JudikaturOGH

5Ob13/25k – OGH Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
23. September 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerinnen 1. Mag. U*, 2. Mag. B* B*, beide vertreten durch Mag. Mag. (FH) Alexander Edelhauser LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen Eintragung von Wohnungseigentum ob EZ * KG *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Oktober 2024, AZ 46 R 261/24h, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Antragstellerinnen beantragten ob der in ihrem Miteigentum stehenden Liegenschaft die Eintragung des Wohnungseigentums.

[2] Das Erstgericht wies den Antrag ab.

[3] Der Wohnungseigentumsvertrag vom 25. 9. 2023 enthalte im Punkt 1.4.2. eine Vereinbarung, wonach (unter anderem) Satellitenschüsseln, Außenfenster und Außentüren sowie Fensterrollläden zu den jeweiligen Wohnungseigentumsobjekten gehören sollen. An diesen allgemeinen Teilen des Hauses könne aber kein Wohnungseigentum begründet werden.

[4] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

[5] An notwendig allgemeinen Teilen einer Liegenschaft könne kein Wohnungseigentum begründet werden. Notwendig allgemeine Teile seien solche, deren Zweckbestimmung einer ausschließlichen Benützung entgegenstehe, die also Kraft ihrer faktischen Beschaffenheit von vornherein nicht als Wohnungseigentumsobjekt oder Zubehör nutzbar seien.

[6] Der Punkt 1.4.2. des Wohnungseigentumsvertrags vom 25. 9. 2023 nehme nach seiner Formulierung eine Zuordnung von notwendig allgemeinen Teilen der Liegenschaft zum ausschließlichen Nutzungs und Verfügungsrecht der Wohnungseigentümer vor und intendiere damit, an diesen Teilen – unzulässig – Wohnungseigentum zu begründen. Diese Zuweisung [gemeint] widerspreche dem Wesen des Wohnungseigentums und hindere daher die beantragten Eintragungen. Selbst wenn in dieser Zuordnung bloß eine Benützungsregelung zu erblicken wäre, wäre auch diese für notwendig allgemeine Teile unzulässig. Ob der Parteiwille auch oder nur auf Erteilung der Vorwegzustimmung zu Änderungen (§ 16 WEG) sowie auf Vereinbarung eines geänderten Verteilungsschlüssels für Aufwendungen (§ 32 Abs 2 WEG) in Bezug auf die im Punkt 1.4.2. genannten Einrichtungen gerichtet gewesen sei, habe das Grundbuchsgericht im Grundbuchsverfahren als einem reinen Akten und Urkundenverfahren nicht zu ermitteln.

[7] Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[8]Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerinnen zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf; er ist daher zurückzuweisen.

[9] 1.1.An allgemeinen Teilen der Liegenschaft kann Wohnungseigentum nicht begründet werden (§ 3 Abs 3 WEG). Die Begründung von Wohnungseigentum an allgemeinen Teilen der Liegenschaft ist unwirksam. Darauf beruhende Grundbuchseintragungen sind absolut nichtig (5 Ob 66/24b, 5 Ob 164/24i je mwN).

[10] 1.2. Allgemeine Teile der Liegenschaft sind solche, die der allgemeinen Benützung dienen oder deren Zweckwidmung einer ausschließlichen Benützung durch einen Wohnungseigentümer entgegensteht (§ 2 Abs 4 WEG).

[11] Die Untauglichkeit zur Begründung von Wohnungseigentum ergibt sich demnach entweder aus der dem Liegenschaftsteil innewohnenden Zweckbestimmung (notwendig allgemeine Teile) oder aus der vereinbarten Widmung des an sich wohnungseigentumstauglichen Objekts (allgemeine Teile kraft Widmung).

[12]Notwendig allgemeine Teile der Liegenschaft sind Teile der Liegenschaft, denen Kraft ihrer faktischen Beschaffenheit von vornherein die Eignung fehlt, selbständig und ausschließlich benützt zu werden. Dabei ist es nicht erforderlich, dass ein solcher Teil von sämtlichen Miteigentümern benützt werden können muss. Das Erfordernis der allgemeinen Benützung ist auch dann gegeben, wenn nur ein Teil der Miteigentümer auf die Benützung angewiesen ist, um ihre individuellen oder gemeinschaftlichen Nutzungsrechte ausüben zu können (5 Ob 66/24b; 5 Ob 164/24i; RS0117164; RS0097520 [T8]).

[13] 2.1.Das Grundbuchsgericht hat (unter anderem) zu prüfen, ob das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint (§ 94 Abs 1 Z 3 GBG). Das Grundbuchsgesuch kann daher nur dann bewilligt werden, wenn der Urkundeninhalt auch in materiell-rechtlicher Hinsicht frei von Zweifel ist (RS0060878).

[14]Die grundbuchsrichterliche Prüfung eines Vertrags hat sich auch darauf zu erstrecken, ob der bei dem Erwerb eines dinglichen Rechts erforderliche gültige Rechtsgrund gemäß § 26 Abs 2 GBG gegeben ist. Aus dem Inhalt der die Grundlage für den Erwerb eines dinglichen Rechts bildenden Urkunden muss sich also das Zustandekommen des entsprechenden Rechtsgeschäfts ergeben (5 Ob 94/25x mwN; RS0116318 [T4]).

[15] 2.2.Dem Grundbuchsgericht ist es dabei verwehrt, eine undeutliche und zu begründetem Zweifel Anlass gebende Urkunde auszulegen. Durch den Inhalt der Urkunden erweckte, nicht restlos beseitigte Zweifel führen zur Abweisung des Grundbuchsgesuchs (RS0060573). Dem Grundbuchsgericht steht es zwar zu, aus den ihm vorgelegten Urkunden unmittelbar logische Schlussfolgerungen zu ziehen, es hat sich aber auf die Auslegung des Wortlauts eines Vertrags zu beschränken, keinen davon abweichenden Parteiwillen zu ermitteln und keine Zweifelsfragen durch vom Wortsinn nicht mehr gedeckte Interpretation zu klären. Eine Berücksichtigung von Umständen, die erst außerhalb des Urkundenbeweises liegende Tatsachen durch eine bestimmte Auslegung ergeben, kommt demnach ebenso wenig in Betracht wie die Bedachtnahme auf einen nicht urkundlich erwiesenen, sondern allenfalls zu erschließenden Willen der Vertragsparteien (5 Ob 94/25x mwN).

[16] 2.3. Ob die dem Grundbuchsgesuch angeschlossenen Urkunden im Sinn des § 94 Abs 1 Z 3 GBG zu Zweifeln Anlass geben, ist eine Frage des Einzelfalls, die nur dann eine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen könnte, wenn dem Rekursgericht eine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen ist (5 Ob 94/25 mwN).

[17] 3.1. Eine solche Fehlbeurteilung zeigt der Revisionsrekurs nicht auf.

[18] 3.2. Die Antragstellerinnen haben zu Punkt 1.4.2. des Wohnungseigentumsvertrags vereinbart, dass bestimmt bezeichnete Teile der Liegenschaft „zu dem jeweiligen Wohnungseigentumsobjekt (bzw. zu den ausschließlich zu nutzenden Teilbereichen der allgemeinen Teile der Liegenschaft) und nicht zu den allgemeinen Teilen der Liegenschaft und damit in das ausschließliche Nutzungs und Verfügungsrecht, das Änderungsrecht, und die selbstständige Verpflichtung vom jeweiligen Wohnungseigentümer, diese zu pflegen, zu warten, zu erhalten, in Stand zu setzen und zu erneuern, gehören“. Als solche Teile sind insbesondere „die Außenfenster und Außentüren des jeweiligen Wohnungseigentumsobjektes und deren Rahmen“, sowie „Fensterrollläden“ genannt.

[19] Die Vorinstanzen haben (zumindest) einzelne der zu Punkt 1.4.2. des Wohnungseigentumsvertrags genannten Liegenschaftsteile und Einrichtungen als notwendig allgemeine Teile der Liegenschaft qualifiziert. Während das Erstgericht explizit „Satellitenschüsseln, Außenfenster und Außentüren sowie Fensterrollläden“ hervorhob, hat das Rekursgericht diese Beurteilung nicht weiter spezifiziert.

[20] 3.3. Die Revisionsrekurswerberinnen behaupten, die Vorinstanzen hätten in Verkennung der Rechtslage „allgemeine Teile der Liegenschaft“ im Sinn der mietrechtlichen Rechtsprechung zur Abgrenzung der Erhaltungspflichten im Mietrecht mit „(zwingend) notwendig allgemeinen Teilen“ nach dem Wohnungseigentumsgesetz gleichgesetzt. Sie verweisen dazu auf den Verfahrensgegenstand der vom Erstgericht zitierten zweitinstanzlichen Entscheidung und die dort zitierten Nachweise, verkennen aber, das die Beurteilung der Vorinstanzen jedenfalls in Bezug auf einzelne Sachteile der Liegenschaft (auch) der Rechtsprechung zum wohnungseigentumsrechtlichen Begriff der notwendig allgemeinen Teile entspricht.

[21] Es ist zwar richtig, dass die gesetzliche Definition der allgemeinen Teile und die dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze mit Blick auf Flächen und Räume auf die Möglichkeit ausschließlicher Benützung durch einen Wohnungseigentümer als Wohnungseigentumsobjekt oder Zubehör fokussieren. Nach der wohnungseigentumsrechtlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist aber klar, dass auch Sachteile, die losgelöst von der Benützbarkeit im engeren Sinn zwingend den Interessen aller (oder wenigstens mehrerer) Wohnungseigentümer dienen, als notwendig allgemeine Teile zu qualifizieren sind (vgl Terlitza, Miteigentum und Wohnungseigentum – Parallelwelten [2021] S 282). Aus eben diesem Grund zählen mehrfunktionale Einrichtungen wie Trennwände oder Decken zwischen einzelnen Wohnungseigentumsobjekten, Steigleitungen und Abwasserstränge ebenso zu (notwendig) allgemeinen Teilen des Hauses (5 Ob 107/24g mwN) wie jene Bereiche, die gemeinhin als „Außenhaut“ des Gebäudes bezeichnet werden (5 Ob 212/20t). Als zur Außenhaut des Gebäudes gehörig werden nicht nur die Außenmauern und die Fassade (RS0082890 [T2, T5]; RS0069976 [T3]; RS0083334 [T1]; RS0117707 [T3]) beurteilt, sondern auch die Außenfenster (RS0083334 [T10]), Balkone, Terrassen, Balkontüren und Balkongeländer (5 Ob 154/20p, 5 Ob 61/19k mwN) sowie Außenjalousien und -rollläden (5 Ob 188/15f).

[22] Bereits in Bezug auf die in Punkt 1.4.2. genannten Außenfenster und „Fensterrollläden“ findet daher die Beurteilung des Rekursgerichts, die dort angeordnete Zuordnung betreffe kraft ihrer Beschaffenheit notwendig allgemeine Teile der Liegenschaft in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs Deckung. Eine Auseinandersetzung damit, inwieweit das auch für andere Liegenschafts und Anlagenteile gilt, insbesondere die dort genannten Außentüren, Rauchfänge sowie Heizungs und Stromleitungen, kann daher unterbleiben.

[23] 3.4. Entgegen der Behauptung der Revisionsrekurswerberinnen beruht das Verständnis des Rekursgerichts, die Vereinbarung zu Punkt 1.4.2. beinhalte die Begründung von Wohnungseigentum allein, auf der Auslegung des Wortlauts der Vertragsbestimmung. Die Formulierung des Rekursgerichts, die Vertragsparteien hätten „intendiert“, an diesen Liegenschaftsteilen Wohnungseigentum zu begründen, meint offenkundig nicht einen (vom Wortsinn nicht mehr gedeckten) Parteiwillen, sondern ist die Wiedergabe des von ihm so verstandenen Urkundeninhalts mit anderen Worten.

[24] Angesichts des Wortlauts der Bestimmung ist das Verständnis des Rekursgerichts auch keine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung. Schließlich vereinbarten die Vertragsparteien, dass die genannten Sachteile und Einrichtungen „zu dem jeweiligen Wohnungseigentumsobjekt (bzw. zu den ausschließlich zu nutzenden Teilbereichen der allgemeinen Teile der Liegenschaft) und nicht zu den allgemeinen Teilen der Liegenschaft“ zählen „und damit in das ausschließliche Nutzungsund Verfügungsrecht“ gehören sollen. Die Revisionrekurswerberinnen verweisen zwar grundsätzlich zutreffend darauf, dass der vereinbarten Zuordnung zu dem jeweiligen Wohnungseigentumsobjekt in Klammern jene zu den „ausschließlich zu nutzenden Teilbereichen der allgemeinen Teile der Liegenschaft“ nachgestellt ist. Damit ist für ihren Standpunkt aber letztlich nichts gewonnen, weil die Formulierung zumindest durch Wortinterpretation nicht restlos zu beseitigende Zweifel erweckt und eine Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen, die wertend zwischen mehreren vernünftig in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten abwägt, dem Grundbuchsgericht verwehrt ist (RS0060878 [T25]).

[25] 4.Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG).