JudikaturOGH

14Os71/25k – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
04. September 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. September 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Ebner in der Strafsache gegen * D* wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 2 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 25. März 2025, GZ 13 Hv 82/24g 38.4, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]Mit dem angefochtenen Urteil wurde * D* des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 2 zweiter Fall StGB (A/) und mehrerer Vergehen des bildlichen sexualbezogenen Kindesmissbrauchsmaterials und bildlicher sexualbezogener Darstellungen minderjähriger Personen nach § 207a Abs 3 zweiter Satz StGB (B/) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er Mitte Jänner 2024 in A*

A/ die 2011 geborene, somit unmündige * S* zu verleiten versucht, eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung an sich selbst vorzunehmen, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, indem er sie über WhatsApp aufforderte, ihre Finger in ihre Vagina einzuführen und dabei zu stöhnen, wobei es beim Versuch blieb, weil S* ihren Finger tatsächlich nur zwischen die Schamlippen bewegte;

B/ sich wirklichkeitsnahe Abbildungen einer geschlechtlichen Handlung an sich selbst und der Genitalien der 2011 geborenen, somit unmündigen, S* verschafft, indem er durch die zu A/ beschriebene Tat drei Videos sie zeigend bei Masturbationshandlungen und ein Bild zeigend ihre Vagina über WhatsApp empfing.

Rechtliche Beurteilung

[3]Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

[4]Der aus dem Grund der Z 3 vorgebrachte Einwand, dem Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) sei zu Punkt B/ ein dem Verschaffen immanentes „eigenes Zutun des Täters“ (vgl Philipp in WK 2StGB § 207a Rz 20) nicht zu entnehmen, schlägt schon deshalb fehl, weil § 207a Abs 3 zweiter Satz StGB einen alternativen Mischtatbestand mit den gleichwertigen Begehungsweisen des Sich-Verschaffens und des Besitzens normiert (11 Os 60/19m; RISJustiz RS0132692; zu den Konsequenzen vgl allgemein RISJustiz RS0116655), das Empfangen „auf Whatsapp“ jedenfalls Besitz zum Ausdruck bringt (vgl Hinterhofer/Rosbaud , BT II 7 § 207a Rz 17) und solcherart die diesen Strafsatz bedingenden Tatumstände im entscheidenden Umfang, mithin ausreichend, bezeichnet wurden (RISJustiz RS0120334).

[5] Zudem wird die Tat durch die Verwendung des Gesetzesbegriffs „Verschaffen“ ausreichend individualisiert und können allfällige Undeutlichkeiten des Referats der entscheidenden Tatsachen durch Rückgriff auf die Entscheidungsgründe (vgl dazu US 4 [mit der Feststellung einer Aufforderung des Beschwerdeführers an das Opfer, „ihm auch Fotos von ihrer Scheide zu schicken“]) beseitigt werden (zum Ganzen RISJustiz RS0116587, RS0132857; Lendl , WKStPO § 260 Rz 10, 12 und 19; Ratz ebd § 281 Rz 271, 273, 276 und 278).

[6] Der von der Mängelrüge geäußerte Einwand (Z 5 zweiter Fall), das Erstgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass die Auswertung der bei der „Hausdurchsuchung sichergestellten Mobilgeräte udgl“ weder „Hinweise auf verfahrensgegenständliche Korrespondenz und Abbildungen“ noch auf eine Verwendung des bei der Tatbegehung zum Einsatz gekommenen Mobiltelefons oder Tik-Tok-Profils durch den Beschwerdeführer erbracht habe, zeigt keine den getroffenen Feststellungen entgegenstehenden, mithin erörterungsbedürftigen Verfahrensergebnisse auf (vgl aber RISJustiz RS0098646 [T8]).

[7] Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich großteils darin, Bedenken unzulässig aus den Erwägungen der Tatrichter selbst ohne direkten Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial abzuleiten (RISJustiz RS0119424).

[8] Von diesem Nichtigkeitsgrund vorausgesetzte erhebliche Bedenken weckt der Beschwerdeführer davon abgesehen weder mit dem – ohnehin gewürdigten (US 7) – Umstand, dass das Opfer den Beschwerdeführer bei der Gegenüberstellung in der Hauptverhandlung nicht eindeutig wiedererkannte (vgl RISJustiz RS0099674), noch mit dem Einwand, die Auswertung sichergestellter Datenträger habe keine belastenden Beweisergebnisse erbracht (RISJustiz RS0128874).

[9]Die zu Punkt B/ ausgeführte Kritik der Rechtsrüge (Z 9 lit a), die mit Hilfe der verba legalia getroffenen Feststellungen zu den in § 207a Abs 4 Z 3 StGB definierten Tatbestandsvoraussetzungen (Wirklichkeitsnähe, reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen) ließen den erforderlichen Sachverhaltsbezug vermissen, legt nicht dar, weshalb die weiteren Konstatierungen, das Opfer habe dem Beschwerdeführer über dessen Aufforderung „zumindest ein Bild zeigend ihre nackte Scheide“ sowie drei Videos, „in denen sie ihren Finger jeweils zwischen ihren Schamlippen hin und her bewegte“ (vgl auch US 5 [„zeigend diese bei Masturbationshandlungen“]) in Zusammenschau mit dem Verweis auf die jeweiligen Fundstellen dieser Darstellungen im Akt (US 4 iVm ON 8.5, 8.6 und 8.7) keine ausreichende Grundlage für den Schuldspruch darstellten (vgl aber RISJustiz RS0099620).

[10] Der zu Punkt A/ geäußerte Einwand fehlenden Sachverhaltsbezugs der Konstatierung zur Absicht des Beschwerdeführers, sich durch die inkriminierte Handlung „geschlechtlich zu erregen und zu befriedigen“ (US 5), verfehlt die gebotene (vgl RISJustiz RS0099810) Bezugnahme auf die Gesamtheit des Urteilssachverhalts, nach welchem er S* im zeitlichen Zusammenhang mehrere „Onaniervideos“ von sich selbst geschickt und sie aufgefordert habe, „beim Masturbieren zu stöhnen“ (US 4 und 8).

[11]Gleiches gilt für die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu Punkt B/, soweit sie bemängelt, „das eigene aktive Zutun“ des Beschwerdeführers als Voraussetzung des Verschaffens des inkriminierten Bildmaterials komme nicht zum Ausdruck, dabei jedoch seine auf dessen Übermittlung gerichtete Aufforderung vernachlässigt (US 4). Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen zur Gleichwertigkeit der Begehungsweisen des § 207a Abs 3 zweiter Satz StGB sowie darauf verwiesen, dass das Erstgericht das solcherart festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers zu dessen Gunsten nicht auch dem strenger strafbedrohten § 207a Abs 1 Z 1 (iVm § 12 zweiter Fall) StGB subsumierte (vgl RISJustiz RS0127379).

[12] Die Subsumtionsrüge (Z 10) leitet ihre Kritik zu Punkt A/, das Einführen eines Fingers in die Vagina durch das Opfer selbst sei keine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung, weil „einem Beischlaf immer die Vereinigung zweier Personen immanent“ sei, ebenso wie die dafür ins Treffen geführten Stellen im wissenschaftlichen Schrifttum ( Hinterhofer , SbgK § 206 Rz 34; Schwaighofer , PKStGB § 201 Rz 6) nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RISJustiz RS0118429). Denn abgesehen davon, dass die genannte Voraussetzung des Beischlafs nicht notwendigerweise eine solche für eine diesem (bloß) gleichzusetzende geschlechtliche Handlung bilden muss, hat der Gesetzgeber durch Aufnahme der Begehungsweise des Abs 2 zweiter Fall unmissverständlich klargestellt, dass er von der Vergleichbarkeit solcher Handlungen mit einem Beischlaf ausgeht. Zudem entspricht es nicht methodengerechter Auslegung eines Gesetzes, diesem jeglichen Anwendungsbereich abzusprechen (so aber Hinterhofer , SbgK § 206 Rz 34), solange eine andere Interpretation möglich ist (zu dieser vgl RISJustiz RS0094905 [T33 und T34]; allgemein zu in diesem Sinn nicht methodengerechter Gesetzesauslegung vgl 4 Ob 363/70 [verst Senat]; 17 Os 17/16b, 18/16z; RISJustiz RS0008792).

[13]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[14]Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

[15]Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.