JudikaturOGH

5Ob220/24z – OGH Entscheidung

Entscheidung
Vertragsrecht
03. Juni 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* R*, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V* AG, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg wegen 53.401,43 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 32.156,30 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. November 2024, GZ 2 R 82/24d 52, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger begehrte die schadenersatzrechtliche Rückabwicklung eines im Jahr 2012 geschlossenen Kaufvertrags über ein von der Beklagten hergestelltes Kraftfahrzeug, weil in diesem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sei. Hilfsweise begehrte der Kläger den Ersatz des damit verbundenen Minderwerts des Fahrzeugs.

[2] Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren teilweise statt und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung der Differenz zwischen Ankaufsaufwand und Benutzungsentgelt. Das Mehrbegehren wies es ab.

[3] Das Berufungsgericht gab der (gegen den stattgebenden Teil dieser Entscheidung erhobenen) Berufung der Beklagten Folge und wies das gesamte Klagebegehren ab. Angesichts der Finanzierung des Erwerbs des Fahrzeugs über einen eine vertragliche Einheit mit dem Kaufvertrag bildenden Leasingvertrag sei der Kläger als bloßer Leasingnehmer zur Geltendmachung eines Schadens aus dem Kaufvertrag nicht legitimiert.

[4] Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, dem Klagebegehren „vollinhaltlich“ stattzugeben. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

[5]Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

[6] 1.Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach zu Sachverhaltskonstellationen in Zusammenhang mit der Finanzierung des Kaufs eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs durch Leasing Stellung genommen. Nach seiner mittlerweile verfestigten Rechtsprechung ist dabei zu differenzieren, ob ein Leasingvertrag erst nach dem Erwerb (und unabhängig davon) abgeschlossen wurde oder ob der (gleichzeitig abgeschlossene) Kaufvertrag nur der Spezifikation des Fahrzeugs diente und die Leasinggeberin unmittelbar in den Kaufvertrag eintrat (10 Ob 7/25i mwN).

[7]Hat der Kläger einen zivilrechtlich voll wirksamen Kaufvertrag und erst nachträglich zur Finanzierung des Kaufpreises einen Leasingvertrag geschlossen, wird angenommen, dass der Kauf des Fahrzeugs und der Leasingvertrag keine vertragliche Einheit bilden, und im Abschluss des Kaufvertrags (zu einem überhöhten Preis) ein Schaden gesehen (10 Ob 7/25i mwN).

[8]Erfolgte demgegenüber die Finanzierung des Erwerbs des Fahrzeugs über einen gleichzeitig mit dem Kaufvertrag abgeschlossenen (und mit diesem daher eine vertragliche Einheit bildenden) Leasingvertrag, sodass die Leasinggeberin unmittelbar in den ursprünglichen, ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs dienenden Kaufvertrag eintrat, kann der Leasingnehmer keinen Schaden aus diesem Kaufvertrag geltend machen (10 Ob 7/25i mwN).

[9] 2. Das Berufungsgericht vertrat auf Basis der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und deren Ergänzung um (unstrittige) Inhalte der Kaufvertragsurkunde die Auffassung, dass aufgrund der gewählten Vertragskonstruktion im Jahr 2012 nicht das „Autohaus“ der Vertragspartner des Klägers geworden sei, also der Kläger das Fahrzeug nicht schon damals gekauft habe und Eigentümer geworden sei. Der bloß vom Kläger unterzeichnete Kaufvertrag und der Leasingvertrag bildeten vielmehr insofern eine vertragliche Einheit, als die Leasinggeberin unmittelbar in den Kaufvertrag eingetreten sei; dies ungeachtet dessen, dass die Leasinggeberin den vom Kläger zeitgleich mit dem Kaufvertrag gestellten Antrag auf Abschluss eines Leasingvertrags erst ca drei Monate später im zeitlichen Zusammenhang mit der Übergabe des Fahrzeugs angenommen haben mag.

[10]Die Frage, ob grundsätzlich selbständige Verträge als rechtliche Einheit anzusehen sind, ist durch Vertragsauslegung im Einzelfall zu beantworten (5 Ob 35/23t mwN). Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, wirft in der Regel ebenso wenig eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0042936; RS0042776; RS0042871) wie die Auslegung der Urteilsfeststellungen (RS0118891).

[11]Eine auffallende, aus Gründen der Rechtssicherheit oder Einzelfallgerechtigkeit ausnahmsweise aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigt der Kläger in seiner Revision nicht auf. Dessen Argumentation konzentriert sich ausschließlich auf das zeitliche Auseinanderfallen der jeweiligen Willenserklärungen, also der Unterfertigung des Kaufvertrags und die Beantragung des Leasingvertrags durch den Kläger einerseits und die Annahme durch den Leasinggeber andererseits. Die Beurteilung, ob Verträge eine rechtliche Einheit bilden, ist allerdings nach dem Gesamtbild aller Umstände vorzunehmen und dabei ist dem Parteiwillen, der Vertragsgestaltung und dem Vertragszweck besondere Bedeutung beizumessen (5 Ob 35/23t mwN).

[12]Vor dem Hintergrund, dass beim Erwerb eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs der Schaden bereits durch den Kaufvertrag eintritt (RS0129706 [T11]), kann in der vorliegenden Konstellation nur dem – unmittelbar in den Kaufvertrag eintretenden – Leasinggeber und nicht (auch) dem Leasingnehmer ein Schaden aus dem Kaufvertrag entstehen. Schäden in Form der Leistung eines überhöhten Kaufpreises können vom Leasingnehmer daher nicht geltend gemacht werden (10 Ob 7/25i mwN).

[13] 3.(Auch) Aus den in der Revision zum Beleg für die behauptete Anspruchsberechtigung aufgrund einer Schadensverlagerung und/oder eines Eingriffs in das nach § 372 ABGB geschützte Gebrauchsrecht des Leasingnehmers zitierten Entscheidungen lässt sich die Aktivlegitimation des Klägers in Bezug auf den von ihm geltend gemachten Schaden nicht ableiten. Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach klargestellt, dass diese Rechtsprechung nicht einschlägig ist; diese betrifft vielmehr Fälle, bei denen das Leasinggut nach Übergabe an den Leasingnehmer beschädigt wird, und daher einen hier nicht vorliegenden Fall (10 Ob 7/25i mwN).

[14] 4.Das Berufungsgericht ging – mit Verweis auf 4 Ob 218/23x und die Beurteilung des dort praktisch identen Vorbringens und Prozessverhaltens des Klägers durch den Obersten Gerichtshof – davon aus, dass der Kläger (auch hier) keinen Schaden aus dem Leasingvertrag, etwa aus überhöhten Leasingraten geltend gemacht habe.

[15]Wie das in erster Instanz erstattete Vorbringen zu verstehen ist und ob dieses so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht, sind Fragen des Einzelfalls (RS0042828). Diesen Fragen kommt daher in der Regel keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu. Mit seiner nicht nachvollziehbaren Behauptung, das Erstgericht habe „festgestellt“, dass sich der Kläger auch auf überhöhte Leasingentgelte gestützt habe, und dem pauschalen Verweis auf sein ergänzendes Vorbringen („zur Schadensverlagerung und damit einen Schaden aus dem Leasingvertrag“) im Schriftsatz vom 23. 10. 2023, zeigt der Revisionswerber auch keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung auf. Die Annahme des Berufungsgerichts, dieses Vorbringen reiche zur Dartuung eines konkreten Schadens in Form der Leistung von überhöhten Leasingentgelten nicht aus, ist in diesem Sinn nicht korrekturbedürftig.

[16] 5.Die außerordentliche Revision war somit mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.