6Bs154/25k – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Friedrich als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Klammer und den Richter Mag. Melichar als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des A* wegen der Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Geschworenengericht vom 31.07.2024, GZ ** 203, nach der am 30.07.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. Hosp, des Oberstaatsanwaltes Mag. Willam, des Privatbeteiligtenvertreters RAA Mag. Brunner, Kzl RA Dr. Denifl, des Angeklagten und seines Verteidigers RA Mag. Holzmann öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen freisprechenden Teil hinsichtlich des Berufungswerbers und einen rechtskräftigen Schuldspruch hinsichtlich eines Mitangeklagten enthält, wurde der am ** geborene A* aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (1.), des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (2.) und des Vergehens der Störung der Totenruhe nach § 190 Abs 1 StGB (4.) schuldig erkannt. Er wurde nach § 75 StGB in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und gemäß § 366 Abs 2 erster Satz iVm § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung von Teilschmerzengeldbeträgen von jeweils EUR 20.000,-- an B* C* und D* C* sowie EUR 10.000,-- an E* C*, jeweils samt 4 % Zinsen ab 01.08.2024, verurteilt.
Gemäß § 389 Abs 1 StPO wurde der Angeklagte zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.
Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wurde die Verwahrungs- und Untersuchungshaft vom 06.03.2022, 22:50 Uhr, bis 29.03.2022, 08:00 Uhr, vom 16.10.2022, 23:28 Uhr, bis 05.12.2022, 00:00 Uhr, und vom 14.08.2023, 00:00 Uhr, bis 31.07.2024, 20:10 Uhr, auf die verhängte Strafe angerechnet.
Laut Schuldspruch hat A*
1) am 03.03.2022 in ** die F* C* durch kräftiges und längere Zeit andauerndes Würgen vorsätzlich getötet;
2)in ** den G* im Rahmen seiner fortgesetzten Beschuldigteneinvernahme vom 04.08.2022 dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er gegenüber dem Polizeibeamten des Landeskriminalamtes für Vorarlberg erklärte, G* habe F* C* getötet, ihn somit einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des Mordes falsch verdächtigt, wobei er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigung falsch war;
4) am 03.03.2022 in ** und anderen Orten Vorarlbergs den Leichnam der F* C* aus der Wohnung in den PKW des G* verbracht und misshandelt, indem er diesen zwecks Suche nach einem geeignet scheinenden Ablageort mehrere Stunden durch Vorarlberg fuhr und anschließend in einem Riedgraben ablegte.
In den Entscheidungsgründen wird auf den vollständigen, deutlichen und widerspruchsfreien Wahrspruch der Geschworenen, der dem Urteil zugrunde gelegt wurde, verwiesen.
Bei der Strafbemessung wurden als mildernd die verminderte Zurechnungsfähigkeit, ein teilweises reumütiges Geständnis und die teilweise Begehung der Taten vor der Verurteilung des Bezirksgerichtes Bregenz zu ** gewertet. Erschwerend sei ein rascher Rückfall, eine grausame und kaltblütige Tatbegehung und das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen.
Der Zuspruch der angeführten Trauerschmerzengeldbeträge an die Eltern und den Bruder des Opfers, die alle zum Todeszeitpunkt mit dem Opfer in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hätten, sei angemessen.
Die gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Berufungswerbers wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 13.05.2025, 14 Os 33/25x, 14 Os 34/25v 5, zurückgewiesen und die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zur Entscheidung über die Berufung zugeleitet.
Die Berufung des A* wegen der Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche (ON 219) mündet in die Anträge auf Herabsetzung der verhängten Strafe, Aufhebung der Zusprüche an die Privatbeteiligten und Verweisung der Privatbeteiligten mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg.
In ihrer Gegenäußerung beantragen die Privatbeteiligten, der Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche nicht Folge zu geben (ON 222).
Die Oberstaatsanwaltschaft vertritt in ihrer Stellungnahme die Ansicht, der Berufung werde nicht Folge zu geben sein.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung dringt nicht durch.
Die Strafzumessungsgründe sind zu korrigieren.
Die Strafregisterauskunft des Berufungswerbers weist eine Vorstrafe auf (ON 194). Der Angeklagte wurde wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB mit Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 07.04. 2021 zu**, rechtskräftig seit 13.04.2021, verurteilt. Im Hinblick darauf wurden die nunmehrigen Taten auch nicht teilweise vor dieser Verurteilung begangen, weshalb dieser Milderungsgrund nicht vorliegt. Mit Blick auf den Zeitpunkt der Verurteilung durch das Bezirksgericht Bregenz hat auch der Erschwerungsgrund eines raschen Rückfalls zu entfallen.
Präzisierend ist anzumerken, dass sich der Milderungsgrund der teilweise geständigen Verantwortung des Angeklagten nur auf das Vergehen der Störung der Totenruhe nach § 190 Abs 1 StGB bezieht.
Zusätzlich schuldaggravierend im Rahmen der allgemeinen Strafbemessungskriterien nach § 32 StGB wirkt sich aber die Begehung der Taten innerhalb offener Probezeit aus.
Eine nunmehr auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Tat liegt angesichts der dargestellten Vorstrafe nicht vor, zumal auch die von der Oberstaatsanwaltschaft zitierte Entscheidung die gegen die körperliche Integrität gerichteten Vorstrafen lediglich als auf derselben schädlichen Neigung beruhend wie der dort angelastete Widerstand gegen die Staatsgewalt beurteilt hat.
Dem Milderungsgrund des ordentlichen Lebenswandels steht diese Vorstrafe allerdings entgegen, weil ein ordentlicher Lebenswandel lediglich bei geringfügigen Vorstrafen dennoch vorliegen kann. Diese Voraussetzung ist allerdings mit Blick auf die Verurteilung wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Monat nicht gegeben. Auch die vom Berufungswerber zitierten oberstgerichtlichen Entscheidungen beziehen sich nur auf Vorstrafen wegen Fahrlässigkeitsdelikten bzw zu ganz geringen Geldstrafen (RISJustiz RS0091461, RS0091466).
Eine unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer nach § 34 Abs 2 StGB liegt nicht vor. Der Berufungswerber wurde am 06.03.2022 festgenommen und am selben Tag vernommen (ON 13 AS 37 ff). Die über ihn verhängte Untersuchungshaft wurde durch Zwischenvollzüge in der Dauer von insgesamt 15 Monaten unterbrochen.
Das Verfahren wurde gegen zwei sich jeweils gegenseitig belastende Personen geführt, wobei umfangreiche Erhebungen, die Einholung eines Obduktionsgutachtens (ON 46), eines Gutachtens über spurenkundliche DNA-Untersuchungen (ON 72), eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens (ON 113) und eine Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte (ON 78) notwendig waren. Erforderlich waren zudem Auskünfte über Daten einer Nachrichtenübermittung in Bezug auf Social-Media-Accounts, nämlich **, **, ** und **, gerichtet an Behörden in Irland und in den USA. Im Hinblick auf ergänzende Aussagen des Berufungswerbers am 04.08.2022 (ON 95) und am 17.05.2023 (ON 139) wurden weitere Erhebungen und die Ergänzung der Gutachten über die Obduktion (ON 103) und über spurenkundliche DNA-Untersuchungen (ON 122) notwendig.
Die Anordnungen der Auskünfte über Daten einer Nachrichtenübermittlung mussten – wie der Berufungswerber zutreffend anführt – mehrmals ergänzt werden, dies aufgrund immer wieder geänderter und inhaltlich ergänzter Anforderungen durch die ausländischen Behörden (ON 75, 87, 118, 119, 125, 137, 140, 149), sodass neuerliche Rechtshilfeersuchen – bei denen es sich fallaktuell gerade nicht um „Formularvorgänge“ handelte - samt jeweiligen Übersetzungen notwendig wurden. Wesentliche Verzögerungen in den Ermittlungshandlungen wie auch in der Beantwortung der jeweiligen Schreiben zur Verbesserung der Rechtshilfeersuchen sind nicht ersichtlich. Der Abschlussbericht samt drei Ordnern an Ermittlungsergebnissen wurde am 17.01.2024 erstattet (ON 155 bis 158) und am 25.03.2024 Anklage eingebracht (ON 165), die nach der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck über einen Anklageeinspruch am 23.05.2024 rechtswirksam wurde (ON 179). Am 03.06.2024 wurde die Hauptverhandlung für 30. und 31.07.2024 ausgeschrieben (ON 181). Die Verfahrensdauer von nicht ganz dreieinhalb Jahren – inklusive Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof und dem Oberlandesgericht – ist mit Blick auf den angeführten Umfang und die aufgrund des Auslandsbezuges im konkreten Fall dargestellte Schwierigkeit des Verfahrens nicht als unangemessen oder unverhältnismäßig lang anzusehen. Säumnisse staatlicher Organe, insbesondere längere Phasen behördlicher Inaktivität (RIS-Justiz RS0124901 [T3]), sind dem Akt nicht zu entnehmen. Der geltend gemachte Milderungsgrund nach § 34 Abs 2 StGB liegt nicht vor (vgl im Übrigen zur Frage einer messbaren Strafreduktion einer lebenslangen Freiheitsstrafe: Riffel in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 34 Rz 66 f).
Ausgehend von den ergänzten bzw korrigierten Strafzumessungsgründen, dem Unrechtsgehalt der Taten und der personalen Täterschuld sowie unter Berücksichtigung der Erwägungen zu den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung nach § 32 StGB ist die verhängte lebenslange Freiheitsstrafe schuld- und tatangemessen.
Auch die Berufung wegen des Ausspruches über die privatrechtlichen Ansprüche ist nicht berechtigt.
Bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers kommt ein Ersatz des Seelenschmerzes über den Verlust naher Angehöriger grundsätzlich in Betracht, auch wenn diese zu keiner Gesundheitsschädigung im Sinn des § 1325 ABGB geführt hat (RISJustiz RS0115189). Zwischen Eltern und Kind ist – soweit nichts Gegenteiliges bewiesen wird – eine die Eigenschaft als naher Angehöriger begründete intensive Gefühlsgemeinschaft stets zu vermuten (13 Os 141/11a). Geschwister fallen in den Grenzbereich des anspruchsberechtigten Personenkreises. Auch zwischen Geschwistern, die im gemeinsamen Haushalt leben, besteht typischerweise aber eine solche Gemeinschaft. Gegenständlich lebte das Opfer mit den Eltern und dem Bruder im gemeinsamen Haushalt, sodass auch dem Bruder des Opfers ein Trauerschmerzengeldbetrag zusteht (2 Ob 55/08i). Bei der Bemessung des Trauerschmerzengeldes sind die Intensität der familiären Bindung, das Alters des Opfers und der Angehörigen und insbesondere das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft von Bedeutung. Der Zuspruch eines Trauerschmerzengeldbetrages von jeweils EUR 20.000,-- an die Eltern und EUR 10.000,-- an den Bruder des Opfers ist jedenfalls nicht überhöht.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch angeführte Gesetzesstelle.