2R206/24t – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch den Richter Dr. Kirsch (Vorsitz), die Richterin Mag. a Schiller und den Richter Mag. Scheuerer in der Rechtssache der Klägerin A* AG , **, vertreten durch die E+H Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die Beklagte B* GmbH , **, vertreten durch die Saxinger Rechtsanwalts GmbH in Graz, und der Nebenintervenientin auf Beklagtenseite C* AG , **, vertreten durch die Hohenberg Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen EUR 420.000,00 samt Anhang in eventu Schadensbehebung und Feststellung – hier wegen Zulassung einer Nebenintervention –, über den Rekurs der Nebenintervenientin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 16. Dezember 2024, **-42, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Nebenintervenientin ist schuldig, der Klägerin die mit EUR 3.003,90 (darin enthalten EUR 500,65 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig .
Text
BEGRÜNDUNG:
Im Verfahren begehrt die Klägerin als Auftraggeberin von der Beklagten als Generalunternehmerin das Deckungskapital für die Sanierung einer mangelhaft hergestellten Kälteerzeugungsanlage in Höhe von EUR 420.000,00 samt Zinsen in eventu die Behebung der Mängel, und weiters die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Nachteile aufgrund der mangelhaft ausgeführten Isolierung. Mit den Isolierungsarbeiten habe die Beklagte ua die D* GmbH als Subunternehmerin beauftragt. Im Zuge dieser Arbeiten sei eine Isolierung nicht fachgerecht hergestellt worden, wodurch sich Feuchtigkeit und in weiterer Folge Korrosion an den Rohroberflächen gebildet habe.
Die Beklagte bestreitet die Klagebegehren ua mit der Begründung, aufgetretene Verarbeitungsfehler bei den Rohrisolierungen seien durch die D* GmbH soweit möglich und tunlich verbessert worden und die behauptete Korrosionsbildung sei überhaupt nicht auf Verarbeitungsfehler zurückzuführen.
Mit vorbereitendem Schriftsatz vom 29. November 2024 verkündete die Beklagte der Nebenintervenientin als Haftpflichtversicherung der D* GmbH den Streit. Diese sei in den Schadensfall involviert gewesen und habe die Durchführung der Sanierung durch ihre Versicherungsnehmerin unter Hinweis auf Planungsfehler und einer damit einhergehenden Unmöglichkeit der Sanierung verweigert. Sollte das Verfahren ergeben, dass die Nebenintervenientin die Sanierung schuldhaft zu Unrecht verweigert habe, zB weil keine Planungsfehler vorgelegen hätten und eine Sanierung möglich gewesen wäre, würde dies einen Rechtsanspruch der Beklagten ihr gegenüber begründen.
Die Nebenintervenientin trat dem Streit mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2024 bei und begründete ihr rechtliches Interesse daran mit der von der Beklagten in Aussicht gestellten Inanspruchnahme im Fall deren Prozessverlusts. Tatsächlich habe die Nebenintervenientin mit Schreiben vom 12. August 2022 die Freigabe der Sanierung wegen der vom Planungsbüro falsch ausgewählten Stahlrohre als nicht möglich und sinnvoll verweigert. Sie habe ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Beklagten und an der Feststellung der Tatsache, dass die behaupteten Mängel und Schäden auf die der Klägerin zuzurechnenden Planungsfehler zurückzuführen seien. Dadurch würde nämlich auch zugleich über die Haftungsfrage zwischen ihr und der Beklagten bindend entschieden werden.
Die Klägerin bestritt das Interventionsinteresse der Nebenintervenientin und beantragte die Zurückweisung der Nebenintervention. Da mit keiner der am Verfahren beteiligten Parteien ein Vertragsverhältnis bestünde, entfalte die Entscheidung im vorliegenden Prozess keine Bindungswirkung für die Nebenintervenientin. Der Rechtsstreit habe schlicht keine Auswirkungen auf ihre rechtliche Position. Ein allfälliges Interesse der Nebenintervenientin sei daher rein wirtschaftlicher Natur.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht die Nebenintervention der C* AG zurück. Diese leite ihres rechtlichen Interesses lediglich aus der ihr von der Beklagten in der Streitverkündung angedrohten Inanspruchnahme in einem Regressprozess ab. Im Hinblick auf den Einwand der Klägerin, wonach zwischen ihr und der Beklagten kein Vertragsverhältnis bestehe, habe die Nebenintervenientin nicht näher ausgeführt, auf welcher Grundlage eine solche Inanspruchnahme durch die Beklagte überhaupt drohe. Für das Erstgericht sei nicht nachvollziehbar, welche Ansprüche die Beklagte unmittelbar gegen die Nebenintervenientin im Falle des Prozessverlusts zu erheben berechtigt wäre, weil kein Direktklagerecht eines Geschädigten gegen die Versicherung des Schädigers bestehe. Daran ändere auch die Löschung der Subunternehmerin der Beklagten und Versicherungsnehmerin der Nebenintervenientin im Firmenbuch nichts. Die Nebenintervenientin habe daher ihr rechtliches Interesse am Obsiegen der Beklagten nicht ausreichend plausibel behauptet, sodass die Nebenintervention zurückzuweisen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der eine Rechtsrüge ausführende Rekurs der Nebenintervenientin, mit der sie die Abänderung des Beschlusses dahin anstrebt, den Antrag der Klägerin auf Zurückweisung der Nebenintervention abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1.Nach § 17 Abs 1 ZPO kann, wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Person obsiege, dieser Partei im Rechtsstreit beitreten. Eine Bindungswirkung ist nur eine mögliche Folge einer Nebenintervention (oder ihrer Unterlassung), nicht aber Voraussetzung für ihre Zulässigkeit (RS0126074). Das für die Zulässigkeit einer Nebenintervention geforderte rechtliche Interesse auf Seiten des Beitretenden ist gegeben, wenn sich die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf dessen privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verhältnisse günstig oder ungünstig auswirkt. Bei der Beurteilung, ob die Nebenintervention zulässig ist, ist kein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt (RS0035638). Im Allgemeinen wird ein rechtliches Interesse daher vorliegen, wenn durch das Obsiegen der Hauptpartei die Rechtslage des Dritten verbessert oder durch deren Unterliegen verschlechtert wird (RS0035724 [T3]). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn einem Dritten in einem Folgeprozess Regress- oder Schadenersatzansprüche als Folge des Prozessverlusts der Partei im Hauptprozess drohen (RS0106173 [T2]).
Dabei reicht es nach der Rechtsprechung aus, wenn der Nebenintervenient einen zu befürchtenden Rückgriff plausibel darstellen kann. Die denkbaren rechtlichen Schritte in einem drohenden Folgeprozess sind vom Nebenintervenienten nicht im Einzelnen konkret darzustellen (RS0035724 [T9], RS0106173 [T5,T7]). Eine detaillierte Vorwegprüfung möglicher Ansprüche hat im Streit um die Zulässigkeit des Beitritts als Nebenintervenient also nicht zu erfolgen (4 Ob 196/20g, 5 Ob 31/15t,6 Ob 127/23d). Ein rechtliches Interesse wird in der Regel dann bejaht, wenn dem Beitretenden die Geltendmachung von Ansprüchen bereits in Aussicht gestellt wurde (4 Ob 196/20g; 6 Ob 88/17k).
2.Zwar stellte die Beklagte der Nebenintervenientin mit ihrer Streitverkündung eine Inanspruchnahme mit einer Schadenersatzforderung im Falle des Prozessverlustes in Aussicht. Jedoch ist dem Erstgericht beizupflichten, dass weder die Beklagte im Rahmen der Streitverkündung noch die Nebenintervenientin im Rahmen ihrer Verpflichtung, ihr rechtliches Interesse infolge des Zurückweisungsantrags der Klägerin zu konkretisieren und zu bescheinigen (RS0035678), einen möglichen Anspruch der Beklagten plausibel darstellen konnten.
Unstrittig besteht zwischen der Beklagten und der Nebenintervenientin kein (für den vorliegenden Zwischenstreit relevantes) Vertragsverhältnis. In Bezug auf das Versicherungsverhältnis zwischen der Nebenintervenientin und der Subunternehmerin verwies das Erstgericht zutreffend darauf, dass der Beklagten als allenfalls Geschädigten daraus kein direktes Klagerecht gegen die Nebenintervenientin zukommt.
Die Rekurswerberin führt dazu ins Treffen, dass ein Schadenersatzanspruch der Beklagten auch deliktischer Natur sein könnte. Reine Vermögensschäden – ein solcher droht der Beklagten im Falle des Prozessverlusts – sind aber im Rahmen der deliktischen Haftung grundsätzlich nicht ersatzfähig (vgl etwa RS0022462 [T5] ua). In diesem Zusammenhang verweist die Rekurswerberin auf § 1300 Satz 2 ABGB, der zwar eine Haftung auch für reine Vermögensschäden vorsieht. Dabei übersieht sie aber, dass eine Haftung nach dieser Bestimmung nur bei wissentlich falscher Erteilung von Rat und Auskunft besteht, wobei Schädigungsvorsatz erforderlich ist. Nichts anderes ist der im Rekurs zitierten Rechtsprechung und Lehre zu entnehmen (RS0026513, RS0026690; RS0026567; Karner in KBB 7 § 1300 Rz 4; Schacherreiter in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.09 § 1300 Rz 13). Dass die Beklagte der Nebenintervenientin einen solchen Schädigungsvorsatz im Zusammenhang mit der behaupteten Verweigerung der Sanierung unterstellen würde, behauptet sie selbst nicht. Ein solcher Vorwurf erscheint auch nicht im Ansatz plausibel.
Ungeachtet der mit der Streitverkündung in den Raum gestellten direkten Inanspruchnahme der Nebenintervenientin konnte sie einen zu befürchtenden Rückgriff daher nicht plausibel darstellen (vgl zu diesem Erfordernis 6 Ob 140/12z, 1 Ob 45/15x, 4 Ob 209/23y Rz 26). Einer detaillierten Prüfung des angedrohten Anspruchs bedarf es für diese Schlussfolgerung nicht.
Da sich die Rechtsposition der Nebenintervenientin gegenüber der Beklagten durch den Ausgang dieses Verfahrens schlicht nicht ändern wird, fehlt ihr das rechtliche Interesse am Streitbeitritt.
3. Das Erstgericht hat die Nebenintervention damit zu Recht zurückgewiesen, sodass der Rekurs erfolglos bleibt
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1, 52 Abs 1 Satz 3 ZPO. Im Zwischenstreit zwischen der Nebenintervenientin und den die Zulässigkeit des Beitritts bestreitenden Klägerin ist die unterlegene Nebenintervenientin kostenersatzpflichtig (RS0035436). Bemessungsgrundlage ist der Streitwert des Hauptbegehrens (4 Ob 193/09z).
Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses folgt aus § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.