6Ob24/25k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* B*, vertreten durch Mag. Helmut Gruber, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, gegen die beklagte Partei B* Z*, vertreten durch RAe Dr. Franz P. Oberlercher Mag. Gustav Ortner Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in Spittal an der Drau, wegen Entfernung, Wiederherstellung und Unterlassung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 17. Oktober 2024, GZ 3 R 95/24s 24, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger begehrt von der Beklagten die Entfernung der Gartenanlage von einer (näher bezeichneten) Teilfläche des in seinem Miteigentum stehenden (Nachbar )Grundstücks und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands sowie die Unterlassung jeglicher Nutzungshandlungen auf der Teilfläche. Es liege weder eine Ersitzung noch eine konkludente Einräumung einer Dienstbarkeit der umfassenden Nutzung der verfahrensgegenständlichen Fläche vor.
[2] Die Beklagte wendete ein, s ie sei über einen Zeitraum von annähernd 40 Jahren der Überzeugung gewesen, dass sie die ausschließlich von ihr bewirtschaftete und benutzte Fläche auch berechtigt benutze und bewirtschafte. Die Fläche sei für die Benutzung und Bewirtschaftung ihres Grundstücks essentiell. Sie habe daran eine Dienstbarkeit der Alleinnutzung ersessen und stehe diese Dienstbarkeit dem Klagebegehren entgegen.
[3] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab .
Rechtliche Beurteilung
[4] Die außerordentliche Revision des Klägers , die keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist nicht zulässig :
[5] 1.1. Die Revision meint, es verstoße gegen § 405 ZPO, dass sich das Berufungsgericht nicht mit der von der Beklagten eingew endeten Dienstbarkeit der Alleinnutzung auseinandergesetzt, sondern das zu beurteilende Recht darauf reduziert habe, auf einem bestimmten Teil einer Liegenschaft eine Gartenanlage samt Biotop zu errichten und zu erhalten, und rügt dies als Nichtigkeit des Berufungsverfahrens.
[6] 1.2. Nach § 405 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Die Beklagte hat die Klagsabweisung beantragt; ein Verstoß gegen § 405 ZPO liegt schon begrifflich nicht vor.
[7] 2. Der Oberste Gerichtshof hat jüngst zu 1 Ob 15/25z in dem von einem anderen Miteigentümer der dienenden Liegenschaft gegen die auch hier Beklagte angestrengten Parallelverfahren, an dem auch die selben Rechtsvertreter beteiligt waren, die Rechtslage klargestellt. Der erkennende Senat schließt sich den Ausführungen in dieser Entscheidung an. Erhebliche Rechtsfragen sind demnach nicht (mehr) zu beantworten. Zusammengefasst ist auch für den vorliegenden Fall festzuhalten:
[8] 2.1. Der Oberste Gerichtshof lässt die Begründung und Verbücherung eines Fruchtgenussrechts als Grunddienstbarkeit in ständiger Rechtsprechung nur mit einer zeitlichen Begrenzung zu, um dauerhaft geteiltes Eigentum zu verhindern. Die zeitliche Beschränkung ist dabei an den Wertungen des § 612 ABGB zu messen (RS0115508; RS0011621 [T1]).
[9] 2.2. Mit dem von der Beklagten behaupteten „Alleinbenutzungsrecht“ an der 73 m² großen Teilfläche des im Miteigentum des Klägers stehenden Grundstücks, um dort eine Gartenanlage samt Biotop zu errichten und zu erhalten, geht eine eigentümerähnliche Stellung einher, die sich auch in der festgestellten Nutzung der Teilfläche durch die Beklagte und ihre Familienmitglieder widerspiegelt. Das hier geltend gemachte Recht auf Alleinnutzung ist als Fruchtgenussrecht zu beurteilen, das als (irreguläre) Grunddienstbarkeit ohne zeitliche Begrenzung zu einer Art von „geteiltem Eigentum“ oder Nutzungseigentum führen und damit auch die Bestimmung des § 50 VermG aushöhlen würde (vgl zur Unzulässigkeit des Nutzungseigentums jüngst etwa 4 Ob 182/24d). Eine Ersitzung eines unbefristeten solchen Rechts kommt nicht in Betracht.
[10] 2.3. Der Umstand, dass die Beklagte in diesem Fall nur eine befristete Grunddienstbarkeit ersitzen konnte, hindert sie jedoch nicht daran, diese dem Klagebegehren erfolgreich entgegenzusetzen. Nach den Wertungen des § 612 ABGB erstreckt sich das innerhalb dieser Schranken erworbene Nutzungsrecht auf Zeitgenossen, die bei (außerbücherlichem) Erwerb der Dienstbarkeit bereits geboren sind, als spätere Eigentümer des herrschenden Gutes in unbegrenzter Zahl, bei solchen Rechtsnachfolgern hingegen, die bei Bestellung der Dienstbarkeit noch nicht geboren sind, nur auf den ersten von ihnen (vgl 1 Ob 125/01s; 9 Ob 65/20d [Rz 6]). Die Beklagte als Eigentümerin der herrschenden Liegenschaft hat die Dienstbarkeit der Alleinnutzung mit Ablauf der 30 jährigen Ersitzungsfrist erstmals erworben. Die Befristung ist daher jedenfalls noch nicht abgelaufen. Für den Kläger ist damit aus der gebotenen Befristung nichts zu gewinnen.
[11] 2.4. Bei der Beurteilung des Utilitätserfordernisses ist kein strenger Maßstab anzuwenden (RS0011593). D er Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass das Recht, ein fremdes Grundstück zu Freizeitzwecken (zB Baden, Liegen und zur Ausübung von Spiel und Sport) zu nutzen, keines sein müsse, das an persönliche Eigenschaften oder Bedürfnisse des Berechtigten anknüpfe, sondern generell die vorteilhaftere und bequemere Benützung des herrschenden Grundstücks fördern könne (vgl 9 Ob 39/24m [Rz 20 ff]). Davon ausgehend haben die Vorinstanzen jedenfalls vertretbar angenommen, dass sich die Bequemlichkeit der Benützung des Grundstücks der Beklagten durch das Recht, auf dem dienenden Grundstück eine Gartenanlage zu errichten und zu erhalten, erhöht und es daher nicht am Utilitätserfordernis mangelt.
[12] 2.5. Soweit die Revision meint, die Kenntnis vom tatsächlichen Verlauf der Katastergrenze indiziere die Unredlichkeit der Beklagten, weil dieser Umstand zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Nutzung der Teilfläche Anlass geben müsse, entfernt sie sich von den Feststellungen. Danach hatte die Beklagte zu keinem Zeitpunkt Zweifel an der Berechtigung zur Nutzung der Teilfläche, die ihr vom Rechtsvorgänger anlässlich der Schenkung im Jahr 1983 in der Natur als innerhalb der Liegenschaftsgrenzen liegend gezeigt worden war. Die Beklagte ging bei Unterfertigung der Zustimmungserklärung zum Vermessungsplan im Jahr 1987 davon aus, dass sich dadurch nichts an den Eigentumsgrenzen änderte und dass diese den Nutzungsgrenzen entsprachen.
[13] 2.6. Beim Erwerb von Dienstbarkeiten durch Ersitzung kommt es darauf an, zu welchem für den Belasteten erkennbaren Zweck das dienstbare Gut während der Ersitzungszeit verwendet wurde, was also der Eigentümer des herrschenden Gutes während dieser Zeit benötigte (RS0011664). Für die Ersitzung einer Dienstbarkeit ist daher das Ausmaß der Besitzergreifungsakte ausschlaggebend, weshalb die Dienstbarkeit nur in jenem Umfang erworben wird, wie sie schon vor dreißig Jahren und während der gesamten Ersitzungszeit ausgeübt wurde (RS0011702; RS0034182).
[14] Unter Zugrundelegung d er festgestellten Nutzung der Teilfläche als Gartenanlage samt entsprechender Einrichtungen durch die Beklagte und ihre Familienmitglieder insbesondere zu Erholungs- und Freizeitzwecken ist die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, dass die Errichtung des „Biotops“ im Jahr 2018 (nur zu einem kleinen Teil) auf der strittigen Teilfläche von der ersessenen Dienstbarkeit gedeckt war. Hierbei handelt es sich nach den im Akt erliegenden Lichtbildern um eine flache, mit groben Steinen ausgekleidete und mit Wasser befüllte Grube mit einem Durchmesser von rund 3,6 m, die zum Schwimmen oder Baden völlig ungeeignet ist und nur der optischen Gestaltung der Gartenanlage dient.