs gewünscht werde und dem Kläger eine Vereinbarung über den Verbrauch des Resturlaubs bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses angeboten. Mit Ausnahme bereits vereinbarter Termine sei der Kläger im Mai 2024 nicht mehr zur Arbeit erschienen. Da am 3. Mai 2024 keine Freistellung des Klägers erfolgt sei, habe sein Fernbleiben ab 7. Mai 2024 nur so verstanden werden können, dass er mit einem Urlaubsverbrauch einverstanden sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers aus den Berufungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung keine Folge zu geben.
Die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu behandelnde Berufung ist berechtigt .
Rechtliche Beurteilung
1 Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung, wonach er vom Geschäftsführer nicht dienstfrei gestellt worden sei, und begehrt ersatzweise eine entsprechende positive Feststellung. Dass keine Freistellung vom Dienst ausgesprochen bzw verbalisiert wurde – nur so kann die bekämpfte Feststellung verstanden werden –, gab der Kläger selbst zu Protokoll (ON 10.2 S 3) und für eine gegenteilige Annahme liegen keinerlei Beweisergebnisse vor. Wenn der Kläger ins Treffen führt, dass er seine ganzen Sachen abgeben musste und keine Beweisergebnisse für eine Urlaubsvereinbarung sprechen würden, sodass nur von einer Dienstfreistellung ausgegangen werden könne, spricht er in Wahrheit die (Rechts-)Frage des Vorliegens einer schlüssigen Dienstfreistellung an.
2 In der Rechtsrüge vertritt der Kläger, dass es auf Basis der getroffenen Feststellungen zu keinem (konkludenten) Abschluss einer Urlaubsvereinbarung gekommen sei. Dieser Rechtsansicht ist zuzustimmen.
2.1Nach § 4 Abs 1 UrlG ist der Zeitpunkt des Urlaubsantritts zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer unter Rücksichtnahme auf die Erfordernisse des Betriebs und die Erholungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers zu vereinbaren. Die Festsetzung des Urlaubs bedarf damit zwingend einer Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer (RIS-Justiz RS0070760). Der Arbeitgeber kann deshalb auch während der Kündigungsfrist den Urlaub nicht einseitig anordnen (OGH 9 ObA 149/21h [Rz 9]; vgl Reissnerin ZellKomm³ § 4 UrlG Rz 4 mwN).
2.2Eine Urlaubsvereinbarung ist aber an keine bestimmte Form gebunden; sie kann auch konkludent iSd § 863 ABGB zustande kommen (vgl RIS-Justiz RS0053087). Nach dieser Bestimmung können Willenserklärungen nicht nur ausdrücklich, sondern auch schlüssig erfolgen. Eine schlüssige Willenenserklärung setzt ein Verhalten voraus, das nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist; es darf kein vernünftiger Grund für Zweifel an einem bestimmten Rechtsfolgewillen des Erklärenden bestehen (RIS-Justiz RS0013947, RS0014150; Bollenberger/P. Bydlinski in KBB 7§ 863 ABGB Rz 6 mwN). Maßgeblich ist dabei der Empfängerhorizont; die Erklärung gilt so, wie sie ein redlicher Empfänger verstehen durfte. Es kommt auf den objektiven Erklärungswert und nicht auf den Willen des Erklärenden oder das tatsächliche Verständnis des Empfängers an (RIS-Justiz RS0113932, RS0014160; Bollenberger/P. Bydlinski in KBB 7§ 863 ABGB Rz 3 mwN).
2.3 Nach den erstgerichtlichen Feststellungen sprach der Geschäftsführer der Beklagten in der Besprechung am 3. Mai 2024 weder eine Dienstfreistellung aus, noch forderte er den Kläger (ausdrücklich) zum Urlaubsverbrauch auf. Er wies lediglich darauf hin, dass der Kläger über ausreichendes Urlaubsguthaben verfüge und er sich diesbezüglich mit dem Kläger besprechen werde. Diese Äußerung könnte nun im Zusammenhang mit der Frage des Klägers, ob er während der Kündigungsfrist arbeiten oder zuhause bleiben solle, tatsächlich als Aufforderung zum Urlaubsverbrauch verstanden werden; genauso könnten diese Worte jedoch auch dahin ausgelegt werden, dass über das Urlaubsguthaben noch gesprochen werden muss. Zudem forderte der Geschäftsführer den Kläger auf, die Zutrittskarte und den Schlüssel abzugeben, was als Dienstfreistellung aufgefasst werden könnte. Die Worte des Geschäftsführers der Beklagten sind damit aber nicht zweifelsfrei als Anbot an den Kläger zu deuten, während der Kündigungsfrist Urlaub zu nehmen.
2.4 Schon daran muss das Zustandekommen einer konkludenten Urlaubsvereinbarung scheitern. Der Kläger hat demnach einen Anspruch auf eine Urlaubsersatzleistung für 16 Tage, deren Höhe außer Streit steht.
3 Der Berufung war daher schon aus rechtlichen Überlegungen Folge zu geben. Ein näheres Eingehen auf die Beweisrüge erübrigt sich.
4Die Kostenentscheidung erster Instanz gründet auf § 41 ZPO, jener der zweiten Instanz auf §§ 50, 41 ZPO.
5Die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist nicht zulässig, da die Frage des Vorliegens einer konkludenten Urlaubsvereinbarung nur aufgrund der konkreten Umstände im Einzelfall beantwortet werden kann (RIS-Justiz RS0043253).