JudikaturOGH

1Ob62/25m – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Mai 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Wessely Kristöfel, Dr. Parzmayr, Dr. Vollmaier und Dr. Pfurtscheller als weitere Richterinnen und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei m* gmbh, *, vertreten durch Dr. Guido Donath, LL.M., Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. B* KG, *, und 2. J* GmbH, *, beide *, vertreten durch die Pelzmann Gall Größ Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 836.800 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 6. März 2025, GZ 2 R 22/25i 28, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin als Verkäuferin schloss mit der Erstbeklagten als Käuferin am 1. 6. 2022 einen Kaufvertrag über eine Liegenschaft in Tirol, bestehend aus einem (nicht land oder forstwirtschaftlich) bebauten Grundstück im Sinn des § 2 Abs 3 lit a Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (TirGVG). Eine grundverkehrsbehördliche Genehmigung liegt nicht vor.

[2] Der Geschäftsführer beider Beklagter ist österreichischer Staatsangehöriger und wirtschaftlich überwiegend Berechtigter der Erstbeklagten. Diese hat ihren Sitz in Österreich und ihr Gesellschaftskapital ist zu mehr als der Hälfte in der Hand von EU Bürgern, was sie der Klägerin im Kaufvertrag unter Punkt IX. („Grundverkehrsbehördliche Behandlung“) auch ausdrücklich bestätigte. Die Zweitbeklagte ist die unbeschränkt haftende Komplementärin der Erstbeklagten.

[3] Der Geschäftsführer der Beklagten war im Vorfeld des Liegenschaftskaufs mit einem ukrainischen Staatsangehörigen darin übereingekommen, dass die Erstbeklagte beim intendierten Kauf – gegen Entgelt – als Treuhänderin für ein nicht genau bezeichnetes Unternehmen des ukrainischen Staatsangehörigen fungieren sollte, zumal ein Eigentumserwerb durch ihn bzw ein von ihm wirtschaftlich kontrolliertes Unternehmen grundverkehrsbehördlich nicht genehmigt werden würde. Der Kauf sollte auf Rechnung des Unternehmens des ukrainischen Staatsangehörigen erfolgen, das mit der Liegenschaft wie ein Eigentümer verfügen können sollte, während sich die Tätigkeit der Erstbeklagten auf die eines bloßen „Mittelsmanns“ (Entgegennahme von Briefen, Führung der Buchhaltung) beschränken sollte. Die Parteien der Treuhandvereinbarung gingen von der grundverkehrsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser Konstruktion aus, legten aber gegenüber der Klägerin bei Abschluss des Kaufvertrags ihre interne Abrede nicht offen.

[4] Der Geschäftsführer der Klägerin war bei Anbahnung des Geschäfts dahingehend informiert worden, dass der in Rede stehende ukrainische Staatsangehörige im Zuge des auf der Liegenschaft geplanten Immobilienprojekts Bauleistungen für die Käuferin erbringen sollte. Er hatte keine Kenntnis von einer darüber hinausgehenden (Treuhand-)Vereinbarung und ging nicht davon aus, dass in Wahrheit ein Unternehmen des ukrainischen Staatsangehörigen oder dieser selbst eine eigentümerähnliche Stellung an der Liegenschaft erlangen sollte.

[5] Die Klägerin begehrt von der Erstbeklagten als Käuferin und der Zweitbeklagten in ihrer Eigenschaft als Komplementärin der Erstbeklagten die Zahlung des Kaufpreises samt der – von der Klägerin aufgrund der Säumnis der Erstbeklagten entrichteten – Grunderwerbsteuer und gerichtlichen Eintragungsgebühr.

[6] Die Beklagten halten dem, soweit im Revisionsverfahren von Relevanz, entgegen, der Kaufvertrag über die Liegenschaft sei von der Erstbeklagten bloß als „Strohmann“ für den ukrainischen Staatsangehörigen (bzw eine von ihm beherrschte Gesellschaft) als wahren Käufer abgeschlossen worden, weshalb ein – mangels Zustimmung der Grundverkehrsbehörde unwirksames – Umgehungsgeschäft vorliege.

[7] Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Da die Erstbeklagte nicht Ausländerin im Sinn des TirGVG sei, bedürfe es keiner Genehmigung des Kaufvertrags durch die Grundverkehrsbehörde. Ein Umgehungsgeschäft liege zwischen den Streitteilen nicht vor, zumal für die Klägerin weder aus dem Kaufvertrag noch aus den Vertragsgesprächen objektiv erkennbar gewesen sei, dass tatsächlich nicht die Erstbeklagte, sondern ein ukrainischer Staatsangehöriger wirtschaftlicher Eigentümer der Liegenschaft werden sollte. Sie habe zwar von dessen Zusammenarbeit mit der Käuferin bei der Umsetzung des Immobilienprojekts gewusst; dass diese Zusammenarbeit dem ukrainischen Staatsangehörigen – durch Unterlaufen grundverkehrsrechtlicher Vorgaben – eine eigentümergleiche Stellung verschaffen sollte, sei für sie jedoch nicht auf der Hand gelegen. Die (nicht offengelegte) Treuhandabrede sei für das Rechtsverhältnis der Streitteile unbedeutend. Die Klägerin habe berechtigt darauf vertrauen dürfen, dass die Erstbeklagte uneingeschränkte Eigentümerin werden wollte.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die außerordentliche Revision der Beklagtenist mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[9] 1. Von einem Umgehungsgeschäft wird dann gesprochen, wenn die Parteien die von einer Norm angeordneten Rechtsfolgen dadurch vermeiden, dass sie ein Rechtsgeschäft schließen, das dem Wortlaut nach nicht von dieser Norm betroffen wird, das jedoch den gleichen Zweck erfüllt wie das verbotene Geschäft ( RS0018173 ). Nach bereits seit langem verfestigter jüngerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs genügt in diesem Zusammenhang, dass das Umgehungsgeschäft objektiv den Sinn und Zweck der umgangenen Norm vereitelt; auf eine spezielle Umgehungsabsicht der Parteien kommt es nicht an ( RS0016780 [T1]). Die Vertragsparteien müssen folglich keinen Umgehungsvorsatz bilden; sie müssen nicht einmal Kenntnis davon haben, dass das mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Ziel nach der Intention des Gesetzgebers unerwünscht ist. Entscheidend ist immer nur, ob sie ihre Rechtsverhältnisse so gestalten, dass sie den vom Gesetz verpönten Erfolg (weitgehend) erreichen ( RS0016780 [T4, T6]). Zu erforschen ist folglich, ob der ausschließliche oder hauptsächliche Zweck der konkret getroffenen Vereinbarung darin liegt, ein bestimmtes – nach der gesetzgeberischen Intention nicht gewünschtes und folglich mit einem gesetzlichen Verbot belegtes – Ergebnis zu erzielen (vgl 3 Ob 212/09m ErwGr V.2.).

[10] In diesem Zusammenhang hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 1 Ob 605/90zum Abschluss von Zeitmietverträgen festgehalten, da diese nicht schlechthin verboten seien, könne auf die Kenntnis jener Umstände, die objektiv die Umgehung des Gesetzes (konkret: § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG aF) bewirkten, durch die Beteiligten nicht verzichtet werden. Es könne zwar nicht zweifelhaft sein, dass der Abschluss eines neuen Mietvertrags mit einem – noch dazu familiär verbundenen – Hausgenossen des bisherigen Mieters, das gleiche wirtschaftliche Ergebnis zeitigt, wie wenn das bisherige Mietverhältnis um ein Jahr verlängert worden wäre. Von einem Umgehungsgeschäft (durch Abschluss eines „Kettenvertrages“) könnte jedoch dann nicht gesprochen werden, wenn der (den Vermietern zuzurechnenden) Hausverwalterin bei Abschluss des neuen Vertrags gar nicht bekannt gewesen sein sollte, dass es sich beim neuen Mieter und der Vormieterin um Eheleute handelt.

[11]2. Wenn nun die Vorinstanzen ausgehend von diesen Rechtsprechungsgrundsätzen zur Auffassung gelangten, dass in der vorliegenden Konstellation, in der es die Klägerin – ausgehend von dem im Zuge der Vertragsanbahnung abgesprochenen Geschäftszweck des Kaufvertrags – gerade nicht darauf anlegte, einem anderen als ihrem Vertragspartner (wirtschaftliches) Eigentum an der Liegenschaft zu verschaffen, und sie auch keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass das Rechtsgeschäft letztlich nach dem (ihr nicht offengelegten) Plan der Käuferin dazu führen sollte, dass ein Drittstaatsangehöriger (ohne Aufenthaltstitel „Art 50 EUV“ nach § 8 Abs 1 Z 13 NAG; vgl § 3 Abs 1 TirGVG) gleich einem Eigentümer über die Liegenschaft verfügen kann, ein Umgehungsgeschäft nicht anzunehmen ist, dann bedarf diese rechtliche Beurteilung keiner Korrektur.

[12] Ebenso wenig ist – im Sinn des Rechtsstandpunkts der Beklagten – von einer uneinheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Maßgeblichkeit einer Umgehungsabsicht auszugehen.

[13] Welche für sie positiven Folgerungen sie aus der Rechtsprechung zu den – vom Zweck der übertretenen Norm abhängigen – Rechtsfolgen des Umgehungsgeschäfts (vgl RS0016469 ) abzuleiten gedenken, legen die Beklagten in ihrer Revision nicht nachvollziehbar dar. Soweit sie argumentieren, der Normzweck des Ausländergrundverkehrsrechts (namentlich der Genehmigungspflicht des § 12 Abs 1 lit a TirGVG) würde bei Durchführung des in Rede stehenden Rechtsgeschäfts vereitelt, so übergehen sie, dass der Kaufvertrag zwischen den Streitteilen selbst, wie von den Vorinstanzen ohne Fehlbeurteilung erkannt, lediglich der Erstbeklagten und damit einer Gesellschaft mit Sitz in Österreich und mehrheitlich von EU Bürgern gehaltenem Gesellschaftskapital Verfügungsmacht über die Liegenschaft verschaffen kann und damit grundverkehrsrechtlich unproblematisch ist.

[14] Der bloße Umstand, dass die Erstbeklagte als Liegenschaftseigentümerin künftig ihrerseits entgegen den grundverkehrsgesetzlichen Vorgaben einem Drittstaatsangehörigen eigentümerähnliche Stellung an der Liegenschaft einräumen könnte, indem sie die geschlossene Treuhandvereinbarung in die Tat umsetzte, macht die Liegenschaftstransaktion zwischen den Streitteilen nicht selbst zu einem Umgehungsgeschäft. Von einer „willkürlichen Aufspaltung“ in einen wirksamen Kaufvertrag und eine (schwebend) unwirksame Treuhandvereinbarung kann in diesem Zusammenhang schon deshalb keine Rede sein, weil die beiden Rechtsgeschäfte zwischen jeweils unterschiedlichen Personen abgeschlossen wurden.