JudikaturOGH

10ObS81/25x – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. September 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hargassner als Vorsitzenden und den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi und den Hofrat Dr. Annerl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Markus Schrottmeyer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Wolfgang Kozak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei C*, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15–19, vertreten durch Dr. Anton Ehm, Dr. Simone Metz, LL.M. und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. April 2025, GZ 8 Rs 36/25k 13, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 13. November 2024, GZ 35 Cgs 197/24b 8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, dass die Entscheidung lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld von 6,06 EUR täglich für den Zeitraum von 5. 12. 2024 bis 8. 3. 2025 jeweils am 10. des Folgemonats im Nachhinein zu zahlen.“

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Anspruch der Klägerin auf Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld im Zeitraum von 5. 12. 2024 bis 8. 3. 2025.

[2] Die Klägerin beantragte mit am 6. 12. 2023 bei der beklagten Österreichischen Gesundheitskasse eingelangtem Antrag pauschales Kinderbetreuungsgeld anlässlich der Geburt ihres Kindes am 21. 11. 2023 als Konto für 851 Tage. Zeitgleich stellte die Klägerin den Antrag auf Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld ohne Angabe (richtig) von Bezugsbeginn und Bezugsende.

[3] Infolge eines Verbesserungsauftrags der Beklagten gab die Klägerin bekannt, dass sie die Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld von 10. 3. 2024 bis 10. 3. 2025 beziehen wolle.

[4] In der Zeit von 21. 10. 2023 bis 9. 3. 2024 bezog die Klägerin Wochengeld (in einer das Kinderbetreuungsgeld in diesem Zeitraum übersteigenden Höhe). Seit 10. 3. 2024 zahlte die Beklagte der Klägerin Kinderbetreuungsgeld und die Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld von 6,06 EUR aus, letztere jedoch nur bis 4. 12. 2024.

[5] Mit Bescheid vom 25. 7. 2024 wies die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung der Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum von 5. 12. 2024 bis 8. 3. 2025 ab.

[6] Die Klägerin begehrte die Zuerkennung der Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum 5. 12. 2023 bis 8. 3. 2025.

[7] Die Beklagte bestritt und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin habe den Antrag auf Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld am 6. 12. 2023 für den Zeitraum 10. 3. 2024 bis 10. 3. 2025 gestellt. Da die Beihilfe längstens für 365 Tage ab erstmaliger Antragstellung gebühre, sei ein Bezug im Zeitraum von 6. 12. 2023 bis 4. 12. 2024 möglich gewesen, weshalb der Anspruch im darüber hinausgehenden Zeitraum von 5. 12. 2024 bis 10. 3. 2025 abzulehnen gewesen sei.

[8] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung der Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld von 6,06 EUR täglich für den Zeitraum von 5. 12. 2024 bis 8. 3. 2025. Auch wenn der Gesetzeswortlaut von „ab erstmaliger Antragstellung“ spreche, impliziere dies nicht, dass der Bezugszeitraum zwingend mit dem Datum der Antragstellung festgelegt werde. Widrigenfalls wären die Antragsteller gezwungen, den Antrag immer exakt zum Datum des Bezugsbeginns zu stellen. Der Anspruchsbeginn könne von den Eltern frei gewählt werden.

[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Der Passus „ab erstmaliger Antragstellung“ spreche nach dem Wortlaut auf den ersten Blick dafür, dass mit dem Datum der Antragstellung der Bezugszeitraum festgelegt werde. Als überzeugend erweise sich aber die Überlegung des Erstgerichts, dass bei einer derartigen Auslegung die Antragsteller gezwungen wären, den Antrag immer exakt zum Datum des Bezugsbeginns zu stellen. Eine solche Absicht könne dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden. Ergänzend sei auszuführen, dass die Beihilfe insgesamt für bis zu 365 Tage ab dem Anspruchsbeginn bezogen werden könne, wobei dieser Anspruchszeitraum unter Umständen unterbrochen sein könne. Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass der Antrag der Klägerin auf Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld als Anspruchsstellung ab Antragstellung verstanden werden habe dürfen, so hätte der Anspruch auf Beihilfe auf Kinderbetreuungsgeld (ebenso wie der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld) während des Bezugs von Wochengeld durch die Klägerin bis 9. 3. 2024 geruht. Wenn daraus keine Verkürzung der Bezugsdauer resultieren solle, hätte die Klägerin auch in diesem Fall Anspruch auf Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld für 365 Tage, also bis 8. 3. 2025.

[10]Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob sich der Bezugsbeginn der Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld im Sinn des § 14 KBGG nach dem Datum der Antragstellung richte oder von den Eltern frei wählbar sei.

[11] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn einer Abweisung des Klagebegehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[12] Die Klägerin beteiligte sich nicht am Revisionsverfahren .

Rechtliche Beurteilung

[13] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

[14] 1. Die Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld gebührt gemäß§ 14 Abs 1 Satz 1 KBGG „längstens für 365 Tage ab erstmaliger Antragstellung“ und nur solange Anspruch auf pauschales Kinderbetreuungsgeld besteht.

[15] 2. Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, derWortlaut des § 14 Abs 1 Satz 1 KBGG sei dermaßen eindeutig, dass keine Zweifel über den Sinn der Regelung entstehen könnten und von der Heranziehung anderer Interpretationsmethoden Abstand genommen werden könne. Der Passus „ab erstmaliger Antragstellung“ definiere den Beginn des Bezugs der Beihilfe. Der Hinweis in den Materialien, wonach es den Eltern freistehe, den Beginn der Auszahlung zu wählen, stehe unter der Prämisse, dass der Bezugsbeginn an die erstmalige Antragstellung gebunden sei. Aufgrund des Sozialhilfecharakters der Beihilfe sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Antragstellung zeitgleich mit Auftreten eines finanziellen Engpasses und nicht quasi prophylaktisch für den Fall einer eventuell früher oder später eingetretenen finanziellen Notlage erfolge, weshalb der zur Verfügung stehende 365-tägige Bezugszeitrahmen unmittelbar an die Antragstellung anknüpfe.

3. Dazu wurde erwogen:

[16] 3.1.Für die Auslegung generell-abstrakter Normen sehen §§ 6 und 7 ABGB eine Reihe von Kriterien vor: § 6 ABGB stellt sowohl auf die „eigentümliche Bedeutung der Worte“, und zwar „in ihrem Zusammenhang“ ab, was der Wortinterpretation unter Berücksichtigung des Bedeutungszusammenhangs und der Gesetzessystematik entspricht, als auch auf die „klare Absicht des Gesetzgebers“ und schreibt damit die Erforschung der Absicht des Gesetzgebers vor ( 10 Ob 82/23s Rz 63). Dabei sind die einzelnen Auslegungsmethoden nicht mechanisch hintereinander anzuwenden, es ist vielmehr eine Gesamtwürdigung vorzunehmen und unter Heranziehung aller zur Verfügung stehender Kriterien in wertender Entscheidung der Sinn einer Regelung klarzustellen ( RS0008877). Dass selbst der eindeutige Gesetzeswortlaut keine unübersteigbare Grenze juristischer Argumentation darstellt, ist auf Grundlage des § 7 ABGB in der Rechtsprechung anerkannt (vgl RS0008765 [T1]).

[17] In Fällen, in denen das Gesetz in seinem wörtlichen Verständnis offenbare Wertungswidersprüche in der Rechtsordnung provozieren müsste, mit dem bestehendem Wertekonsens innerhalb der Rechtsgemeinschaft unvereinbar oder der „Natur der Sache“ zuwider wäre, ist die Heranziehung von historischem Interpretationsmaterial erforderlich. Gelingt in einem solchen Fall der Nachweis einer vom Wortlaut abweichenden Absicht des Gesetzgebers, so wird diese, unterstützt von den objektiv-teleologischen Argumenten, durchdringen ( RS0008765 ). Dabei geht es nicht darum, unter Außerachtlassung der Gewaltenteilung eine als unbefriedigend empfundene Gesetzgebung durch die Rechtsprechung zu korrigieren (vgl RS0009099), sondern vielmehr darum, einem eindeutig erkennbaren Willen des Gesetzgebers, der mit der Gesetzessystematik und ihren zugrunde liegenden Wertungen im Einklang steht, über einen unzulänglich formulierten Gesetzestext hinaus zum Durchbruch zu verhelfen ( RS0009100 [T2]).

[18] 3.2. Ausgehend davon ist der Beklagten entgegen zu halten, dass der Wortlaut nicht dermaßen eindeutig ist, dass die Anwendung anderer Interpretationsmethoden von vornherein ausgeschlossen wäre.

[19] Das gilt zunächst für das von der Beklagten vertretene Ergebnis, dass § 14 Abs 1 Satz 1 KBGG den (tatsächlichen) Bezugsbeginn definiere und dieser daher mit dem Zeitpunkt der Stellung des Antrags festgelegt werde. Diese Bestimmung regelt vielmehr lediglich einen Anspruch („gebührt längstens“), was eine Wahl der Lage des Bezugszeitraums (also Beginn und/oder Ende des Bezugs, sofern die normierte Höchstdauer nicht überschritten wird) gerade nicht ausschließt.

[20] Darüberhinaus könnte der Wortlaut des § 14 Abs 1 Satz 1 KBGG auch im Sinn eines vorgegebenen Bezugsrahmens verstanden werden, innerhalb dessen eine Wahlmöglichkeit bestünde. Infolge Berechnung der Höchstdauer von 365 Tagen ausgehend vom Zeitpunkt der Antragstellung würde ein begehrter späterer Bezugsbeginn letztlich ebenso die Bezugsdauer verkürzen (in diesem Sinn offenbar Weißenböck in Holzmann-Windhofer/Weißenböck, KBGG 2 § 14 Pkt 1., der – allerdings ohne Begründung – unter „Antragstellung“ den Tag der persönlichen Abgabe bzw Posteingang des Antrags versteht).

[21] Das Wort „Antragstellung“ kann aber auch als „beantragter Bezugsbeginn“ verstanden werden.

[22] Welcher Auslegung der Vorzug zu geben ist, muss daher auch unter Heranziehung der anderen Interpretationsmethoden geprüft werden.

[23] 3.3. Die Regelung des§ 14 Abs 1 Satz 1 KBGG geht auf BGBl I 2009/116 zurück. Die Änderung durch BGBl 2016/53 betraf – soweit hier von Relevanz – nur die Formulierung der Höchstdauer („365 Tage“ statt „12 Monate“). Die Gesetzesmaterialien (zu BGBl I 2009/116 ) führen dazu aus ( RV 340 BlgNR 24. GP 15 f):

In Hinkunft wird die Auszahlung auf maximal 12 Monate beschränkt. Es steht den Eltern frei, den Beginn der Auszahlung zu wählen, allerdings ist auch die Beihilfe, wie die Grundleistung selbst, nur in Blöcken von mindesten[s] 2 Monaten zu beziehen (Mindestbezugsdauer).

Der Bezug der Beihilfe endet spätestens mit dem Ende des KBG-Bezuges. Die Beihilfe kann zudem insgesamt (von beiden Elternteilen gemeinsam) 12 Monate lang bezogen werden, ein Verzicht oder eine Unterbrechung des Bezuges verlängern die Bezugsdauer nicht. Das entspricht der Systematik des Gesetzes. Das Ruhen des Kinderbetreuungsgeldes in voller Höhe ermöglicht keinen Bezug der Beihilfe, wodurch sich aber auch keine Bezugsverkürzung der Beihilfe durch das Ruhen ergibt. Die Mindestbezugsdauer beträgt zwei Monate, ein kürzerer Bezug ist nicht möglich.

[24] Dem historischen Gesetzgeber ging es bei der Schaffung des§ 14 Abs 1 Satz 1 KBGG somit primär um die Festlegung einer Höchstdauer, die es nach bisheriger Rechtslage (beim Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld) nicht gegeben hatte. Es wird auch eigens betont, dass es den Eltern (unter Beachtung der Mindestbezugsdauer) freistehe, den Beginn der Auszahlung zu wählen. Dies deutet auf eine Dispositionsmöglichkeit hin, die über die Wahl des Zeitpunkts, wann der Antrag gestellt wird, hinausgeht. Würde die Bezugsdauer vom Einlangen des Antrags (und nicht vom gewählten Bezugsbeginn) abhängen, wäre an dieser Stelle überdies wohl ein Hinweis auf die Auswirkungen eines späteren Bezugsbeginns auf eine (dadurch verkürzte) Bezugsdauer zu erwarten, zumal die Materialien einen solchen auch hinsichtlich Verzicht oder Unterbrechung des Bezugs geben.

[25] 3.4. Auch systematische Überlegungen sprechen für das von den Vorinstanzen vertretene Ergebnis.

[26] Die Regelungen zur Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld folgen erkennbar der Systematik des Kinderbetreuungsgelds (vgl auch RV 340 BlgNR 24. GP 15, wo auf die Systematik des Gesetzes verwiesen wird). Der mögliche Bezugsbeginn und die Anspruchsdauer beim Kinderbetreuungsgeld bestimmen sich aber grundsätzlich – zur Ausnahme nach § 4 Abs 2 KBGG siehe sogleich – unabhängig vom Zeitpunkt der Antragstellung (vgl §§ 4 , 4a und 5KBGG).

[27] Würde der Zeitpunkt der Antragstellung den Bezugsbeginn festlegen, wäre überdies derVerweis des § 9 Abs 2 letzter Satz KBGG auf § 4 Abs 2 KBGG sinnlos , nach dem die Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld auch (nach aktueller Rechtslage: höchstens 18 2 Tage) rückwirkend gewährt werden kann. Gesetze sind aber so auszulegen, dass sie einen Anwendungsbereich haben ( RS0010053 ; RS0111143 ). Ein solcher Inhalt kann dem§ 14 Abs 1 Satz 1 KBGG daher nicht beigemessen werden.

[28] Der Verweis spricht überdies auch gegen die Auslegung, dass der Zeitpunkt der Einbringung des Antrags den rechnerischen Ausgangspunkt für das mögliche Bezugsende darstellt. Würde die Beihilfe nämlich (längstens) für 365 Tage ab diesem Zeitpunkt gebühren, wäre bei einer rückwirkenden Gewährung ein längerer Bezugszeitraum als 365 Tage möglich, was wiederum der klaren Absicht des Gesetzgebers zuwiderliefe, die Auszahlung auf maximal 12 Monate (nunmehr 365 Tage) zu beschränken.

[29] Der Verweis auf § 4 Abs 2 KBGG zeigt daher deutlich, dass sich die auch in den Gesetzesmaterialien betonte Dispositionsmöglichkeit der Eltern nicht darin erschöpft, den Zeitpunkt der Antragstellung zu wählen, sondern darin bestehen muss, die Lage des Bezugszeitraums zu wählen, ohne gleichzeitig die maximal mögliche Bezugsdauer zu verkürzen.

[30] 3.5. Schließlich spricht auch der erkennbare Zweck des§ 14 Abs 1 Satz 1 KBGG dafür, dass ein im Antrag begehrter späterer Bezugsbeginn die maximale Bezugsdauer von 365 Tagen nicht verkürzt.

[31] Der Gesetzgeber wollte mit dieser Bestimmung einen Bezug der Beihilfe für maximal 365 Tage regeln und den Eltern dabei – innerhalb gewisser Grenzen – eine Wahlmöglichkeit in Bezug auf den Beginn und das Ende des Bezugs einräumen. Dass der im Antrag begehrte (vor oder nach dem Zeitpunkt der Antragstellung liegende) Bezugsbeginn den rechnerischen Ausgangspunkt für die Berechnung des möglichen Bezugsendes darstellt, entspricht diesen Zwecken mehr, als dabei auf den Zeitpunkt des Einlangens des Antrags abzustellen. Gegen Letzteres spricht, dass Eltern, die einen bestimmten Bezugsbeginn wünschen, in diesem Fall gezwungen wären, den Antrag zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt zu stellen, auch wenn dessen Inhalt bereits feststeht. Ein Grund dafür, die Eltern in diesem Fall zu zwingen, mit der Einbringung des Antrags zuzuwarten, ist nicht ersichtlich. Da der Zeitpunkt des Einlangens des Antrags bei postalischer Einbringung im Vorhinein nicht exakt absehbar ist und eine durch den Postweg allenfalls verursachte Abweichung des tatsächlichen Bezugszeitraums vom geplanten Bezugszeitraum von bereits einem einzigen Tag unter Umständen (etwa im Fall des Unterschreitens der Mindestbezugsdauer) Auswirkungen auf den gesamten Anspruch haben könnte, würde die Planung der Eltern, wann sie die Beihilfe (abhängig von ihrem Einkommen bzw allenfalls abwechselnd) beziehen wollen, nur übermäßig erschwert.

[32] Ein nachvollziehbarer Grund dafür, den Eltern eine Beantragung eines späteren Bezugsbeginns (ohne gleichzeitiger Verkürzung der maximalen Bezugsdauer) zu verwehren, wird in der Revision auch nicht dargetan. Richtig ist, dass die Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld eine Beihilfe für bedürftige Eltern in dem Sinn darstellt, dass sie auf einkommensschwache Personen eingegrenzt ist (vgl RV 340 BlgNR 24. GP 15). Daraus ist aber – entgegen der Rechtsansicht der Beklagten – nicht abzuleiten, dass es sich um eine Leistung mit Sozialhilfecharakter handelt, weil die Beihilfe als Annexleistung zum (pauschalen) Kinderbetreuungsgeld bei Vorliegen der in § 9 KBGG genannten Voraussetzungen ohne Notlage und ohne jegliche auf die persönliche Bedürftigkeit abstellende Ermessensausübung im Einzelfall zu gewähren ist (vgl 10 ObS 63/20t ErwGr 3.3). Gerade die vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit eines Verzichts, der zur Verkürzung des für die Einhaltung der Einkommensgrenze relevanten Anspruchszeitraums führt ( § 9 Abs 4 KBGG), zeigt, dass den Eltern optimierende Dispositionen möglich sein sollen. Auch eine rückwirkende Antragstellung ist – wie bereits ausgeführt – nach dem KBGG jedenfalls möglich . Der Argumentation der Beklagten, dass eine Antragstellung nur „zeitgleich mit Auftreten eines finanziellen Engpasses“ und nicht „quasi prophylaktisch für den Fall einer eventuell früher oder später eingetretenen finanziellen Notlage“ möglich sein soll, ist daher nicht zu folgen.

[33] 3.6. In einer wertenden Betrachtung dieser Gesichtspunkte ist das von den Vorinstanzen erzielte Auslegungsergebnis somit nicht zu beanstanden. Zusammenfassend kann folgender Rechtssatz formuliert werden:

[34] Die Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld gebührtnach § 14 Abs 1 Satz 1 KBGG längstens für 365 Tage ab dem im (erstmaligen) Antrag bezeichneten Bezugsbeginn, sofern die weiteren Voraussetzungen, insbesondere das zeitgleiche Bestehen eines Anspruchs auf pauschales Kinderbetreuungsgeld erfüllt sind.

[35] 4. Soweit die Beklagte in der Revision auf die Wahl des Bezugsbeginns (erst) im Rahmen der Verbesserung des ursprünglichen Antrags Bezug nimmt und daraus folgert, dass die Klägerin selbst davon ausgegangen sei, dass der Bezugsbeginn mit dem Datum der Einbringung dieses Antrags identisch sei, hat sie sich in der Berufung darauf nicht gestützt, sodass die Rüge dieses unbekämpften selbständigen Streitpunkts im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden kann ( RS0043480 [T22]). Nur der Vollständigkeit halber ist die Beklagte auf die unstrittige Tatsache zu verweisen, dass der eingebrachte Antrag keine (im Formular aber vorgesehene) Angabe der gewünschten Bezugsdauer enthielt und die Beklagte der Klägerin deswegen die Verbesserung dieses Antrags auftrug, woraus die Beklagte in erster Instanz selbst ableitete, dass die Klägerin am 6. 12. 2023 einen Antrag auf Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum 10. 3. 2024 bis 10. 3. 2025 gestellt habe.

[36] 5. Die Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld gebührt der Klägerin daher ausgehend vom im Antrag bezeichneten Bezugsbeginn am 10. 3. 2024 bis maximal 365 Tage danach, also auch im von der Klägerin begehrten Zeitraum. Dass der Anspruch in diesem Zeitraum aus anderen Gründen zu verneinen wäre, macht die Beklagte in der Revision nicht geltend. Da der Bezugsbeginn nicht schon von Gesetzes wegen mit dem Zeitpunkt des Einlangens des Antrags festgelegt wird und die Klägerin diesen Zeitpunkt im Antrag auch nicht bezeichnete, ist die für den Fall eines solchen Bezugsbeginns vom Berufungsgericht weiters thematisierte Frage, ob Zeiten des Ruhens (aufgrund des Bezugs von Wochengeld in entsprechender Höhe) nach§ 14 Abs 1 Satz 3 KBGG eine Verkürzung des Bezugszeitraums bewirken, hier nicht von Relevanz, sodass darauf nicht einzugehen ist.

[37] 6.1. Der Revision der Beklagten war somit nicht Folge zu geben. Die dem Klagebegehren stattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen waren mit der im Spruch ersichtlichen Maßgabe – der Ergänzung der Fälligkeitszeitpunkte nach § 33 Abs 1 KBGG für die zuerkannten (zur Gänze nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz fällig werdenden) Beträge – zu bestätigen.

[38] 6.2. Kosten wurden nicht verzeichnet.