JudikaturOGH

8Ob85/25w – OGH Entscheidung

Entscheidung
Vertragsrecht
21. Oktober 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Mag. Malesich als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W* F*, vertreten durch die Hintermeier Brandstätter Engelbrecht Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei D* P*, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Unterfertigung einer Kaufvertragsurkunde und 1.673,84 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. April 2025, GZ 16 R 134/24d-34 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]1. Wird die Entscheidung der zweiten Instanz auch auf eine selbständig tragfähige Hilfsbegründung gestützt, muss auch diese im außerordentlichen Rechtsmittel bekämpft werden (RS0118709). Ist die Hilfsbegründung im Rahmen des Beurteilungsspielraums zutreffend gelöst, so ist eine allfällige mit der Hauptbegründung verbundene erhebliche Rechtsfrage nicht präjudiziell (RS0118709 [T11]). Für die Zulässigkeit der Revision muss die Entscheidung jedoch gerade von der Lösung der im Rechtsmittel aufgeworfenen Rechtsfrage abhängen (RS0088931 [T2, T4]). Bei Vorliegen zweier oder mehrerer für sich tragfähiger Begründungen des Berufungsgerichts muss der Revisionswerber demnach nicht nur alle Begründungen bekämpfen, sondern auch hinsichtlich jeder dieser Begründungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen ( Lovrek in Fasching/Konecny 3[2019] § 502 ZPO Rz 119 f ) .

[2] 2. Ob ein Bindungswille zu unterstellen ist (vgl RS0042555 ), ob eine Einigung trotz offener Nebenpunkte oder eines (Form-)Vorbehalts zustande kam (vgl RS0013973 [T1], RS0017286 [T11],RS0038607 [T21] ), und ob der Beklagte im eigenen oder fremden Namen gehandelt hat ( RS0108494 ), stellt wegen der Einzelfallbezogenheit nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde. Auch die Frage einer allfälligen Auflösung einer Vereinbarung kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (vgl RS0042936 [insb T55]).

[3] 3. Im von der Beklagten unterfertigten Kaufanbot vom 20. 5. 2023, das vom Kläger angenommen wurde, sind als Käuferinnen die Beklagte und ihre Tochter angeführt. Gleichzeitig ist unstrittig, dass die Beklagte über keine Vollmacht ihrer Tochter zum Abschluss eines Kaufvertrags über das gegenständliche Baurecht samt Einfamilienhaus verfügte. Da die Tochter der Beklagten das Kaufanbot vom 20. 5. 2023 nicht unterfertigte, lag keine Vertragserklärung sämtlicher am in Aussicht genommenen Vertrag Beteiligter vor. Ein Bindungswille der Parteien auch für den Fall der fehlenden Zustimmung der Tochter der Beklagten, insbesondere in dem Sinne, dass die Beklagte das gesamte Baurecht (samt Einfamilienhaus) erwerbe, wurde vom Berufungsgericht verneint. Warum dies auf Basis des festgestellten Sachverhalts unvertretbar sein soll, führt die Revision nicht aus.

[4] 4. Die vom Revisionswerber zur Hauptbegründung des Berufungsgerichts aufgeworfene Rechtsfrage, ob „ein eigenständiger, rechtlich verselbständigter Vertrag – wie etwa ein Baurechtsvertrag – als offener Nebenpunkt im Sinn der Judikatur zur Vertragsvollständigkeit gewertet werden und damit das perfekte Zustandekommen eines Kaufvertrags über ein Baurecht hindern“ kann, erweist sich demnach nicht mehr als relevant.

[5] 5. Zur weiters geltend gemachten Haftung als falsus procurator maß das Berufungsgericht dem Einsetzen des Namens der Tochter der Beklagten in das Kaufanbot trotz des familiären Naheverhältnisses noch nicht den objektiven Erklärungswert bei, dass die Beklagte auch im Namen ihrer Tochter gehandelt hätte. Durch die bloße Behauptung des Gegenteils bringt die Revision auch hier keine korrekturbedürftige Rechtsansicht des Berufungsgerichts zur Darstellung.

[6]6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).