10Ob43/25h – OGH Entscheidung
Kopf
Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hargassner als Vorsitzenden und den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi, die Hofräte Dr. Annerl und Dr. Vollmaier sowie die Hofrätin Dr. Wallner Friedl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M*, und 2. M*, jeweils vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in Zell am See, gegen die beklagte Partei P*, vertreten durch Dr. Heinrich Schmiedt, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen Zuhaltung eines Vertrags, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. Mai 2025, GZ 6 R 50/25b 98, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 5. März 2025, GZ 14 Cg 6/22b 94, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 2.383,27 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 397,21 EUR USt) binnen 14 Tagen anteilig (erstklagende Partei: 2.240,37 EUR, zweitklagende Partei: 143 EUR) zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Der Erstkläger kam mit der Großmutter der Beklagten überein, ihm unter anderem Teile ihrer als Grünland gewidmeten landwirtschaftlichen Liegenschaft, die er für sein Erdbauunternehmen benötigte, zu verkaufen. Mit seinem Vater, dem Zweitkläger, verständigte er sich darauf, dass jener einen Teil dieser Grünflächen erwerben solle, weil der Erstkläger anderenfalls aufgrund der Größe der veräußerten landwirtschaftlichen Gesamtfläche um eine Zustimmung der Salzburger Grundverkehrsbehörde zur Eigentumsübertragung anzusuchen hätte, was er vermeiden wollte. Auch die Großmutter der Beklagten wurde schließlich über die beabsichtigte Einbeziehung des Zweitklägers als weiteren Käufer sowie über den Grund dafür informiert; sie war mit diesem Vorgehen einverstanden. Am 25. 2. 2019 erzielten die Vertragsteile eine Einigung über die im Zuge der Liegenschaftstransaktion wechselseitig zu erbringenden Leistungen, die in einer vom Erstkläger und der Großmutter der Beklagten unterfertigten handschriftlichen Vereinbarung festgehalten wurde. Die Großmutter der Beklagten übertrug dieser sodann mit Übergabevertrag vom 5. 9. 2019 das gesamte landwirtschaftliche Gut. Entsprechend der internen Vereinbarung mit ihrer Großmutter, wonach die Beklagte nach erfolgter Übergabe das Kaufgeschäft mit den Klägern abwickeln werde, erklärte die Beklagte gegenüber den Käufern wiederholt, dass sie sich an die Vereinbarung vom 25. 2. 2019 gebunden fühle, zu den getroffenen Abreden stehe und die von ihrer Rechtsvorgängerin gegebene Verkaufszusage einhalten werde. Letztlich sah sie aber von der Übereignung der in Rede stehenden Liegenschaftsteile an die Kläger ab und berief sich unter anderem auf das Vorliegen eines Schein- bzw Umgehungsgeschäfts. Das Kaufgeschäft wurde der Grundverkehrsbehörde bisher nicht angezeigt.
[2] Die Vorinstanzen wiesen die Klage beider Kläger auf Übertragung des Eigentums an den ihnen jeweils zugesagten Grundstücken (Zug um Zug gegen Zahlung des vereinbarten Kaufpreises) sowie auf Abgabe sämtlicher dafür notwendiger Erklärungen ab. Die Einbeziehung des Zweitklägers in das Kaufgeschäft habe nur dazu gedient, das Erfordernis der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung zu umgehen. Die grundverkehrsrechtlichen Vorgaben seien auf das konkrete Rechtsgeschäft anzuwenden. Diese sei aufgrund der ausstehenden Genehmigung in Schwebe. Zur Eigentumsübertragung könne die Beklagte daher ebenso wenig verhalten werden wie zur Abgabe der für die Übereignung erforderlichen Erklärungen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die Revisionder Kläger ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Darlegung einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, was nur einer kurzen Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):
[4] 1. Die von den Klägern behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor.
[5] Angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche erkannt worden sind, können in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden ( RS0042963 ). Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn eine Mängelrüge infolge unrichtiger Anwendung von Verfahrensvorschriften unerledigt blieb oder wenn das Berufungsgericht einen gerügten Mangel erster Instanz mit einer aktenwidrigen oder rechtlich unhaltbaren Begründung verneint hätte. Einen solchen Fall spricht die Revision aber nicht an.
[6] Die von den Klägern erhobene Kritik, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht gesetzm äßig ausgeführt worden sei, geht schon deshalb ins Leere, weil sich das Berufungsgericht mit den geltend gemachten Vorwürfen sehr wohl inhaltlich befasst und das Vorliegen der behaupteten Verfahrensfehler verneint hat.
[7] Soweit sich die Kläger gegen die Auslegung ihres Klagevortrags durch das Berufungsgericht wenden, machen sie in der Sache keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend, sondern bekämpfen die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Entscheidung.
[8] 2. Die Kläger ziehen in dritter Instanz nicht mehr in Zweifel, dass es sich bei den in Rede stehenden Kaufverträgen, denen in der Folge die Beklagte auf Seite der Verkäuferin und früheren Liegenschaftseigentümerin beigetreten ist, um Umgehungsgeschäfte handelt, mit denen die grundverkehrsrechtlichen Vorgaben des Salzburger Grundverkehrsgesetzes 2001 (namentlich das in § 3 Abs 1 lit a Sbg GVG 2001 statuierte Erfordernis der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde zur Übertragung des Eigentums an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken) unterlaufen werden sollten.
[9] 2.1 Von einem Umgehungsgeschäft wird gesprochen, wenn die Parteien die von einer Norm angeordneten Rechtsfolgen dadurch vermeiden, dass sie ein Rechtsgeschäft schließen, das dem Wortlaut nach nicht von dieser Norm betroffen wird, das jedoch den gleichen Zweck erfüllt wie das verbotene Geschäft ( RS0018173 ). Nach seit langem verfestigter jüngerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs genügt in diesem Zusammenhang, dass das Umgehungsgeschäft objektiv den Sinn und Zweck der umgangenen Norm vereitelt; auf eine spezielle Umgehungsabsicht der Parteien kommt es nicht an ( RS0016780 [T1]). Die Vertragsparteien müssen folglich keinen Umgehungsvorsatz bilden; sie müssen nicht einmal Kenntnis davon haben, dass das mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Ziel nach der Intention des Gesetzgebers unerwünscht ist. Entscheidend ist immer nur, ob sie ihre Rechtsverhältnisse so gestalten, dass sie den vom Gesetz verpönten Erfolg (weitgehend) erreichen ( RS0016780 [T4, T6]), ob also der ausschließliche oder hauptsächliche Zweck der konkret getroffenen Vereinbarung darin liegt, ein bestimmtes – nach der gesetzgeberischen Intention nicht gewünschtes und folglich mit einem gesetzlichen Verbot belegtes – Ergebnis zu erzielen (vgl 3 Ob 212/09m ErwGr V.2.; 1 Ob 62/25m Rz 9).
[10] 2.1.1 Nicht jedes Umgehungsgeschäft ist schon wegen einer bestehenden rechtswidrigen Umgehungsabsicht nichtig; es unterliegt nur der Rechtsnorm, die auf das in Wahrheit beabsichtigte Rechtsgeschäft anzuwenden ist. Ist dieses bloß genehmigungsbedürftig, ist es in seiner rechtlichen Wirkung so lange in Schwebe, bis die Genehmigung erteilt, versagt oder festgestellt wird, dass es dennoch keiner Genehmigung bedarf ( RS0016469 ).
[11] Nur dann, wenn die Vertragsparteien die grundverkehrsbehördliche Genehmigung ihrer genehmigungspflichtigen Verträge von Vornherein gar nicht – auch nicht künftig bei Änderung der rechtlichen und/oder tatsächlichen Verhältnisse ( RS0038717 [T8, T9]; RS0016469 [T11, T12]) – beantragen wollen, sind die Verträge nicht in Schwebe, sondern von Anfang an nichtig ( RS0016469 [T6, T10]); andernfalls besteht der durch die ausständige grundverkehrsbehördliche Genehmigung gegebene Schwebezustand fort (zuletzt ua 6 Ob 193/21g Rz 9 f mwN).
[12] 2.1.2 Ein Rechtsgeschäft, dessen Rechtswirksamkeit von einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung abhängt, bindet die Parteien so lange, bis die Genehmigung versagt wird ( RS0061101 ). Der bedingt Verpflichtete muss alles tun und vorkehren, was notwendig ist, um den Eintritt der Bedingung erfüllen zu können, und alles unterlassen, was die Erfüllung verhindern würde ( RS0017406 [T23]).
[13] Das Erfordernis der behördlichen Genehmigungen steht folglich einer Klage auf Zuhaltung des Kaufvertrags und insbesondere auf Ausstellung einer einverleibungsfähigen Vertragsurkunde – als Voraussetzung für die Genehmigung nach den Grundverkehrsgesetzen und somit auch für die Beendigung des Schwebezustands für den Kaufvertrag – grundsätzlich nicht entgegen ( 3 Ob 34/07g ErwGr 3. mwN; 2 Ob 126/13p ErwGr II.3;RS0038693 [T4]; RS0038684 ;RS0038627 [T3]) .
[14] Die Vorwirkungen des bedingten Vertrags erschöpfen sich jedoch darin, jene Ansprüche zu begründen, die unmittelbar zur Beendigung seines Schwebezustands erforderlich sind. Ein Anspruch auf gänzliche Erfüllung des Kaufvertrags – durch Erbringung der Hauptleistungen – ist davon hingegen nicht umfasst ( 3 Ob 34/07g ErwGr 4.; 10 Ob 46/17p ErwGr 4.1; RS0012692 ).
[15] 2.2 Von diesen Rechtsprechungsgrundsätzen ist das Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgegangen.
[16] Mit Blick auf das (ebenfalls auf diesen Leitlinien aufbauende) Rechtsmittelvorbringen der Kläger, sie hätten ohnedies neben der Übertragung des Liegenschaftseigentums auch die Erwirkung der dafür erforderlichen Willenser- klärungen der Beklagten, insbesondere die notariell oder gerichtlich beglaubigte Unterfertigung des Kaufvertrags, begehrt, leitete das Berufungsgericht allerdings aus dem gesamten Klagevortrag in erster Instanz erkennbar ab, das auf Ausstellung einer (einverleibungsfähigen) Kaufvertragsurkunde gerichtete Teilbegehren der Kläger stehe in untrennbarem Zusammenhang mit dem zugleich geltend gemachten – vor Beendigung des Schwebezustands nicht durchsetzbaren – Eigentumsverschaffungsanspruch. Jedenfalls sei es aber gerade zu dem Zweck erhoben worden, in der Folge sogleich Eigentum an den verkauften Grundstücken (nicht aber in einem vorgelagerten Schritt die grundverkehrsbehördliche Genehmigung der Eigentumsübertragung) erlangen zu können und damit das von der Rechtsordnung missbilligte Umgehungsgeschäft zu finalisieren. Zu einer Mitwirkung an einer solchen rechtswidrigen Vorgehensweise könne der Vertragspartner aber nicht verpflichtet werden.
[17] 2.3 Wie ein bestimmtes Klagebegehren bzw das dazu erstattete Prozessvorbringen zu verstehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung regelmäßig keine erhebliche Bedeutung zukommt ( RS0042828 [insb T25]).
[18] Eine Überschreitung des dem Berufungsgericht in diesem Zusammenhang zukommenden Beurteilungsspielraums legt die Revision nicht dar. Mit dem im Rechtsmittel nicht näher ausgeführten Argument, es sei „natürlich eindeutig zu erkennen“, dass es ihnen darauf angekommen sei, zu guter Letzt Liegenschaftseigentümer zu werden, wofür die entsprechende Unterfertigung der Kaufverträge notwendig sei, zeigen die Kläger gerade nicht nachvollziehbar auf, dass ihr Rechtsschutzziel (auch) darauf gerichtet war, von der Beklagten alle notwendigen Erklärungen zu erwirken, um die erforderliche grundverkehrsbehördliche Genehmigung zu erlangen und dadurch den vertraglichen Schwebezustand zu beenden.
[19] 3. Auf die in der Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts aufgeworfene Rechtsfrage, inwieweit den Vertragsparteien eines Umgehungsgeschäfts wechselseitig Ansprüche auf (weitere) Mitwirkung an der rechtswidrigen Umgehung zustehen, kommen die Kläger in der Revision nicht zurück.
[20]4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 46 Abs 1 iVm § 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen und hat daher Anspruch auf Ersatz ihrer Kosten für die Revisionsbeantwortung ( RS0112296 ; RS0035979 [T16]).