JudikaturOLG Linz

6R180/24v – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
27. Januar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edeltraud Kraupa als Vorsitzende sowie Dr. Karin Gusenleitner-Helm und Mag. Hermann Holzweber in der Rechtssache des Klägers A*, geboren am **, Angestellter, **gasse **, **, vertreten durch Pallauf Partner Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die Beklagte B* Gesellschaft mbH, FN **, **-Straße **, **, vertreten durch die BPPA Brandstetter Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 19.070,00 sA und Feststellung (Streitwert EUR 5.000,00), über die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 29. Oktober 2024, Cg*-54, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, dass es in einem Spruchpunkt 3. zu lauten hat:

Das Begehren nach Zahlung weiterer EUR 520,00 samt 4% Zinsen aus EUR 15.070,00 vom 12. August 2022 bis 23. August 2022 und aus EUR 520,00 seit 9. Juli 2024 wird abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger binnen 14 Tagen EUR 2.613,72 (darin EUR 435,62 USt) an Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt insgesamt EUR 30.000,00.

Die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger rutschte am 2. Mai 2022 an seinem Arbeitsplatz nach einer durchgeführten Nassreinigung des Ganges aus und verletzte sich an der rechten Schulter schwer. Die Beklagte war von der Dienstgeberin des Klägers mit den Reinigungsarbeiten beauftragt, wobei sie die Unterhaltsreinigung bereits „eine Zeit lang“ vor dem Unfall des Klägers ausführte. Eine Mitarbeiterin der Beklagten reinigte die Gänge und das Stiegenhaus dreimal wöchentlich, montags, mittwochs und freitags, wobei „dies allerdings keine fixen Tage“ sind. Zeitlich wurden die Gänge und das Stiegenhaus üblicherweise nicht am Vormittag nass gereinigt.

Der Kläger begehrte von der Beklagten zuletzt Schadenersatz von EUR 19.070,00 (Schmerzengeld EUR 19.000,00 und Spesen EUR 70,00) sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche Spät- und Dauerfolgen aufgrund des Sturzes. Er brachte dazu zusammengefasst vor, der Fußboden des Ganges sei aufgrund von Reinigungsarbeiten einer Mitarbeiterin der Beklagten nass gewesen, ohne dass auch im Bereich des Büros des Klägers ein Warnschild auf die Rutschgefahr aufmerksam gemacht hätte. Das aufgestellte Warnschild sei für den Kläger nicht ersichtlich gewesen. Es liege eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor. Für den Kläger sei nicht erkennbar gewesen und er habe auch nicht damit rechnen müssen, dass der Boden des Ganges derart rutschig sei, dass ein gefahrloses Betreten unmöglich sei. Die Dienstnehmerin der Beklagten treffe das Alleinverschulden am Sturz, die Beklagte habe dafür einzustehen. Der Kläger habe weder gewusst noch wissen müssen, dass der Boden unmittelbar vor seinem Sturz gewischt worden sei. Es sei nicht üblich, dass der Fußboden des Ganges am frühen Vormittag eines Arbeitstages, an dem reger Betrieb im Bürohaus herrsche, gewischt werde. Die Aufstellung eines Warnschildes im Bereich des Büros des Klägers sei auch möglich und zumutbar gewesen.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wandte im Wesentlichen ein, dass bei ihr nur bestens geschulte Reinigungskräfte eingesetzt würden und es auszuschließen sei, dass eine Reinigung nicht sachgemäß durchgeführt werde. Am Unfalltag sei das gelbe Hinweisschild „Achtung Rutschgefahr“ gut sichtbar aufgestellt gewesen. Dem Kläger seien als Mitarbeiter ihres Auftraggebers die Reinigungszeiten bekannt gewesen, ebenso, dass eine Reinigung am Vorfallstag im Gange sei. Insofern sei die Aufstellung von Warnschildern in jedem Eck des Büros nicht notwendig und nicht zumutbar gewesen. Tatsächlich sei der Kläger telefonierend und gestresst durch den zu reinigenden Raum gelaufen und habe weder auf den Boden noch das Hinweisschild geachtet. Der Kläger trage somit das alleinige Verschulden am Unfall, jedenfalls ein grobes Mitverschulden, hätte er bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen können, dass der Boden noch feucht sei und durch entsprechende Vorsicht den Schadenseintritt verhindern können. Der Boden sei aufgrund der zwischen den Vertragsparteien festgelegten Reinigungszeiten jeden Montag zwischen 8.30 Uhr und 9.30 Uhr gereinigt worden. Dies sei allen Mitarbeitern des Auftraggebers bekannt gewesen und habe der Kläger ihre Mitarbeiterin mit den Reinigungsutensilien auch konkret vor seinem Sturz bei den Reinigungsarbeiten im Gang gesehen. Wenn der Kläger tatsächlich „gar nicht habe schauen können und schon seien ihm die Füße weggezogen worden“, lasse sich daraus ableiten, dass ein Warnschild am Gang bei den Büros am Unfall nichts geändert hätte. Daher liege mangelnde Kausalität für das Aufstellen eines Schildes vor.

Nachdem das Erstgericht im ersten Rechtsgang die Beklagte zur Zahlung von EUR 18.550,00 sA verpflichtete und die Haftung der Beklagten für sämtliche Spät- und Dauerfolgen aufgrund des Sturzes feststellte, hob dieses Berufungsgericht die Entscheidung zur Ergänzung der Feststellungen auf.

Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagte auch im zweiten Rechtsgang zur Zahlung von EUR 18.550,00 sA und stellte fest, dass sie dem Kläger für sämtliche Spät- und Dauerfolgen aufgrund seines Sturzes am 2. Mai 2022 hafte. Eine ausdrückliche (aber inhaltlich offenkundig angestrebte) Abweisung des Mehrbegehrens von EUR 520,00 samt einem Zinsenmehrbegehren erfolgte seitens des Erstgerichts trotz entsprechenden Hinweises dieses Berufungsgerichtes in seinem Beschluss vom 29. August 2024, 6 R 114/24p, neuerlich nicht.

Neben dem eingangs bereits wiedergegebenen Sachverhalt legte das Erstgericht seiner Entscheidung die auf Urteilsseite 4 bis 6 ersichtlichen Feststellungen zugrunde, auf die gemäß § 500a ZPO verwiesen werden kann. Hervorzuheben sind zum Unfallgeschehen folgende Feststellungen:

Am 2. Mai 2022 begann die Mitarbeiterin der Beklagten um zirka 8.30 Uhr zu reinigen. Das Warnschild wurde vor dem Lift aufgestellt. Das Büro des Klägers befindet sich ums Eck des Liftes und ist das – wie auf dem nachfolgenden Lichtbild ersichtlich - am Ende des Ganges links gelegene.

Das an dieser Stelle dargestellte Lichtbild wurde entfernt.

Der Kläger kam am 2. Mai 2022 um 8.00 Uhr ins Büro und hatte die Tür nicht offen, sondern angelehnt. Am Gang hat er niemanden gesehen. Als er sich zirka gegen 8.45 Uhr in der Kantine etwas zu trinken holen wollte, ging er aus dem Büro hinaus, setzt einen Schritt aus der Türe (sohin auf den Gang) raus und riss es ihm in diesem Moment diesen Fuß nach vorne. Aufgrund dessen ist er gestürzt. Der Boden war nass.

Es kann nicht festgestellt werden, ob der Kläger ein im Gang aufgestelltes Hinweisschild erkennen und entsprechend reagieren hätte können. Für den Kläger war die Nässe des Bodens nicht erkennbar.

Das beim Lift aufgestellte Warnschild war für ihn nicht erkennbar, als er aus seinem Büro herausging. Vom Büro aus kann der Kläger das Warnschild nicht sehen. Der Kläger ist mit dem Lift ins Büro gefahren, dort war aber noch kein Warnschild aufgestellt.

Die Mitarbeiterin der Beklagten hatte zum Zeitpunkt, als der Kläger stürzte, bereits vor seinem Büro gewischt. Der Boden war zum Vorfallszeitpunkt sehr feucht gewischt.

Im Rahmen der Beweiswürdigung traf das Erstgericht noch die dislozierte Feststellung, wonach der Kläger aufgrund des feuchten Bodens ausgerutscht ist und er nicht damit rechnen konnte (vgl zur Behandlung als Tatsachenfeststellung RS0043110).

Rechtlich verwies das Erstgericht wie bereits im ersten Rechtsgang – die ihm vom Berufungsgericht im Aufhebungsbeschluss überbundene rechtliche Beurteilung schlicht ignorierend – auf die §§ 1295 Abs 1, 1311 ABGB, welche Bestimmungen es als Haftungsgrundlage ansah. Im Übrigen setzte es sich nur mit dem Mitverschuldenseinwand der Beklagten auseinander und verneinte eine Sorglosigkeit des Klägers gegenüber seinen eigenen Gütern, sei er sofort beim ersten Schritt aus seinem Büro auf den Gang ausgerutscht. Ausgehend von den Feststellungen zu den erlittenen Verletzungen und zu Dauer- und Spätfolgen sprach das Erstgericht dem Kläger Schmerzengeld von EUR 18.480,00 und Spesen von EUR 70,00 zu und stellte die Haftung der Beklagten für sämtliche Spät- und Dauerfolgen fest.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung, verbunden mit dem Antrag auf gänzliche Klagsabweisung; hilfsweise wird auch ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt die Beklagte, dass das Erstgericht im zweiten Rechtsgang die im Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes eingeforderten präzisen Feststellungen zum Sturzgeschehen einerseits und zur Reaktionsmöglichkeit des Klägers bei ausreichendem Warnhinweis andererseits ohne Verfahrensergänzung getroffen hat. Dadurch sei es zu widersprüchlichen Feststellungen gekommen.

Richtig ist, dass das Erstgericht den Sachverhalt im zweiten Rechtsgang auf Basis der bereits vorliegenden Beweisergebnisse ohne Verfahrensergänzung feststellte. Dies stellt schon deshalb keinen Verfahrensmangel dar, da das Berufungsgericht in seinem Aufhebungsbeschluss bereits festhielt, dass es dem pflichtgemäßen Ermessen des Erstgerichtes vorbehalten bleibt, ob es eine ergänzende Aufnahme der Beweise für erforderlich erachtet. Das Erstgericht hat bereits im ersten Rechtsgang sämtliche beantragten Personalbeweise aufgenommen und lagen auch Beweisergebnisse zu den im zweiten Rechtsgang zusätzlich getroffenen Feststellungen vor. Ein Stoffsammlungsmangel kann dem Erstgericht insofern nicht angelastet werden. Inwiefern eine allfällige Widersprüchlichkeit von Feststellungen durch eine Verfahrensergänzung hätte hintangehalten werden können, erschließt sich dem Berufungsgericht nicht und vermag auch die Beklagte nicht dazulegen.

Tatsächlich kann das Berufungsgericht auch keine Widersprüchlichkeit der Urteilsfeststellungen mehr erkennen. Die Beklagte sieht einen Widerspruch zwischen der Feststellung: „ [Der Kläger] ging aus dem Büro hinaus, setzt einen Schritt aus der Türe (sohin auf den Gang) raus und riss es ihm [in] diesem Moment diesen Fuß nach vorne“ und der Negativfeststellung „ Es kann nicht festgestellt werden, ob der Kläger ein im Gang aufgestelltes Hinweisschild erkennen und entsprechend reagieren hätte können“. Wenn der Kläger nämlich sofort beim ersten Schritt aus seinem Büro auf dem Gang ausgerutscht wäre, hätte er – so die Beklagte - selbst bei ausreichender Kennzeichnung der Nassreinigung durch ein Hinweisschild im Gang nicht reagieren können und wäre ebenso gestürzt. Dies folge umso mehr aus der vom Erstgericht im Rahmen der Beweiswürdigung angestellten Überlegung, wonach der Kläger nach einem Schritt auf den Gang gestürzt sei und er den Gang nicht hätte überblicken können.

Beide Feststellungen sind jedoch bei genauer Betrachtung nicht unvereinbar. Die Örtlichkeit wird durch das in das Urteil aufgenommene Lichtbild ./A wiedergegeben. Ersichtlich ist darauf, dass die jeweiligen Zimmertüren nach innen zu öffnen sind. Der Kläger konnte also bei Verlassen seines Büros nicht sogleich mit dem Öffnen der Bürotür einen Schritt auf den Gang setzen, wie dies bei Öffnungsrichtung des Türblatts nach außen möglich wäre; vielmehr schwingt das Türblatt bei Öffnungsrichtung nach innen zunächst in den Raum hinein, was bedeutet, dass der Kläger während des Öffnens der Tür wieder in den Raum (zurück-)treten musste, allerdings der Blick auf einen Teil des Gangs bereits eröffnet war, bevor er überhaupt einen Schritt hinaus auf den Gang setzen konnte. Der Kläger hätte daher sehr wohl – je nach Positionierung des Warnschildes – ein solches erkennen und noch darauf reagieren können, sodass eine Widersprüchlichkeit des Urteils insofern nicht gegeben ist.

In der Tatsachenrüge bekämpft die Beklagte dann auch die Negativfeststellung, wonach nicht festgestellt werden kann, ob der Kläger ein im Gang aufgestelltes Hinweisschild erkennen und entsprechend reagieren hätte können und begehrt die Positivfeststellung, dass der Kläger keine Möglichkeit gehabt hätte, ein im Gang aufgestelltes Hinweisschild zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Wie bereits zur Verfahrensrüge ausgeführt, liegt die von der Beklagten aufgezeigte Widersprüchlichkeit nicht vor, da angesichts der Öffnungsrichtung der Tür durchaus je nach Positionierung des Warnschildes die Möglichkeit bestand, dieses zu erkennen und darauf zu reagieren, bevor tatsächlich auf den Gang getreten wird. Dass der Kläger sofort nach einem Schritt auf den Gang stürzte und er in diesem Sinn dann keine Möglichkeit mehr hatte, den gesamten Gang zu überblicken, ändert nichts am Umstand, dass er während des Öffnens des Türblatts nach innen eine Blickmöglichkeit auf einen Teilbereich des Ganges hatte. Wäre in diesem Bereich das Warnschild aufgestellt gewesen, dann wäre es auch für ihn erkennbar gewesen. Da also die Erkennbarkeit eines Warnschildes und Reaktionsmöglichkeit des Klägers von der Positionierung eines solchen Schildes abhängt, konnte das Erstgericht ausgehend von den vorliegenden Beweisergebnissen lediglich eine Non-liquet-Feststellung treffen, die somit der Plausibilitätskontrolle standhält. Damit erweist sich auch die Tatsachenrüge als unberechtigt.

In der Rechtsrüge geht die Beklagte zunächst zutreffend davon aus, dass sie keine deliktische Haftung treffe.

Dieses Berufungsgericht hat bereits im ersten Rechtsgang ausführlich begründet, dass eine Haftung der Beklagten ex delicto ausscheidet. Auf die dazu getätigten Ausführungen im Aufhebungsbeschluss dieses Berufungsgerichtes vom 29. August 2024, 6 R 114/24p, kann daher verwiesen werden. Auch der Kläger wendet sich zutreffend nicht gegen diese Rechtsauffassung.

Vielmehr ist der Kläger – wie ebenfalls bereits im Aufhebungsbeschluss von diesem Berufungsgericht ausführlich begründet – im Unfallzeitpunkt in den Schutzbereich des zwischen dem Arbeitgeber des Klägers und der Beklagten geschlossenen Reinigungsvertrages gefallen und kann daher vertragliche Ansprüche geltend machen. Die Beklagte hat dem Kläger gegenüber also für allfällige schuldhafte Pflichtverletzungen ihrer Mitarbeiter gemäß § 1313a ABGB nach vertraglichen Grundsätzen einzustehen.

Entsteht im Rahmen eines Vertragsverhältnisses eine besondere Gefahrenlage, so kommt eine Haftung des Verantwortlichen aus der Verletzung vertraglicher Verkehrssicherungspflichten in Betracht. Beim Abschluss eines Vertrags richten sich die Verkehrssicherungspflichten des Sicherungspflichtigen in erster Linie nach Vertragsrecht (RS0023714 [T3]). Ihn trifft die nebenvertragliche Verpflichtung, die Sicherheit der befugten Benützer zu gewährleisten (RS0023575). Der Sicherungspflichtige muss den Verkehrsbereich für die befugten Benützer in sicherem und gefahrlosem Zustand erhalten und diese vor Gefahren schützen. Die Anforderungen an die allgemeine Verkehrssicherungspflicht dürfen aber nicht überspannt werden, weil sie sonst zu einer in Wahrheit vom Verschulden unabhängigen Haftung des Sicherungspflichtigen führen (RS0023893 [T2; T3]); sie findet ihre Grenze daher immer in der Zumutbarkeit möglicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr (RS0023397 [T11]). Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich dabei vor allem danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können (RS0023726; 5 Ob 47/20b; 4 Ob 7/23t).

Nach ständiger Rechtsprechung ist Haftungsansatz stets die vom Geschädigten zu beweisende Pflichtverletzung. Dieser hat die Sorgfaltsverletzung und die Kausalität der Sorgfaltsverletzung für den Schaden zu beweisen (RS0026290). Insofern ist den diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten in ihrer Berufung auch beizutreten. Bei Nichtfeststellbarkeit eines objektiv vertragswidrigen Verhaltens des Schädigers ist die Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB aber auch bereits dann anwendbar, wenn der Geschädigte beweist, dass nach aller Erfahrung die Schadensentstehung auf ein wenigstens objektiv fehlerhaftes (vertragswidriges) Verhalten des Schädigers zurückzuführen ist (RS0026290).

Die Mitarbeiterin der Beklagten hinterließ einen sehr feuchten bzw nassen Boden und rutschte der Kläger deshalb aus (dislozierte Feststellung US 6 zur Kausalität). Da nun die Reinigungsarbeiten um zirka 8.30 Uhr und somit während laufender Arbeitszeit stattfanden, musste der Mitarbeiterin der Beklagten bewusst sein, dass der Gang zu den einzelnen Büros gerade im Hinblick auf den beginnenden Arbeitstag vermehrt frequentiert wird. Zu berücksichtigen ist weiters, dass der Boden dreimal wöchentlich gereinigt wird, wobei es „keine fixen Tage“ für die Reinigung bzw Nassreinigung gab und die Gänge und das Stiegenhaus üblicherweise nicht am Vormittag nass gereinigt wurden. Unter diesen Umständen wäre von der Mitarbeiterin der Beklagten jedenfalls ein Warnschild auch im Gang, in dem sich mehrere Büros befinden (Lichtbild Beilage ./A) aufzustellen gewesen. Dies unterließ aber die Mitarbeiterin der Beklagten. Derartige Warnhinweise stellen auch keine Überspannung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht dar. Dass lediglich im vom Gang aus uneinsehbaren Liftbereich ein Warnschild aufgestellt wurde, kann nicht als ausreichend angesehen werden. Damit ist aber dem Kläger der Beweis einer Sorgfaltsverletzung infolge unterlassener Warnung gelungen. Der Kläger ist festgestelltermaßen aufgrund des nassen Bodens ausgerutscht und gestürzt. Der Kläger hat somit bewiesen, dass die Schadensentstehung auf ein objektiv fehlerhaftes Verhalten der Beklagten zurückzuführen ist. Der die Beklagte treffende Entlastungsbeweis, dass der Kläger auch bei einem objektiv fehlerfreien Verhalten durch Aufstellen eines Warnschildes gestürzt wäre, ist der Beklagten nicht gelungen. Die entsprechende Negativfeststellung des Erstgerichtes, dass nicht festgestellt werden kann, ob der Kläger ein im Gang aufgestelltes Hinweisschild erkennen und entsprechend hätte reagieren können, geht somit zu ihren Lasten. Damit ist von einer Haftung der Beklagten auszugehen.

Zuletzt macht die Beklagte hinsichtlich ihres erhobenen Mitverschuldenseinwandes einen sekundären Feststellungsmangel geltend. Die Beklagte meint, dass das Erstgericht nicht berücksichtigt und nicht festgestellt habe, dass der Kläger beim Gehen offenbar nicht vor die Füße geschaut hat. Dem ist die vom Erstgericht getroffene Feststellung entgegenzuhalten, dass für den Kläger die Nässe des Bodens nicht erkennbar war. Wenn allerdings die Nässe des Bodens objektiv betrachtet für den Kläger nicht augenfällig oder wahrnehmbar ist, würde daran auch die begehrte Feststellung nichts ändern. Eine nicht erkennbare (wahrnehmbare, sichtbare, augenfällige) Nässe kann auch dann nicht erkannt bzw bemerkt werden, wenn man beim Gehen vor die Füße schaut. Insofern bleibt für die von der Beklagten begehrte Verschuldensteilung kein Ansatzpunkt.

Aus diesen Gründen erweist sich die Berufung als nicht berechtigt.

Das angefochtene Urteil war daher im Ergebnis mit der Maßgabe zu bestätigen, dass die offenkundig irrtümlich unterbliebene Abweisung des Mehrbegehrens ausdrücklich in den Spruch aufzunehmen war.

Bei der Bewertung des Entscheidungsgegenstandes mit insgesamt EUR 30.000,00 übersteigend waren die aus der schweren Verletzung des Klägers zukünftig nicht auszuschließenden Spätfolgen angemessen einzubeziehen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.

Die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist nicht zulässig, zumal die Beantwortung der Fragen des Umfangs der Verkehrssicherungspflicht und des Maßes der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen einen Schadenseintritt von den Umständen des Einzelfalls abhängt.