JudikaturOGH

2Ob111/25z – OGH Entscheidung

Entscheidung
Schadenersatzrecht
29. Juli 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Gerhard Wagner, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei U*, vertreten durch Mag. Peter Breiteneder ua Rechtsanwälte in Linz, wegen 144.080,00 EUR sA und Feststellung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 24. März 2025, GZ 4 R 5/25w 53, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 21. Oktober 2024, GZ 1 Cg 87/23v 47, teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.850 EUR (darin 475 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Beklagte ist der Klägerin zum Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall vom 11. Juli 2021 verpflichtet, als dessen Folge der Klägerin unter anderem der Unterschenkel amputiert werden musste. Im Rekursverfahren ist ausschließlich strittig, inwieweit der Klägerin aus dem Titel der vermehrten Bedürfnisse der Ersatz der Kosten für einen an ihrem Haus bereits angebrachten Außenlift zusteht.

[2] Das Erstgericht wies das diesbezügliche Klagebegehren ab, weil die Klägerin von der Beklagten bereits außergerichtlich die Kosten für einen Treppenlift ersetzt bekommen habe.

[3] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge und hob das Ersturteil im Umfang des den Außenlift betreffenden Anspruchs auf.

[4] Aus dem Titel der vermehrten Bedürfnisse könnten der Klägerin grundsätzlich auch die Kosten für einen Außenlift zustehen, weil der Klägerin nach den Feststellungen des Erstgerichts ein selbständiges Befördern von Lasten – wie etwa Wäschekörbe oder Einkäufe – von Stockwerk zu Stockwerk selbst bei Vorhandensein eines Treppenlifts nur unter zusätzlicher Inanspruchnahme einer Personenhilfe möglich sei. Die von der Beklagten eingewandte Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit erfordere Feststellungen, ob die Kosten einer – von der Klägerin derzeit nicht begehrten – Haushaltshilfe für das vertikale Verbringen von Lasten insgesamt zu einer geringeren Kostenbelastung geführt hätte. Zusammen mit dem Treppenlift führe eine solche Haushaltshilfe zu einer gleichwertigen Mobilität der Klägerin. Die Kombination aus der Errichtung eines Treppenlifts und der Inanspruchnahme einer Haushaltshilfe in dieser Form wäre der Klägerin jedenfalls möglich gewesen. Über die Kosten eines Treppenlifts hinaus seien die Kosten des Außenlifts daher nur insoweit zu ersetzen, als bei Errichtung eines Treppenlifts zusätzliche Kosten für eine Haushaltshilfe zum vertikalen Transport von Lasten anfielen.

[5] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zur Frage zulässig sei, ob angesichts der Sicherstellung eines möglichst selbstbestimmten Lebens die Klägerin auf die Inanspruchnahme einer Haushaltshilfe (für das vertikale Verbringen von Lasten) zur Schaffung einer – im Vergleich zu einem gesunden Menschen – adäquaten Ersatzlage verwiesen werden könne.

[6] Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten , mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung der erstgerichtlichen klagsabweisenden Entscheidung.

[7] Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung , den Rekurs zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[8]Der gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO erhobene Rekursist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) – mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Auch die Zurückweisung solcher Rekurse kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO; RS0043691 ).

[9] 1. Selbst wenn das Berufungsgericht – zu Recht – ausgesprochen hat, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, ist der Rekurs zurückzuweisen, wenn er nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt ( RS0102059 ). Die Beklagte stimmt der Beurteilung des Berufungsgerichts, eine Kombination von Treppenlift und Haushaltshilfe für den vertikalen Transport würde zum Ausgleich der unfallbedingten Nachteile der Klägerin ausreichen, in ihrem Rekurs zu. Damit macht sie die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage nicht geltend. Die Klägerin erhebt insofern keinen Rekurs, sodass diese Rechtsansicht des Berufungsgerichts, nicht zu überprüfen ist.

[10] 2. Auch sonst zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[11]2.1. Aufwendungen zur Deckung vermehrter Bedürfnisse, die ohne den Unfall nicht entstanden wären, sind ein positiver Schaden und daher nach § 1325 ABGB, § 13 Z 3 EKHG zu ersetzen. Diese Aufwendungen sollen jene Nachteile ausgleichen, die durch eine dauernde Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens des Verletzten entstehen. Sie verfolgen das Ziel, die Lebensführung des Verletzten derjenigen eines Gesunden möglichst anzunähern. Auch Kosten eines unfallbedingt erforderlichen behindertengerechten Umbaus einer Wohnstätte sind aus dem Titel vermehrter Bedürfnisse ersatzfähig (RS0030603). Die Aufwendungen müssen zweckmäßig und erforderlich sein und sich im Rahmen des Angemessenen halten, zu bedenken ist dabei auch die Obliegenheit des Geschädigten zur möglichsten Geringhaltung des Schadens ( 2 Ob 10/91 ).

[12] 2.2. Die Beklagte argumentiert, die Klägerin werde ohnehin eine Haushaltshilfe beschäftigen müssen, deren Kosten von der Beklagten zu tragen sein würden, weshalb mit dem Kostenersatz des Treppenlifts jedenfalls das Auslagen gefunden werden könne. Dabei übersieht sie, dass Kosten für das vertikale Verbringen von Lasten, die aufgrund des bereits vorhandenen Außenlifts gar nicht anfallen, auch nicht zu ersetzen sind. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Ersatzfähigkeit der tatsächlich angefallenen Kosten des Außenlifts hänge von einem Vergleich dieser Kosten mit den (fiktiven) Kosten für einen Treppenlift und den (ebenfalls fiktiven) zusätzlichen Kosten einer Haushaltshilfe (nur) für den vertikalen Transport von Lasten ab, ist vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung nicht korrekturbedürftig. Ob tatsächlich (relevante) Mehrkosten für das vertikale Transportieren von Lasten anfielen, ist eine vom Obersten Gerichtshof nicht zu beurteilende Tatfrage.

[13] 3. Der Rekurs war daher zurückzuweisen.

[14]4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfragen verneinte Zulässigkeit des Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RS0123222 [T2, T4]; RS0035976 [T2]). Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen (RS0035979).