JudikaturOGH

10Ob61/25f – OGH Entscheidung

Entscheidung
Mietrecht
21. Oktober 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hargassner als Vorsitzenden, den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi, die Hofräte Dr. Annerl und Dr. Vollmaier sowie die Hofrätin Dr. Wallner Friedl in der Rechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch Dr. Corvin Hummer und Mag. Birke Schönknecht Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. A*, vertreten durch Mag. Alexander Mazevski, Rechtsanwalt in Wien, und 2. Verlassenschaft nach dem am * verstorbenen M*, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Mag. Samir Famus, dieser vertreten durch Mag. Thomas Müller, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 11. Juni 2025, GZ 38 R 10/25i 56, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Erstbeklagte und der Rechtsvorgänger der Zweitbeklagten sind Mieter einer Wohnung im Haus der Klägerin. Die Wohnung wurde (zunächst) ausschließlich vom Erstbeklagten und seiner Familie genutzt. Bereits vor Jahren verließen aber auch der Erstbeklagte und seine Familie die Wohnung.

[2] Die Vorinstanzen erklärten die Aufkündigung für rechtswirksam und verpflichteten die Beklagten zur Räumung.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die außerordentliche Revisiondes Erstbeklagten zeigt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[4] 1.1. Eine mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Ob die auf die Beweisrüge bezügliche Begründung des Berufungsgerichts richtig oder fehlerhaft ist, fällt in den Bereich der irrevisiblen Beweiswürdigung ( RS0043371 [T12]). Diese Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird ( RS0043371 [T28]). Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst hat ( RS0043371 [T2]) oder sich mit der Beweisrüge nur unvollständig und sich mit gewichtigen Argumenten gar nicht auseinandersetzte („floskelhafte Scheinbegründung“; RS0043371 [T32]), ist das Berufungsverfahren mangelhaft. Hat das Berufungsgericht über eine Beweisrüge nachvollziehbare Überlegungen angestellt und im Berufungsurteil festgehalten, ist die Entscheidung mängelfrei ( RS0043150 ).

[5] Entgegen der gegenteiligen Behauptung des Erstbeklagten ging das Berufungsgericht auf die in der Berufung enthaltene Beweisrüge konkret ein. Dass es aufgrund der in der Berufungsentscheidung genannten Erwägungen keine Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts hegte, ist Ergebnis der im Revisionsverfahren nicht überprüfbaren Beweiswürdigung und stellt keinen Mangel des Berufungsverfahrens dar.

[6] 1.2.Der behauptete Verstoß gegen die Prozessleitungspflicht nach den §§ 182, 182a ZPO wurde in der Berufung nicht geltend gemacht und kann daher in der Revision nicht nachgetragen werden ( RS0043111 ; RS0074223 ). Die Nichtberücksichtigung eines in der Berufung ungerügten Verfahrensfehlers durch das Gericht zweiter Instanz bildet auch keinen Mangel des Berufungsverfahrens ( RS0074223[T1]). Im Übrigen ginge die Prozessleitungspflicht nach §§ 182, 182a ZPO nicht so weit, dass das Gericht zu erkennen geben müsste, welchen Beweisergebnissen es Glauben schenken werde ( RS0036869 ).

[7] 2.1.Das Vorbringen der Beklagten in erster Instanz beschränkte sich hinsichtlich des von den Vorinstanzen bejahten Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG auf die Behauptung, dass der Erstbeklagte seit 30 Jahren ununterbrochen in der Wohnung wohne. Dem folgte das Erstgericht auf Tatsachenebene nicht.

[8] 2.2. In der Berufung machte der Erstbeklagte im Rahmen der Rechtsrüge ausschließlich geltend, dass er jedes zweite Wochenende (vorübergehend) zur Pflege seines Vaters von der Wohnung abwesend sei und dass die Nutzung der Wohnung zu Lagerzwecken mit der Klägerin (konkludent) vereinbart worden sei. Mangels entsprechendem Tatsachenvorbringen in erster Instanz – die in der Berufung angeführten Aussagen des Erstbeklagten bzw einer Zeugin können ein fehlendes Prozessvorbringen nicht ersetzen ( RS0043157 ) – handelte es sich dabei um unzulässige und daher unbeachtliche Neuerungen. Die Rechtsrüge des Erstbeklagten in der Berufung war somit schon wegen des Verstoßes gegen das Neuerungsverbot nicht zu behandeln.

[9] 2.3.Hat die unterlegene Partei ihre Rechtsrüge in der Berufung nicht gesetzmäßig ausgeführt, so kann dieses Versäumnis in der Revision nicht mehr nachgetragen werden (RS0043480; RS0043573 [T3, T5, T8, T30]). Die nicht gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge entspricht einer Rechtsrüge, die vom Berufungsgericht wegen Verstoßes gegen das Neuerungsverbot nicht zu behandeln war (RS0043480 [T23]). Auf die unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erstatteten Rechtsmittelausführungen ist somit nicht einzugehen (RS0043480 [T9]).