15Os99/25k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. MichelKwapinski und Dr. Sadoghi sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Rathmayr in der Strafsache gegen * R* wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 28. März 2025, GZ 15 Hv 2/25b 68.7, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1]Mit dem angefochtenen Urteil wurde * R* des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs 2 erster und dritter Fall StGB (II./), der Verbrechen der Zuhälterei nach § 216 Abs 4 StGB (III./), der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB (IV./A./, IV./B./ und IV./E./), der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall und Z 3 erster Fall StGB (IV./C./ und IV./D./), des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (V./), des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB (VI./) sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (VII./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – in H* und andernorts
III./ zwischen Herbst 2023 und März 2024 * D* durch Einschüchterung davon abgehalten, die Prostitution aufzugeben, und zwar
A./ indem er sie an ihrem Zopf packte und ihr einen Schlag ins Gesicht versetzte und drohend sagte, dass sie weitermachen solle, da er dringend Geld benötige;
B./ indem er ihr in der Wohnung seiner Mutter Schläge gegen den Kopf versetzte;
C./ indem er ihr telefonisch mitteilte, dass er ihr in den Hals stechen werde;
IV./ D* durch gefährliche Drohung und mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich zur Ausübung der Prostitution, genötigt, und zwar
A./ durch die zu III./A./ beschriebene Tat;
B./ durch die zu III./B./ beschriebene Tat;
C./ durch die zu III./C./ beschriebene Tat, wobei er sie mit dem Tod bedrohte;
D./ am 13. Juni 2024, 14. Juni 2024 und am 9. Juli 2024 in mehreren Angriffen, indem er ihr via WhatsApp mitteilte , dass er sie „began“, gemeint töten, werde oder sie „grebieren“ werde, wodurch er sie mit dem Tod bedrohte;
E./ am 23. Juni 2024 zum Nachteil von Sympathiepersonen, indem er ihr mitteilte, dass er auf ihre „tschawis“, gemeint Kinder, und ihre Freunde losgehen werde, wodurch er zumindest mit Körperverletzungen drohte;
V./ im Juni 2024 D* mit Gewalt eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er ihr einen Faustschlag gegen ihren Brustbereich, zwei Fußtritte gegen ihr linkes Bein versetzte und ihr die Jacke im Halsbereich fest verdrehte, sodass er ihre Handtasche an sich nehmen und daraus 30 Euro entnehmen konnte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen III./, IV./ und V./ des Schuldspruchs richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zukommt.
[4] Die zu V./ des Schuldspruchs erhobene Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) macht nicht klar, inwieweit der Umstand, dass das Opfer das Treffen mit dem Angeklagten geringfügig hinausschob und sich dem Parkplatz schließlich von der anderen Seite näherte, dem Raubvorsatz des Angeklagten entgegenstehen sollte. Aber auch die weitere vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Aussage der Zeugin, wonach sie das von ihrem Bruder erhaltene Geld für sich behalten wollte und der Angeklagte dieses auch nicht gefunden habe, steht nicht in erörterungsbedürftigem Widerspruch zu den erstgerichtlichen Feststellungen , wonach d ieser ihr 30 Euro mit Gewalt wegnahm(RIS-Justiz RS0098646).
[5] Die zu V./ des Schuldspruchs weiters ausgeführte Mängelrüge (Z 5 fünfter Fall) übersieht, dass Aktenwidrigkeit eines Urteils nur dann gegeben ist, wenn dieses den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt, wohingegen der – fallaktuell erhobene – Vorwurf an die Tatrichter, aus der Aussage des Opfers statt der vertretbarerweise gezogenen Schlüsse nicht andere abgeleitet zu haben, bloß unzulässige Kritik an der erstrichterlichen Beweiswürdigung darstellt (RISJustiz RS0099431 [T2]).
[6] A uch der zu III./ und IV./ des Schuldspruchs erhobene Vorwurfder Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall), wonach die getroffenen Feststellungen den Beilagen ./I bis ./IV eindeutig widersprächen, zeigt keinen Begründungsmangel auf (RIS-Justiz RS0099492).
[7] Der Einwand (Z 5 zweiter Fall), das Opfer sei auch nach Ende der Tathandlungen weiter der Prostitution nachgegangen, lässt nicht erkennen, inwieweit dieser Umstand den erstgerichtlichen Feststellungen zu den Nötigungs- und Einschüchterungshandlungen des Angeklagten entgegenstehen sollte. Im Übrigen betrifft auch die Frage, ob das Opfer die Prostitution (zur Tatzeit) aus freiem Willen fortsetzte, für den Bereich der Nötigung (bloß) die nicht subsumtionsrelevante Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung ( Schwaighofer in WK 2StGB § 105 Rz 67; RISJustiz RS0121420, RS0122137), während § 216 Abs 4 StGB auch die vorsorgliche Einschüchterung einer aktuell (noch) nicht zur Aufgabe der Prostitution entschlossenen Person pönalisiert ( Philipp in WK 2StGB § 216 Rz 18).
[8] Die Tatsachenrüge (Z 5a) will nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RISJustiz RS0118780).
[9] Mit der eigenen Bewertung ausgewählter Verfahrensergebnisse, insbesondere der Aussage der erwähnten Zeugin, und dem Verweis auf die Ausführungen zur Mängelrüge (Z 5; vgl jedoch RISJustiz RS0115902, wonach die Nichtigkeitsgründe wesensmäßig verschieden sind) gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken im bezeichneten Sinn hervorzurufen.
[10]Mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO sei angemerkt, dass alle Tathandlungen, die der Angeklagte im Zuge des von III./ des Schuldspruchs erfassten Tatgeschehens setzte, (den Feststellungen des Schöffengerichts folgend) von einer einheitlichen Motivationslage, nämlich dem Ziel, den „Erhalt einer fortlaufenden Einkommensquelle aus der – fortzusetzenden – Ausübung der Prostitution durch * D* zu erreichen“, getragen waren (US 10 f). Auch mit Blick auf die „pauschalierende“ Tatbildformulierung des § 216 Abs 4 StGB (vgl Ratz in WK 2StGB Vorbemerkungen zu §§ 28–31 Rz 91) ist daher vorliegend von einer tatbestandlichen Handlungseinheit im weiteren Sinn auszugehen (RIS-Justiz RS0122006).
[11]Die Annahme mehrerer Verbrechen der Zuhälterei nach § 216 Abs 4 StGB ist daher rechtlich verfehlt. Dieser Subsumtionsfehler (Z 10) bleibt aber ohne Einfluss auf den Strafrahmen, gereicht als solcher dem Angeklagten nicht konkret zum Nachteil und bietet daher keinen Anlass für eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO (RIS-Justiz RS0099767 [T4]).
[12]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Über die unter einem erhobene Berufung des Angeklagten hatgemäß § 285i StPO das Oberlandesgericht zu entscheiden.
[13]Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
