JudikaturOLG Graz

3R79/25z – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
Versicherungsrecht
26. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch den Richter Mag. Tanczos (Vorsitz) und die Richterinnen Dr in . Steindl-Neumayr und Mag a . Binder in der Rechtssache des Klägers A* Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit , FN **, **, vertreten durch Mag. Erik Focke, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beklagten B* , geboren am **, Immobilienmakler, **, vertreten durch Mag. Ulrich Berger, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen EUR 15.693,13 sA, über die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 9. Dezember 2024, **-18, in nichtöffentlicher Sitzung

I. beschlossen:

Spruch

Der ergänzende Kostenersatzantrag des Beklagten vom 13. Mai 2025 wird zurückgewiesen .

II. zu Recht erkannt:

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten binnen 14 Tagen mit EUR 1.522,60 bestimmte Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .

Text

Entscheidungsgründe:

Der Dienstgeber des Beklagten („C*“) hat dem Beklagten den beim Kläger kaskoversicherten Pkw mit dem Kennzeichen ** zur (auch privaten) Nutzung überlassen. Vom Inhalt des Versicherungsvertrages (Polizze **) hatte der Beklagte keine Kenntnis.

Der am ** geborene D* ist der Sohn des Beklagten. Als der Beklagte im Jahr 2021 einen Kratzer auf der Beifahrerseite „seines“ Autos bemerkte, ging er davon aus, dass D* mit dem Fahrzeug gefahren war, weil er zuvor öfters den Schlüssel und das Auto haben wollte und weil er „Probleme betreffend strafbare Handlungen hatte“. Obwohl D* bestritt, mit dem Auto gefahren zu sein, erstattete der Beklagte gegen ihn eine Anzeige.

Als der Beklagte am Abend des 29. Mai 2023 in seinem Schlafzimmer zu Bett ging, befand sich der damals bei ihm wohnhafte D* in dessen Zimmer. Der Beklagte „verwahrte bzw versteckte“ in jener Nacht - so wie stets seit dem „Vorfall“ im Jahr 2021 (Außerstreitstellung in ON 6, Seite 3) - seinen Schlüsselbund samt Wohnungs- und Fahrzeugschlüssel (der Zweitschlüssel zum Pkw befand sich im Büro in **), seine Brille und seine Uhr in einer „Sockenlade bzw Box“ im Schlafzimmerkasten bei geschlossenen Schiebetüren.

Nach dem Wissen des Beklagten wusste sein Sohn D* nicht, dass der Beklagte seinen Schlüsselbund inklusive Fahrzeugschlüssel an diesem Ort aufbewahrt und der Beklagte war der Meinung, dass sein Sohn in seinem Schlafzimmer „nichts zu suchen“ hat. Damals pflegten der Beklagte und D* ein gutes freundschaftliches Verhältnis und der Beklagte hatte „keine Bedenken, dass sein Sohn erneut straffällig wird“.

An jenem Abend schlich D* in das Schlafzimmer seines Vaters und er nahm den Schlüssel aus dem Versteck. Es ist nicht feststellbar, was an jenem Abend „genau betreffend die Inbetriebnahme des Fahrzeugs passierte“.

Am nächsten Morgen stellte der Beklagte fest, dass der Schlüsselbund samt Wohnungs- und Fahrzeugschlüssel fehlt, dass die Wohnungstür versperrt (er daher „eingesperrt“) war und dass sein Sohn D* nicht in seinem Zimmer (und auch nicht erreichbar) war.

Am 30. Mai 2023 wurde der PKW in beschädigtem Zustand in ** gefunden.

Der Kläger bezahlte als Kaskoversicherer an die Versicherungsnehmerin EUR 15.693,13 (Reparaturkosten EUR 15.453,13, Berge- und Abschleppkosten EUR 240,00).

Der Kläger begehrtals Legalzessionar (§ 67 VersVG) vom Beklagten den Ersatz seiner an die Versicherungsnehmerin erbrachten Kaskoversicherungsleistung (EUR 15.693,13 sA) mit der für das Berufungsverfahren bedeutsamen Behauptung, der Beklagte habe (aufgrund des Vorfalls zwei Jahre davor) grob schuldhaft den Fahrzeugschlüssel nicht ausreichend vor dem Zugriff seines Sohnes D* geschützt.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage mit der für das Berufungsverfahren bedeutsamen Behauptung, er habe den Schlüssel ausreichend sicher verwahrt; das Fahrzeug sei ohne sein Verschulden unbefugt in Betrieb genommen worden. Er habe seit dem Vorfall im Jahr 2021 den Fahrzeugschlüssel im Kleiderkasten seines Schlafzimmers versteckt und ihm sei nicht bewusst gewesen, dass sein Sohn D* dieses Versteck kannte. D* dürfte in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2023, als der Beklagte schlief, in das Schlafzimmer des Beklagten geschlichen sein, um den Schlüsselbund aus dem Versteck zu entwenden.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab. Über den eingangs zusammengefassten Sachverhalt hinaus - kursiv geschriebene Passagen kennzeichnen bekämpfte Tatsachenfeststellungen - legte das Erstgericht dieser Entscheidung den auf den Seiten 3 bis 5 des Urteils ersichtlichen Sachverhalt zugrunde, auf den das Berufungsgericht verweist.

Aus diesem Sachverhalt zog es den für das Berufungsverfahren bedeutsamen rechtlichen Schluss, der Beklagte habe seinen damals fast 16 Jahre alten Sohn, zu dem er ein gutes Verhältnis gehabt habe und mit dem seit ca zwei Jahren „nichts Derartiges mehr vorgefallen“ sei, ausreichend beaufsichtigt, indem er den Fahrzeugschlüssel in einer „Sockenlade bzw Box“ in seinem Kleiderschrank im Schlafzimmer versteckt habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers aus den Anfechtungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es in Klagestattgebung abzuändern, in eventu es aufzuheben und die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt in seiner Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.

Gemäß § 480 Abs 1 ZPO kann über die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

I. Zur Mängelrüge:

1. Der Kläger behauptet, das ihm erst am 19. März 2025 („gleichsam mit der Urteilsausfertigung“) zugestellte Protokoll über die erstgerichtliche Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 15. November 2024 sei unvollständig geblieben, weil die Einvernahme des Zeugen D* „zwar einleitend angeführt, aber inhaltlich im Protokoll vollständig nicht enthalten ist und damit fehlt“. Da die Ausfertigung dieses Protokolls dem Kläger erst am 19. März 2025 zugestellt worden sei, habe er den Zeugen D* in der erstgerichtlichen Tagsatzung vom 9. Dezember 2024 nicht zu jenen Beweisthemen befragen können, die Gegenstand seiner Befragung vom 15. November 2024 waren.

2. Der Kläger hat bis zum Ende der Tagsatzung vom 15. November 2024 auf keinen Punkt aufmerksam gemacht, in dem die im Protokoll enthaltene Darlegung des Verhandlungsinhalts dem tatsächlichen Verlauf und Inhalt der Verhandlung nicht entsprochen habe (§ 210 Abs 1 Satz 1 ZPO) und das Erstgericht hat zwar in einem Amtsvermerk vom 18. März 2025 (ON 14, Seite 7) das „Diktat“ vom 15. November 2024 als unvollständig bezeichnet, den Protokollinhalt aber nicht von Amts wegen richtig gestellt (§ 210 Abs 1 Satz 3 und Abs 4 ZPO).

3. Da somit das Tagsatzungsprotokoll vom 15. November 2024 über den Verlauf und Inhalt der Verhandlung gemäß § 211 Abs 1 ZPO vollen Beweis macht (RIS-Justiz RS0120115), bleibt die mit einer unvollständigen Protokollierung argumentierende Mängelrüge des Klägers erfolglos.

II. Zur Beweisrüge:

Anstelle der eingangs kursiv geschriebenen bekämpften Tatsachenfeststellungen begehrt der Berufungswerber zusammengefasst folgende Ersatzfeststellungen:

Dem Beklagten sei bewusst gewesen, dass sein Sohn den „Aufenthaltsort“ des Fahrzeugschlüssels kannte und er habe damit gerechnet, dass sein Sohn den PKW unbefugt in Betrieb nehmen könnte.

Das Berufungsgericht erachtet die erstgerichtliche Beweiswürdigung, der der Berufungswerber keine stichhältigen Argumente und Beweisergebnisse entgegensetzen kann, für zutreffend, sodass es nur folgender Erwiderung auf die Beweisrüge bedarf (§ 500a ZPO; RIS-Justiz RS0122301):

So wie das Erstgericht die bekämpften Tatsachenfeststellungen aus der Parteiaussage des Beklagten ableitet, leitet der Kläger die begehrten Ersatzfeststellungen aus der Parteiaussage des Beklagten ab. Der Beklagte sagte als Partei aus, dass er D* nie im väterlichen Schlafzimmer gesehen hat (ON 14, Seite 3), dass er aufgrund des guten Verhältnisses zu seinem Sohn (ON 14, Seite 6) und des mittlerweile „eigentlich sehr normalen“ (ON 15, Seite 5) Verhaltens seines Sohnes nicht mehr dachte, D* könne „Derartiges“, wie zwei Jahre davor, wieder tun (ON 14, Seite 6; ON 15, Seite 5). Er wusste laut seiner Parteiaussage auch nicht, dass D* den Aufbewahrungsort des Fahrzeugschlüssels kennt (ON 15, Seite 5). Das Erstgericht hat sich vom Beklagten einen persönlichen Eindruck verschafft und seine Parteiaussage als „äußerst glaubwürdig und nachvollziehbar“ (ON 18, Seite 5, 6) beurteilt. Unter diesen Voraussetzungen sieht sich das Berufungsgericht nicht veranlasst, die plausible Beweiswürdigung des Erstgerichts, der der Berufungswerber nichts Stichhältiges entgegensetzen kann, in Zweifel zu ziehen.

Das Berufungsgericht legt daher die erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen, die zur rechtlichen Beurteilung ausreichen, gemäß § 498 ZPO seiner Entscheidung zugrunde.

III. Zur Rechtsrüge:

Als der Beklage im Jahr 2021 einen Kratzer auf der Beifahrerseite „seines“ PKW bemerkte, verdächtigte er seinen am ** geborenen Sohn D*, mit dem Fahrzeug gefahren zu sein, weil D* zuvor öfters den Schlüssel und das Auto haben wollte und weil er „Probleme betreffend strafbare Handlungen hatte“. Im Mai 2023 war D* ein mündiger Minderjähriger, der zu seinem Vater ein gutes freundschaftliches Verhältnis hatte und den der Beklagte nicht mehr in dem Sinn für erziehungsbedürftig (7 Ob 251/06x) hielt, dass er strafbare Handlungen seines Sohnes befürchtete. Um zum Fahrzeugschlüssel zu gelangen, musste D* im Schlafzimmer seines Vaters (am schlafenden Vater vorbei) eine Schiebetür des Schlafzimmerkastens öffnen und den Fahrzeugschlüssel aus einer Sockenbox nehmen. Bedenkt man, dass der Beklagte die Sockenlade in seinem Schlafzimmerkasten für ein seinem Sohn unbekanntes Versteck hielt und dass er nach zwei verdachtsfreien Jahren seinen inzwischen mündigen Sohn nicht mehr für einen potentiellen Schwarzfahrer halten musste, hat er „bis zur Grenze des unabwendbaren Zufalls alles getan, was ihm billigerweise zugemutet werden konnte“ (2 Ob 33/04y; RIS-Justiz RS0058440).

Die Berufung bleibt daher erfolglos.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Der Beklagte hat die auf die Berufungsbeantwortung entfallende Umsatzsteuer nicht im Berufungsbeantwortungsschriftsatz vom 12. Mai 2025, sondern in einem weiteren, am 13. Mai 2025 eingebrachten Schriftsatz verzeichnet. Dieser zweite, nicht mehr am 12. Mai 2025 eingebrachte Schriftsatz ist zurückzuweisen, weil er gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels verstößt; es sind nur die im Schriftsatz vom 12. Mai 2025 verzeichneten Kostenpositionen zuzuerkennen (8 Ob 76/22t; RIS-Justiz RS0041666 [T 6, T 53]; Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.56).

Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO sind nicht zu beantworten (2 Ob 33/04y), sodass kein Anlass besteht, die ordentliche Revision zuzulassen.