JudikaturOGH

2Ob100/25g – OGH Entscheidung

Entscheidung
Erbrecht
18. September 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am * 2023 verstorbenen A*, über den Revisionsrekurs der Vermächtnisnehmerin M*, vertreten durch MMag. Hermann Bogensberger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 18. März 2025, GZ 21 R 24/25p 19, womit der Rekurs der Vermächtnisnehmerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 14. November 2024, GZ 20 A 78/24a 14, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

II. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Dem Rekursgericht wird die Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung:

[1] Die 2023 verstorbene Erblasserin hinterließ ihren Ehemann (in der Folge: Witwer), den sie in einer eigenhändigen letztwilligen Verfügung zum Alleinerben einsetzte. Einer Bekannten, der nunmehrigen Revisionsrekurswerberin, vermachte sie ihre Malteserhündin.

[2] Der Witwer beantragte die Überlassung der Verlassenschaft an Zahlungs statt, weil Aktiva von etwas mehr als 29.000 EUR – darunter die mit 500 EUR bewertete Hündin – Passiva von rund 33.000 EUR gegenüber stünden. Er habe sämtliche ihm bekannten Forderungen der näher genannten Gläubiger befriedigt, weitere Gläubiger hätten sich trotz Aufforderung nicht gemeldet. Eine Gläubigerkonvokation sei erfolgt.

[3]Die Vermächtnisnehmerin wurde nach § 176 Abs 1 AußStrG verständigt, eineweitere Einbindung in das Verfahren (etwa nach § 155 AußStrG) unterblieb.

[4] Das Erstgericht überließ die Verlassenschaftsaktiva antragsgemäß dem Witwer an Zahlungs statt.

[5] Die Vermächtnisnehmerin gab in ihrem Rekurs(erstmals) bekannt, das ihr ausgesetzte Vermächtnis anzunehmen. Sie berief sich auf ihre Stellung als Gläubigerin, relevierte die Nichteinhaltung der in § 155 AußStrG normierten Vorgangsweise und argumentierte, dass weitere Aktiva keine Berücksichtigung gefunden hätten. Im Ergebnis hätte statt der Überlassung an Zahlungs statt ein ordentliches Verlassenschaftsverfahren durchgeführt werden müssen, in dessen Rahmen ihr die Hündin zu überlassen gewesen wäre.

[6] Das Rekursgericht wies den Rekurs mangels Rekurslegitimation zurück. Nur ein Gläubiger, der seine Forderung im Verlassenschaftsverfahren angemeldet habe, sei zur Erhebung eines Rekurses gegen den Beschluss über die Überlassung an Zahlungs statt legitimiert.

[7]Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil aus der vereinzelt gebliebenen Entscheidung 3 Ob 175/08v abzuleiten sein könnte, dass eine Anmeldung der Forderung unterbleiben könne, wenn die Forderung dem Erben (oder Kurator) ohnehin bekannt sei, was auf das in Rede stehende Vermächtnis zutreffe.

[8] In ihrem Revisionsrekurs beantragt die Vermächtnisnehmerin , die Beschlüsse der Vorinstanzen ersatzlos aufzuheben und dem Erstgericht die Einleitung des ordentlichen Verlassenschaftsverfahrens aufzutragen; hilfsweise soll nur die Entscheidung des Rekursgerichts aufgehoben und diesem eine neuerliche Entscheidung aufgetragen werden.

[9] Der Witwer beantragt in der Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Antrags auch berechtigt , weil das Rekursgericht zu Unrecht die Rekurslegitimation der Vermächtnisnehmerin verneint hat.

[11]1. Als „Revisionsrekurs“ erfasst § 62 AußStrG alle Rekurse gegen „im Rahmen des Rekursverfahrens ergangene" Beschlüsse des Rekursgerichts und damit auch die Zurückweisung des Rekurses mangels Rechtsmittellegitimation (vgl RS0120565 ).

[12] 2. Der Revisionsrekurs gegen den Beschluss des Rekursgerichts, mit dem es einen Rekurs zurückweist, ist einseitig ( RS0120614 ). Die Revisionsrekursbeantwortung ist damit als unzulässig zurückzuweisen.

[13] 3. Einem nicht schutzberechtigten Vermächtnisnehmerkommt im Verlassenschaftsverfahren lediglich die Rolle eines Gläubigers zu (RS0006581). Vermächtnisnehmer haben im Verlassenschaftsverfahren damit nur insoweit Parteistellung, als sie von ihren (Gläubiger)Rechten nach den §§ 811, 812 und 815 ABGB Gebrauch machen oder sonst unmittelbar in ihre Vermögensrechte eingegriffen wird ( 5 Ob 68/14g mwN; vgl auch RS0006582 ).

[14] Nach der Rechtsprechung haben Gläubiger, die eine Forderung angemeldet haben, im Verfahren über die Überlassung an Zahlungs statt Parteistellung und sind rechtsmittellegitimiert, wenn die Verlassenschaft einem anderen Gläubiger an Zahlungs statt überlassen wird ( RS0006659 ; 2 Ob 49/25g [Rz 7]). Einem Verlassenschaftsgläubiger steht daher das Recht zu, die Überlassung an Zahlungs statt und damit auch die in diesem Beschluss erfolgte Art der Aufteilung der vorhandenen Aktiva unter mehreren Gläubigern zu bekämpfen ( 2 Ob 75/18w [Punkt III.2. mwN]).

[15]4. Der Senat hat vor diesem Hintergrund auch die Rechtsmittellegitimation eines Vermächtnisnehmers bejaht, der sich gegen die Annahme wehrt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Überlassung an Zahlungs statt vorliegen (2 Ob 75/18w [Punkt III.2.]; ähnlich bereits die unveröffentlichte E 1 Ob 616/76 [1 Ob 704/76]). Dies wurde damit begründet, dass ein Vermächtnisnehmer im Fall der Überlassung an Zahlungs statt – und damit bei Vorliegen eines überschuldeten Nachlasses – seine Ansprüche gegen die Verlassenschaft grundsätzlich nicht mehr geltend machen kann, weil die Gläubiger des Erblassers vorrangig zu befriedigen sind (vgl RS0012654 ).

[16]5. Da die Vermächtnisnehmerin in ihrem Rekurs das Vorliegen der in § 154 AußStrG genannten Voraussetzungen für eine Überlassung an Zahlungs statt bestritten hat, hat das Rekursgericht ihre Rechtsmittellegitimation zu Unrecht verneint.

[17] 6. Dass die Vermächtnisnehmerin erstmals im Rekurs ausdrücklich erklärt hat, das Vermächtnis annehmen zu wollen, ändert daran nichts. Einerseits hängt der Erwerb des Vermächtnisses nicht von einer Annahmeerklärung ab (vgl RS0012606 ), andererseits schadet einem Gläubiger das Unterlassen einer Anmeldung dann nicht, wenn die Forderung – wie hier – dem Erben ohnehin bekannt ist ( 3 Ob 175/08v [Punkt b.6. mwN] = RS0124124 ).

[18] 7. Hat das Rekursgericht einen Rekurs als unzulässig zurückgewiesen, ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, anlässlich der Entscheidung über diesen – seiner Ansicht nach verfehlten – Zurückweisungsbeschluss gleich in der Sache selbst zu erkennen. Dies gilt auch im Außerstreitverfahren ( RS0007037 [insb T1, T11, T17]). Der Ausnahmefall, dass das Rekursgericht (auch) eine Sachprüfung vorgenommen hätte und diesfalls eine überprüfbare Sachentscheidung vorläge ( RS0044232 ), liegt hier nicht vor.