JudikaturOGH

4Ob124/25a – OGH Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
21. Oktober 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Istjan, LL.M., Mag. Waldstätten, Mag. Böhm und Dr. Gusenleitner-Helm in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Dr. Arnold Trojer, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei *, vertreten durch Dr. Dieter Fussenegger und andere Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen 95.304,12 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 18. Juni 2025, GZ 4 R 71/25k-17, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Bei einem mehrseitigen Treuhandverhältnis hat der Treuhänder die – gegensätzlichen – Interessen aller Treugeber bestmöglich zu wahren ( RS0107334 ). Welche Interessen der Treuhänder gegenüber einem bestimmten Treugeber zu wahren hat, bestimmt sich in erster Linie nach Inhalt und Zweck des ihm erteilten Treuhandauftrags ( 7 Ob 111/08m = RS0107334[T4] ua). Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt aber – von Fällen krasser Fehlbeurteilung der zweiten Instanz abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar ( RS0042936 ua). Dies gilt auch für die Auslegung einer Treuhandvereinbarung ( RS0042936 [T11]).

[2]2. Das Berufungsgericht legte die zwischen dem beklagten Notar als Treuhänder und den Parteien eines von ihm errichteten Liegenschaftskaufvertrags abgeschlossene Treuhandvereinbarung anhand ihres objektiven Erklärungswerts dahin aus, dass der Beklagte zur Ausfolgung des ihm von der Käuferin für den Erwerb der Liegenschaft überwiesenen Kaufpreises an den nun klagenden Verkäufer erst nach Rechtskraft des erfolgten Umlegungsverfahrens verpflichtet war, weil sich aus der Kaufabrede und der Treuhandvereinbarung ergebe, dass als Kaufobjekt ein sich erst aus dem Umlegungsverfahren hervorgehendes Baugrundstück erworben werden sollte, und das kaufgegenständliche Grundstück somit vor Rechtskraft dieses Verfahrens rechtlich noch gar nicht existent gewesen sei. Diese Rechtsansicht bewegt sich innerhalb der ständigen Rechtsprechung zur Auslegung von Willenserklärungen nach den §§ 914 f ABGB ( RS0017915 , RS0113932 ) sowie des dem Berufungsgericht eingeräumten Beurteilungsspielraums. Eine grobe Fehlbeurteilung im Einzelfall zeigt die Revision nicht auf.

[3] 3. Da das Berufungsgericht schon von einer abschließenden vertraglichen Regelung über den Zeitpunkt der Auszahlung des Kaufpreises durch den Beklagten ausging, stellen sich die vom Kläger in der Revision relevierten Fragen zur ergänzenden Vertragsauslegung nicht. Eine solche hat nämlich nur dann Platz zu greifen, wenn – anders als hier –eine „Vertragslücke“ vorliegt (vgl RS0017829 ; 2 Ob 181/23s Rz 5), die offene Auslegungsfrage also durch „einfache Auslegung“ nicht bereits (vollständig) gelöst werden kann ( 4 Ob 60/17b[Pkt 3.1]). Dasselbe gilt für die in der Revision angestellten Überlegungen zu § 915 ABGB, der seinerseits nur subsidiär zur Anwendung gelangt, wenn sich die Undeutlichkeit nach den im § 914 ABGB normierten Auslegungsregeln nicht beheben lässt ( RS0017752 [T5, T6]).