RS0008765 – OGH Rechtssatz
Der unbedingte Vorrang der gramatikalischen und der systematisch-logischen Auslegung vor der subjektiv historischen gilt nur, wo allein diese Auslegungskriterien in Frage stehen, wo also die "objektiv-teleologischen" Kriterien keine oder widersprüchliche Ergebnisse liefern. Zur Heranziehung historischen Interpretationsmaterial ist man aber nicht nur herausgefordert, wenn die "Ausdrucksweise" des Gesetzes "zweifelhaft" ist, sondern auch wenn das Gesetz in seinem wörtlichen (nächstliegenden) Verständnis offenbare Wertungswidersprüche in der Rechtsordnung provozieren müßte, mit bestehendem Wertungskonsens innerhalb der Rechtsgemeinschaft unvereinbar oder der "Natur der Sache" zuwider wäre. Gelingt hier der Nachweis einer vom Wortlaut abweichenden "Absicht des Gesetzgebers", so wird dies, unterstützt von den objektiv-teleologischen Argumenten, durchdringen. Daß selbst der eindeutige Gesetzeswortlaut keine unübersteigbare Grenze juristischer Argumentation darstellt, beweist die in § 7 ABGB ausdrücklich angeordnete Analogie, die den Wortlaut des Gesetzes stets hinter sich läßt.