9ObA38/25s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeitsund Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat Dr. Stiefsohn (§ 11a Abs 3 ASGG) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch UGP Ullmann Geiler Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Ha*, vertreten durch MMag. Eva Kathrein, Rechtsanwältin in Innsbruck, wegen 6.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 1.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 3. Juni 2025, GZ 15 Ra 19/25v 18, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1]1. Die Klägerin hat in erster Instanz ihr Begehren ausdrücklich auf Schadenersatz gemäß § 1295 iVm § 1325 ABGB gestützt, nicht auf § 19 BGlBG. Auf diese Rechtsgrundlage hat sie sich erstmals im Rekurs berufen. Das Rekursgericht ist diesbezüglich von einer unzulässigen Neuerung ausgegangen.
[2] Soweit der Kläger einen bestimmten Rechtsgrund geltend macht, ist auch das Gericht daran gebunden ( RS0043352 [T13, T14]). Auch ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht beziehungsweise wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalls ( RS0042828 ). Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Rekursgerichts nicht korrekturbedürftig.
[3] 2. Streitigkeiten aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis von Beamten sind nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich im Verwaltungsweg auszutragen ( RS0086019 ). Soweit einem Beamten die Durchsetzung seiner Ansprüche nach den dienstrechtlichen Vorschriften nicht möglich ist, kann er gegen den Rechtsträger, der ihn ernannt hat, Amtshaftungsansprüche geltend machen. Das gilt insbesondere für den Fall der Verletzung von Fürsorgepflichten aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis durch den Dienstgeber ( 1 Ob 131/08h ), weil die Wahrnehmung dieser Verpflichtung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur ist ( 7 Ob 118/20h ; 1 Ob 148/18y ; 9 ObA 84/12m ).
[4] 3. Die allgemeine Fürsorgepflicht gebietet dem Arbeitgeber, dafür zu sorgen, dass die Persönlichkeitssphäre der in seinen Betrieb eingegliederten Arbeitnehmer nicht durch unsachliche Belästigungen durch andere Arbeitnehmer beeinträchtigt wird (zB „Mobbingverhalten“) ( RS0119353[T1]). Auch der jeweilige Rechtsträger hat im Rahmen der Amtshaftung für die unmittelbar gesetzten Mobbing-(besser: Bossing-)handlungen des von ihm eingesetzten mit der Wahrnehmung der Fürsorgepflicht betrauten Vorgesetzten einzustehen (1 Ob 202/20t mwN). Werden Verletzungshandlungen durch Vorgesetzte des Geschädigten begangen, begründet dies unmittelbar eine Verletzung der in § 43a BDG normierten Fürsorgepflicht des Dienstgebers, ohne dass es auf eine zusätzliche Fürsorgepflichtverletzung durch eine (weitere) übergeordnete Stelle ankäme (1 Ob 202/20t; 1 Ob 56/18v ).
[5] Warum die Verpflichtung zur Fürsorge nur „oberste Verantwortliche“ oder bei „leitender Organstellung“ treffen soll und nicht auch den unmittelbaren Vorgesetzten, wie der Revisionsrekurs vermeint, ist nicht nachvollziehbar.
[6] 4. Richtig ist, dass eine Haftung des Rechtsträgers dann verneint wird, wenn sein Organ einen Schaden nur gelegentlich (anlässlich) der Ausführung seiner Verpflichtungen verursachte (vgl 1 Ob 123/20z ). Die Antwort auf die mitunter schwierige Abgrenzungsfrage, ob ein Organ „bei Erfüllung“ seiner Pflichten oder bloß „gelegentlich“ der Erfüllung handelte, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl 1 Ob 127/07v ).
[7] Für die Abgrenzung der Tätigkeit in Vollziehung der Gesetze und einer privaten kommt es darauf an, ob zwischen der Erfüllung von Aufgaben hoheitlicher Dienstsetzung und der schädigenden Handlung selbst noch ein derart enger Zusammenhang besteht, dass auch die konkrete Handlung noch als Vollziehung der Gesetze zu werten ist; es muss zwischen beiden nicht nur ein äußerer, sondern auch ein innerer Zusammenhang bestehen ( RS0050075 [T5]). Ein hinreichend enger Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe eines Organs liegt selbst dann vor, wenn ein an sich ordnungsgemäß bestelltes Organ Handlungen setzt, zu deren Vollziehung es nicht berufen ist, also seine Kompetenzen überschreitet oder allenfalls sogar sein Amt missbraucht ( RS0103735 ).
[8] 5. Im konkreten Fall hat die Klägerin ihren Anspruch auf Mobbinghandlungen ihres unmittelbaren Vorgesetzten im Rahmen ihrer Dienstverrichtung gestützt. Die Vorfälle hätten Beleidigungen, dienstliche Herabwürdigungen und Schikanen und stark sexualisiertes Verhalten umfasst, wobei diesbezüglich übergriffige Bemerkungen, Annäherungen und Berührungen geltend gemacht werden. Wenn die Vorinstanzen davon ausgehend einen ausreichenden Zusammenhang zu einer Verletzung der Fürsorgepflicht und damit hoheitliches Handeln angenommen haben, hält sich das im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums.
[9]6. Wird ein solcher Anspruch gegen das Organ selbst gerichtet, obwohl dieses den Schaden in Vollziehung der Gesetze zufügte, ist der Rechtsweg gegen das Organ nach § 9 Abs 5 AHG unzulässig. Auch kommt in diesen Fällen eine subsidiäre Geltendmachung von Ansprüchen nach allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts nicht in Betracht (vgl RS0022989 )
[10]7. Insgesamt gelingt es der Klägerin daher nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht.