JudikaturOLG Graz

6Rs13/25s – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
10. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Fabsits als Vorsitzende, die Richterin Dr in . Meier und den Richter Mag. Schweiger sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Zaponig (Arbeitgeber) und Mag. Zakostelsky (Arbeitnehmer) als weitere Senatsmitglieder in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch die Prutsch-Lang Damitner Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, pA Landesstelle **, vertreten durch ihren Angestellten Dr. B*, wegen Invaliditätspension, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. Jänner 2025, GZ **-33, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung, deren Kosten die klagende Partei selbst zu tragen hat, wird nicht Folge gegeben.

Die Revision ist nichtnach § 502 Abs 1 ZPO zulässig .

Entscheidungsgründe:

Text

Der zum Stichtag 48-jährige Kläger hat „seinen Angaben zufolge“ eine Ausbildung zum Landwirt absolviert. In den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1. Oktober 2023) war er überwiegend als Schleifer in der Metallindustrie tätig.

Auf die Feststellungen des Erstgerichts zum Berufsbild eines Schleifers im Metallbereich (Urteilsseite 3) kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden.

Hervorgehoben sei nur Folgendes:

Es handelt sich um ungelernte Arbeitskräfte, die innerbetrieblich in ihre Aufgaben eingewiesen werden. Metallschleifer haben Werkstücke, wie Maschinen-, Werkzeug- und Apparateteile beispielsweise aus Stahl oder Gusseisen zu bearbeiten. Die Tätigkeiten sind von der Art der Werkstücke und der Schleifgeräte, welche sie zu bedienen haben, abhängig. Hierbei kann es sich sowohl um (CNC) Schleifautomaten als auch um verschiedene manuell zu bedienende Metallschleifmaschinen, aber auch um Handschleifgeräte handeln. Vor den Schleifvorgängen sind hierbei die zu schleifenden Werkstücke von verschiedenen Rückständen zu reinigen. Bei automatisierten Maschinen bzw Anlagen haben Schleifer vor allem Überwachungs- bzw Steuerungsaufgaben.

Es handelt sich um geistig einfache Arbeiten, die in Verbindung mit geringen Anforderungen an die Durchsetzungs- und Kontaktfähigkeit zu erbringen sind. An die Führungsfähigkeit werden keine besonderen Anforderung gestellt.

Der Kläger kann aufgrund seiner – vom Erstgericht detailliert festgestellten – Leiden, darunter insbesondere eine depressive Störung mit Somatisierungsneigung, gegenwärtig mittelgradig, eine Bandscheibenvorwölbung C3/C6, ein Zustand nach Karzinom im Nasen-/Rachenraum, eine Glaskörpertrübung am rechten Auge und eine geringgradige Schwerhörigkeit, noch leichte bis mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Stehen und Gehen ausüben. Ausgenommen sind wirbelsäulenbelastende Arbeiten in statischer, vorgebeugter Körperhaltung, die bei gerechter Verteilung auf die Hälfte eines Arbeitstags bzw in gebückter Körperhaltung, die bei gerechter Verteilung auf ein Drittel eines Arbeitstags beschränkt werden müssen. Beidarmige Überkopfarbeiten sind gelegentlich (bis zu 5 %) möglich. Arbeiten in kniender und hockender Körperhaltung sind bei gerechter Verteilung auf die Hälfte eines Arbeitstags zu reduzieren. Arbeiten in höhenexponierten Lagen und an exponierten Arbeitsplätzen sind aus Sicherheitsgründen auszuschließen. Arbeiten in Zugluft sollen reduziert werden. Das berufsbedingte Lenken von PKW ist möglich, nicht aber das Lenken von LKW. Eine Exposition gegenüber inhalativen chemischen/physikalischen Reizstoffen darf nicht vorliegen. Es besteht auch keine Eignung für hitzeexponierte Tätigkeiten.

Der Kläger ist in der Lage ein normales Arbeitstempo einzuhalten, wobei davon auszugehen ist, dass im normalen Arbeitstempo an sich bereits einzelne Belastungsspitzen enthalten sind, welche sich bei jeder Arbeit finden. Ständig forciertes Arbeitstempo wie bei kombinierter Akkord- und Fließbandarbeit ist dem Kläger ebenso wie Nachtarbeit, wenn es sich um Wechselschichten handelt, nicht zumutbar.

Der Kläger ist im Hinblick auf seine geistigen Fähigkeiten auch weiterhin in der Lage, Tätigkeiten, die er im maßgeblichen Zeitraum ausgeübt hat, vollumfänglich auszuüben. Er kann ein mäßig schwieriges geistiges Anforderungsprofil erfüllen. Die Kontakt- und Durchsetzungsfähigkeit sind durchschnittlich, die Führungsfähigkeit gering ausgebildet.

Der Kläger ist auch auf andere als die bisher geleisteten Tätigkeiten verweisbar. Diesen Arbeitsanweisungen ist er vollumfänglich gewachsen. Er ist außerdem in der Lage, sich neue Kenntnisse zu Anlernzwecken anzueignen, wobei beim Erlernen von zusätzlichen Fähigkeiten mit normalen Anpassungszeiten zu rechnen ist. Schulbarkeit ist gegeben, nicht aber Umschulbarkeit.

Insgesamt sind ohne Überschneidungen fünf Wochen zusätzliche Krankenstände pro Jahr mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

Der Kläger kann die Anforderungen, die an einen Schleifer in der Metallindustrie gestellt werden, nicht mehr erfüllen, weil er insbesondere den damit verbundenen Tätigkeiten unter forciertem Arbeitstempo nicht mehr im erforderlichen Ausmaß gewachsen ist.

Die vom Kläger absolvierte Ausbildungs- bzw Anlernzeit von zwei Tagen erreicht nicht jenes Maß, welches allgemein nach den Ausbildungsvorschriften für einen Lehrberuf gefordert wird. Auch der Inhalt der vom Kläger absolvierten Tätigkeiten ist mit einer Ausbildung in einem Lehrberuf nicht vergleichbar. Es wurden auch keine theoretischen und praktischen Fähigkeiten und Kenntnisse in Form eines Lehrplans vermittelt. Der Kläger hat nicht jene Kenntnisse und Fähigkeiten erworben, die qualitativ und quantitativ den Anforderungen eines Lehrberufs entsprechen. Die konkret ausgeübten Tätigkeiten des Klägers als Metallschleifer in der Metallindustrie führen zu keinem Berufsschutz.

Trotz seiner eingeschränkten Leistungsfähigkeit kommen für den Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch Tätigkeiten wie die eines Portiers, eines Aufsehers, eines Arbeitnehmers in Adressverlagen, eines Kontrollarbeiters in der Elektronikindustrie, eines Parkgaragenkassiers, eines Büroboten, eines Wächters im Standpostendienst, eines Montagearbeiters und andere mehr in Betracht. Für alle Verweisungstätigkeiten existieren in Österreich jeweils mindestens 100 Arbeitsplätze. Alle Verweisungstätigkeiten sind in ihrer sozialen Wertigkeit der bisherigen Berufsarbeit des Klägers gleichzuhalten.

Auf die Feststellungen des Erstgerichts zu den Berufsbildern eines Portiers und eines Aufsehers (Urteilsseiten 7 bis 9) kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 2023 wies die Beklagte den Antrag des Klägers vom 21. September 2023 auf Gewährung einer Invaliditätspension ab, weil Invalidität nicht dauerhaft vorliege. Sie sprach weiters aus, dass auch vorübergehende Invalidität nicht vorliege und daher kein Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung oder auf medizinische/berufliche Maßnahmen der Rehabilitation bestehe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Klage mit dem auf Gewährung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. Oktober 2023 gerichteten Begehren. Begründend bringt der Kläger vor, aufgrund seiner gravierenden psychiatrischen und orthopädischen Einschränkungen nicht mehr in der Lage zu sein, einer Beschäftigung nachzugehen. Er leide überdies an einer Halsversteifung, starken Kopfschmerzen und Wetterfühligkeit. Zudem sei auch sein Sehvermögen nach seiner Augenoperation im Jahr 2020 stark eingeschränkt.

Der Kläger habe durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten erworben, die üblicherweise von gelernten Maurern auf dem österreichischen Arbeitsmarkt verlangt würden. Er habe selbständig als Maurer gearbeitet und nicht bloß in einer Maurerpartie mitgearbeitet. Er sei seit April 2013 aufgrund des Umfangs seiner Kenntnisse und Fähigkeiten als Facharbeiter bei der C* GmbH beschäftigt gewesen. Die von ihm in den letzten 15 Jahren vor dem Antrag ausgeübten Arbeiten stellten allesamt Facharbeitertätigkeiten eines Maurers dar, sodass er Berufsschutz genieße.

Er habe bereits in Rumänien eine Ausbildung zum Maurer/ Betonarbeiter erfolgreich absolviert und diese erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten im Maurerhandwerk bei seiner späteren Arbeitgeberin, der C* GmbH weiter ausgebaut und vertieft. Er genieße daher Berufsschutz als Maurer.

Die Beklagte beantragt Klagsabweisung und wendet ein, dass der Kläger, der keinen Beruf erlernt habe, in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag 110 Monate als Maurergehilfe tätig gewesen sei. Er sei im Beobachtungszeitraum nicht überwiegend in erlernten (angelernten) Berufen tätig gewesen.

Der Kläger habe ab April 2015 zunächst über die Firma D* bei der E* und schließlich bei diesem Unternehmen als Schleifer gearbeitet. Daraus würden sich 57 Versicherungsmonate als Schleifer und in Summe 53 Monate als Maurergehilfe im maßgeblichen Zeitpunkt ergeben. Daher lägen keine 90 Beitragsmonate für einen etwaigen Berufsschutz als Maurer vor. Auch im Vorverfahren sei von einer überwiegenden Tätigkeit des Klägers als Schleifer ausgegangen worden (Seiten 2f des Protokolls vom 23. Oktober 2024, ON 27).

Mit dem angefochtenen Urteil weist das Erstgericht das Klagebegehren auf Grundlage des eingangs zusammengefasst dargestellten Sachverhalts ab. In rechtlicher Hinsicht vertritt es den Standpunkt, dass der Kläger nicht in erlernten oder angelernten Berufen tätig gewesen sei. Er habe als Schleifer keinen Berufsschutz erworben. Verweisungsfeld sei daher der gesamte Arbeitsmarkt. Da der Kläger unter anderem noch die Tätigkeiten eines Portiers verrichten könne, sei er nicht invalid.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers aus den Rechtsmittelgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil in Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, ohne eine Berufungsbeantwortung zu erstatten, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

In seiner Verfahrensrüge macht der Kläger geltend, dass das Erstgericht seine Pflicht zur amtswegigen Beweisaufnahme nach § 87 Abs 1 ASGG verletzt habe. Er moniert, dass das Erstgericht seine Berufsausbildung nicht ausreichend überprüft habe. Es habe keine „weiteren“ Beweise aufgenommen, „um einen Berufsschutz der ausgeübten Tätigkeiten zu erkennen“. Er habe in Rumänien eine zweijährige Fachausbildung im Bereich Metalltechnik abgeschlossen und verfüge über mehr als fünfjährige Berufserfahrung in diesem Bereich. Zusätzlich habe er in der neunten und zehnten Schulstufe eine Ausbildung zum Mechaniker absolviert. Die in Rumänien absolvierte Ausbildung entspreche inhaltlich der in Österreich angebotenen Lehre im Bereich Metalltechnik. Auch seine Tätigkeit als Schleifer sei „im Rahmen des Berufsbilds der Metalltechnik“ erfolgt und erfülle somit die Voraussetzung einer berufsschutzerhaltenden Tätigkeit. Das Erstgericht habe keine weiteren Beweise aufgenommen, um den Berufsschutz eines Metalltechnikers sowie eine berufsschutzerhaltende Wirkung der ausgeübten Tätigkeiten als Schleifer zu erkennen.

Mit diesen Ausführungen vermag der Kläger keinen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen.

Es trifft zwar zu, dass § 87 Abs 1 ASGG normiert, dass das Gericht sämtliche notwendig erscheinenden Beweise von Amts wegen aufzunehmen hat. Im Übrigen ist das Verfahren aber nicht durch den Amtswegigkeitsgrundsatz beherrscht. Der Grundsatz der materiellen Wahrheitsforschung ist somit im Sozialrechtsverfahren nicht anzuwenden (10 ObS 154/02y, RIS-Justiz RS0103347).

„Notwendig“ im Sinne des § 87 Abs 1 ASGG sind alle diejenigen Beweisaufnahmen, die voraussichtlich geeignet sind, die Tatsachen zu beweisen, deren Feststellung dem Gericht die Entscheidung über den Klagsanspruch ermöglicht. Zu einer amtswegigen Veranlassung einer bestimmten Beweisaufnahme ist das Gericht erster Instanz aber nur dann verpflichtet, wenn sich nach der Aktenlage entsprechende Anhaltspunkte für einen Sachverhalt ergeben, der für die Entscheidung von Bedeutung sein kann. Das Gericht ist hingegen nicht verpflichtet, „auf Verdacht“ Erhebungen in alle Richtungen zu pflegen (Neumayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm 3§ 87 ASGG Rz 2, 3). Nur dann, wenn sich aus dem Vorbringen der Parteien, aus Beweisergebnissen oder dem Inhalt des Akts Hinweise auf das Vorliegen bestimmter entscheidungswesentlicher Tatumstände ergeben, ist das Gericht verpflichtet, diese in seine Überprüfung einzubeziehen. Gegenüber – wie hier – qualifiziert vertretenen Parteien gemäß § 40 Abs 1 ASGG hat sich die amtswegige Beweisaufnahme innerhalb der (wenn auch weit zu steckenden) Grenzen des Parteivorbringens zu bewegen (Sonntag in Köck/Sonntag, ASGG, § 87 Rz 1, 2). Der Kläger zeigt schon nicht auf, welche weiteren Beweise das Erstgericht hätte aufnehmen müssen. Seine Ausführungen zu den „berufsschutzerhaltenden Tätigkeiten“ beinhalten kein Tatsachensubstrat in die Richtung, welche konkreten qualifizierten Kenntnisse er bei seiner Tätigkeit als Schleifer hätte anwenden müssen.

Im Verfahren erster Instanz behauptete der Kläger überhaupt (nur), dass er den Beruf eines Maurers angelernt habe (Schriftsatz vom 13. August 2024, ON 17), bzw in der Folge, dass er bereits in Rumänien eine Ausbildung zum Maurer, Betonarbeiter erfolgreich absolviert habe und ihm, weil die von ihm in den letzten 15 Jahren vor dem Antrag ausgeübten Tätigkeiten allesamt Facharbeitertätigkeiten eines Maurers darstellten, Berufsschutz als Maurer zukomme.

Vor diesem Hintergrund vermag der Kläger einen Verfahrensfehler des Erstgerichts, das ausgehend von der – unstrittig – überwiegenden Tätigkeit des Klägers als Schleifer einen Berufsschutz verneinte, nicht aufzuzeigen.

Zu einer weiteren amtswegigen Beweisaufnahme (welche das hätte sein sollen, legt der Kläger ohnehin nicht dar), war das Erstgericht nicht verpflichtet.

Im Übrigen ist der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nur dann gegeben, wenn der behauptete Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RIS-Justiz RS0043049, RS0043027). Der Rechtsmittelwerber hat die abstrakte Eignung darzutun, wenn die Erheblichkeit des Mangels nicht offenkundig ist (RIS-Justiz RS0043049 [T 6]). Er muss in seiner Verfahrensrüge nachvollziehbar ausführen, welche für ihn günstigen Verfahrensergebnisse zu erwarten gewesen wären, wenn der Verfahrensfehler nicht unterlaufen wäre (RIS-Justiz RS0043039 [T 4, T 5]) und welche streitentscheidenden Feststellungen des Erstgerichts er ohne den behaupteten Verfahrensfehler zu widerlegen können glaubt (6 Ob 86/12h, RIS-Justiz RS0043039 [T 3]).

Die bloße Behauptung, dass er in Rumänien eine zweijährige Fachausbildung im Bereich Metalltechnik abgeschlossen habe, reicht dazu nicht aus, zumal diese durch keine Beweisergebnisse (zB Vorlage von Zeugnissen etc) gedeckt ist und der Kläger auch nicht darlegt, welche Beweise das Erstgericht – zu seiner Ausbildung – hätte aufnehmen müssen. In seiner Parteieneinvernahme behauptete der Kläger eine Ausbildung zum Landwirt absolviert zu haben (Seite 2 des Protokolls vom 8. Jänner 2025, ON 31). Hinsichtlich der behaupteten Ausbildung zum Mechaniker verwies der Kläger offenkundig auf das Zertifikat Beilage ./AB. Aus diesem geht jedoch hervor, dass die Intensivkurse (praktische Kurse, Ausbildung, Bildung, (Re-)Qualifizierung) für Maurer, Fayencer, Schmied, Betonarbeiter, sechs Monate dauerten und im Jahr 1994 absolviert wurden. Für die in der Berufung aufgestellte Behauptung einer zweijährigen Fachausbildung im Bereich Metalltechnik bestehen keine Anhaltspunkte, sodass das Erstgericht auch nicht zu einer amtswegigen Beweisaufnahme (welche das sein sollte, legt die Berufung nicht dar) verpflichtet war.

Zusammengefasst liegt daher ein Verfahrensmangel im Sinne eines Gerichtsfehlers nicht vor.

In seiner Rechtsrüge wiederholt der Kläger im Wesentlichen seine bereits zur Mängelrüge vorgetragenen Argumente. Er verweist dazu auf seine Behauptungen zu den bei der E* F* GmbH Co KG „als Facharbeiter bzw Schleifer“ ausgeübten Tätigkeiten und meint, dass auch die Tätigkeit als Schleifer im Rahmen des Berufsbilds der Metalltechnik erfolgt sei und damit die Voraussetzungen einer berufsschutzerhaltenden Tätigkeit erfülle. Der Kläger genieße daher Berufsschutz als Metalltechniker.

Diese Argumente vermögen nicht zu überzeugen.

Der vom Kläger angestrebte Berufsschutz als Metalltechniker setzt nach § 255 Abs 1 ASVG voraus, dass er überwiegend in erlernten oder angelernten Berufen tätig war. Eine überwiegende Tätigkeit im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, wenn innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine Erwerbstätigkeit in erlernten oder angelernten Berufen oder als Angestellter ausgeübt wurde (§ 255 Abs 2 Satz ASVG).

Ein erlernter Beruf im Sinne des § 255 Abs 1 ASVG ist ein Beruf, für den ein bestimmter Ausbildungsgang vorgeschrieben ist, dessen erfolgreicher Abschluss Voraussetzung für die Ausübung eines Berufs ist. Es handelt sich dabei vor allem um die in der Lehrberufsliste gemäß § 7 BAG angeführten Lehrberufe (RIS-Justiz RS0084513, Sonntag in Sonntag ASVG 15§ 255 ASVG Rz 68). Grundsätzlich können nur österreichische Lehrabschlüsse die Voraussetzungen des § 255 Abs 1 ASVG erfüllen. Ausländische Lehrabschlüsse erfüllen die Voraussetzung nur bei erfolgter Gleichstellung gemäß § 27a BAG durch Staatsvertrag, Verordnung oder Bescheid (Sonntag aaO § 255 ASVG Rz 69). Einen in diesem Sinn erlernten Beruf hat der Kläger nicht behauptet und schon gar nicht nachgewiesen.

Es trifft zwar zu, dass mangels erfolgter Gleichstellung ein Berufsschutz grundsätzlich über die Anlernqualifikation des § 255 Abs 2 ASVG in Betracht käme (RIS-Justiz RS0114289). Auch das ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Um von einem angelernten Beruf ausgehen zu können, muss der Versicherte über Kenntnisse oder Fähigkeiten verfügen, die üblicherweise von ausgelernten Facharbeitern des jeweiligen Berufs in dessen auf dem Arbeitsmarkt gefragten Varianten unter Berücksichtigung einer betriebsüblichen Einschulungszeit verlangt werden (RIS-Justiz RS0084585). Es reicht jedoch nicht aus, wenn die Kenntnisse und Fähigkeiten nur ein Teilgebiet eines Tätigkeitsbereichs umfassen, der von gelernten Arbeitern ganz allgemein in viel weiterem Umfang beherrscht wird (RIS-Justiz RS0084638). Es muss insbesondere unterschieden werden, ob ein Berufsschutz erst zu erwerben ist oder ob ein bereits erworbener Berufsschutz durch später ausgeübte Tätigkeiten weiterhin erhalten bleibt. Hat ein Versicherter einen Beruf erlernt, so genügt für die Berufsschutzerhaltung die Ausübung einer qualifizierten Teiltätigkeit. Hat er hingegen den Lehrberuf in seiner Gesamtheit nie erlernt und geht es um die Prüfung des Erwerbs der Anlernqualifikation durch praktische Tätigkeit, so genügt die Ausübung einer Teiltätigkeit nicht (Sonntag aaO § 255 ASVG Rz 105). Für die Annahme eines angelernten Berufs genügt es nicht, dass der Versicherte die Kenntnisse und Fähigkeiten, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind, besitzt, sondern es müssen diese Kenntnisse und Fähigkeiten für die von ihm ausgeübte Berufstätigkeit erforderlich, also Voraussetzung hiefür gewesen sein (RIS-Justiz RS0084616). Dass eine Tätigkeit eine verantwortungsvolle ist, macht sie nicht zu einem angelernten Beruf (RIS-Justiz RS0084506). Ebenso ist die kollektivvertragliche Einstufung als Facharbeiter ohne Bedeutung (RIS-Justiz RS0084673). Insbesondere sind Einschulungs- und Anlernzeiten von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung: Bei einer Einschulungszeit von drei bis sechs Monaten liegt kein angelernter Beruf vor. Die Anlernzeit zählt nicht als qualifizierte Berufsausbildung (Sonntag aaO § 255 ASVG Rz 109).

Der Kläger hat im Jahr 1994 sechs Monate dauernde Intensivkurse zum Maurer, Schmied-Betonarbeiter absolviert. In den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag war er überwiegend als Schleifer tätig. Bei Schleifern in der Metallindustrie handelt es sich um ungelernte Arbeitskräfte, die innerbetrieblich in ihre Aufgaben eingewiesen werden. Nach den Feststellungen absolvierte der Kläger eine „Ausbildungs- bzw Anlernzeit“ von zwei Tagen (vgl dazu die Aussage des Klägers zur Frage, wie lange die Einschulung dauerte: „Es waren zwei Tage und dann durfte ich alleine arbeiten“ und zur Frage, mit welcher Schleifmaschine er arbeitete: „Es war eine Flex, aber sie war ein bisschen schwerer“. [Seite 2 des Protokolls vom 8. Jänner 2025, ON 31]). Schon aufgrund dieser kurzen Einschulungs- und Anlernzeit kann die Tätigkeit des Klägers als Schleifer nicht als angelernter Beruf qualifiziert werden. Im Übrigen würde aus eben diesem Grund auch eine berufsschutzerhaltende Qualifikation dieser Tätigkeit ausscheiden. Nach der Rechtsprechung handelt es sich um keinen qualifizierten Beruf, wenn eine Anlernzeit von wenigen Monaten genügt, sodass eine solche Tätigkeit nicht als berufsschutzerhaltend zu qualifizieren ist (10 ObS 151/22m, 10 ObS 131/14h).

Im Ergebnis kann der Kläger, weil ihm kein Berufsschutz zukommt, aufgrund seines festgestellten Leistungskalküls noch auf die Tätigkeiten eines Portiers, Aufsehers, Kontrollarbeiters in der Elektronikindustrie und andere mehr, verwiesen werden.

Der Berufung ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden weder behauptet, noch ergeben sich solche aus der Aktenlage.

Die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO ist nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung nicht vorliegen.